Klausurenkurs im Familien- und Erbrecht

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1. Teil: Verpflichtung der D zur Mitarbeit und Vergütungsverpflichtung des M
A. Verpflichtung der D zur Mitarbeit im Büro des M

257

Fraglich ist, ob sich aus den eherechtlichen Normen i.S.d. §§ 1353 ff. eine Mitarbeitspflicht der D im Architekturbüro ihres Mannes ergeben könnte.

I. Mitarbeitsverpflichtung aus § 1360 i.V.m. § 1356

258

In Betracht kommen könnte eine Mitarbeitsverpflichtung aus § 1360 i.V.m. § 1356.

1. Grundsatz

259

Während gemäß § 1360 die Verpflichtung beider Ehegatten besteht, angemessen, im Rahmen ihrer Möglichkeiten, zum Familienunterhalt beizutragen, findet sich in § 1356 eine Regelung dazu, wie Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit unter den Ehegatten zu gestalten sind. In § 1356 I und II heißt es, dass die Ehegatten die Haushaltsführung im gegenseitigen Einvernehmen regeln und beide berechtigt sind, erwerbstätig zu sein.

In § 1360 S. 2 heißt es zudem, dass derjenige Ehegatte, dem die Haushaltsführung übertragen ist, dadurch in der Regel gleichzeitig seine Unterhaltspflicht erfüllt.

Da D nach der bisher bestehenden einvernehmlichen Regelung mit ihrem Mann i.S.d. § 1356 I 2 die gesamte Haushaltsführung übertragen ist, lässt sich zu ihren Lasten keine ausdrückliche Mitarbeitspflicht aus § 1360 i.V.m. § 1356 herleiten[1].

2. Ausnahme über die allgemeine Beistandspflicht des § 1353

260

Fraglich ist aber, ob sich eine Mitarbeitspflicht aus den §§ 1360, 1356 i.V.m. § 1353 ergeben könnte[2].

Durch die in § 1353 I 2 enthaltene familienrechtliche Generalklausel[3] besteht eine Rechtspflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft und gegenseitigen Verantwortung, vergleichbar mit § 242 im Vertragsrecht[4]. Zwar steht es den Ehegatten frei, sich nach ihren Vorstellungen über ihre persönliche Lebensgestaltung zu einigen, sofern zwischen ihnen aber keine bzw. keine abweichende Vereinbarung getroffen wurde, sind die von Rechtsprechung und Lehre herausgebildeten konkreten Ehepflichten zugrunde zu legen. Danach gehört zur Ehe insbesondere Liebe und Achtung[5], eheliche Treue, Rücksichtnahme, die Teilnahme an den Interessen des/der anderen[6], Sorge für die gemeinsamen Kinder und die in den Haushalt aufgenommenen Kinder des anderen Ehegatten[7], die Benutzung der Ehewohnung und der Haushaltsgegenstände i.d.R. als gleichberechtigten Mitbesitz zu gestatten[8], z.T. wird auch Geschlechtsgemeinschaft benannt[9], grundsätzlich auch häusliche Gemeinschaft[10] sowie eine Beistandspflicht in Bezug auf persönliche Angelegenheiten des anderen Ehegatten[11].

261

Mithin gehört zu den ehelichen Pflichten des § 1353 auch eine Beistandspflicht, aus der sich, in Verbindung mit der Verpflichtung zum Familienunterhalt beizutragen, hier eine Mitarbeitspflicht der D ableiten lassen könnte.

Wie bereits dargestellt, ergibt sich aus dem Wortlaut des § 1360 S. 2 („in der Regel“), dass grundsätzlich kein Anspruch gegen den haushaltsführenden Ehegatten besteht, zum Familienunterhalt über die Haushaltsführung hinaus beizutragen. Dies kann aber im konkreten Einzelfall aufgrund besonderer Umstände erforderlich sein, wobei eine Mitarbeitspflicht auf extreme Ausnahmefälle beschränkt bleiben muss[12]. So wurde eine Mitarbeitspflicht insbesondere für bestimmte Übergangsphasen, wie den Aufbau eines Gewerbebetriebes[13], bei Personalmangel oder fehlenden Mitteln für die Einstellung einer Hilfskraft[14] anerkannt.

262

Solche besonderen Umstände ergeben sich hier für eine Übergangsphase insofern, als es M trotz intensiver Suche nicht möglich war, Ersatz für seinen krankheitsbedingt abwesenden Assistenten zu finden und er neben seinen Aufgaben als Architekt die anfallenden Büroarbeiten nicht vollumfänglich bewältigen kann. Vor diesem Hintergrund wird es D, die selbst Architektur studiert hat und entsprechend einen fachkundigen Zugang haben wird, neben der Führung eines Zweipersonenhaushalts zugemutet werden können, drei Stunden im Büro ihres Mannes mitzuarbeiten, zumal sie lediglich mit einfachen Hilfstätigkeiten und Telefondiensten beschäftigt wäre und sie diese Arbeit lediglich für kurze Zeit innerhalb eines absehbaren Zeitraumes ausüben müsste.

Da auf Seiten der D dieser zeitlich begrenzten Mitarbeit auch keine Gründe, wie z.B. eine Krankheit entgegenstehen, die es ihr unmöglich machten, der Bitte ihres Mannes nachzukommen, besteht selbst unter Berücksichtigung ihrer Belastung durch die Haushaltsführung eine Mitarbeitspflicht der D aus den §§ 1360, 1356 i.V.m. § 1353.

II. Ergebnis

263

Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass D aus den §§ 1360, 1356 i.V.m. § 1353 verpflichtet ist, vorübergehend im Büro ihres Mannes mitzuarbeiten[15].

Ein Beschluss, der einem entsprechenden (Herstellungs-)Antrag des M stattgibt, ist gemäß § 120 III FamFG allerdings nicht vollstreckbar.

B. Vergütungsanspruch der D gegen M

264

Fraglich ist nun, ob D für diese Tätigkeit von M auch eine Vergütung verlangen könnte.

Dem Familienrecht kann insoweit keine ausdrückliche Vergütungsregelung entnommen werden, so dass auf allgemeine vertragliche bzw. gesetzliche Anspruchsgrundlagen zurückzugreifen ist[16].

I. Anspruch der D gegen M aus einem Dienst- bzw. Arbeitsvertrag i.S.d. §§ 611, 611a, 612

265

In Betracht kommt zunächst ein Anspruch der D gegen M auf Vergütung aus einem Dienst- bzw. Arbeitsvertrag i.S.d. §§ 611, 611a, 612.

Zu einer entsprechenden ausdrücklichen Vereinbarung zwischen D und M ist es nicht gekommen, so dass sich der Vergütungsanspruch lediglich aus einem konkludent geschlossenen Dienst- bzw. Arbeitsvertrag gemäß §§ 611, 611a, 612 herleiten lassen könnte.

Voraussetzung dafür ist, dass zwischen den Ehegatten ein Über-/Unterordnungsverhältnis besteht, wie es auch zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer üblich wäre und von einer Weisungsgebundenheit des arbeitnehmenden Ehegatten ausgegangen werden kann, vgl. § 611a. Dagegen spricht zwar nicht bereits der Gleichberechtigungsgrundsatz[17], der unter Ehegatten bestehen sollte, so dass zwar grundsätzlich auch unter Ehegatten die Möglichkeit gegeben ist, einen Dienst- bzw. Arbeitsvertrag mit einem vertraglichen Vergütungsanspruch zu vereinbaren[18]. Die Stellung des mitarbeitenden Ehegatten im Beruf oder Geschäft des anderen entspricht jedoch meistens nicht der eines weisungsabhängigen Arbeitnehmers[19]. Ohne Weiteres kann daher nicht vom Vorliegen eines stillschweigend geschlossenen Arbeitsvertrages ausgegangen werden[20].

Da eine schriftliche Vereinbarung bisher nicht vorliegt, scheidet ein Anspruch der D gegen M auf Zahlung einer Vergütung aus den §§ 611, 611a, 612 aus.

II. Anspruch aufgrund eines Gesellschaftsvertrages i.S.d. § 705 i.V.m. §§ 730 ff.

266

Fraglich ist, ob ein gesellschaftsrechtlicher Anspruch der D gegen M aufgrund eines Gesellschaftsvertrages i.S.v. § 705 i.V.m. §§ 730 ff. in Betracht kommen könnte.

Die Ehegatten bilden dann eine sog. Ehegatteninnengesellschaft, also eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, wobei die Ehegatten nach außen hin nicht als Gesellschaft auftreten, sondern im eigenen Namen handeln und auch kein Gesamthandsvermögen gebildet wird[21].

Das Vorliegen einer Ehegatteninnengesellschaft setzt allerdings voraus, dass D und M einen entsprechenden Gesellschaftsvertrag i.S.v. § 705 abgeschlossen haben, aus dem beide gegenseitig verpflichtet sind, einen gemeinsamen Zweck zu fördern. Insoweit genügt prinzipiell jeder gemeinsame Zweck, sofern er ausdrücklich vereinbart ist[22]. Bei der stillschweigenden Vereinbarung einer Ehegatteninnengesellschaft muss der gemeinsame Zweck allerdings über die eheliche Lebensgemeinschaft hinausgehen, da ansonsten die Pflichten bereits aus § 1353 I 2 resultieren[23].

267

Exkurs/Vertiefung:

Eine Ehegatteninnengesellschaft wurde z.B. angenommen bei gemeinsamer Bewirtschaftung einer Gaststätte, für die die Ehegatten gemeinsam Kredite aufgenommen hatten[24], bei gemeinsamer geschäftsmäßiger Errichtung von Mietwohnungen, nicht aber bei der Einrichtung eines Familienwohnheims[25].

Wie oben dargestellt, resultiert die Mitarbeitspflicht hier bereits aus § 1353 I 2, so dass gerade nicht von einer Ehegatteninnengesellschaft ausgegangen werden kann.

III. Anspruch aus einem besonderen familienrechtlichen Vertrag (Kooperationsvertrag)

268

Fraglich ist, ob sich ein Vergütungsanspruch zugunsten der D aufgrund eines besonderen familienrechtlichen Vertrages (sog. Kooperationsvertrag), i.S.d. §§ 241, 311 ergeben könnte[26]. Ein solcher würde ebenfalls voraussetzen, dass die erbrachten Arbeitsleistungen der D über die ehelichen Pflichten der §§ 1353 ff. hinausgehen, was vorliegend nicht der Fall ist, so dass auch kein Anspruch auf Vergütung aus einem familienrechtlichen Kooperationsvertrag gegeben ist.

IV. Anspruch der D gegen M aus einer Leistungskondiktion gemäß § 812 I 1 1. Fall

269

 

In Betracht kommen könnte noch ein Vergütungsanspruch der D gegen ihren Mann aus § 812 I 1 1. Fall.

1. Etwas erlangt

270

Dies setzt voraus, dass M etwas erlangt hätte. M hätte bei Mitarbeit seiner Ehefrau in seinem Büro drei Wochen lang ihre Arbeitskraft erlangt bzw. sich entsprechende anderweitige Aufwendungen erspart[27].

2. Durch Leistung

271

Dies würde auch durch Leistung[28] der D geschehen, da sie bewusst und zum Zweck der Erfüllung ihrer Verpflichtung aus den §§ 1360, 1356 i.V.m. § 1353 arbeiten würde.

3. Ohne Rechtsgrund

272

D müsste auch ohne Rechtsgrund geleistet haben.

Die Verpflichtung der D zur Mitarbeit gemäß den §§ 1360, 1356 i.V.m. § 1353 stellt jedoch einen Rechtsgrund zum Behaltendürfen der Arbeitsleistung bzw. deren wirtschaftlichen Wertes dar. Zudem stünde einer Rückforderung § 814 entgegen.

4. Ergebnis

273

Ein Anspruch der D gegen M aus § 812 I 1 1. Fall besteht folglich nicht.

V. Anspruch der D gegen M aus einer Zweckverfehlungskondiktion i.S.d. § 812 I 2 2. Fall

274

D könnte gegen ihren Mann einen Anspruch aus § 812 I 2 2. Fall haben. Dies setzt voraus, dass der mit der Leistung bezweckte Erfolg nicht eingetreten wäre.

Der mit der Leistung verbundene Zweck kann hier nur in der Förderung der ehelichen Lebensgemeinschaft gesehen werden. Diesen Zweck hätte D mit ihrer Arbeit jedoch nicht verfehlt, da die eheliche Lebensgemeinschaft gefördert wurde und weiterhin fortbestand. Einen weiteren über die Verpflichtung gemäß den §§ 1360, 1356 i.V.m. § 1353 hinausgehenden Zweck hat D nicht verfolgt bzw. verfehlt[29].

VI. Ergebnis

275

Sofern die zu beurteilende Tätigkeit über die übliche Verpflichtung zum Unterhalt beizutragen nicht hinausgeht, lässt sich ohne Vereinbarung kein Vergütungsanspruch herleiten, da die familienrechtliche Pflicht zur Unterhaltsgewährleistung jedenfalls bei unbedeutenden Hilfstätigkeiten[30] unentgeltlichen Charakter hat[31].

Es bleibt daher festzuhalten, dass ein Vergütungsanspruch der D nur dann in Betracht kommt, wenn sie hierüber eine entsprechende Vereinbarung mit ihrem Ehemann trifft, in der festgelegt wird, in welchem Umfang und in welcher Höhe die Vergütung ihrer Mitarbeit erfolgen soll.

2. Teil: Schadensersatzansprüche der D wegen des Verkehrsunfalls
A. Anspruch der D gegen M aus § 823 I

276

Fraglich ist, ob D von M, aufgrund der durch den Verkehrsunfall verursachten leichten Verletzungen, Schadensersatz aus § 823 I verlangen kann.

I. Verletzungshandlung und Rechtsgutsverletzung

277

Dies setzt voraus, dass es durch eine Verletzungshandlung des M zu einer Rechtsgutsverletzung auf Seiten der D gekommen ist.

In der Unfallverursachung durch M ist die Verletzungshandlung zu sehen, die bei D zur Rechtsgutsverletzung in Form der Körperverletzung geführt hat.

II. Haftungsbegründende Kausalität

278

Die haftungsbegründende Kausalität liegt ebenfalls vor, da der Unfall für die Körperverletzung äquivalent und adäquat kausal[32] war.

III. Rechtswidrigkeit

279

M müsste auch rechtswidrig gehandelt haben.

Die Rechtswidrigkeit wird durch die Tatbestandserfüllung indiziert[33]. Da keine Rechtfertigungsgründe ersichtlich sind, war das Handeln des M rechtswidrig.

IV. Verschulden

280

Von der grundsätzlichen Verschuldensfähigkeit des M i.S.d. § 827 ist auszugehen, fraglich ist jedoch, welcher Verschuldensmaßstab unter Eheleuten anzuwenden ist.

Denkbar wäre eine Haftungsbeschränkung des M auf eigenübliche Sorgfalt gemäß § 1359, so dass sich M durch den Nachweis, auch in vergleichbaren eigenen Angelegenheiten des Öfteren unaufmerksam zu sein, entlasten könnte. Die Einstandspflicht des schädigenden Ehegatten bei grob fahrlässigem Verhalten bleibt davon allerdings unberührt, vgl. § 277.

281

§ 1359 gilt für den Gesamtbereich des ehelichen Pflichtenkreises und darüber hinaus auch, wenn der schädigende Ehegatte nicht nur seine ehelichen Pflichten, sondern unabhängig von der Ehe bestehende allgemeine Pflichten verletzt hat, die z.B. zu Deliktsansprüchen nach den §§ 823 ff. führen können[34].

Eine Ausnahme des Haftungsprivilegs i.S.v. § 1359 gilt jedoch für die Beteiligung am öffentlichen Straßenverkehr[35]. Bei Schäden, die im Straßenverkehr entstehen, bleibt es beim Haftungsmaßstab des § 276, da die Straßenverkehrsregeln keinen Spielraum für individuelle Sorglosigkeit lassen[36] und das Haftungsprivileg letztlich nicht den Ehegatten, sondern der dahinter stehenden Haftpflichtversicherung zugutekäme.

Exkurs/Vertiefung:

Mit dieser Rechtsprechung bezüglich der Einschränkung des Haftungsprivilegs will der BGH erreichen, dass dem Geschädigten Ersatzansprüche gegen den Haftpflichtversicherer des Schädigers erhalten bleiben[37]. Die Haftpflichtversicherung ist nämlich nur dann eintrittspflichtig, wenn die bei ihr versicherte Person ihrerseits schadensersatzpflichtig ist, vgl. dazu Rn. 285. Zudem soll es einem Zweitschädiger, der vom geschädigten Ehegatten auf die volle Ersatzleistung in Anspruch genommen wird, möglich sein, bei der Haftpflichtversicherung des schädigenden Ehegatten Regress zu nehmen[38].

M kann sich daher nicht darauf berufen, des Öfteren auch in vergleichbaren eigenen Angelegenheiten unaufmerksam zu sein. Da ihm zumindest leichte Fahrlässigkeit i.S.v. § 276 II zur Last gelegt werden kann, liegt folglich auch ein Verschulden des M vor.

V. Rechtsfolge

282

Rechtsfolge bei Verwirklichung des Deliktstatbestandes ist grundsätzlich eine Schadenskompensation gemäß den §§ 249 ff.

Die Haftung des M könnte jedoch gemäß § 1353 I 2 ausgeschlossen sein. Wegen der Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft i.S.v. § 1353 I 2 kann die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen unter Ehegatten im Einzelfall ganz oder teilweise ausgeschlossen sein[39]. Während ein Ausschluss im Rahmen des Versicherungsschutzes abzulehnen ist, da ansonsten § 1353 nicht der Ehe, sondern dem Versicherer zugutekommen würde[40], muss es im Sinne der Förderung der ehelichen Lebensgemeinschaft zu einem Ausschluss gemäß § 1353 kommen, soweit sich der schuldige Ehegatte im Rahmen seiner wirtschaftlichen Möglichkeiten um einen anderweitigen Schadensausgleich bemüht[41].

Der Ausschluss führt auch dann jedoch nicht zum Erlöschen des Anspruchs, sondern nur zu einer Stillhalteverpflichtung während der bestehenden Ehe, die bei einer Scheidung wieder entfiele[42].

VI. Ergebnis

283

Im Ergebnis ist der Anspruch der D gegen M aus § 823 I lediglich außerhalb des Versicherungsschutzes ausgeschlossen, und nur soweit M sich um einen anderweitigen Schadensausgleich bemüht.

Exkurs/Vertiefung:

Zur Hemmung der Verjährung von Ansprüchen unter Ehegatten und Lebenspartnern bzw. auch innerhalb anderer familiärer Zusammenhänge, vgl. § 207.

B. Ansprüche der D gegen die Haftpflichtversicherung (HV) wegen des zerstörten Cocktailkleides

284

Fraglich ist, ob D wegen des zerstörten Cocktailkleides gegen die Haftpflichtversicherung (HV) ihres Mannes vorgehen kann.

I. Anspruch der D gegen die HV aus §§ 115 I VVG, 1 PflVG i.V.m. §§ 7 I, 18 StVG, 823 I

285

In Betracht käme ein Anspruch der D gegen die HV aus den §§ 115 I Nr. 1 VVG, 1 PflVG[43] i.V.m. §§ 7 I, 18 StVG, 823 I[44].

Im Sinne der §§ 115 I Nr. 1 VVG, 1 PflVG besteht ein Direktanspruch des/der Geschädigten gegen die HV, sofern jene leistungspflichtig ist, d.h. sofern die HV für den Schaden der bei ihr i.S.d. §§ 113 VVG, 1 PflVG pflichtversicherten Person eintrittspflichtig ist. Dies ist wiederum der Fall, wenn die versicherte Person als Schädiger ersatzpflichtig gegenüber dem Geschädigten ist. Fraglich ist daher, ob wegen des eingetretenen Schadens am Cocktailkleid ein Anspruch der D gegen ihren Mann besteht.

1. Anspruch der D gegen M aus § 7 I StVG

286

Die Anspruchsberechtigung der D gegen M könnte sich aus § 7 I StVG herleiten lassen. Nach § 7 I StVG haftet der Halter eines Pkw, sofern es beim Betrieb des Fahrzeuges zu Sach- und/oder Personenschäden gekommen ist. Von der Haltereigenschaft des M in Bezug auf seinen Geschäftswagen ist auszugehen. Der Schaden ist beim Betrieb des Fahrzeugs aufgetreten und höhere Gewalt i.S.v. § 7 II StVG lag nicht vor. Die Tatbestandsvoraussetzungen sind mithin erfüllt.

Da die Halterhaftung i.S.v. § 7 StVG einen Gefährdungshaftungstatbestand darstellt, bei dem das Verschulden des Schädigers nicht Haftungsvoraussetzung ist, kommt eine Anwendung des § 1359 im Rahmen der Halterhaftung nicht in Betracht. Fraglich ist jedoch, ob der Anspruch aus § 7 I StVG über § 8 StVG ausgeschlossen sein könnte.

Die Ausnahmetatbestände des § 8 StVG sind vorliegend nicht einschlägig. Insbesondere greift auch die Haftungsbefreiung des § 8 Nr. 3 nicht ein, da D das Cocktailkleid an sich trug. Folglich besteht ein Anspruch nach § 7 StVG.

287

Exkurs/Vertiefung:

Der früher existierende Haftungsausschluss gegenüber unentgeltlich beförderten Personen gemäß § 8 I, S. 1 StVG a.F. ist durch das Schadensersatzrechtsänderungsgesetz vom 19. Juli 2002 aufgehoben worden. Wiederum aktualisiert wurden u.a. die §§ 7, 8 und 18 StVG durch das Gesetz zur Haftung bei Unfällen mit Anhängern und Gespannen im Straßenverkehr, das am 17.7.2020 in Kraft getreten ist[45].

2. Anspruch der D gegen M aus § 18 I StVG

288

Fraglich ist, ob darüber hinaus auch ein Anspruch der D gegen M aus § 18 StVG bestehen könnte. § 18 StVG bestimmt, dass auch der Fahrzeugführer gemäß § 7 I StVG haften muss, sofern er den Unfall durch ein Verschulden verursacht hat. M hat als Fahrzeugführer fahrlässig gehandelt, mithin den Unfall i.S.v. § 276 verschuldet und da § 1359 – wie oben gesehen – bei der Teilnahme von Ehegatten am öffentlichen Straßenverkehr nicht einschlägig ist, besteht ein Anspruch der D gegen M aus § 18 I StVG.

3. Anspruch der D gegen M aus § 823 I

289

Zudem könnte auch in Bezug auf das unbrauchbar gewordene Cocktailkleid ein Anspruch der D gegen M aus § 823 I begründet sein.

Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 823 I sind erfüllt, da M die Zerstörung des Kleides durch sein Verhalten äquivalent und adäquat kausal verursacht hat und zudem schuldhaft und rechtswidrig handelte. Da – wie oben gesehen – die Haftungsprivilegierung des § 1359 im Straßenverkehr nicht eingreift, besteht auch der Anspruch aus § 823 I zugunsten der D.

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