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Geschichte von England seit der Thronbesteigung Jakob's des Zweiten. Elfter Band: enthaltend Kapitel 21 und 22.

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Hinrichtung Friend’s und Parkyns’

Nach wenigen Stunden versammelte sich das Volk wieder auf Tyburn, und diesmal wurden die Schaulustigen nicht um ihr Vergnügen gebracht. Sie genossen sogar einen Anblick, den sie nicht erwartet hatten und der größere Sensation erregte als die Hinrichtung selbst. Jeremias Collier und zwei andere minder berühmte eidverweigernde Geistliche, Namens Cook und Snatt, hatten die Gefangenen in Newgate besucht und waren mit in dem Richtkarren am Fuße des Galgens. Als die Gebete vorüber waren, kurz ehe der Henker sein Amt zu verrichten begann, erhoben sich die drei schismatischen Priester und legten ihre Hände auf die Köpfe der beiden Verurtheilten, welche noch auf den Knien lagen. Collier sagte eine aus dem Dienste für Krankenbesuche entlehnte Absolutionsformel her und seine Amtsbrüder sprachen Amen!

Diese Ceremonie rief ein lautes Geschrei hervor, das noch lauter wurde, als einige Stunden nach der Execution die Schriftstücke veröffentlicht wurden, welche die beiden Hochverräther den Sheriffs übergeben hatten. Man hatte erwartet, daß wenigstens Parkyns einige Reue über das Verbrechen, das ihn an den Galgen gebracht, an den Tag legen werde. Hatte er doch vor dem Ausschusse der Gemeinen selbst eingestanden, daß das Mordcomplot nicht zu rechtfertigen sei. In seiner letzten Erklärung aber bekannte er seine Theilnahme an diesem Complot nicht nur ohne ein Wort, das Reue verrathen hätte, sondern sogar mit einer Art von Frohlocken. War das ein Mann, den christliche Priester absolviren durften, dies vor den Augen vieler Tausende und mit einer Feierlichkeit, die offenbar darauf berechnet war, die öffentliche Aufmerksamkeit zu erregen und von der weder im allgemeinen Gebetbuche noch in den Gebräuchen der englischen Kirche eine Spur zu finden war!

In Journalen, Broschüren und Flugblättern wurde die Frechheit der drei Leviten, wie man sie nannte, scharf getadelt. Es wurden bald Verhaftsbefehle gegen sie erlassen. Cook und Snatt wurden ergriffen und ins Gefängniß geworfen; Collier aber gelang es sich zu verbergen, und er ließ mit Hülfe einer der Pressen, welche im Dienste seiner Partei standen, aus seinem Versteck eine Rechtfertigung seines Verfahrens vom Stapel. Er erklärte, daß er den Mord eben so verabscheue, wie irgend einer von Denen, die ihn schmähten, und sein allgemeiner Character berechtigt uns zu dem Glauben, daß diese Erklärung vollkommen aufrichtig war. Aber die übereilte Handlung, zu der er sich durch den Parteigeist hatte hinreißen lassen, lieferte seinen Gegnern sehr plausible Gründe, an seiner Aufrichtigkeit zu zweifeln. Es erschienen eine Menge Antworten auf seine Vertheidigung. Von hervorragender Bedeutung war darunter ein feierliches Manifest, unterzeichnet von den beiden Erzbischöfen und sämmtlichen damals in London anwesenden Bischöfen, zwölf an der Zahl. Selbst Crew von Durham und Sprat von Rochester setzten ihre Namen unter dieses Dokument. Sie verurtheilten das Verfahren der drei eidverweigernden Geistlichen als der Form nach regelwidrig und dem Wesen nach gottlos. Die Sünden unbußfertiger Sünder zu vergeben, sei ein entweihender Mißbrauch der Gewalt, welche Christus seinen Dienern übertragen habe. Es werde nicht geleugnet, daß Parkyns einen Mord beabsichtigt habe. Es werde nicht behauptet, daß er Reue darüber an den Tag gelegt. Daraus ergebe sich die ganz natürliche Folgerung, daß die Geistlichen, die ihn absolvirt hatten, es nicht für eine Sünde hielten, König Wilhelm zu ermorden. Collier replicirte; aber obgleich ein schlagfertiger Polemiker, scheute er doch bei dieser Gelegenheit einen nachdrücklichen Kampf und zog sich so gut er konnte unter einer Wolke von Citaten aus Tertullian, Cyprian und Hieronymus, Albaspinäus und Hammond, dem Concil von Karthago und dem Concil von Toledo vom Kampfplatze zurück. Die öffentliche Meinung war entschieden gegen die drei Absolvirer. Aber die Regierung beschloß wohlweislich, ihnen nicht die Ehre des Märtyrerthums zu Theil werden zu lassen. Die große Jury von Middlesex fand Grund zu einer Anklage gegen sie; aber sie wurden nicht prozessirt. Cook und Snatt wurden nach kurzer Haft in Freiheit gesetzt, und Collier würde eben so mild behandelt worden sein, wenn er eingewilligt hätte, Bürgschaft zu stellen. Aber er hatte sich vorgenommen, nichts zu thun, was als eine Anerkennung der usurpirenden Regierung hätte ausgelegt werden können. Er wurde daher geächtet, und als er nach mehr als dreißig Jahren starb, war seine Acht noch nicht aufgehoben.126

Prozesse Rookwood’s, Cranburne’s und Lowick’s

Parkyns war der letzte Engländer, der nach dem alten Procedursystem wegen Hochverraths gerichtet wurde. Der Erste, der nach dem neuen System prozessirt wurde, war Rookwood. Er wurde von Sir Bartholomäus Shower vertheidigt, der sich unter der vorhergehenden Regierung als ein serviler und herzloser Sykophant eben keine beneidenswerthe Berühmtheit erworben, der von Jakob die Stelle des Recorders von London erhalten, als Holt dieselbe ehrenvollerweise niederlegte, und der, als Recorder, Soldaten wegen Verstößen gegen die militärische Disciplin an den Galgen geschickt hatte. Seine servile Grausamkeit hatte ihm den Beinamen des Menschenjägers verschafft. Shower verdiente mehr als irgend ein Verbrecher von der Indemnitätsacte ausgenommen und der ganzen Strenge der Gesetze überlassen zu werden, die er so schamlos verdreht hatte. Doch er war durch Wilhelm’s Milde verschont worden und hatte diese Milde mit hartnäckiger und hämischer Opposition vergolten.127 Shower wurde ohne Zweifel wegen seiner bekannten Hinneigung zum Jakobitismus bei dieser Gelegenheit als Vertheidiger benutzt. Er erhob einige technische Einwendungen, welche der Gerichtshof verwarf. Die Sache selbst konnte er nicht vertheidigen. Das Verdict der Jury lautete auf Schuldig. Hierauf wurden Cranburne und Lowick prozessirt und ebenfalls schuldig befunden. Sie erlitten mit Rookwood den Tod und damit hatten die Hinrichtungen ein Ende.128

Der Verein

Die Stimmung der Nation war von der Art, daß die Regierung noch viel mehr Blut hätte vergießen können, ohne den Vorwurf der Grausamkeit auf sich zu laden. Die Gesinnung, welche durch die Entdeckung des Complots erweckt worden war, nahm noch mehrere Wochen lang mit jedem Tage zu. Diese Gesinnung benutzten die an der Spitze der Whigpartei stehenden talentvollen Männer mit ausgezeichneter Umsicht. Sie sahen ein, daß die öffentliche Begeisterung, wenn sie sich selbst überlassen bliebe, in Hurrahs, Toasten und Freudenfeuern verrauchen würde, daß sie aber unter einer klugen Leitung das Mittel werden könnte, eine große und nachhaltige Wirkung zu erzeugen. Der Verein, den die Gemeinen gebildet hatten, während ihnen die Rede des Königs noch in den Ohren klang, bot das Mittel dar, um vier Fünftel der Nation zu einem großen Club zur Vertheidigung der Thronfolgeordnung, mit der die kostbarsten Freiheiten des englischen Volks untrennbar verknüpft waren, und zur Einführung eines Testes zu verbinden, welcher Diejenigen, die für jene Thronfolgeordnung begeistert waren, von Denen unterscheiden würde, die sie nur mit Unmuth und Widerstreben acceptirten. Von den fünfhundertdreißig Mitgliedern des Unterhauses unterzeichneten ungefähr vierhundertzwanzig freiwillig das Dokument, welches Wilhelm als rechtmäßigen und gesetzlichen König von England anerkannte. Im Oberhause wurde beantragt, die nämliche Form zu adoptiren; aber die Tories erhoben Einwendungen dagegen. Der stets gewissenhafte und ehrenwerthe, aber engherzige Nottingham erklärte, daß er den Worten „rechtmäßig” und „gesetzlich” nicht beistimmen könne. Er war noch immer der Meinung, der er von Anfang an gewesen war, daß ein Fürst, der die Krone nicht kraft seines Geburtsrechts, sondern als ein Geschenk der Convention trug, von Rechtswegen nicht so genannt werden könne. Wilhelm sei allerdings factischer König und habe als solcher Anspruch auf den Gehorsam der Christen. „Kein Mensch,” sagte Nottingham, „hat Sr. Majestät treuer gedient und wird ihm auch fernerhin treuer dienen als ich. Aber unter dieses Dokument kann ich meinen Namen nicht setzen.” Rochester und Normanby führten eine ähnliche Sprache. Dagegen ermahnte Monmouth die Lords in einer dritthalbstündigen Rede dringend, den Gemeinen beizutreten. Burnet sprach heftig für dieselbe Ansicht. Wharton, dessen Vater unlängst gestorben war und der nunmehr Lord Wharton hieß, stand ebenfalls in der vordersten Reihe der whiggistischen Peers. Am meisten aber zeichnete sich in der Debatte ein Mann aus, dessen öffentliches sowohl als Privatleben eine lange Reihe von Sünden und Unglücksfällen war: der blutschänderische Geliebte Henriette Berkeley’s, der unglückliche Leutnant Monmouth’s. Seit kurzem führte er nicht mehr den befleckten Namen Grey von Wark, sondern hieß jetzt Earl von Tankerville. Er sprach an diesem Tage mit großer Energie und Beredtsamkeit für die Worte „rechtmäßig und gesetzlich.” Leeds übernahm das Amt eines Vermittlers, nachdem er sein Bedauern ausgedrückt, daß eine Frage über eine bloße Phrase unter Edelleuten, welche alle dem regierenden Souverain mit gleicher Treue ergeben seien, Uneinigkeit hervorgerufen habe. Er schlug vor, daß Ihre Lordschaften, anstatt Wilhelm als rechtmäßigen und gesetzlichen König anzuerkennen, erklären sollten, er habe das gesetzliche Recht auf die englische Krone und kein Andrer habe irgend ein Recht auf diese Krone. Sonderbarerweise waren fast alle Tories durch den Vorschlag Leeds’ vollkommen befriedigt. Die Whigs jedoch waren zum Theil nicht geneigt, in eine Veränderung zu willigen, die trotz ihrer Geringfügigkeit zu dem Glauben Anlaß geben konnte, daß über einen Gegenstand von hoher Wichtigkeit zwischen beiden Häusern eine Meinungsverschiedenheit stattfinde. Aber Devonshire und Portland erklärten sich zufrieden, ihre Autorität drang durch, und die Aenderung wurde vorgenommen. In wiefern ein rechtmäßiger und gesetzlicher Besitzer sich von einem Besitzer unterscheidet, der nach dem Gesetz das ausschließliche Recht hat, ist eine Frage, die ein Whig ohne irgend ein peinliches Gefühl von Beschämung als über seinen Horizont gehend bezeichnen und deren Erörterung er den Hochkirchlichen überlassen kann. Dreiundachtzig Peers setzten auf der Stelle ihre Namen unter die amendirte Associationsformel, und Rochester war unter ihnen. Nottingham, noch nicht ganz befriedigt, bat um Bedenkzeit.129

 

Außerhalb der Mauern des Parlaments kümmerte man sich nicht um diese Wortklaubereien. Die Ausdrucksweise des Hauses der Gemeinen wurde vom ganzen Lande adoptirt. Die City von London ging voran. Binnen sechsunddreißig Stunden, nachdem die Vereinsurkunde auf Anordnung des Sprechers bekannt gemacht worden war, wurde sie von dem Lordmayor, den Aldermen und fast allen Mitgliedern des Gemeinderaths unterzeichnet. Diesem Beispiele folgten die Municipalcorporationen des ganzen Königreichs. Die Frühjahrsassisen begannen eben, und in jeder Grafschaftsstadt unterschrieben die Mitglieder der großen Jury und die Friedensrichter ihre Namen. Bald kamen Krämer, Handwerker, Freisassen, Pächter und Landwirthe zu Tausenden an die Tische, auf denen die Pergamente auslagen. Westminster zählte siebenunddreißigtausend Vereinsmitglieder, die Towerortschaften achttausend, Southwark achtzehntausend. Die Landbezirke von Surrey lieferten siebzehntausend. In Ipswich unterzeichneten sämmtliche Wahlbürger bis auf zwei. In Warwick unterschrieben alle männlichen Einwohner, die das sechzehnte Jahr erreicht hatten, mit Ausnahme von zwei Papisten und zwei Quäkern. In Taunton, wo die blutigen Assisen noch in frischem Andenken waren, erklärte jeder des Schreibens Kundige seinen Anschluß an die Regierung. Alle Kirchen und Bethäuser der Stadt waren in einem Maße wie noch nie mit Leuten gefüllt, welche kamen um Gott für die Erhaltung des Mannes zu danken, den sie liebevoll Wilhelm den Befreier nannten. Von allen Grafschaften England’s war Lancashire die jakobitischeste. Gleichwohl lieferte Lancashire funfzigtausend Unterschriften. Von allen großen Städten England’s war Norwich die jakobitischeste. Die Magistratspersonen dieser Stadt galten für Freunde der exilirten Dynastie. Die Eidverweigerer waren zahlreich und hatten kurz vor der Entdeckung des Complots ungewöhnlich guten Muths geschienen und hatten sich ungewöhnlich viele Freiheiten herauszunehmen gewagt. Einer der vornehmsten Geistlichen des Schismas hatte daselbst eine Predigt gehalten, welche zu einem sonderbaren Verdacht Anlaß gab. Er hatte zum Text den Vers gewählt, in welchem der Prophet Jeremias verkündigt, daß der Tag der Rache gekommen sei, daß das Schwert trunken sein werde von Blut, daß der Herr der Heerschaaren ein Schlachtopfer haben werde im Lande gegen Mitternacht am Flusse Euphrat. Ganz kurz darauf erfuhr man, daß zur Zeit als diese Rede gehalten wurde, wirklich unter Barclay’s und Parkyns’ Leitung Schwerter geschliffen wurden zu einem blutigen Opfer am nördlichen Ufer der Themse. Der Unwille des gemeinen Volks von Norwich war nicht zu halten. Obgleich durch die Municipalbehörden eingeschüchtert, kam es in Masse herbei, um Wilhelm, dem rechtmäßigen und gesetzlichen Könige, Treue zu schwören. In Norfolk belief sich die Zahl der Unterschriften auf achtundvierzigtausend, in Suffolk auf siebzigtausend. Ueber fünfhundert Listen gingen aus allen Theilen England’s nach London. Die Anzahl der Namen, welche siebenundzwanzig von diesen Listen enthielten, betrug nach der London Gazette dreihundertvierzehntausend. Rechnet man die größtmögliche Zahl für betrügerische Angaben ab, so scheint doch soviel gewiß, daß der Verein die große Mehrheit der erwachsenen männlichen Bewohner England’s, die ihren Namen schreiben konnten, umfaßte. Die Fluth des Volksgefühls ging so hoch, daß Jemand, von dem man wußte, daß er nicht unterschrieben hatte, ernste Gefahr lief, öffentlich insultirt zu werden. An vielen Orten zeigte sich Niemand ohne ein rothes Band am Hute, worauf die Worte gestickt waren: General Association for King William. Einmal hatte ein Trupp Jakobiten die Dreistigkeit, in einer Straße London’s mit einer sinnbildlichen Devise zu paradiren, die ihre Verachtung des neuen feierlichen League und Covenant anzudeuten schien. Sie wurden augenblicklich durch den Pöbel auseinandergetrieben und ihre Anführer weidlich untergetaucht. Die Begeisterung verbreitete sich nach entlegenen Inseln, nach ausländischen Factoreien, nach entfernten Colonien. Die Association wurde unterzeichnet von den rauhen Fischern der Scilly Rocks, von den englischen Kaufleuten in Malaga, von den englischen Kaufleuten in Genua, von den Bürgern Newyork’s, von den Tabakpflanzern Virginien’s und von den Zuckerpflanzern auf Barbados.130

Durch den Erfolg kühn gemacht, wagten die Whighäupter noch einen Schritt weiter zu gehen. Sie brachten eine Bill zur Sicherung der Person und Regierung des Königs im Unterhause ein. Durch diese Bill wurde verordnet, daß Jeder, der während der Dauer des Kriegs ohne königliche Erlaubniß aus Frankreich nach England käme, den auf Hochverrath gesetzten Strafen verfallen, daß die Suspension der Habeascorpusacte bis zu Ende des Jahres 1696 fortdauern und daß alle von Wilhelm ernannten Beamten im Fall seines Ablebens ihre Stellen so lange behalten sollten, bis es seinem Nachfolger gefallen würde, sie zu entlassen. Die vom Hause der Gemeinen angenommene Associationsformel wurde feierlich bestätigt, und es wurde bestimmt, daß Niemand, der sie nicht unterzeichnete, einen Sitz in diesem Hause einnehmen oder ein bürgerliches oder militärisches Amt bekleiden sollte. Den Lords wurde gestattet, sich ihrer eigenen Formel zu bedienen, und über den Klerus wurde nichts gesagt.

Die Tories, mit Finch und Seymour an ihrer Spitze, beschwerten sich bitter über diesen neuen Test und wagten es einmal abstimmen zu lassen, wurden aber geschlagen. Finch scheint geduldig angehört worden zu sein; die verächtliche Art und Weise aber, in der Seymour von der Association sprach, erregte trotz aller Beredtsamkeit einen Sturm, dem er nicht Stand zu halten vermochte. Der laute Ruf: „der Tower! der Tower!” wurde vielfach gehört. Trotz seines hochmüthigen und gebieterischen Wesens war er gezwungen, seine Worte hinwegzuerklären, und er konnte durch Entschuldigungen, an die er wenig gewohnt war, kaum der Demüthigung entgehen, vor die Schranke gerufen zu werden und kniend einen Verweis zu erhalten. Die Bill wurde den Lords zugesandt und trotz der Opposition Rochester’s und Nottingham’s rasch angenommen.131

Bill zur Regulirung der Wahlen

Die Natur und der Umfang der Veränderung, welche die Entdeckung des Mordcomplots in der Stimmung des Hauses der Gemeinen und der Nation hervorgebracht hatte, wird durch die Geschichte einer Bill, betitelt: eine Bill zur ferneren Regulirung der Wahlen der Parlamentsmitglieder, treffend characterisirt. Die Geldmacht war fast durchgängig whiggistisch und daher ein Gegenstand der Abneigung für die Tories. Das rasche Wachsthum dieser Macht wurde von den Landeigenthümern, mochten sie Whigs oder Tories sein, mit neidischen Blicken betrachtet. Es war etwas Neues und Unerhörtes, einen Kaufmann aus Lombard Street, den kein Band an den Boden unsrer Insel fesselte und dessen Vermögen durchaus persönlich und beweglich war, mit einem Koffer voll Guineen nach Devonshire oder Sussex reisen, einem benachbarten Landgentleman gegenüber, dessen Vorfahren seit den Kriegen der Rosen stets gewählt worden waren, als Candidat für einen Burgflecken auftreten und an der Spitze der Wahlliste zurückkehren zu sehen. Und dies war noch nicht das Schlimmste. Mehr als ein Sitz im Parlament war angeblich bei einer Tasse Kaffee bei Garraway gekauft und verkauft worden. Man hatte von dem Käufer nicht einmal die Beobachtung der Formalität verlangt, sich den Wählern zu zeigen. Ohne sein Comptoir in Cheapside verlassen zu haben, war er zum Vertreter eines Ortes gewählt worden, den er in seinem Leben nicht gesehen. Solche Dinge waren unerträglich. Niemand, sagte man, solle einen Sitz in der englischen Legislatur einnehmen, der nicht einige hundert Acker englischen Grund und Bodens sein nenne.132 Es wurde demgemäß eine Bill eingebracht, welche bestimmte, daß jedes Mitglied des Hauses der Gemeinen ein gewisses Grundeigenthum besitzen müsse. Für einen Grafschaftsritter war die Qualification auf fünfhundert Pfund, für den Vertreter eines Burgfleckens auf zweihundert Pfund jährlicher Grundrente festgesetzt. Anfang Februar wurde diese Bill zum zweiten Male gelesen und einem gewählten Ausschusse überwiesen. Es wurde beantragt, daß der Ausschuß angewiesen werden solle, eine Klausel einzuschalten, welche anordne, daß alle Wahlen vermittelst Stimmzetteln stattfinden sollten. Ob dieser Antrag von einem Whig oder einem Tory ausging, durch welche Argumente er unterstützt und auf welche Gründe hin er bekämpft wurde, können wir jetzt nicht mehr ermitteln. Wir wissen nur, daß er ohne Abstimmung verworfen wurde.

Bevor die Bill aus dem Ausschusse zurückkam, hatten einige der achtungswerthesten Wahlkörper des Königreichs ihre Stimmen gegen die neue Beschränkung erhoben, der sie unterworfen werden sollten. Es hatte im allgemeinen wenig Sympathie zwischen den Handelsstädten und den Universitätsstädten geherrscht. Denn die Handelsstädte waren die Hauptsitze des Whiggismus und der Nonconformität, die Universitäten aber waren eifrige Anhänger der Krone und der Kirche. Jetzt aber machten Oxford und Cambridge gemeinschaftliche Sache mit London und Bristol. Es sei hart, sagten die Akademiker, daß ein ernster und gelehrter Mann, der von einer zahlreichen Corporation ernster und gelehrter Männer in den Großen Rath der Nation gesandt würde, für weniger geeignet erachtet werden sollte, in diesem Rathe zu sitzen als ein roher Mensch, der kaum so viel wissenschaftliche Bildung besitze, um auf das privilegium clericale Anspruch zu haben. Es sei hart, sagten dagegen die Kaufleute, anzunehmen, daß ein Handelsfürst, der die erste Magistratsperson der ersten Stadt der Welt gewesen sei, dessen Name auf der Rückseite eines Wechsels in Smyrna und in Genua, in Hamburg und in Amsterdam unbedingtes Vertrauen erwecke, der Schiffe zur See habe, von denen jedes so viel werth sei als ein Rittergut, und der in Zeiten wo die Freiheit und Religion des Königreichs in Gefahr waren, zu wiederholten Malen der Regierung binnen einer Stunde fünf- oder zehntausend Pfund vorgestreckt habe, bei dem Gedeihen des Staates weniger interessirt sei als ein Squire, der seine Ochsen und seinen Hopfen in dem nächsten Marktflecken bei einem Kruge Ale verkaufte. Bei der Berichterstattung wurde beantragt, daß die Universitäten ausgenommen werden sollten, aber der Antrag wurde mit hunderteinundfunfzig gegen hundertdreiundvierzig Stimmen verworfen. Bei der dritten Lesung wurde beantragt, daß die City von London ausgenommen sein sollte; aber man hielt es nicht für rathsam, abstimmen zu lassen. Die Schlußfrage, ob die Bill angenommen sei, wurde an dem Tage vor der Entdeckung des Mordcomplots mit hundertdreiundsiebzig gegen hundertfunfzig Stimmen bejaht. Die Lords traten der Bill ohne Amendement bei.

 

Wilhelm hatte nun zu erwägen, ob er seine Genehmigung ertheilen sollte oder nicht. Die Handelsstädte des Reichs, darunter auch die City von London, welche stets treu zu ihm gehalten und ihn schon oft aus großen Verlegenheiten gerissen hatten, baten ihn um seinen Schutz. Man stellte ihm vor, daß die Gemeinen thatsächlich weit davon entfernt seien, in diesem Punkte eines Sinnes zu sein, daß bei der letzten Lesung die Majorität in einem vollen Hause nur dreiundzwanzig Stimmen betragen habe und daß der Antrag, die Universitäten auszunehmen, mit einer Majorität von nur acht Stimmen verworfen worden sei. Nach reiflicher Ueberlegung beschloß er die Bill nicht zu genehmigen. Niemand, sagte er, könne ihn beschuldigen, bei dieser Gelegenheit selbstsüchtig gehandelt zu haben; seine Prärogative sei bei der Sache nicht betheiligt, und er habe gegen das vorgeschlagene Gesetz weiter nichts einzuwenden, als daß es seinem Volke nachtheilig sein würde.

Am 10. April 1696, erhielt daher der Sekretär des Parlaments Befehl, den Häusern mitzutheilen, daß der König sich die Bill zur weiteren Regulirung der Wahlen überlegen wolle. Einige heftige Tories im Hause der Gemeinen schmeichelten sich, daß es ihnen gelingen werde, einen den König tadelnden Beschluß durchzubringen. Sie stellten den Antrag, daß Derjenige, der Sr. Majestät gerathen habe, ihrer Bill seine Genehmigung zu verweigern, für einen Feind des Königs und der Nation erklärt werden solle. Einen ärgeren Mißgriff konnte es nicht geben. Die Stimmung des Hauses war eine ganz andre als an dem Tage, wo die Adresse gegen Portland’s Schenkung durch Acclamation votirt worden war. Die Entdeckung einer mörderischen Verschwörung, die Besorgniß einer französischen Invasion hatten Alles verändert. Der König war populär. Jeden Tag wurden ihm zehn bis zwölf Pergamentstöße mit den Unterschriften von Vereinsmitgliedern zu Füßen gelegt. Nichts konnte unkluger sein, als in einem solchen Augenblicke ein dünn verschleiertes Tadelsvotum gegen ihn zu beantragen. Die gemäßigten Tories trennten sich daher von ihren aufgebrachten und unverständigen Gesinnungsgenossen. Der Antrag wurde mit zweihundertneunzehn gegen siebzig Stimmen verworfen und das Haus ordnete die öffentliche Bekanntmachung der Frage und der beiderseitigen Stimmen an, damit die Welt erfahren solle, wie vollständig der Versuch, Uneinigkeit zwischen dem Könige und dem Parlamente hervorzurufen, gescheitert war.133

126L’Hermitage, 7. (17.) April 1696. Die Erklärung der Bischöfe, Collier’s Vertheidigung und fernere Vertheidigung und eine lange juristische Argumentation für Cook und Snatt findet man in der Collection of State Trials.
127Siehe den Manhunter, 1690.
128State Trials.
129Den besten und überhaupt einzigen guten Bericht über diese Debatten giebt L’Hermitage unterm 28. Februar (9. März) 1696. Er sagt sehr wahr: „La différence n’est qu’une dispute de mots, le droit qu’on a à une chose selon les loix estant aussy bon qu’il puisse estre.”
130Siehe die London Gazette von mehreren Wochen; L’Hermitage, 17. (27.) März, 14. (24.) April 1696; Postman vom 9. 25. 30. April.
131Protokolle der Gemeinen und der Lords; L’Hermitage; 7. (17.), 10. (20.) April 1696.
132Siehe The Freeholder’s Plea against Stockjobbing Elections of Parliament Men, und die Considerations upon Corrupt Elections of Members to serve in Parliament. Beide Flugschriften erschienen im Jahre 1701.
133Die Geschichte dieser Bill ist aus den Protokollen der Gemeinen und aus einer höchst interessanten Depesche L’Hermitage’s vom 14. (24.) April 1696 zu ersehen.