Grammatiklernen interaktiv

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3.1. Visualisierungen im Fremdsprachenunterricht

Visualisierungen sind ein fester Bestandteil von Lehrwerken und Lernmaterialien. Sie haben eine lange Tradition im Fremdsprachenunterricht, die mit dem Lehrbuch Orbis sensualium pictus von Comenius (1658) beginnt (vgl. Hecke 2016: 37; Reinfried 1992: 33ff.). Reinfried (1992) verschafft einen ausführlichen historischen Überblick über die Rolle des Bildes in verschiedenen Methoden des Fremdsprachenunterrichts1 und prognostiziert eine wachsende Bedeutung des Bildeinsatzes. Diese Annahme belegt er mit der Begründung, dass das Bild „[…] das einzige Medium [ist], das eine inhaltliche Stütze bietet, ohne mutter- oder fremdsprachliche Ausdrücke vorzugeben.“ (Reinfried 1992: 283). Jeder, der einmal eine Fremdsprache gelernt hat, wird die Tatsache bestätigen, dass man eine Menge visuellen Input im Lernprozess bekommt: durch Abbildungen in Lehrwerken, Tafelbilder im Klassenzimmer, Videomaterialien, Spiele etc. Durch Visualisierungen können einzelne Kompetenzbereiche des Fremdsprachenlernens unterstützt werden. Der Einsatz von Visualisierungen fördert Motivation von Lernenden (vgl. Stork und Ballweg 2009).2

Lernt man eine Fremdsprache außerhalb des zielsprachigen Landes, bekommt man Informationen über das Land und die Kultur der Zielsprache größtenteils aus Lernmaterialien. In diesem Zusammenhang spielen landeskundliche Bilder eine wichtige Rolle für den Aufbau des Bildes über das Land. Durch Bilder können Lernende für die fremde Kultur sensibilisiert werden (vgl. Macaire und Hosch 1996: 18ff.). Für die Landeskundevermittlung eignen sich fotografische Bilder wegen ihres dokumentarischen Charakters. Obwohl sie objektiv zu sein scheinen, geben sie die Realität nicht automatisch objektiv wieder (vgl. ebd.: 94). Visualisierungen bzw. Bilder können als Realitätsersatz im Fremdsprachenunterricht fungieren, sind jedoch kein Allheilmittel. In diesem Zusammenhang betont Brunsing zurecht, „dass Bilder immer nur einen Ausschnitt der Realität wiedergeben und geprägt sind durch die Darstellungsabsicht des Bildproduzenten“ (Brunsing 2016: 498). Darüber hinaus beeinflusst das Vorwissen von Lernenden das Bildverstehen: „Die Wahrnehmung des Bildinhalts ist immer abhängig von kulturbedingten Erfahrungen und Gewohnheiten der Betrachter, von ihren Schemata, zu denen Wertvorstellungen, Vorwissen und Erwartungen gehören“ (Macaire und Hosch 1996: 57). Die genannten Aspekte sind bei der Landeskundevermittlung im Fremdsprachenunterricht zu beachten.

Für die Wortschatzerarbeitung können Visualisierungen eine große Hilfe leisten. Besonders Anfänger können davon profitieren, wenn unbekannte Vokabeln visuell semantisiert werden. Storch redet in diesem Zusammenhang über die “Methoden der nonverbalen Semantisierung“ (Storch 1999: 58). Die Wortbedeutung kann durch den Verweis auf konkrete Objekte im Klassenzimmer erklärt werden. Mit Gestik und Mimik können emotionale Zustände demonstriert werden. Handlungen und Situationen lassen sich durch Vorspielen bzw. Simulieren präsentieren. Auf dieser Art wird ein direkter Bezug zur realen Welt hergestellt. Mit einer bildlichen Darstellung (im Lehrwerk, an der Tafel, durch eine Projektion etc.) lässt ein Zusammenhang zu einer vermittelten Realität herstellen (vgl. ebd.). Scherling und Schuckall weisen auf das ergänzende Zusammenspiel verbaler und nonverbaler visueller Erklärungsverfahren hin, damit sich die Vor- und Nachteile einzelner Techniken ausgleichen (vgl. 1992: 89). Darüber hinaus stehen Lernenden zahlreiche Bildwörterbücher zur Verfügung, die sowohl in Buchform als auch digital (Web- und App-Versionen) vorhanden sind. Letztere ermöglichen eine schnelle Recherche nach unbekannten Vokabeln. Programme zum Vokabellernen, die bereits in Unterkapitel 2.1.2 (zur Multimodalität) erwähnt wurden, sind ein weiteres Beispiel der Verwendung von Visualisierungen für die Wortschatzarbeit.

Bei der Vermittlung der Aussprache und Intonation können Bilder die Informationen über „den sprachlichen Handlungsrahmen und die angemessene Ausdrucksweise (Register)“ liefern (Scherling und Schuckall 1992: 106). Die Vermittlung der Atmosphäre und der emotionalen Zustände erfolgt durch Gestik und Mimik der abgebildeten Personen (vgl. ebd.). Nicht nur Bilder können eine visuelle Unterstützung bei der Vermittlung der Aussprache und Intonation sein. Grafische Zeichen, wie z. B. Punkte unter kurzen Vokalen und eine Unterstreichung für lange3 oder eine größere Schrift betonter Silben4, lenken die Aufmerksamkeit von Lernenden auf den Akzent. Mit Pfeilen nach oben oder nach unten wird die steigende bzw. fallende Intonation in Sätzen visualisiert.

Bilder können im Unterricht als Schreib- oder Sprechanlässe dienen. Ob dafür ein künstlerisches Bild, eine fotografische Situationsdarstellung oder ein Comic mit leeren Sprechblasen ausgewählt wird, hängt von dem Lernziel, der Lernphase und dem Sprachniveau der Lernenden etc. ab. Bilder können nicht nur in Lehrwerken auftauchen oder als Plakate o. ä. im Unterricht verwendet werden. Lernenden stehen diverse bildgestützte Spiele ‒ Memory, Domino, Bild-Diktat etc. ‒ zur Verfügung. Spiele sind auch in digitaler (u. a. interaktiver) Form vorhanden.

Die in der Einleitung bereits erwähnte visuelle Flut kann didaktischen Zwecken dienen und dem Erreichen von Lernzielen beim Fremdsprachenlernen dienen. In diesem Abschnitt wurden exemplarisch Potenziale der Visualisierungen für einzelne Kompetenzbereiche des Fremdsprachenlernens dargelegt.

3.2. Die Behandlung von Visualisierungen in fremdsprachendidaktischen Handbüchern

Das Bild ist nicht die einzige Möglichkeit einer visuellen Darstellung von Lerninhalten. In der Ära von Handbüchern und Lexika kann ein umfassender Überblick über visuelle Medien im Fremdsprachenunterricht ermöglicht werden. Dafür werden Beiträge zu diesem Thema aus dem Handbuch Fremdsprachenunterricht (Burwitz-Melzer et al. 2016), Handbuch Fremdsprachendidaktik (Hallet und Königs 2013), Handbuch Deutsch als Fremd- und Zweitsprache (Krumm et al. 2010), Metzler Lexikon Fremdsprachendidaktik (Surkamp 2010) und dem Fachlexikon Deutsch als Fremd- und Zweitsprache (Barkowski und Krumm 2010) analysiert. Verschiedene Auflagen des Handbuchs Fremdsprachenunterricht1 können außerdem eine diachrone Dimension visueller Medien eröffnen.

In der ersten Auflage des Handbuches Fremdsprachenunterricht (Bausch et al. 1989) liegt der Fokus auf visuellen Medien im Klassenzimmer. Schilder (1989: 260ff.) arbeitet didaktische Tipps zum Einsatz von Wandtafel, Overheadprojektor, Wandbild, Dias und Haftelementen heraus. Weitere visuelle Materialien, wie z. B. Flashcards, Fotos und Zeitungen werden nur am Rande erwähnt. Dabei liegt der Wert auf der Authentizität der Visualisierungen, da es sich um Originale (z. B. von Speisekarten, Plakaten etc.) aus dem Zielland handelt (vgl. ebd.: 262). In der fünften Auflage erweitert Reinfried (2007) die oben aufgelisteten visuellen Medien mit Lehrbuchabbildungen und Bildergeschichten, beschränkt sich aber auf analoge und unvertonte Bilder.2 Obwohl visuelle Medien und ihre Einsatzmöglichkeiten dargestellt werden, stehen die Bildfunktionen, u. a. Bildfunktionen im Grammatikunterricht, im Mittelpunkt des Beitrags. Auch der Definitionsvorschlag von Reinfried ist sehr abstrakt und umfasst im Prinzip sämtliche im Unterricht eingesetzten Medien (außer rein auditiven): „Visuelle Medien im weiteren Sinne sind alle im Unterricht genutzten Informationsträger, die von den Lernenden mit dem Gesichtssinn erfasst werden können“ (Reinfried 2007: 416). Die Begriffsproblematik in den Beiträgen der früheren Auflagen des Handbuches besteht darin, dass sowohl Bilder, Fotos etc. als auch Wandtafel, Overheadprojektor etc. einer Kategorie zugeordnet werden. Im ersten Fall geht es um visuelle Darstellungen von Lerninformationen. Die übrigen sind Werkzeuge bzw. Hilfsmittel, die für die Präsentation dieser visuellen Darstellungen genutzt werden können. Die aktuelle Auflage des Handbuches (Burwitz-Melzer et al. 2016) beinhaltet keinen gesonderten Beitrag zu visuellen Medien. Visuelle Mittel werden in anderen Beiträgen am Rande (s. z. B. Artikel zum Grammatiklernen von Summer 2016: 446, 451) als unterstützende Elemente erwähnt.

Im Handbuch Fremdsprachendidaktik konzentriert sich Reinfried (2013), nach einem kurzen historischen Blick über visuelle Medien in verschiedenen Methoden des Fremdsprachenunterrichts des 19. Jahrhunderts bis zum heutigen digitalen Zeitalter, auf die Bildfunktionen bei der Wortschatz- und Grammatikarbeit sowie für die Entwicklung rezeptiver und produktiver Fertigkeiten. Anschließend wird die visual literacy im Fremdsprachenunterricht thematisiert.

Das Handbuch Deutsch als Fremd- und Zweitsprache enthält keinen Beitrag zu visuellen Medien, jedoch findet man einen umfassenden Überblick über ihre Rolle und Funktionen im allgemeinen Beitrag zu Medien (vgl. Rösler 2010: 1202-1203). Dabei wird die funktionale Perspektive der Visualisierungen bei Grammatikdarstellungen (sowohl in Lehrwerken als auch durch Digitalisierung) dargestellt. Darüber hinaus werden didaktische Prinzipien zum Einsatz von Filmen erläutert. Im weiteren Beitrag beschäftigt sich Roche (2010: 1246) mit kognitiven Aspekten der Visualisierung.

In Metzler Lexikon Fremdsprachendidaktik wird Visualisierung als eine Lehr- und Lernmethode sowie ein Unterrichtsmedium definiert (Hecke 2010b: 324). Im ersten Fall werden auch Bildfunktionen im Lernprozess aufgelistet, zu denen u. a. eine „grammatisierende“ Funktion gehört. Visualisierungen als Medien werden in verschiedene Bildtypen kategorisiert. Zu Bildern gibt es im Lexikon einen gesonderten Beitrag, der mit einem historischen Abriss beginnt. Darauf folgen Funktionen und Einsatzmöglichkeiten von Bildern im Fremdsprachenunterricht. Außerdem wird das Verhältnis von Bild und Text thematisiert (vgl. Hecke 2010a: 19-22).

 

Im kurzen Beitrag des Fachlexikons Deutsch als Fremd- und Zweitsprache wird das lernunterstützende Potenzial von Visualisierungen für die Wahrnehmung und Verarbeitung von Informationen hervorgehoben (vgl. Welke 2010: 353).

Im Gegensatz zu den ersten beiden werden visuelle Medien in den anderen drei Handbüchern nicht nur als analog betrachtet. Darüber hinaus unterscheiden sich alle Beiträge im Hinblick auf die Perspektiven, aus denen visuelle Medien betrachtet werden. Es geht um medienspezifische, funktionale, wahrnehmungspsychologische und bilddidaktische Aspekte von Visualisierungen. In Anbetracht der Vielzahl von Definitionen ist eine Präzision für die vorliegende Arbeit bzw. für den speziellen Fall der Visualisierung von Grammatik erforderlich. Daher wird unter Visualisierung3 im Folgenden „ein visuelles Medium verstanden, das verbale und darauf bezogene visuelle Informationen in sich verbindet“ (Zeyer 2011: 4). Die verbalen Informationen können metasprachlicher oder objektsprachlicher Natur sein. „Die visuellen Komponenten können Informationen beinhalten, die sich auf formale wie auch semantische Zusammenhänge beziehen“ (ebd.).

3.3. Typen und Funktionen von Bildern

Die Bildwelt ist vielfältig und bietet mehrere Möglichkeiten zur visuellen Darstellung von Inhalten im Fremdsprachenunterricht. Daher ist eine Kategorisierung von Visualisierungen hilfreich.1 Macaire und Hosch (1996: 71) unterscheiden zwischen Abbildungen, logischen und analogen Bildern, die sich ihrerseits weiterdifferenzieren lassen. Eine Übersicht folgt in Tabelle 3-1:


Bilder Abbildungen Fotos (dokumentarisch oder künstlerisch), Zeichnungen (realistisch, karikaturhaft, Comics), Gemälde, Collagen, Prospekte, Plakate, Werbeanzeigen, Piktogramme, Buttons, Aufkleber usw.
logische Bilder Grafiken Diagramme Schemata
analoge Bilder Verschiedene Darstellungsformen

Tab. 3-1:

Bildtypologie nach Macaire und Hosch (1996: 71 ff.)

Abbildungen beziehen sich auf die in der Wirklichkeit vorkommenden Gegenstände und Personen, deswegen eignet sich diese Art von Bildern gut für Vermittlung landeskundlicher Inhalte, wenn eine direkte Erfahrung mit der zielsprachlichen Kultur nicht möglich ist (vgl. ebd.). Auch für die Veranschaulichung des situativen Kontextes für grammatische Phänomene können Abbildungen verwendet werden. Weitere Beispiele zu Grammatikvisualisierungen durch Abbildungen werden im folgenden Kapitel erläutert.

Diagramme, Grafiken und Tabellen gehören zur Kategorie der logischen Bilder. Diese Art der Visualisierungen arbeitet mit Balken, Säulen, Kreisen, Pfeilen usw. und dient der Darstellung von abstrakten oder komplexen Zusammenhängen (vgl. Scherling und Schuckall 1992: 29). Die räumliche Grammatik des Bildes ermöglicht eine visuell erfassbare Ordnung von Informationen, was für Sprachlernende eine Unterstützung zur Sinnerfassung sein könnte (vgl. ebd.). Mithilfe logischer Bilder werden Sachverhalte auf das Wesentliche reduziert. In Lehrwerken werden mit logischen Bildern landeskundliche Fakten vermittelt (vgl. Macaire und Hosch 1996: 72), wobei sich auch grammatische Themen in tabellarischer Form visualisieren ließen.

Die Kategorie der analogen Bildern, wie sie bei Macaire und Hosch verwendet wird, ist nicht als ein Kontrast zum digitalen Material anzusehen. Sie verstehen darunter Bilder, die versuchen, einen nicht darzustellenden Sachverhalt durch einen Vergleich mit etwas Bekanntem/Realem zu verdeutlichen und oft zur Erklärung fremdsprachlicher Strukturen dienen (vgl. ebd.: 73). Aus der vorgeschlagenen Definition geht hervor, dass analoge Bilder häufig zur Erklärung grammatischer Strukturen herangezogen werden und somit in Lehrwerken, für die die Sprachhandlungskompetenz von zentraler Bedeutung ist, eher weniger Beachtung finden könnten. Sie werden im Kapitel zu Visualisierungen der Grammatik (s. Visuelle Metapher) näher betrachtet.

Das Bildverstehen ist nicht selbstverständlich, auch einzelne Bildtypen können Fremdsprachenlernenden Probleme bereiten. Dazu ist die Übersicht von Weidenmann (1991a) lesenswert, der mögliche Verstehensprobleme bei einzelnen Bildtypen (Abbildungen, Analogie- und logischen Bildern) analysiert.

Auf die Rolle der Visualisierungen in der Grammatikvermittlung wird in Kapiteln 3.4 und 3.5 eingegangen. Erwähnenswert ist an dieser Stelle, dass nicht nur logische Bilder, wie z. B. Tabellen, für die Visualisierung der Grammatik geeignet sind. Mithilfe der Abbildungen verschiedener Art (gezeichnet oder fotografisch) kann eine Verbindung zwischen den (abstrakten) grammatischen Inhalten und der Relevanz der jeweiligen Inhalte für die Kommunikation herstellt werden (s. Kapitel 5.3 zu visuellen Elementen in der Interaktiven Grammatik). Analoge Bilder, in erster Linie visuelle Metaphern, haben ebenfalls viel Potenzial für die Grammatikvisualisierung (s. Kapitel 5.3.2, 5.3.3 und 7.2.5 zur visuellen Metapher in der Interaktiven Grammatik).

Funktionen

Der ästhetische Genuss spielt eine Rolle bei der Arbeit mit Visualisierungen, ist jedoch kein Entscheidungskriterium für ihren Einsatz. Wenn Bilder ausschließlich zur Dekoration in Lernmaterialien dienen würden, wäre dies eine Verschwendung ihres Potenzials zum Fremdsprachenlernen. Mit dem funktionalen Aspekt von Bildern beschäftigen sich viele Fremdsprachenforschende,2 für die vorliegende Arbeit werden vier Systematisierungsvorschläge ausgewählt. Laut Scherling und Schuckall (1992: 10 ff.) haben Bilder folgende Funktionen: Motivation, Differenzierung, Realitäts-Ersatz, Anschaulichkeit und Gedächtnisstütze. Macaire und Hosch (1996: 78 ff.), die sich intensiv mit Bildern in der Landeskundevermittlung auseinandersetzen, listen ähnliche Funktionen auf: Motivation/Dekoration3, Bilder als Informationsträger, als Sprech-4/Schreibanlass, Gedächtnisstütze5, zur Veranschaulichung von Wortschatz, Grammatik, Gestik/Mimik, oder Situationen, sowie landeskundlich spezifische6 Funktionen. Die meisten Bildfunktionen stehen im engen Zusammenhang (vgl. Sturm 1994: 86) und sind nicht klar voneinander trennbar.

Auch bei Hallet (2008: 215 ff., 2010: 33 ff.) findet man einen Vorschlag, didaktische und methodische Funktionen von Bildern im Fremdsprachenunterricht zu systematisieren. Eine dienende Rolle im Lernprozess indiziert seines Erachtens die entsprechenden Funktionen. Häufig dienen Bilder lediglich der Illustration, wenn z. B. ein Foto zu einem Hörtext im Lehrwerk abgebildet wird, jedoch das Bild selbst nicht thematisiert wird. Werden Situationen, Objekte oder Handlungen mit Bildern veranschaulicht, geht es um die semantische Funktion. Durch die kognitive Funktion wird versucht, mit Visualisierungen sprachlicher Strukturen kognitive Prozesse anzuregen. Diese Funktion spielt in erster Linie bei der Grammatikvisualisierung eine wichtige Rolle. Unter der instruktiven Funktion versteht Hallet den Einsatz von Ikonisierungen in Lehrwerken, die Arbeitsanweisungen verdeutlichen sollten, wenn bestimmte Symbole über bestimmte Lernaktivitäten signalisieren.7 Eine weitere Funktion, die repräsentationale, wird durch die Verwendung von Abbildungen für die Darstellung von landeskundlichen und kulturellen Aspekten realisiert.8 Seltener werden Bilder als Gegenstand ästhetischer Bildung im Fremdsprachenunterricht eingesetzt und haben somit eine bildästhetische Funktion.

Hecke (2010c: 48) weist auf Forschungsdesiderate hinsichtlich der Bildfunktionen in der Fremdsprachendidaktik hin und unterscheidet ausgehend von den bildwissenschaftlichen Erkenntnissen folgende Funktionen: semantisierende (zur Sinnerschließung und Verständniserleichterung), erinnerungsverstärkende oder mnemonische,9 motivierende (zur Lenkung der Aufmerksamkeit, Anregung zur Beschäftigung mit der Sprache), interkulturelle (zur Förderung des interkulturellen Verstehens) und organisierende (zur Strukturierung von Informationen). Die Lexikalisierungs- und Grammatisierungsfunktionen werden ausgeklammert mit der Begründung, dass „es sich bei diesen beiden Funktionen keineswegs um Einzelfunktionen handelt, sondern um ein komplexes Zusammenwirken verschiedener Bildeffekte, die sich den zuvor genannten Bildfunktionen zuordnen lassen.“ (Hecke 2010c: 49). In ihren späteren Arbeiten betont die Autorin die Bedeutung der visuellen Kompetenz für den Fremdsprachenunterricht und beschäftigt sind näher mit didaktischen Bildfunktionen und darunter mit der grammatisierenden Funktion, die weiter differenziert wird (vgl. Hecke 2013: 5). Dabei können Bilder zum Üben von grammatischen Strukturen bei der Bildbesprechung eingesetzt werden. Darüber hinaus kann durch Abbildungen der Kontext dargestellt werden, in dem entsprechende Grammatikthemen vorkommen. Auch logische Bilder „veranschaulichen Sprachmuster und konkretisieren so abstrakte Sprachregeln.“ (ebd.).

Die ausgeführten Kategorisierungen basieren auf der Analyse von Lernmaterialien.10 Alle Autoren erwähnen die Bildfunktion zur Grammatikvermittlung. Brunsing (2016: 505-506) stellt auf der Grundlage ihrer Analyse11 von landeskundlichen Abbildungen in Lehrwerken eine zunehmende Entwicklung zur Multifunktionalität fest. D. h. landeskundliche Bilder übernehmen mehrere Funktionen, die sowohl allgemein als auch landeskundlich spezifisch sein können. Jedoch betont sie, „dass die Bilder zur Grammatikvermittlung in allen Gruppen auf diese Funktion beschränkt bleiben.“ (ebd.: 506). Jedoch können m. E. Visualisierungen zur Grammatikvermittlung auch weitere Funktionen übernehmen und z. B. für die Erschließung der Bedeutung von situativen Kontexten grammatischer Strukturen (semantisierende Funktion bzw. Realitäts-Ersatz), für die Lenkung der Aufmerksamkeit auf Besonderheiten der Bildung eines grammatischen Phänomens (Motivation) oder durch den Ansatz visueller Metaphern für die Anregung der Fantasie (mnemonische Funktion oder Gedächtnisstütze) verwendet werden. Wie die Multifunktionalität der Bilder zur Grammatikvermittlung realisiert werden kann, wird in Kapiteln 4.4, 4.5 und 5.3 dargestellt. Im Fokus des folgenden Unterkapitels steht eine konkrete Realisierung der grammatisierenden Funktion in Printmedien sowie in digitalen Lernmaterialien.