Leistungen von Funktionsverbgefügen im Text

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1 Bis heute gibt es keine klare Antwort auf diese Frage.6

2 […], daher stellte sich für die Führung des Leningrader Straßenbahn-Verkehrsbetriebs die Frage nach der Entwicklung eines neuen Fahrzeuges.7

3 Diese Frage wird oft verwendet; so stellt sie beispielsweise die ehemalige Fernsehmoderatorin Eva Herman ihrem Buch Das Prinzip Arche Noah voran.8

Nach der manuellen Bereinigung der exportierten Daten wurde auf der Basis von syntaktischen Kategorien aus der Forschungsliteratur zu Funktionsverbgefügen ein mehrdimensionales Kategoriensystem erstellt, nach dem die deutschen und polnischen Treffer aus den Wikipedia-Artikeln annotiert wurden (s. Kap. 3; 4).

Die Gefüge wurden in Bezug auf die Erweiterung, Position und Referenz des Funktionsnomens sowie die Realisierung der Valenz analysiert, die in der Forschungsliteratur mit der Modifikation und der Spezifizierung von Informationen, der Schattierung der Mitteilungsperspektive sowie der Ballung von Informationen in Verbindung gebracht werden (vgl. Daniels 1963, Schmidt 1968, Seifert 2004). Unter Anwendung der Substitution mit dem Basisverb als qualitative Untersuchungsmethode (vgl. Glinz, 1952; Ágel 2017: 504f.), die die spezifischen Leistungen von Funktionsverbgefügen im Text sichtbar macht, wurden die ausgewählten deutschen und polnischen Funktionsverbgefüge anschließend und in ihrer sprachlichen Umgebung auf die Anreicherung (s. Kap. 4.2.1), Verdichtung (s. Kap. 4.2.2 ), Perspektivierung (s. Kap. 4.2.3), Gewichtung (s. Kap. 4.2.4) und die Wiederaufnahme von Informationen (s. Kap. 4.2.5) analysiert. Gemäß der Annotationsmaximen nach Geoffrey Leech (1997) ist der Ursprungstext wiederherstellbar und es besteht die Möglichkeit zur separaten Archivierung von Annotation und Ursprungstext. Die Annotation habe ich in wiederholten Annotationsschleifen, d.h. mehrfach und zu verschiedenen Zeitpunkten, durchgeführt (Lemnitzer/Zinsmeister 2015: 103; Leech 1997). Ein Kriterienkatalog zur Validität und Reliabilität der Untersuchung wird in Abschnitt 3 vorgestellt.

Für die Analyse von deutschen und polnischen Funktionsverbgefügen auf ihre Leistungen im Textzusammenhang wurde der korpusbasierte, quantitativ-qualitative Ansatz nach Lemnitzer/Zinsmeister (2015) herangezogen, bei dem unter Anwendung quantitativer und qualitativer Analysemethoden Wortverbindungen auf ihren Gebrauch im Kontext untersucht werden. Aus den deutschen und polnischen Wikipedia-Korpora des IDS wurden unbereinigte Treffer exportiert, die im nächsten Schritt manuell bereinigt, nach syntaktischen Kategorien quantifiziert und anschließend qualitativ im Treffer(kon)text analysiert wurden. Das der Analyse zugrundeliegende Kategoriensystem wird im nächsten Abschnitt vorgestellt.

3. Zur Extraktion textgrammatischer und -semantischer Analysekategorien

In der vorliegenden Arbeit werden Funktionsverbgefüge auf kommunikative Leistungen untersucht. Diese Leistungen stehen mit weniger festen und lexikalisierten Funktionsverbgefügen in Verbindung (vgl. vgl. Helbig/Buscha 2011: 88ff.; Storrer 2006a; 2013). Die Analyse der Funktionsverbgefüge erfolgt nach dem korpusbasierten, quantitativ-qualitativen Ansatz nach Lemnitzer/Zinsmeister (2015), bei dem Wortverbindungen auf ihren Gebrauch im Kontext sowohl quantitativ als auch qualitativ untersucht werden. Für die quantitative Analyse der Treffer(kon)texte der Funktionsverbgefüge Frage stellen, Antwort geben und Entscheidung treffen sowie der polnischen Äquivalente aus den Wikipedia-Artikel-Korpora (WPD15; WPP15, IDS) habe ich auf der Basis der Forschungsliteratur zu Funktionsverbgefügen ein mehrdimensionales Kategoriensystem entwickelt. Ich gehe bei der Kategorienbildung zunächst vom Deutschen aus und übertrage die Annahmen in der Analyse der Daten auf das Polnische. Die Analyseebenen beziehen sich auf Erweiterungen (s. Kap. 3.1), Valenz (s. Kap. 3.2), Position (s. Kap. 3.3) und die Referenz (s. Kap. 3.4) der Funktionsverbgefüge, für die im Folgenden weitere Subklassifizierungen im Zusammenhang mit der Ebene des Textes vorgestellt werden.

3.1. Erweiterung der Nominalphrase

Morphosyntaktische Erweiterungen von Funktionsverbgefügen werden in der Forschungsliteratur zu Funktionsverbgefügen mit einem bestimmten Typ von Nomen-Verb-Verbindungen behandelt: Unterschieden werden Nomen-Verb-Verbindungen nach dem Grad ihrer Festigkeit und Lexikalisierung (vgl. Helbig/Buscha 2011: 85). Dies manifestiert sich auf morphosyntaktischer Ebene beispielsweise in der Attribuierungsfähigkeit des Funktionsnomens, d.h. es existieren Gefüge, die nicht attribuiert werden können, wie z.B. *in guten Gang bringen; andere Gefüge, wie z.B. einen guten Beitrag leisten, lassen verschiedene Erweiterungen des Funktionsnomens zu (vgl. Heidolph et al. 1984: 441f.; Helbig/Buscha 2011: 87ff.; s. Kap. 1.1; 4). Der Festigkeits- und Lexikalisierungsgrad des jeweiligen Konstruktionstyps bestimmt, ob und inwieweit die Funktionsnomen erweitert werden können (vgl. Helbig/Buscha 2001: 89; Heine 2005: 44; Kamber 2008: 28f.). Die Funktionsverbgefüge der vorliegenden Arbeit Frage stellen, Antwort geben und Entscheidung treffen gehören zu den weniger festen und lexikalisierten Gefügen und können mit unterschiedlich komplexen sprachlichen Einheiten verknüpft werden (vgl. Burger 2015: 57), wie z.B. mit Artikelwörtern, Adjektiven, Nomen und Sätzen (Schmidt 1968, Gautier 1998, Storrer 2013), auf die ich im Folgenden in Bezug auf weitere Subklassen und ihre Bedeutung für den Textzusammenhang eingehe.

3.1.1. Artikelwörter

Syntaktisch variable Gefüge, wie Frage stellen, Antwort geben und Entscheidung treffen können durch Artikelwörter erweitert werden (vgl. Helbig/Buscha 2001: 89; Heine 2005: 44; Kamber 2008: 28f.) und werden nach ihrer Artikelklasse subkategorisiert (vgl. z.B. Hinderdael 1985: 145/260ff.; Schmidt 1968: 50ff.), wie z.B. einen oder den Vortrag halten (Hinderdael 1985: 145), diesen Befehl geben, ihren Einfluss üben und keinen Befehl geben (Schmidt 1968: 50/52), vgl. die folgenden Beispiele aus dem Wikipedia-Korpus (Hervorhebung S.K.):

1 Die Fragen sind symmetrisch gestellt […].1

2 […] gab Peter Altenberg eine gefährliche Antwort […].2

3 Die Instanz trifft ihre Entscheidung auf Basis des Gewinnerwartungswertes.3

4 […] werden diese Fragen im Folgenden an die Mutter von zwei Kindern gestellt […].4

5 Sechs Prozent gaben keine Antwort.5

In den aufgeführten Beispielen werden die Funktionsnomen Frage, Antwort und Entscheidung durch bestimmte (1) und unbestimmte Artikel (2), Possessiv- (3) und Demonstrativartikel (4) sowie Negationsartikel (5) erweitert (z.B. Hinderdael 1985: 145/260ff., Schmidt 1968: 50ff.; Storrer 2006b). Für die Ebene des Textes sind Artikelwörter als Erweiterungen der Funktionsnomen wesentlich, weil sie die Bedeutung von Nomen spezifizieren, Bezüge anzeigen und auf Textreferenten verweisen können (vgl. Schwarz-Friesel/Consten 2014: 53; Adamzik 2016: 268; Żmigrodzki 2000: 140; Engel et al. 1999: 61f.; s. Kap. 4.2.5). In (3) werden die Entscheidungen durch ihre als jemandem zugehörig markiert (vgl. Engel et al. 1999: 61f.) und durch keine in (5) kann verneinend zusammengefasst werden (vgl. grammis online 2019: Quantifikativ-Artikel6). Diese/ die Fragen in (1) und (4) sind spezifisch und der Demonstrativ- bzw. bestimmte Artikel zeigen an, dass es sich um bereits bekannte, vorerwähnte oder im Kontext identifizierbare Fragen handelt, d.h. die und diese markieren geteilte Wissensbestände zwischen Textrezipient*in und -produzent*in (vgl. Adamzik 2016: 252f./256; Ágel 2017: 200; Engel et al. 1999: 61f.; s. Kap. 3.4; 4.2.5). Indefinite Artikelwörter, wie in (2), können Informationen im Text dagegen als unbekannt kennzeichnen. In (2) wird durch eine markiert, dass die Antwort nicht vorerwähnt ist, sondern als neuer Textreferent eingeführt wird (vgl. Engel et al. 1999: 802f.; Schwarz-Friesel/Consten 2014: 53ff.), wodurch die Analyse der Artikelwörter von Funktionsnomen für die Untersuchung von Leistungen von Funktionsverbgefügen im Textzusammenhang relevant wird.

Artikelwörter sind auf der Textebene wesentliche Marker, die die Bedeutung von Nomen je nach Art des Artikels spezifizieren, Inhalte im Text in Relation setzen sowie Textreferenten als neu oder bekannt markieren können. In Bezug auf Artikelwörter wird das Annotationsschema in Artikelwörter nach ihrer Subklasse weiter unterteilt. Im Folgenden gehe ich auf adjektivische Erweiterungen ein.

3.1.2. Adjektive

Adjektiverweiterungen bilden im Zusammenhang mit Funktionsverbgefügen insgesamt ein häufiges Thema in Forschungsliteratur zu Nomen-Verb-Verbindungen. Adjektivische Erweiterungen der Funktionsnomen können zum einen semantisch nach qualifizierenden und quantifizierenden Funktionen unterteilt werden (vgl. z.B. Daniels 1963: 230; Schmidt 1968: 50f.; Popadić 1971: 43f.; Heidolph et al. 1984: 442; Hinderdael 1985: 257; Heine 2005: 163; Storrer 2013: 202; Żmigrodzki 2000: 113ff.), z.B. in

 Qualitätsadjektive, wie eine verwunderliche Feststellung machen (Daniels 1963: 230), einen wesentlichen Beitrag leisten (Popadić 1971: 43f.),

 Zahladjektive, wie 1.147 Anzeigen erstatten (Gautier 1998: 131; s.a. Schmidt 1968: 51)

 und Verbalableitungen als partizipiale Adjektive, wie in […] nie dagewesene[r] Gefährdung sein (Hinderdael 1985: 258; s.a. Popadić 1971: 42).

 

Zum anderen können die Adjektiverweiterungen der Funktionsnomen unterschiedlich komplex sein, wie z.B. ein heiteres, ruhiges Leben führen (Daniels 1963: 231), gesellschaftlich nützliche Arbeit leisten (Seifert 2004: 106) oder in einer bisher noch nie dagewesenen Gefährdung sein (Hinderdael 1985: 258; s. dazu auch Schmidt 1968: 50f.; Heidolph et al. 1984: 442; Heine 2005, Storrer 2006b, 2007, 2013; s. Kap. 4.2.2), vgl. die folgenden Belege aus dem Wikipedia-Korpus (Hervorhebung S.K.):

1 […] und sie haben erkannt, dass sie frei sind, kleine Entscheidungen zu treffen […].1

2 […], gaben sie zur Abwechslung auch falsche Antworten oder legten auf.2

3 Aufbauend […] können die geeigneten Fragen gestellt […] werden.3

4 Dem anderen Kandidaten wurden drei Fragen […] gestellt.4

5 […] verwaltungs- und kommandotechnische Entscheidungen […] getroffen wurden, […].5

6 […] gab er jedoch ganz unterschiedliche Antworten.6

Die Funktionsnomen werden in den Beispielen um Qualitätsadjektive, wie klein (6) und falsch (7), um Zahladjektive, wie drei (9), und um partizipiale Adjektive, wie geeignet (8), erweitert; die Adjektive können in Adjektivphrasen koordiniert werden, wie verwaltungs- und kommandotechnische in (10); oder aber die Phrasen enthalten weitere subordinierte Elemente, wie z.B. die Gradpartikel ganz in ganz unterschiedliche Antworten (11), wodurch die Informationen im Text „bereichert“ oder „abgetönt“ werden können (Popadić 1971: 42). Qualitätsadjektive können Nomen durch Eigenschaftszuschreibungen modifizieren und spezifizieren, wodurch Inhalte subjektiv bewertet werden können (vgl. Popadić 1971: 42f., Schmidt 1968: 49; Heine 2005: 166; Storrer 2006a: 172; Lucius-Hoene/Deppermann 2004: 171; Kaczor 2003: 21; s. Kap. 4.2.1). Zahladjektive können Inhalte nicht nur in Bezug auf ihre Anzahl determinieren, sondern – wie Gautier (1998) zeigt – auch auf Textpassagen verweisen und diese zusammenfassend wiederaufnehmen (Gautier 1998: 131). Partizipiale Adjektive, wie geeignet von sich eignen, kodieren als „verbo-adjektivische Zwitterformen“ sowohl temporale als auch qualifizierende Informationen (vgl. Engel et al. 1999: 619ff.; Ágel 2017: 708). Zudem kann durch partizipiale Adjektive auf vorerwähnte oder aktivierte Inhalte geschlossen werden, vgl. z.B. von die Fragen sind geeignet zu die geeigneten Fragen, wodurch Informationen im Text wiederaufgenommen und weitergeführt werden können (vgl. Ágel 2017: 764/717f.). Durch komplexe Adjektivattribute, wie z.B. verwaltungs- und kommandotechnische Entscheidungen (10) oder ganz unterschiedliche Antworten (11), können die Funktionsnomen nicht nur mehrfach modifiziert und spezifiziert werden, sondern die Inhalte können auch weiter kommentiert werden, wodurch die Informationen im Text einerseits stark verdichtet werden können (vgl. Daniels 1963: 227; Hinderdael 1985: 217; Helbig/Buscha 2001: 93f.; Seifert 2004: 106, 195; Storrer 2013: 206). Andererseits können durch die Art der Adjektive und Kommentare auch subjektive Einstellungen und Wertungen zum Ausdruck kommen, wodurch Informationen im Text unterschiedlich perspektiviert werden können (vgl. Schwarz-Friesel/Consten 2014: 137; Adamzik 2016: 301/255; Ágel 2017: 764).

Adjektivattribute können Informationen auf der Ebene des Textes modifizieren, spezifizieren, perspektivieren und wiederaufnehmen sowie Inhalte durch unterschiedliche Komplexitätsgrade verdichten. Ich unterscheide Adjektivattribute in der vorliegenden Arbeit bezüglich ihrer Semantik nach qualitativen und quantitativen Eigenschaften sowie ihres Komplexitätsgrades in einfache, komplex-koordinierte und komplex-subordinierte Adjektivphrasen. Im Folgenden gehe ich auf ein Spezifikum der partizipialen Attribuierung ein.

3.1.3. Funktionsverb-Partizipien

Unter den gelisteten Erweiterungen der Funktionsnomen finden sich in der Forschungsliteratur Attribute, in denen das Funktionsverb das Funktionsnomen als partizipiales Adjektiv attribuiert, wie z.B. einen Kampf führen > ein geführter Kampf (Popadić 1971: 54f.; Hinderdael 1985: 213; Klinger 1983: 96), vgl. die folgenden Beispiele aus dem Wikipedia-Korpus (Hervorhebung S.K.):

1 Das Motiv der zu stellenden Frage: Fragen zur Überquerung der Brücke des Todes.1

2 Die gegebenen Antworten wurden mit der gezogenen Punktzahl multipliziert.2

In den Beispielen (12) und (13) fungieren die Funktionsverben der Gefüge als partizipiale Attribute zu ihren Funktionsnomen: Frage wird mit stellen attribuiert und Antwort mit geben. Die Funktionsverben kodieren dabei durch ihre Form als „verbo-adjektivische“ Zwitterformen (vgl. dazu z.B. Hentschel 2009: 273, zitiert nach Ágel 2017: 717) sowohl verbale als auch adjektivische Eigenschaften: zu stellende Fragen beziehen sich auf Zukünftiges im Sinne von ‚die Fragen sind zu stellen‘; die gegebenen Antworten verweisen dagegen auf Vergangenes in etwa durch ‚die Antworten wurden gegeben‘, d.h. die Funktionsverb-Partizipien können Funktionsnomen in Bezug auf temporale Informationen modifizieren und spezifizieren (vgl. Engel et al. 1999: 619ff.; Ágel 2017: 708) sowie auf Inhalte verweisen und diese wiederaufnehmen (vgl. Ágel 2017: 717f.; s. Kap. 4.2.5).

Derartige partizipiale Erweiterungen der Funktionsnomen werden in der Analyse gesondert betrachtet, weil die Funktionsverbgefüge nicht in ihrer ursprünglichen Form als Funktionsnomen und -verb verwendet werden, sondern als Ableitungen der Funktionsverbgefüge (vgl. Ágel 2017: 770ff.), die mit anderen Verben prädikatiert werden, wie z.B. die gegebenen Antworten wurden […] multipliziert, wodurch Informationen verdichtet werden (Popadić 1971: 54).

Funktionsverben können ihre Funktionsnomen als Partizipien attribuieren, wodurch die Informationen im Text modifiziert, spezifiziert, verdichtet und wiederaufgenommen werden können. Als Ableitungen von Nomen-Verb-Verbindungen werden Funktionsverb-Partizipien von anderen Adjektivattributen unterschieden. Im Folgenden gehe ich auf nominale Erweiterungen der Funktionsnomen ein.

3.1.4. Funktionsnomen-Komposita

Unter den Erweiterungen der Funktionsnomen finden sich in der Forschungsliteratur zu Funktionsverbgefügen Funktionsnomen-Komposita, wie z.B. ein gemeinsames Reiseleben führen (Daniels 1963: 231), einen Hauptbeitrag (Schmidt 1968: 51) oder Transportarbeiten leisten (Popadić 1971: 57; s. dazu auch Gautier 1998: 130; Seifert 2004: 105ff.; Heine 2005: 163; Helbig 1984: 176f.; Yuan 1987: 196ff.; Burger 2015: 162). In den untersuchten Korpusdaten kommen derartige Funktionsnomen-Komposita jedoch nur selten vor (s. Kap. 4.1), vgl. die folgenden Beispiele aus den Wikipedia-Korpora (vgl. Hervorhebung S.K.):

1 Der FDP Wirtschaftsminister verband die Lösung dieser Frage mit dem Stellen der Koalitionsfrage.1

2 Jeder bekommt sowohl Quizfragen als auch persönliche Fragen zu privatem Umfeld, Hobbys, Beruf und Bildungsgrad gestellt.2

3 […] deuten darauf hin, dass auch Veto-Entscheidungen unbewusst getroffen werden.3

Die Funktionsnomen Frage und Entscheidung werden in den Beispielen durch die Nomen Koalition, Quiz und Veto morphologisch erweitert und determiniert (vgl. Reimann/Kessel 2005: 104; Engel et al. 1999: 745), wodurch die Informationen im Text modifiziert werden. Interessant sind derartige morphologische Erweiterungen der Funktionsnomen, weil die Verknüpfungen der Nomen im Kompositum unterschiedliche Relationen der Nomen zueinander ausdrücken können (vgl. Engel et al. 1999: 745; Popadić 1971: 56; Hinderdael 1985: 264): Eine Quizfrage ist beispielsweise eine Frage in oder aus einem Quiz; eine Koalitionsfrage ist eine Frage zur Koalition – entweder in Bezug auf mögliche Regierungspartner oder das Fortbestehen einer Regierungseinheit (vgl. Duden online 2019: Koalitionsfrage4). Durch Funktionsnomen-Komposita können also nicht nur spezifische Informationen ausgedrückt werden (vgl. Popadić 1971: 56; Hinderdael 1985: 265; Ágel 2017: 569), sondern diese spezifischen Informationen können auch modifiziert und komprimiert werden (vgl. Daniels 1963: 231; Schmidt 1968: 71; Popadić 1971: 55f.; Hinderdael 1985: 580; Seifert 2004: 107). Die Verdichtung der Information kann weiter durch Attribuierungen des Funktionsnomens fortgesetzt werden, wie z.B. ein gemeinsames Reiseleben führen (Daniels 1963: 231; s. dazu auch Popadić 1971: 56; Hinderdael 1985: 264). Durch die nominale Form der Erweiterung können zudem phorische Bezüge im Text hergestellt werden, z.B. kann Quiz in Quizfragen auf ein vorerwähntes Frage-Antwort-Spiel verweisen und dieses thematisch wiederaufnehmen (vgl. Wildgen 1981: 3; Wolf 2007; s. Kap. 3.4).

Funktionsnomen können durch Komposition zu Funktionsnomen-Komposita erweitert werden, wodurch Informationen im Text modifiziert, spezifiziert, verdichtet und wiederaufgenommen werden können. Funktionsnomen-Komposita bilden deshalb in der vorliegenden Arbeit eine Subkategorie nominaler Erweiterungen von Funktionsverbgefügen. Im Folgenden gehe ich auf nominale Attribute in Form von Genitivphrasen ein.

3.1.5. Genitivphrasen

Unter den Erweiterungen der Funktionsnomen finden sich in der Forschungsliteratur Nominalphrasen im Genitiv, die die Funktionsnomen nominal attribuieren (Engel et al. 1999: 922; Żmigrodzki 2000: 119), wie z.B. ein Leben der Sorgen und Arbeit führen (Daniels 1963: 231), eine Analyse der Situation geben (Schmidt 1968: 51) oder im Besitz der bekannten Wahrheit bleiben (Hinderdael 1985: 261), vgl. die folgenden Beispiele aus den Wikipedia-Korpora (Hervorhebung S.K.):

1 In jeder Sendung wird eine Frage der Woche gestellt […].1

2 Entscheidungen des Arbeitskreises werden […] getroffen.2

3 […] woraus der Mensch befähigt ist, in Freiheit eine Antwort der Liebe zu geben […].3

Die Funktionsnomen Frage, Antwort und Entscheidung werden in den Beispielen (17)–(19) mit den Genitivphrasen der Woche, der Liebe und des Arbeitskreises erweitert, wodurch die nominal realisierten Inhalte zum einen zueinander in Beziehung gesetzt werden können: In (17) handelt es sich um eine Frage aus einer Woche im Sinne von ‚jede Woche gibt es eine andere Frage‘, wodurch die Fragen einer bestimmten Woche zugehörig sind. In (18) werden die Entscheidungen mit einem Arbeitskreis verknüpft – ‚der Arbeitskreis verursacht die Entscheidungen‘, wodurch das Funktionsnomen um Informationen zum Urheber spezifiziert wird. In (19) wird Antwort durch der Liebe näher beschrieben, im Sinne von Liebe als Eigenschaft der Antwort (vgl. Ágel 2017: 759f.; Engel et al. 1999: 927f.). Durch die Verknüpfung von Funktionsnomen und Genitivphrase können Informationen im Text durch zusätzliche Bedeutungsaspekte angereichert werden, d.h. Genitivattribute können Inhalte modifizieren und spezifizieren und tragen so zur Evaluierung im Text bei (vgl. Daniels 1963: 230ff.; Schmidt 1968: 49; Hinderdael 1985: 261; Schwarz-Friesel/Consten 2014: 140). Durch die nominale Form können Genitivattribute zum einen durch weitere sprachliche Einheiten, wie Artikelwörter (s. Kap. 3.1.1), Adjektive (s. Kap. 3.1.2), andere Nomen (s. Kap. 3.1.4–3.1.6) und Sätze (s. Kap. 3.1.7), erweitert werden und dadurch Informationen weiter verdichten sowie auf vorerwähnte Textreferenten verweisen, z.B. Entscheidungen des Arbeitskreises (18), und diese im Textverlauf wiederaufnehmen (vgl. Ágel 2017: 432f./759ff.; Adamzik 2016: 264; s. Kap. 3.4). Genitivattribute können Informationen durch Erweiterung nicht nur modifizieren oder verdichten, sie wiederaufnehmen und fortführen, sondern auch perspektivieren, denn je nach Art des Genitivattributs werden selegierte Relationen zum Ausdruck gebracht.

Funktionsnomen können durch Genitivphrasen attribuiert werden, durch die die Informationen im Text modifiziert, spezifiziert, verdichtet, perspektiviert und wiederaufgenommen werden können. In Bezug auf die Analyse von Funktionsverbgefügen im Textzusammenhang sollen sie daher von anderen nominalen Erweiterungen der Funktionsnomen abgegrenzt werden. Im Folgenden gehe ich auf präpositionale Erweiterungen von Funktionsnomen ein.