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Geschichte von England seit der Thronbesteigung Jakob's des Zweiten. Elfter Band: enthaltend Kapitel 21 und 22.

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Berwick’s Complot scheitert

Während Barclay alle seine Anstalten zur Ermordung traf, bemühte sich Berwick, die jakobitische Aristokratie zur bewaffneten Erhebung zu überreden. Dies war jedoch keine leichte Aufgabe. Es wurden mehrere Berathungen gehalten und es fand eine große Musterung der Partei unter dem Vorwande einer Maskerade statt, zu welcher Billets zu einer Guinee das Stück unter die Eingeweihten vertheilt wurden.106 Alles lief jedoch auf Reden, Singen und Trinken hinaus. Viele angesehene und wohlhabende Männer erklärten zwar, daß sie das Schwert für ihren rechtmäßigen Souverain ziehen würden, sobald ihr rechtmäßiger Souverain mit einer französischen Armee auf der Insel erschiene, und Berwick war ermächtigt worden, ihnen zu versichern, daß eine französische Armee geschickt werden solle, sobald sie das Schwert gezogen haben würden. Aber zwischen dem was sie verlangten und dem was er zuzusagen ermächtigt war, bestand eine Differenz, die keinen Vergleich gestattete. Ludwig wollte in seiner damaligen Lage nicht elf- bis zwölftausend Soldaten auf bloße Versprechungen hin opfern. Aehnliche Versprechungen waren schon 1690 gemacht worden, und doch hatten sich, als die Flotte Tourville’s an der Küste von Devonshire erschienen war, die westlichen Grafschaften wie ein Mann zur Vertheidigung der Regierung erhoben, und nicht ein einziger Mißvergnügter hatte auch nur einen Laut zu Gunsten der Angreifer zu äußern gewagt. Aehnliche Versprechungen waren auch 1692 gemacht worden, und dem Vertrauen, das man in diese Versprechungen gesetzt hatte, mußte die große Niederlage von La Hogue zugeschrieben werden. Zum dritten Male wollte sich der König von Frankreich nicht täuschen lassen. Er wollte den englischen Royalisten sehr gern helfen, aber er wollte erst sehen, daß sie sich selbst halfen. Dies hatte guten Grund, aber was die Jakobiten auf der andren Seite geltend machten, hatte ebenfalls guten Grund. Wenn sie, sagten sie, ohne ein einziges disciplinirtes Regiment zur Seite zu haben, sich gegen einen durch eine reguläre Armee unterstützten Usurpator erhöben, so würden sie Alle in Stücken gehauen sein, bevor die Nachricht von ihrer Erhebung nach Versailles gelangte. Da Berwick keine Hoffnung machen konnte, daß eine Invasion erfolgen würde, bevor eine Insurrection stattfand, und da der Entschluß seiner englischen Freunde, keine Insurrection zu veranlassen, bevor eine Invasion stattfand, unerschütterlich war, so hatte er hier nichts mehr zu thun und sehnte sich danach wieder abzureisen.

Er sehnte sich um so mehr nach der Abreise, als der 15. Februar herannahte. Denn er stand in fortwährender Communication mit Barclay und war genau von allen Details des Verbrechens unterrichtet, das an diesem Tage verübt werden sollte. Er galt im allgemeinen für einen Mann von starrer und selbst unfreundlicher Rechtschaffenheit. Aber sein Sinn für Recht und Unrecht war durch seinen Eifer für die Interessen seiner Familie und durch seinen Respect vor den Lehren seiner Priester dergestalt verwirrt worden, daß er, wie er selbst offen bekannt hat, sich nicht verpflichtet glaubte, die Mörder von der Ausführung ihres Vorhabens abzubringen. Er hatte in der That nur ein Bedenken gegen den Plan, und dieses Bedenken behielt er für sich. Es bestand einfach darin, daß alle Betheiligten sehr wahrscheinlich gehängt werden würden. Das war jedoch ihre Sache, und wenn sie Lust hatten, sich für die gute Sache einer solchen Gefahr auszusetzen, so stand es ihm nicht zu, ihnen davon abzurathen. Seine Mission war von der ihrigen völlig gesondert; er sollte nicht im Verein mit ihnen handeln, und er war daher auch nicht geneigt, mit ihnen zu leiden. Demgemäß eilte er zurück nach dem Romney Moor und setzte nach Calais über.107

In Calais fand er Vorbereitungen zu einer Landung in Kent im Werke. Die Stadt war mit Truppen, der Hafen mit Transportschiffen angefüllt. Boufflers hatte Befehl erhalten, sich aus Flandern dahin zu begeben und das Commando zu übernehmen. Jakob selbst wurde täglich erwartet. Er war in der That bereits von Saint-Germains abgereist. Doch Berwick wollte nicht warten. Er schlug die Straße nach Paris ein, traf in Clermont mit seinem Vater zusammen und erstattete ihm ausführlichen Bericht über die Lage der Dinge in England. Seine Sendung, sagte er, sei gescheitert. Die royalistische Noblesse und Gentry seien entschlossen, sich nicht eher zu erheben, als bis eine französische Armee auf der Insel ankäme. Es sei indeß noch eine Hoffnung: binnen wenigen Tagen werde wahrscheinlich die Nachricht eintreffen, daß der Usurpator nicht mehr sei, und diese Nachricht werde die ganze Gestalt der Dinge ändern. Jakob beschloß, sich nach Calais zu begeben und dort den Ausgang von Barclay’s Complot zu erwarten. Berwick eilte nach Versailles zurück, um Ludwig von Allem genau zu unterrichten. Welcher Art seine Mittheilungen waren, ersehen wir aus Berwick’s eigner Erzählung. Er sagte dem Könige von Frankreich geradezu, daß eine kleine Schaar loyaler Männer demnächst ein Attentat auf das Leben des großen Feindes Frankreich’s machen werde. Die nächste Post könne die Meldung eines Ereignisses bringen, die wahrscheinlich die englische Regierung stürzen und die europäische Coalition auflösen werde. Man hätte denken sollen, daß ein Fürst, der den Character eines frommen Christen und eines hochsinnigen Cavaliers so prunkend zur Schau trug, augenblicklich Maßregeln ergriffen haben würde, um seinem Rivalen einen warnenden Wink zu geben, der vielleicht noch zur rechten Zeit kam, und daß er die Gäste, die seine Gastfreundschaft so gröblich mißbrauchten, scharf tadeln würde. Doch Ludwig that nichts von dem Allen. Wäre er um seine Einwilligung zu einem Morde angegangen worden, so würde er sie wahrscheinlich mit Entrüstung verweigert haben. Die Mittheilung aber, daß ohne seine Einwilligung wahrscheinlich ein Verbrechen begangen werden würde, daß seinen Interessen weit förderlicher sein mußte als zehn solcher Siege wie der von Landen, erregte keineswegs seinen Unwillen. Er schickte den Befehl nach Calais, daß seine Flotte in Bereitschaft gehalten werden solle, damit er im Stande sei, aus der großen Krisis, die er erwartete, Nutzen zu ziehen. Inzwischen erwartete Jakob in Calais mit noch größerer Ungeduld das Zeichen, daß sein Neffe nicht mehr war. Dieses Zeichen sollte durch ein Feuer gegeben werden, zu dem das Holz bereits auf den Klippen von Kent zusammengetragen wurde und das über dem Kanal sichtbar sein sollte.108

Entdeckung des Mordanschlags

Doch über Verschwörungen wie die Barclay’s und Charnock’s hat bei uns zu Lande immer ein eignes Verhängniß geschwebt. Die Engländer betrachten den Meuchelmord mit einem ihnen eigenen Widerwillen und haben ihn seit mehreren Jahrhunderten stets so betrachtet. Dieses Gefühl ist in der That so specifisch englisch, daß es selbst heute noch nicht irisch genannt werden kann und bis vor Kurzem auch nicht schottisch war. In Irland wird der Schurke, der aus einem Hinterhalte auf seinen Feind schießt, noch jetzt nur zu oft durch die öffentliche Sympathie gegen die Gerechtigkeit in Schutz genommen. In Schottland wurden Mordpläne während des 16. und 17. Jahrhunderts nicht selten glücklich ausgeführt, obgleich eine Menge Leute darum wußten. Die Ermordungen Beaton’s, Rizzio’s, Darnley’s, Murray’s und Sharpe’s sind sprechende Beispiele. Die Royalisten, welche Lisle in der Schweiz ermordeten, waren Irländer; die Royalisten, welche Ascham in Madrid ermordeten, waren Irländer; die Royalisten, welche Dorislaus im Haag ermordeten, waren Schotten. Sobald in England ein solcher Plan aufhört, ein in den Falten eines unzufriedenen und verderbten Herzens verborgenes Geheimniß zu sein, ist die Gefahr der Entdeckung und des Scheiterns sehr groß. Felton und Bellingham vertrauten sich keinem menschlichen Wesen an, und sie waren daher im Stande, ihr böses Vorhaben auszuführen. Aber Babington’s Verschwörung gegen Elisabeth, Fawke’s Verschwörung gegen Jakob, Gerard’s Verschwörung gegen Cromwell, das Ryehousecomplot, die Verschwörung von Cato Street wurden alle entdeckt, vereitelt und bestraft. Einer solchen Verschwörung droht bei uns in der That gleich große Gefahr von Seiten der guten wie der schlechten Eigenschaften der Verschwörer. Ein Engländer, der nicht ohne alles Gewissen und Ehrgefühl ist, wird sich schwerlich in ein Complot zur Ermordung eines nichtsahnenden Mitmenschen einlassen; und ein Schurke, der weder Gewissen noch Ehrgefühl hat, wird sehr wahrscheinlich viel über die Gefahr, der er ausgesetzt ist, wenn er seinen Genossen treu bleibt, und über die Belohnung nachdenken, die er zu erwarten hat, wenn er sie verräth. Allerdings giebt es auch Menschen, in denen der religiöse oder politische Fanatismus jedes moralische Gefühl in einem gewissen Punkte erstickt, im allgemeinen aber dieses Gefühl unversehrt gelassen hat. Ein solcher Mensch war Digby. Er trug kein Bedenken, König, Lords und Gemeinen in die Luft zu sprengen. Seinen Mitschuldigen aber war er gewissenhaft und ritterlich treu, und selbst die Furcht vor der Folter vermochte nicht ihm ein Wort auszupressen, das ihnen hätte nachtheilig werden können. Doch diese Vereinigung von Schlechtigkeit und Heroismus ist höchst selten. Die große Mehrzahl der Menschen ist nicht verderbt genug oder nicht tugendhaft genug, um treue und aufopfernde Mitglieder verrätherischer und blutiger Bündnisse zu sein, und wenn ein einziges Mitglied entweder nicht die nöthige Schlechtigkeit oder nicht die nöthige Tugend besitzt, so ist das ganze Bündniß in Gefahr. Einen Verein von vierzig Engländern zusammenzubringen, die sämmtlich gefühllose Kehlabschneider und dabei doch so rechtschaffen und hochherzig sind, daß weder die Hoffnung auf Reichthum noch die Furcht vor dem Galgen Einen von ihnen verleiten könnte, gegen die Uebrigen falsch zu sein, ist bisher unmöglich gewesen und wird es hoffentlich immer bleiben.

 

Es befanden sich unter Barclay’s Anhängern Leute, die zu schlecht, und Leute, die zu gut waren, als daß man ihnen ein Geheimniß wie das seinige hätte anvertrauen können. Der Erste, dem der Muth sank, war Fisher. Schon ehe noch Zeit und Ort des Verbrechens festgesetzt waren, suchte er um eine Audienz bei Portland nach und theilte diesem Lord mit, daß ein Anschlag auf das Leben des Königs im Werke sei. Einige Tage darauf brachte Fisher noch genauere Nachrichten. Doch sein Ruf war nicht von der Art, daß seine Aussagen besonderen Glauben verdient hätten, und die Schurkereien Fuller’s, Young’s, Whitney’s und Taafe’s hatten verständige Männer etwas ungläubig gegen Verschwörungsgeschichten gemacht. Portland scheint daher, obgleich er in der Regel sehr leicht zu beunruhigen war, wo es sich um das Wohl und Wehe seines Gebieters und Freundes handelte, wenig Gewicht auf die Sache gelegt zu haben. Am Abend des 14. Februars aber erhielt er einen Besuch von Jemandem, dessen Aussage er nicht leicht nehmen konnte. Dies war ein katholischer Gentleman von anerkanntem Muthe und ehrenhafter Gesinnung, Namens Pendergraß. Er war den Tag vorher aus Hampshire in die Stadt gekommen in Folge einer dringenden Einladung von Porter, der bei aller seiner Sittenlosigkeit und Characterlosigkeit Pendergraß stets der liebevollste Freund, ja fast ein Vater gewesen war. Bei einem jakobitischen Aufstande würde Pendergraß wahrscheinlich einer der Ersten gewesen sein. Aber mit Entsetzen vernahm er, daß man von ihm die Betheiligung an einer abscheulichen und schimpflichen That erwartete. Er sah sich in einer von den Lagen, welche für edle und gefühlvolle Naturen am quälendsten sind. Was sollte er thun? Sollte er einen Mord begehen? Sollte er einen Mord geschehen lassen, den er verhindern konnte? Doch sollte er einen Mann verrathen, der, wie strafbar er auch sein mochte, ihn stets mit Wohlthaten überhäuft hatte? War es nicht vielleicht möglich, Wilhelm zu retten, ohne Porter zu schaden? Pendergraß beschloß, den Versuch zu machen. „Mylord,” sagte er zu Portland, „wenn Ihnen das Leben des Königs Wilhelm lieb ist, so lassen Sie ihn morgen nicht zur Jagd fahren. Er ist der Feind meiner Religion; aber meine Religion gebietet mir, ihm diesen Wink zu geben. Die Namen der Verbrecher bin ich jedoch entschlossen zu verschweigen; einige von ihnen sind meine Freunde, einer insbesondere ist mein Wohlthäter, und ich mag sie nicht verrathen.”

Portland begab sich sogleich zum Könige; dieser aber nahm die Mittheilung sehr kalt auf und schien entschlossen, sich durch eine solche müßige Geschichte nicht das Vergnügen eines guten Jagdtages verderben zu lassen. Portland demonstrirte und bat vergebens. Endlich sah er sich gezwungen, die Drohung auszusprechen, daß er die ganze Geschichte auf der Stelle öffentlich bekannt machen würde, wenn Se. Majestät nicht einwilligte, den folgenden Tag zu Hause zu bleiben; und diese Drohung wirkte.109

Sonnabend der 15. erschien. Die Vierzig waren bereit zu Pferde zu steigen, als sie von den Ordonnanzen, welche Kensington House bewachten, die Meldung erhielten, daß der König diesen Morgen nicht auf die Jagd zu gehen gedenke. „Der Fuchs,” sagte Chambers mit rachsüchtiger Bitterkeit, „bleibt in seinem Baue.” Dann öffnete er sein Hemd, zeigte die große Narbe auf seiner Brust und gelobte Wilhelm Rache.

Der erste Gedanke der Verschwörer war, daß ihr Vorhaben entdeckt sei. Aber sie wurden bald darüber beruhigt. Es wurde ausgesprengt, das Wetter habe den König zu Hause zurückgehalten, und der Tag war in der That kalt und stürmisch. Es zeigte sich keine ungewöhnliche Bewegung im Palaste. Es wurden keine außerordentlichen Vorsichtsmaßregeln getroffen. Es fanden keine Verhaftungen statt. Man hörte in den Kaffeehäusern kein ominöses Geflüster. Die Verzögerung war unangenehm, aber im Grunde war der nächste Sonnabend, der 22., eben so gut.

Ehe jedoch der nächste Sonnabend herankam, war ein dritter Angeber, De la Rue, im Palaste erschienen. Sein Lebenswandel verlieh ihm zwar keinen großen Anspruch auf Achtung; aber seine Erzählung stimmte mit den Angaben Fisher’s und Pendergraß’ so genau überein, daß selbst Wilhelm an eine wirkliche Gefahr zu glauben begann.

Sehr spät am Freitagabend, dem 21., wurde Pendergraß, der bis jetzt noch viel weniger enthüllt hatte, als die beiden anderen Angeber, dessen einfaches Wort aber mehr werth war als Beider Eide zusammengenommen, ins königliche Cabinet beschieden. Der treue Portland und der tapfere Cutts waren die einzigen Zeugen der sonderbaren Unterredung zwischen dem Könige und seinem hochherzigen Feinde. Wilhelm drang mit einer Artigkeit und Lebhaftigkeit, die er selten zeigte, aber niemals anwendete, ohne damit einen tiefen Eindruck zu machen, in Pendergraß, sich offen auszusprechen. „Sie sind ein Mann von wahrer Rechtschaffenheit und Ehre, und ich bin Ihnen zu großem Danke verpflichtet; aber Sie müssen einsehen, daß die nämlichen Betrachtungen, die Sie bewogen haben, uns so viel zu sagen, Sie bestimmen sollten, uns noch mehr zu sagen. Die warnenden Winke, die Sie bis jetzt gegeben haben, sind nur geeignet, mich gegen Jeden, der in meine Nähe kommt, mißtrauisch zu machen. Sie sind hinreichend, mir das Leben zu verbittern, nicht aber es mir zu erhalten. Sie müssen mir die Namen dieser Leute nennen.” Ueber eine halbe Stunde fuhr der König fort zu bitten, Pendergraß, sich zu weigern. Endlich sagte Pendergraß, daß er die verlangten Aufschlüsse geben wolle, wenn man ihm die Zusicherung gebe, daß sie nur zur Verhinderung des Verbrechens und nicht zum Verderben der Verbrecher benutzt werden sollten. „Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort,” sagte Wilhelm, „daß Ihre Aussage gegen Niemanden ohne Ihre freie Zustimmung benutzt werden wird.” Es war längst Mitternacht vorüber, als Pendergraß die Namen der Hauptverschwörer aufschrieb.

Während dies in Kensington geschah, schwelgte ein großer Theil der Mörder in einem jakobitischen Wirthshause in Maiden Lane. Hier empfingen sie ihre letzten Befehle für den folgenden Tag. „Morgen oder nie,” sagte King. „Morgen Kinder,” rief Cassels mit einem Fluche, „wollen wir reine Wirthschaft machen.” Der Morgen kam. Alles war bereit; die Pferde waren gesattelt, die Pistolen geladen, die Degen geschliffen, die Ordonnanzen auf ihrem Posten. Letztere schickten frühzeitig die Meldung aus dem Palaste, daß der König gewiß auf die Jagd fahre; alle gewöhnlichen Anstalten seien getroffen, eine Abtheilung Garden sei über Kingston Bridge nach Richmond geschickt worden; die königlichen Wagen, jeder mit sechs Pferden bespannt, seien aus den Ställen von Charing Croß nach Kensington abgegangen. Die Hauptmörder versammelten sich in der heitersten Stimmung in Porter’s Wohnung. Pendergraß, der auf Befehl des Königs ebenfalls in ihrer Mitte erschien, wurde mit wildem Jubel empfangen. „Pendergraß,” sagte Porter, „Sie sind zu einem der Acht ernannt, die ihn hinüber befördern sollen. Ich habe ein Musketon für Sie, das acht Kugeln hält.” – „Mr. Pendergraß,” sagte King, „bitte, scheuen Sie sich nicht, die Glasscheiben zu zertrümmern.” Von Porter’s Wohnung begab sich die Gesellschaft nach den „Blue Posts” in Spring Gardens, wo sie einige Erfrischungen einzunehmen gedachte, bevor sie nach Turnham Green aufbrach. Sie saßen bei Tische, als von einer der Ordonnanzen die Meldung kam, daß der König sich anders besonnen habe und nicht auf die Jagd fahren werde; und kaum hatten sie sich von ihrem Erstaunen über diese unheilverkündende Botschaft erholt, als Keyes, der ausgegangen war, um unter seinen ehemaligen Kameraden zu recognosciren, mit noch unheilverkündenderen Nachrichten ankam, „Die Wagen sind nach Charing Croß zurückgekehrt. Die nach Richmond vorausgeschickten Garden sind so eben im gestreckten Galopp, die Flanken ihrer Pferde mit Schaum bedeckt, wieder in Kensington angelangt. Ich habe mit einem der Blauen einige Worte gesprochen, und er sagte mir, daß ganz wunderliche Dinge gemunkelt würden.” Die Gesichter der Mörder verlängerten sich und das Herz sank ihnen in der Brust. Porter machte einen schwachen Versuch, seine Unruhe zu verbergen. Er nahm eine Orange und zerdrückte sie. „Was heute nicht geschehen kann, kann ein andermal geschehen. Kommen Sie, meine Herren, lassen Sie uns, bevor wir auseinandergehen, noch ein Glas auf das Zerquetschen der faulen Orange trinken.” Man trank auf das Zerquetschen der faulen Orange und die Gesellschaft zerstreute sich.110

Noch wenige Stunden und sämmtliche Verschwörer gaben jede Hoffnung auf. Einige von ihnen schöpften Trost aus dem Gerücht, daß der König Arzenei eingenommen habe und daß dies der einzige Grund gewesen, warum er nicht nach Richmond gefahren sei. Wenn dies wahr sei, könne der Schlag noch immer geführt werden. Zwei Sonnabende seien ungünstig gewesen; aber der Sonntag stehe bevor, und man könne einen der früher besprochenen und aufgegebenen Pläne wieder in Erwägung ziehen. Man könne den Usurpator am Rande von Hydepark auf seinem Wege in die Kapelle überfallen. Charnock war zu jedem, auch noch so verzweifelten Unternehmen bereit. Wenn die Jagd einmal begonnen habe, meinte er, sei es besser, bis zum letzten Athemzuge um sich beißend und kratzend zu sterben, als sich ohne Widerstand oder Rache zu Tode hetzen zu lassen. Er berief einige seiner Complicen in eines der zahlreichen Häuser, in denen er eine Wohnung hatte, und setzte ihnen mit Toasten auf den König, die Königin, den Prinzen und den großen Monarchen, wie sie Ludwig XIV. nannten, hart zu. Aber die Angst und Muthlosigkeit der Bande waren stärker, als die Macht des Weines, und es hatten sich so Viele heimlich fortgeschlichen, daß die Zurückgebliebenen wenig ausrichten konnten. Im Laufe des Nachmittags erfuhr man, daß die Palastwachen verstärkt worden seien, und bald nach Einbruch der Dunkelheit eilten Boten des Staatssekretärs mit Fackeln, begleitet von Musketierpikets, durch die Straßen. Vor Anbruch des Sonntagmorgens war Charnock in Sicherheit gebracht. Ein wenig später wurden Rookwood und Bernardi in einem jakobitischen Alehause auf Tower Hill im Bett gefunden. Im Laufe des Vormittags wurden noch siebzehn weitere Verräther ergriffen und auch drei Mann von den Blauen in Arrest geschickt. Es wurde noch diesen Morgen eine Staatsrathssitzung gehalten, und sobald sie aufgehoben war, ging ein Expresser nach Flandern ab, um einige Regimenter von dort zurückzuberufen; Dorset reiste nach Sussex ab, dessen Lordlieutenant er war; Romney, der Aufseher der Fünfhäfen, begab sich an die Küste von Kent, und Russell eilte die Themse hinunter, um das Commando der Flotte zu übernehmen. Am Abend hielt der Staatsrath wieder Sitzung. Einige der Gefangenen wurden verhört und ins Gefängniß geschickt. Der anwesende Lordmayor wurde von der gemachten Entdeckung in Kenntniß gesetzt und speciell beauftragt, für die Ruhe der Hauptstadt zu sorgen.111

 

Am Montagmorgen waren alle Milizen der City unter den Waffen. Der König begab sich mit feierlichem Gepränge ins Haus der Lords, ließ die Gemeinen entbieten und sagte dem Parlamente vom Throne herab, daß er ohne den Schutz einer allgütigen Vorsehung in diesem Augenblicke eine Leiche und eine französische Armee unterwegs sein würde, um in das Königreich einzufallen. Die Gefahr einer Invasion, setzte er hinzu, sei noch immer groß, aber er habe bereits diejenigen Anordnungen getroffen, die, wie er hoffe, zum Schutze des Landes hinreichen würden. Einige Verräther seien eingezogen, gegen andere seien Verhaftsbefehle erlassen; er werde in dieser Krisis seine Schuldigkeit thun und hege das feste Vertrauen zu den Häusern, daß sie auch die ihrige thun würden.112

106L’Hermitage, 3. (13). März.
107Siehe Berwick’s Memoiren.
108Van Cleverskirke, 25. Febr. (6. März) 1696. Ich bin überzeugt, daß kein Verständiger und Unparteiischer nach aufmerksamer Lesung von Berwick’s Erzählung dieser Vorgänge und Vergleichung derselben mit der Darstellung im Leben Jakob’s, welche Wort für Wort den Originalmemoiren entnommen ist, daran zweifeln kann, daß Jakob um den Mordanschlag wußte.
109L’Hermitage, 25. Febr. (6. März).
110Meine Mittheilungen über diese Ereignisse sind hauptsächlich den Prozeßverhandlungen und Aussagen entnommen. Siehe auch Burnet, II. 165, 166, 167, und Blackmore’s True and Impartial History, zusammengestellt unter Leitung Shrewsbury’s und Somers’, und Boyer’s History of King William III., 1703.
111Portland an Lexington, 3. (13.) März 1696; Van Cleverskirke, 25. Febr. (6. März); L’Hermitage von gleichem Datum.
112Commons’ Journals, Feb. 24. 1696.