Die 4 Diamanten

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Kapitel 2
Die 6 Säulen und die Magie

Die Sonne stand nun fast über den Gipfel von Freit. Ihre Strahlen fielen direkt auf das Grabmal.

Alle, Menschen, Fablen und Tiere, sind gekommen und sie trugen dunkle Kleidung mit schwarzen oder violetten Tüchern. Sie sangen Lieder vom Leben, Liebe und Zusammenhalt. Avono dankte allen nochmals für ihre Arbeit und nach kurzer Zeit waren auch Oberau, Reot, Fineis und Vegün da.

Avono stellte sich auf eine Kiste, um höher zu stehen, hinter ihm waren die Säulen und vor ihm jegliche Bewohner des Landes und zu seiner Rechten die Diamanten. „Hört meine Worte“, begann er. „Seht, was wir in der kurzen Zeit errichtet haben. Mit Kraft. Mit so vielen gemischten Gefühlen, die mit ins Fundament gehalten haben.“ Er hob seine Hände. Alle schlossen ihre Augen und heben ebenfalls ihre Hände. „Jolett, du das Licht des Verborgenen. Du hast jungen Herzen Mut gegeben und dieses Land geschützt.

Atistarz, du das Licht des Augenblickes, das alles um dich leuchten lässt. Du hast uns Stärke geschenkt und auch du hast dieses Land geschützt.

Die Säulen, von allen errichtet, die an euch gedacht haben, sie sollen euch, den Diamanten, verbinden und euch eine Brücke sein, hierher zurück zu kehren. Möge eure Liebe den vier Diamanten gebühren. Eure Kraft sie stärken. So hört uns an.“

Alle Anwesenden sprachen Avono nach: „Wir segnen euch Jolett und Atistarz. Wir teilen unsere Herzen mit euch auf das der Frieden eurer Seelen, die die Freiheit eurer Geister bestehen bleibt.“ Avono trat von der Kiste hinunter und senkte seine Hände. Viele legten Blumen und Briefe am Zaun nieder. Sie knieten und flüsterten eigene Worte.

Avono ging zu Oberau, Reot, Vegün und Fineis. „Wir müssen dringend sprechen.“ Oberau nickte dem zu.

Avono bat die vier mit in sein Haus zu kommen.

Es war nicht weit, sondern nur zehn Minuten vom Grabmal entfernt. Auf dem Weg sprach keiner von ihnen. Es waren stille Schritte zum Haus.

Das Haus von innen sah aus wie eine gewaltige Bibliothek. Außer Avono lebte hier noch Tilanda. Tilanda wird nur Tolji genannt. Sie ist angeblich aus einer anderen Welt. Weil ihr das niemand glaubte, wurde sie nur vertrieben. Avono nahm sie auf. Er hört ihr zu und gab ihr ein zu Hause. Seitdem ist sie so etwas wie eine Haushilfe. Tolji hatte schon den Tee aufgesetzt und geleitete uns in den Wohnraum, der abgesehen von einem Tisch und zwei kleinen Couchen ebenfalls mit Büchern vollstand. Sie setzten sich. Avono schaute Tolji an. „Hast du etwas von Goji erfahren?“ „Nein.“

„Hm, bitte sei so lieb und lass uns allein.“

Sie nickte lächelnd, stellte den Tee auf den Tisch und verließ den Raum.

„Sie ist groß geworden!“, sagte Vegün.

„Es wird sich alles ändern und darum hast du uns hergebeten.“, wandte Oberau ein.

„Ja, diese Welt wird zerbrechen.“ antwortete Avono.

„Übertreib nicht gleich. Dass es nicht so bleibt, ist ja klar, aber davon geht die Welt nicht gleich unter.“, entgegnete Reot. Avono nahm eine Tasse Tee zu sich. „Es ist in dem ersten Buch von den Heiligen Schriften geschrieben, dass es zuvor schon mal dazu kam. Seit jenen Tag schreiben wir Hüter alles über die Diamanten nieder.“

„So viele Bücher wie es gibt, ist das doch bestimmt tausende Jahre in unserer Rechnung her.“, wandte Fineis dazu.

„Ja, ihr habt nicht Unrecht. Es war zur Zeit des beginnenden Friedens zwischen Menschen und Fablen.“, sagte Avono.

„Nun gut. Aber du willst doch nicht über alte Geschichten mit uns reden, oder?“ Oberau ist wie so oft sehr direkt.

„Da hast du Recht. Ich möchte euch sagen, was ich über diese Situation denke.“ Die vier schauten ihn schweigend an. „Von meinem Sohn fehlt jede Spur. Weder meine Häscher noch der Suchtrupp haben ihn gefunden und mir fehlt ein Buch. So hört: Ich denke, Goji hat mit Hilfe der Magie des Buches die Lichter aufeinandergehetzt. Jolett und Atistarz sagen lassen, was sie gesagt haben und ist nun in eine fremde Welt geflohen.“

„Tz. Das ist doch absurd“, empört war der Unterton von Fineis.

„Du verurteilst deinen eigenen Sohn. Ohne einen Gedanken zu verschwenden, dass er auch unschuldig sein kann.“ Reot war über diese Aussage verblüfft.

Vegün sagte hingegen nichts, ihm fehlten die Worte.

Alle hatten mit dem Gedanken gespielt. Aber der eigene Vater?

„Und in was für ‘ner Welt ist er und wie soll er dort hingekommen sein?“, fragt Oberau.

„Nun, ich schätze dorthin, wo Tolji herkam.“ Alle schauten ihn zweifelhaft an. „Ihre Sachen, die sie bei sich hatte, gibt es hier nicht und den Ort, von dem sie erzählte, wo sie plötzlich hier war, habe ich untersucht. Er strahlte Unmengen von Wärme und Unvollkommenen aus.“

„Und? Das heißt?“ Reot wurde ungeduldig. Er sah das Gespräch mit Avono als Zeitverschwendung.

„Es scheint was zu fehlen an diesem Ort. Einen Schüssel aus Wissen und Magie, um diese Kraft zu nutzen.“

„Avono, jetzt mal im Ernst. Bei allem Respekt. Wenn dem so wäre, würden auch andere, die sich mit Magie auskennen, dort am Ort herumwursteln.“, sagt Vegün.

„Nun, das ist nicht möglich.“ Erneut schauten die vier Avono verdutzt an.

„Warum sollte das anders sein.“ Oberau wurde neugierig.

Avono stand auf und strich durch seinen Bart. „Ich konnte durch eine verbotene Verschlüsselung die Magie an dem Ort einfangen und wo anderes versiegeln. Und zwar…“, er machte einen Schritt auf die vier zu. „…direkt unter den Grabsäulen.“

„Was?!“ Reot war alles, aber nicht mehr abweisend. Auch die anderen schienen erstaunt zu sein.

„Wartet bevor ihr was sagt.“, wandte Avono schnell ein. „Nur ihr zusammen könnt den Zauber nutzen. Der Himmel ist zum Teil verschwunden und auch der Frieden wird verschwinden. Aber ihr müsst zusammen Leben und Sterben.“ Er gab jeden ein kleines Notizbuch, in dem er alle seinen Code zur Magie ein trug. „Denkt bitte gut nach bevor ihr handelt.“

Alle außer Fineis standen auf, um sich zu verabschieden. „Kommst du?“, fragte ihn Reot.

„Geht schon mal vor.“ Reot und die Anderen verließen das Haus, blieben aber vorm Haus stehen.

„Wartest du auf ihn?“

„Ja, wir sehen uns am Schloss.“

„In Ordnung.“ Oberau und Vegün gingen zurück. Währenddessen fragte Avono. „Was kann ich für dich tun?“

„Ist es möglich, dass du meine Wiedergeburt beeinflussen kannst?“ Fineis Blick war ernst.

Avono war erschrocken und setzte sich ihm gegenüber. „Kommt darauf an, warum denn?“

„Ich will, dass die Dritte meines Lichtes bei den Wölfen zur Welt kommt.“

„Nun, das würde machbar sein, nur …“

„Und es sollen Zwillinge sein! Kannst du das!?“ Fineis Ton war fordernd.

„Fineis. Ich habe euch alle sehr gern! Von allen habt ihr ein weiches liebliches Herz. Warum sollte ich das für euch tun?“ Avono sah überhaupt kein Grund darin so ein schweres Schicksal ihm auf zu brüsten.

Doch Fineis lächelte nur. „Das sag ich euch erst, wenn du dafür gesorgt hast.“

Avono stand auf. „Du lässt mir keine andere Wahl, oder?“

Fineis lächelte ihn erneut an.

Avono hob die Hand über ihn. Plötzlich wurde es stockdunkel im Raum. Flimmernde Lichtstreifen zogen an ihnen vorbei. Avonos Augen leuchteten braungelb und seine Stimme war kalt zu spüren. „Du, der das Licht hält, möge deine Kraft, dein Licht, dein Wesen, dein Leben, sich zu dritten teilen.“ Seine Worte verwandelten sich in kleine Blitze, die auf Fineis rechten Arm einschlugen und sich in die Haut fraßen und ein seltsames Zeichen hinterließen.

Das Lichterflimmern ließ langsam nach und auch die kalte Dunkelheit verzog sich wieder. „Der Fluch steht, aber verbergen kannst du es nicht. Auch den Nächsten nicht.“

„Es ist gut.“, antwortete Fineis, der das auffällige Mal verband. Avono schaute ihn ratlos an. „Wir werden diese Welt schon bald verlassen müssen. Nur so können wir den Frieden bewahren. Fineis, bei allen. Glaubst du das wirklich, es werden halbe Kräfte statt ganz ganze sein.“ Avono zupfte an seinem Bart, während Fineis aufstand und sich zur Tür begab.

Er drehte sich nochmal um. „Avono! Das bleibt unter uns!“

Avono nickte ihm nur bedenklich zu.

Vor der Tür wartete Reot. „Was war es denn, dass du uns nicht dabeihaben wolltest?“, fragte Reot lächelnd.

„Ich hatte mich verletzt und Avono ist dabei zu lernen, ob man mit Magie Wunden heilen kann“, antwortete Fineis beim Vorbeigehen.

„Hey, warte du Versuchskaninchen.“ Denn so ganz glaubte Reot zwar nicht, aber er fragte auch nicht weiter.

Wieder und wieder versank die Sonne, während die Tage vergingen.

Oberau und Vegün waren weiterhin damit beschäftigt irgendwas über Goji herauszufinden, während Reot und Fineis die alten Bücher der ersten Diamanten zusammensuchten und durchlasen, um über weitere Maßnahmen vorbereitet zu sein. Linda half allen, wo sie nur konnte.

Die Zeit verging viel zu schnell und so veränderte sich das Märchenland schneller als gedacht.

Nun ist schon ein Monat vergangen, aber was Gescheites hatte keiner herausgefunden, als sich Oberau, Vegün und Reot in der großen Halle trafen.

„Nichts, gar nichts. Nur eine Spur, die sich plötzlich in Luft auflöst“ sagte Oberau wütend, während er am Tisch auf und ab ging.

„Ich denke, Avono hatte Recht.“ Vegün legte ein Stapel Dokumente vor Reot auf den Tisch. „Das ist alles, was ich Linda und ich in seinen Gemächern fanden, was darauf hinweisen könnte.“

Reot lehnte sich im Stuhl zurück. „Großartig. Das heißt, wir sind keinen Stück weiter, vier lange Wochen sind verplempert.“

 

„Und? Habt ihr etwas herausgefunden?“ Oberau stellte sich vor Reot.

„Wenn du es wissen willst.“ Ernste Blicke umgaben ihn. „Die ersten Diamanten waren zu acht, wie ihr wisst. Zwei von ihnen verschwanden plötzlich und wurden nie gefunden. Ihre Lichter waren erloschen.“

„Tja, das ist nichts Neues.“ Vegün verschränkte enttäuschend die Arme.

„Fineis hat in diesem Buch was Interessantes herausgefunden. Sie haben sich geopfert.“

„Wie jetzt?“ Erstaunt schaute Oberon ihn an.

Reot schlug das halb zerfallende Buch auf. „Hier steht es vom Hüter Locwelo geschrieben: Es hat zu lange gedauert herauszufinden, warum Oktowehl‘s und Astraras’s Lichter erloschen. Ein Rabe erzählte es Cristraver. Er habe gesehen, dass eine dunkle magische Erscheinung ihnen drohte und sie sich ihm hingaben, sofern er diese Welt verlässt. Ihr Tod hat Krieg gebracht. Cristraver, Loster, Nichtan, Machole, Getward und Luziner haben drei Jahre gebraucht, um den Frieden zu finden und das Schöne unserer Welt zurückzuholen.“

„Oh man. Ausführlicher hätte der das nicht schreiben können!“ Oberaus Laune verschlechterte sich.

„Das wurde erst eine Generation danach geschrieben. Hier. Siehst du das Datum.“ Reot hielt ihm das Buch vor die Nase.

„Und mehr gibt es nicht?“, fragte Vegün.

„Nein, aber es fehlt auch ein Buch.“

„Wie ich sagte. Verschenkte Zeit!“ Oberau drehte sich weg, wobei er das Buch überflog.

„Wie geht es Fineis?“ Vegün wandte sich zu Reot.

„Er kommt zurecht!“

„Das ist so ‘n Mist.“ Oberau schlug die Faust auf den Tisch. „Artistarz, du Vollidiot! Jolett, du Arsch! Musstest du auch noch Fineis deine Zähne in den Leib rammen!“

„Hey, reg dich ab!“ Reot war hinter ihm gegangen und legte seine Hand auf Oberaus Schulter.

Der schlug sie weg und stampfte wutentbrannt zur Tür.

In diesem Augenblick flog die Tür auf. Linda machte einen panischen Eindruck und stürzte an Oberau vorbei zu Reot und Vegün. Sie blieb vorm Tisch stehen und lehnte sich dagegen.

„Fineis steckt in Schwierigkeiten“ keuchte sie.

„Was ist denn passiert?“, fragte Vegün.

„Die Leute aus den Orten beginnen die Fablen zu jagen!“

„Was!“ Alle waren entsetzt.

Oberau zögerte nicht. „Und, wo ist er jetzt?“

Noch bevor Linda Antworten konnte, zerbarst das große Fenster. Lauter Scherben klirrten zu Boden. Wie im Zeitraffer erstreckte sich ein schlanker Körper, mit langem weißem Haar und zerschundenen Flügeln durch das Fenster.

„Was zum Geier! Kannst du nicht durch die Tür kommen?“ Oberau war zwar gereizt aber auch erschrocken.

Reot wollte Fineis beim Aufstehen helfen. „Mann, Fineis. Oberau hat Recht…“

„Runter!“ Fineis nahm seine Hände und drückte Reot, der dicht am Fenster stand, zu Boden.

Ein Pfeil kam in den Raum geschossen, der im Schrank stecken blieb. An ihm war eine Schriftrolle befestigt. Für einen Augenblick waren alle sprachlos. Verdutzte Gesichter schauten Fineis an. „Was war das denn?“. Mit diesen Worten trat Vegün zu dem Pfeil. Reot erhob sich vorsichtig und Linda holte den Verbandskasten sowie einen Kehrfeger aus dem Nebenraum.

„Sag mal“ Oberau schaute Fineis an. „Was hast du angestellt?“ „Nun, eigentlich nichts. Ich war bei Avono, da eins der alten Bücher fehlt. Als ich hierher wollte, sprachen mich ein paar Menschen an und bevor ich antworten konnte, hetzten sie auf mich los.“

Oberau setzte sich, während Vegün die ausgerollte Schriftrolle auf den Tisch legte. „Es wird wohl Krieg geben. Angeblich sollen unsere toten, aber warmen Körper sehr gefragt sein.“

„Was! Zeig her.“ Reot zog die Schriftrolle zu sich „Klasse. Deshalb fangen sie an Fablen zu jagen. Die Menschen, die nicht von hier kommen, wissen nicht, wer wir sind.“

Linda war inzwischen zurück. „Das ist das, was ich gesagt hab“, sagte sie, während sie zu Fineis ging.

„Hey, habt ihr verstanden, was Avono in den Büchern geschrieben hat?“ Oberau blickte ernst rein. Er sprach weiter. „Wir haben jederzeit die Möglichkeit zu gehen.“

„Natürlich.“, antwortete Vegün. „Aber so kannst du doch nicht die Nächsten eintreten lassen.“

„Was sollen wir tun? Es werden unzählige Fablen sterben. Außerdem weiß doch der Großteil der Menschen, wer wir sind.“, entgegnete Fineis.

„Es ist fast egal. Wir müssen den Mörder finden und Goji. Ich sehe keine andere Wahl, wie wir die Fablen und uns retten wollen.“Oberau lehnte sich genervt im Stuhl zurück.

Linda seufzte: „Ich bringe Fineis zu Eleno.“

Vegün ging zu den beiden und stützte Fineis auf dem Weg.

„Wie stellst du dir das vor?“ Reot schaute Oberau an.

„Hm. Um ehrlich zu sein, bin ich ratlos. Wir hätten, nach dem unsere Freunde erloschen sind, uns nicht so vertiefen dürfen, sondern hätten uns inständig zum Volk wenden sollen.“

„Damit hast du wohl Recht, aber das lässt sich nicht mehr ändern.“

„Hast du es bemerkt, Reot?“

„Was denn?“ Reot setzt sich auf dem Tisch und schaute Oberau fragend an.

„Fineis. Obwohl er sehr geschickt ist, wie kommen einfache Menschen an seine Flügel ran?“

„Das, ja, habe ich mich auch schon gefragt, aber…“

„Kein aber! Hast du seinen Arm gesehen?“

Reot war verwundert. „Seinen Arm?“

„Ach, vergiss es.“ Mit diesen Worten stand Oberau auf und verließ den Raum.

„Hey Oberau“ Reot war vom Tisch gesprungen.

Nur Oberau hörte ihn nicht mehr zu.

Es schien nicht nur im Umfeld, sondern auch im Schloss selber kriegerische Atmosphäre zu herrschen. Die Fablen jeglicher Art und die Menschen übten einige innige Hetzjagden aus. Nur wenige Menschen blieben mit den Fablen zusammen. Sie flohen soweit wie möglich. Für die Schlossbewohner gab es kein Weg nach draußen. Zu ihrem Glück kamen die Menschen auch nicht hinein, da es von der Kraft der Diamanten geschützt wird. Das einst strahlende und blühende Land ist nun mit den heruntergekommenen Orten unserer Welt zu vergleichen. Verwahrloste Felder und zerstörte Dörfer. Die Menschen nahmen sich alles, ohne Rücksicht auf die Tiere und auf anderes Leben. Sie achteten nicht mal mehr auf sich selbst, ohne den eigentlichen Grund zu kennen. Von ihrem Streben nach Macht geblendet, raubten sie Wissen und Leben. Sie versuchten nicht mal auf einander zu zugehen, um sich auszusprechen. Sie setzten Gerüchte in die Welt, um den Hass zu schüren. Nur die Wenigsten, die mit den Fablen geflohen sind und sich versteckte Dörfer erbaut hatten, hatten ihren Sinn für ein freies und liebevolles Leben behalten. Doch von den Anderen wurden sie als Ungeziefer bezeichnet. Das Gleichgewicht geriet derart ins Schwanken. Avono lehrte, durch die Geister der Gleichung, wenigen Fablen und Menschen die Portale zu nutzen, welche labyrinthartige Wege in andere Welten sind. Sie hatten kaum eine Chance die hassverzweifelten Menschen von ihrer geblendeten Sucht zu befreien. Sie waren davon überzeugt Macht zu erlangen, sodass sie selbst ihre Freunde töteten. Und das alles nur, weil irgendwer Mist erzählt hat. Das nur, weil sie fremden Worten glauben schenkten, um ein besseres Leben zu erwünschen. Sie hatten vergessen, dass sie einst Liebe und Freiheit besaßen. Auch das Gefühl des Gemeinsamen ging verloren. Nur die Fablen und Tiere fragten sich: „Ist es das wert?“ Was blieb den Menschen, wenn sie ihre Macht erlangt und ihr Hass erfüllt haben? Die Antwort darauf nur Einsamkeit und Lehre. Im Schloss war es sicher, aber unbehaglich.

Die vier Diamanten trafen sich im Innenhof mit Avono, Linda und einigen Dienern.

„Wir könnten unsere Kräfte zusammenschließen, um alle Menschen, dessen Herzen Unreines ausmacht, töten.“, sagte Reot. „Wir tun dann das gleiche wie sie. Das heißt: Wir wären nicht besser!“, antwortete Vegün.

„So wie es ist, würden sie die nächste Generation ebenso töten wollen und noch mehr Unschuldige sterben.“, wandte Oberau ein.

„Menschen sind unheimlich starrsinnig, daher auch sehr leichtgläubig. Wenn einer etwas glaubt, dann tut der Nächste das auch und so glauben viele das Gleiche, egal ob gut oder schlecht“ sprach Avono, während er über seinen Bart strich.

„Könnt ihr damit leben, wenn ihr all diese Menschen tötet? Könnt ihr dann auf ihren Seelen neue Dörfer bauen?“. Linda war sehr besorgt, obwohl sie auch Angst hatte, wollte sie nicht, dass ihre besten Freunde töteten.

„Egal was wir tun, es wird noch viele treffen!“, sagte Fineis.

„Aber das Gesetz des Lebens sagt doch: Fügst du anderen Schmerz zu, raubt es dir den Schlaf. Fügst du anderen Leid zu, nimmt es dein Herz. Nimmst du anderen das Leben, trifft es dich selbst.“

„Nun, dass das zutrifft, sieht man ja, sonst gäbe es kaum noch einen Grund, dass sie sich so geschmacklos gegenseitig umbringen.“, entgegnete Vegün.

Avono setzte sich auf einen Stein. „Also ihr Lichter dieser Welt. Was wollt ihr tun?“

Fineis legte seine Hand auf Lindas Schulter und Oberau sagte: „Wir gehen durch die Säulen! Aber wir kommen frühestens in drei Jahren zurück!“

„Was!“ Linda war schockiert. Sie krallte sich an Fineis fest.

„Linda, so wie es ist, hat es keinen Sinn. Wenn wir gehen und eine Weile wegbleiben, dann beruhigt sich die Lage zumindest etwas.“ „Aber wenn ihr geht, kommt ihr nie wieder!“, seufzte sie.

„Nein, wir nicht. Aber die nächste Generation der Diamanten und unsere Lichter werden immer dieselben sein!“, sagte Vegün. „Nun, wenn das so ist.“ Avono stand auf.

„Es tut uns leid.“, sprach Reot zu den Anderen, die ebenso wie Linda schockiert sind. Einer der Bediensteten trat vor. „Wenn es euer Wunsch ist, wir werden hier warten und den Lichtern, die die hier zu uns stoßen alles berichten, sie unterstützen und ihnen Treue erweisen.“

„Danke Jasper.“, antwortete Fineis. „Wir werden noch einige Vorbereitungen treffen und werden uns in acht Tagen zu den Säulen begeben!“, sagt Oberau.

Die Vier verließen den Innenhof. Sie mussten der nächsten Generation den Weg so leicht wie möglich machen.

Die Zurückgeblieben im Hof waren sprachlos. Linda war am Boden zerstört und lehnte sich in Jaspers Arme. Er tätschelte ihr den Kopf. „Ihnen ist das bestimmt nicht leichtgefallen, Linda“, sagte Jasper.

Linda antwortete nicht.

Avono stand auf und ging ein paar Schritte. „Es hat einen guten Grund für diese Handlung. So lasst uns ihnen helfen. Acht Tage ist nicht viel Zeit.“

Linda drehte sich um „Und dann? Was wird aus uns, wenn sie weg sind?“

„Sie werden nicht weg sein.“ antwortete Avono, der nun fragend angeschaut wurde. Er sprach fast hämisch weiter: „Ts ts. Diese Vier sind mit Abstand die hinterlistigsten Diamanten ihrer Zeit. Oberau hat mich um einen kuriosen Zauber gebeten!“

„Und was für einen?“, wollte Linda wissen, doch bevor Avono antworten konnte, fiel ihm Jasper ins Wort „Also stimmt es tatsächlich, was Eleno mir gesagt hat?“

„Ja“, lächelte Avono. „Du weißt, was zu tun ist?“ Jasper nickte dem zu. Linda wollte unbedingt wissen, um was für einen Zauber es ging, aber Avono belächelte sie „Das wirst du dann sehen.“ Damit löste sich die kleine Versammlung auf.

Die nächsten Tage waren hektisch im Schloss. Die jüngeren Diener so wie Jasper bekamen vieles, was sie lernen mussten, um die nächste Generation alle Fragen beantworten zu können. Da Goji eigentlich Avonos Nachfolger werden sollte, aber bis jetzt verschwunden blieb, wurden Jasper und Linda, als die ersten Menschen, zu den Hütern der alten Bücher sowie der Schriften und somit auch die Vertrauten der Diamanten ernannt. Eine wahnsinnig hohe Verantwortung lag nun auf beiden. Fineis zeigte ihnen alles, was sie nun meistern mussten. Oberau lag mit den Planungen bei Avono in seinem Haus, für den Zauber, um diesen zu festigen. Die Diener des Schlosses wurden von Vegün aufgeklärt und in ihren neuen Aufgaben eingewiesen. Eleno und Reot begaben sich verkleidet zu den Säulen, um damit alles vorzubereiten.

Die acht Tage vergingen wie im Flug. Selbst die vier Diamanten hatten sich kaum gesehen. Den Abend am letzten Tag verbrachten sie zusammen in der großen Halle. Sie war mit Kerzen beleuchtet und hatte so ein mittelalterliches Aussehen. Der Mond schien hell durch die großen Fenster hinein. Auf zusammen gelegten Decken und Kissen lagen sie zusammen und schauten ihn an. „Habt ihr alle Vorbereitungen abgeschlossen?“, fragte Oberau in die stille Runde. Die anderen nickten ihn zu.

„Schon seltsam zu wissen, dass man ab morgen nicht mehr da sein wird.“ Vegün rückte dicht zu Oberau, der seinen Arm um ihn legte. Fineis lächelte, was Reot verwunderte. „Was ist so lustig daran?“, fragte er.

 

Fineis legte sein Kopf in Reots Schoß und schaute ihn an.

„Keiner von uns wird sterben, stimmt‘s Oberau?“

Fragend und mit unerwarteten Blicken sahen Vegün und Reot nun Oberau an. „Ich habe mit Avono gesprochen. Durch die morgige Zeremonie werden unsere Geister an unsere Säulen gebunden werden.“

„Hä“ Reot verstand nichts davon.

„Wie meinst du das?“, wollte Vegün wissen.

„Das heißt, wir werden wortwörtlich als Geister im Rahmen des Grabmals weiterleben.“

„Du wusstest davon, oder was?“ Gereizt fragte Reot Fineis.

„Ja, es war meine Idee!“, antwortete er.

„Und warum?“, fragte Vegün. „Wäre doch schade für die Menschen zu sterben.“

Oberau sprach dazwischen: „Außerdem hatte Avono sowas schon geahnt und angefangen mit den Vorbereitungen. Nun wissen davon nur die, die hier leben…“

Bevor Oberau zu Ende sprechen konnte, begann Vegün an zu lachen. „Nun bin ich erleichtert. Ich habe mich schon gefragt, wie wir sterben.“

Auch Reot musste nun lachen, während die anderen beiden lächelten. Somit blieb die Stimmung der Vier heiter und fröhlich.

Die Zeit verging wie im Flug. Und so schnell wie der Mond aufging ging er unter. Die Sonne erreichte mit ihren warmen leichten Strahlen das Schlosstor. Hier sprach Avono Wörter aus, die keiner verstehen konnte. Er bewegte sich als würde er tanzen. Avono erschuf so einen gelblichen Wind, den er übers Land schickte. Der sollte alle zum Schlafen bringen, damit sie sicher zum Grabmal gelangen konnten. Währenddessen machten sich die vier Diamanten bereit. Sie ließen letzte Botschaften für die nächsten Generationen niederschreiben. Anschließend gingen sie zum Tor, wo alle auf sie warteten.

Avono gab jeden von ihnen eine Kette, die aus Lichtern und Diamanten der Welt angefertigt waren.

Avono stand vor Fineis und er bekam den blauen Saphir. Nun sagt Avono. „Der Himmel kann einen erfreuen, aber auch beängstigen.“

Er ging weiter zu Reot, in seiner Hand war der rote Rubin. Avono klopfte seine Schulter. „Feuer heißt nicht zerstören, sondern auch leben.“

Vegün senkte den Kopf, als er ihm Kette mit dem grünen Azteken umlegt. „Harmonie und Einklang ist wie die Natur. Die Erde ist der Grundstein für alles.“

Nun sah Avono Oberau an und gab ihm die Kette mit dem weißen Topas. „Nur weil das Licht heller ist, ist der Schatten nicht weniger wert.“

Er drehte den Vieren den Rücken zu und stand direkt vorm Tor „Nehmt sie niemals ab!! Last eure Herzen mit ihrem Glanz verschmelzen!!“

Nun öffnete er das große Holztor und trat hindurch. Schweigend folgten ihn Fineis, Reot, Vegün und Oberau, dann die Vertrauten Linda sowie Jasper, begleitet von Eleno. Zum Schluss die Diener. Dadurch, dass keiner etwas sagte, kam allen der Weg endlos vor.

Am Grabmal angekommen, stellte sich jeder der vier Diamanten vor seiner farblich abgestimmten Säule.

Von links gesehen: Oberau, Vegün, Reot und Fineis.

Avono trat zwischen die Säulen.

Alle anderen blieben vorm Zaun stehen.

Avono fragte sie: „Ihr Lichter dieser Welt. Ist es das was ihr wollt? Habt ihr alles, was noch zu tun war, erledigt? Als Geist kann man leben, aber nichts berühren.“

Reot ergriff das Wort. „Ja. Wir sind bereit in die dämonische Welt überzutreten.“

„Wenn ihr Fragen an uns habt, kommt hierher. Wir werden euch erscheinen und antworten!“, entgegnete Fineis.

„Wir werden für immer hier gebunden sein und so auch für eure Nachkommen da sein.“, lächelte Vegün ihnen zu.

Oberau schaute die Anderen kurz an, dann nickte er Avono zu, als Zeichen, dass es losgehen kann.

Die Vier drehten sich zu den Säulen und berührten sie mit der rechten Hand an den abgebildeten Diamanten. Unverzüglich sprangen Farbstrahlen aus den Säulen heraus und sie wirbelten herum. Als Avono seine Hände hob und begann wieder unverständliche Sätze zu sprechen, verbanden sich die Farben über dem Grabmal wie ein Zelt. Lichter kamen wie tanzende Sterne. Aus dem Boden heraus trat weißer Nebel, der je nach Lichteinstrahlung die Farben spiegelte. In dem Farbenzelt, um die vier Diamanten, kamen kräftige Winde auf, die die Farben vermischte. Es wurde ein Sturm aus Farben und Lichter, sodass man Avono und die Vier kaum noch sehen konnte. In Mitten diesem Farbensturm tauchten Schatten auf. Schatten von Tieren. Jasper erzählte Linda, dass dies die Geister der Erde sind. Avono trat zu jedem der vier Diamanten vor und tropfte ein bisschen von seinem Blut jedem in den Nacken. Das Blut verschwand unverzüglich durch die Haut. Die Luft erwärmte sich plötzlich um die Vier herum. Es war nur schwer zu erkennen, aber es sah aus als würden ihre Körper sich verformen, in deren seelische Gestalt und wieder in die Menschliche. Das ging ein paar Mal hin und her. Bis sie plötzlich den Wind, die Farben und den Nebel in sich aufnahmen. Es dauerte gar nicht lange und alles war wie am Anfang.

Die Vier ließen die Säulen los. Sie drehten sich zu Avono und den Anderen. Linda rannte zu ihnen. „Was soll das? Es ist nichts passiert!“

„Ruhig Linda.“, lächelte Vegün.

Fineis kniete sich vor sie und reichte ihr seine Hand. Als Linda diese greifen wollte, fasste sie hindurch.

„Siehst du, alles ist gut.“, antwortete Fineis ihr.

Nun lächelte Linda, obwohl sie Angst hatte, was die Zukunft bringen würde.

Oberau stand mit einem Bein in seiner Säule. „Kommt! Wir müssen los.“

Die anderen drei traten neben ihn in ihre Säulen hinein.

„Nun sind sie weg.“, sagte Linda leise, während Jasper sie in den Arm nahm.

Avono bekam von Eleno seinen Arm verbunden, in den er sich geschnitten hatte. „In zehn Tagen werden sie für uns ansprechbar sein, aber wir haben genügend Aufgaben.“

Alle nickten ihm zu. Sie waren motiviert die Arbeit zum Besten zu verrichten, die ihnen zugeteilt worden war.

Als die Menschen erfuhren, dass die Diamanten erloschen seien, erweiterten sie ihr Jagdgebiet.

Sie stellten Nachforschungen an, um heraus zu finden als welche Fablen sie wieder geboren werden, um das zu verhindern. Immer mehr Tiere und Fablen schlossen sich zusammen und zogen in, für Menschen unerreichbare, Winkel der Natur. Im Schloss lebten immer noch die Diener, die Vertrauten der Diamanten. Linda besuchte mit Jasper regelmäßig das Grabmal.

So verging die Zeit und tatsächlich hatten sich die Menschen beruhigt, so wie Oberau es gesagt hatte.

Bald bekam Linda eine Tochter und Jasper brachte ihr alles bei. Denn schließlich wird es ihre Aufgabe sein den nächsten Diamanten zu dienen.

Doch sie kamen nicht. Die nächste Generation schaffte es nicht zum Schloss und entschieden sich zu sterben.

Die Jahre vergingen.

Lindas Tochter hatte einen Sohn geboren. Jasper machte sich Sorgen und begab sich mit Eboni, seiner Tochter, zum Grabmal.

Dort angekommen legte Eboni Blumen vor den Säulen nieder. Dann kniete sie sich neben ihren Vater vor den Blumen. „Ihr Lichter, die uns eins führten, bitte hört mich an. Die ersten Nachfolger sind zu Tode gegangen, die Nächsten sind zwar geboren, aber der Weg hierher ist schwer.“

Das Wasser des Brunnens verfärbte sich grün und ein Schatten tauchte auf, der allmählich Gestalt annahm. Eine Stimme antwortete: „Jasper, du bist alt geworden. Deine Tochter ist zu einer kräftigen schönen Frau geworden.“ Es war Vegün, der nun auf der anderen Seite des Brunnens stand. Er sprach weiter: „Du hast nicht aufgepasst damals, mein Freund. Die dritte Generation wird es sein, die den Weg ins Schloss findet und den Frieden zurückbringt.“

Jasper ergriff schnell das Wort: „Wartet Vegün. Was sollen wir tun? Wir sind Menschen. Wir werden sie niemals treffen!“

„Nein. Aber eure Nachkommen!“, sagte Vegün, der sich umdrehte und in Richtung seiner Säule ging. „Jasper, lehre was deine Tochter wird. Der Tod ist nicht alles, auch aus Asche erhebt sich die Natur.“

Das Wasser des Brunnens wurde wieder klar und Vegün war verschwunden.

„Vater.“, sagte Eboni. „Ich glaube ganz fest an ihre Worte.“

Wortlos stand Jasper auf und verließ das Grabmal, während Eboni noch kurz die Säule von Vegün streichelte. Dann folgte sie ihrem Vater zum Schloss.

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