Violet - Die 7. Prophezeiung - Buch 1-7

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Kapitel 2.11

Eintrag im Wochenbuch:

Tag 14 nach meiner Wiedergeburt.

Hallo Wochenbuch.

Die letzte Woche habe ich trainiert wie eine Verrückte. Ich bin eine richtige Sportskanone. Mein Körper scheint reflexartigen Bewegungsmustern zu folgen, die mein Verstand nicht so recht verarbeiten kann. Ich kann sogar den Flickflack, ohne jemals so etwas Verrücktes und Halsbrecherisches trainiert zu haben.

Adam ist sehr süß. Ich bin mir nicht sicher, ob er mich auch so attraktiv findet, wie ich ihn.

Diese Woche hat mir Adam von den Sieben Geboten erzählt, die für die jungen Erwachsenen in den Sektionen gemacht wurden. Er hat mir mehr über die Vollstrecker, die Männer in den roten Lederuniformen, erzählt. Sie kommen, um zu bestrafen, wenn man sich nicht an die Gebote hält. Ich denke an die Vollstrecker in Kristens Klinik und frage mich, was sie dort verloren haben?

Die Sieben Gebote finde ich ziemlich hart und ich bin froh, dass ich nicht in die Zuchtsektionen muss.

Noch ein Satz über Adam. Ich glaube, ich stehe auf ihn. Ich darf mich in seinem Haus, das sehr luxuriös ist und bestimmt Millionen gekostet hat, frei bewegen. Ich sitze so gerne auf dem Holzsteg, der direkt aus dem Wohnzimmer hinaus auf den See führt. Nur in sein geheimes Arbeitszimmer, da darf ich nicht hinein. Ist mir auch egal, was er arbeitet. Auf jeden Fall muss er damit ein Vermögen verdienen.

»Was schreibst du da in das Buch?« Mein Herz macht einen Aussetzer. Adam hat sich in mein Zimmer geschlichen und steht nur ein paar Schritte hinter mir.

»Nichts«, sage ich und klappe mein Wochenbuch verstohlen zu. Ich wende mich ihm zu, bleibe aber im Schneidersitz auf dem Bett sitzen und muss grinsen. Vermutlich grinse ich immer so idiotisch, wenn er sich in meiner Nähe befindet.

»Nichts also?«

»Genau. Nichts«, grinse ich noch verzückter.

»Du schreibst doch etwas in das Buch?«

»Nichts von Bedeutung für einen viel beschäftigten Mann, wie du einer bist. Nur Mädchenkram.«

»Mädchenkram also?«

»Mmhm«, summe ich bestätigend.

»Du bist kein Mädchen!«, sagt er auf diese Weise, die mich hoffen lässt, dass er mich begehrenswert findet.

»Nicht? Was bin ich denn dann für dich

»Du bist…«, er bricht den Satz an der spannendsten Stelle ab. »Hast du Lust zu schwimmen?«, fragt er stattdessen.

»Schwimmen? Ich weiß gar nicht, ob ich das kann«, sage ich und reibe meine heiße Stirn.

Verblüfft sieht mich Adam an.

»Dann sollten wir es ausprobieren. Vertraust du mir?«

»Das tue ich, das weißt du doch«, gebe ich zu und nage dabei etwas an meiner Unterlippe herum.

Adam kommt näher und setzt sich neben mich auf die Blumendecke. Ich atme tief durch und nehme mir einen großen Schluck von dem Duft, den sein Körper verströmt. Er hebt seine Hand und fährt mit seinen Fingern durch mein Haar und klemmt mir eine kleine Strähne hinter mein Ohr. Mein Nacken prickelt und mein Herz beschleunigt, ohne vorher, um Erlaubnis gefragt zu haben. Ich mag es, was er macht, und ich würde gern meine Augen schließen, um dem sanften Streichen seiner Hände all meine Aufmerksamkeit zu widmen. Aber ich will ihn ansehen, in seinen schönen Augen versinken.

»Ich muss dir etwas sagen.«

»Ein Geheimnis?«, frage ich und höre, wie meine Stimme zittert.

»Etwas über die Zeit, bevor deine Erinnerungen gelöscht wurden.« Er macht eine Pause, fährt meinen Wangenknochen mit seinem Finger nach. Mein Gesicht fängt Feuer und mein Herz schlägt schneller als die Flügel eines Kolibris. Und ich explodiere fast vor Neugier und Nervosität. »In der Zeit, da waren wir beide…« Wieder hält er inne. Sprich doch weiter!

»Was? Was waren wir beide?« Ein Paar? Will er das sagen? Wenn das so wäre, ich hätte nichts dagegen, warum sonst sollte er mich wie ein Waisenkind aufnehmen? Warum sonst sollte er die Erinnerungslöschsache an Kristen bezahlen?

Warum sonst?

Ich schließe jetzt doch meine Augen, länger als es notwendig wäre, um meine Pupillen zu befeuchten. Wenn er mich jetzt küssen wollte, dann würde ich ihn mit meinen Lippen empfangen. Seine Finger streichen wieder über mein Gesicht. Er berührt sanft meinen Mund und ich öffne meine Lippen zu einem winzigen Spalt. Ich atme, um mehr Luft in meinen überhitzten Körper zu bekommen. Meine Lippen pulsieren und ich lehne mich ein Stück nach vorne. Küss mich!, wünsche ich mir im Stillen.

Aber…, Adam tut es nicht. Er hört abrupt auf, mich zu berühren. Die Matratze wippt und ich höre, wie seine Schritte sich entfernen.

Ich wäge ab, was ich jetzt tun soll, was das zu bedeuten hat? Dann mache ich mein linkes Auge auf und sehe, wie er mein Zimmer verlässt. Was soll das denn jetzt?

»Hey Adam, du wolltest doch eben etwas loswerden, etwas zu mir sagen.«

»Ich habe da eine Überraschung in meinem Arbeitszimmer, die ich dir gerne zeigen würde. Aber zuerst gehen wir schwimmen. Okay?«

Schwimmen? Also doch.

Ich hole Luft, um zu antworten: »Gut! Ich war in meinem letzten Leben ein Fisch. Nicht gewusst?«, sage ich und hoffe inständig, dass ich nicht ertrinken werde.

Kapitel 2.12

Adam hat keinen extravaganten Pool, so wie Kristen, aber das hier finde ich sowieso tausendmal besser. Sein schickes, kleines, aber ganz sicher sündhaft teures Haus liegt direkt am See. Ganz bestimmt der wohl friedlichste und romantischste Fleck in der Sektion.

Die unberührte Wasseroberfläche liegt still vor uns und in ihr spiegeln sich die dicht versammelten Bäume und Büsche in den Farben der untergehenden Sonne. Wir pirschen uns auf Zehenspitzen bis ans Ende des Holzstegs, weil wir die Rehe nicht aufscheuchen wollen und setzen uns dort ganz nahe nebeneinander hin.

Adam hebt seine Hand und zeigt mir das Reh und sein Kitz auf der gegenüberliegenden Seite. Ich quieke ganz leise, beuge mich vor, sehe mein glückliches Strahlen im Wasser und sehe Adam, wie er mich von der Seite studiert.

Der Moment ist zum Niederknien schön. Ich sitze da und genieße jede Sekunde, bis mir plötzlich ein trauriger Gedanke zufliegt.

»Es ist eine Schande, dass es uns so gut geht und alle in den Zuchtsektionen jeden Tag in Angst leben müssen. Wie lange dauert es, bis man in Momenten wie diesen nicht mehr daran denken muss?«, frage ich ihn melancholisch.

»Das hört nie auf. Aber ich habe gelernt, damit umzugehen.«

Meine Lippen bewegen sich, bevor ich sie davon abhalten kann: »Du bist egoistisch! Alles, was ich gesehen habe, Kristens Haus, die futuristischen Wolkenkratzer. Alle in dieser Sektion leben tausendmal besser, als die Menschen dort draußen.«

»Du warst doch nie dort. Wie kannst du das sagen?« Er hat Recht, wie kann ich das?

»Stimmt«, sage ich, aber irgendetwas in mir sagt mir, dass es anders ist. Dass ich schon einmal dort war. »Vielleicht gibt es einen Weg, dem allem ein Ende zu setzen?«

»Ein Ende?«, fragt Adam und fasst mich scharf ins Auge.

»Ja! Den Bestien, dem Krieg, der Ungerechtigkeit!«, sage ich und spiele mit dem Stoffende meines Tops. »Erzähl mir mehr von mir«, fordere ich ihn jetzt voller Hoffnung auf.

Unsere Blicke treffen sich und bleiben aneinander haften und Adam legt seine Hand auf mein rechtes Knie. Ich hatte bisher keine Ahnung, wie viel Hitze eine Hand auf meinem Knie entfachen kann.

»Du solltest mir keine Fragen über dein vergangenes Leben stellen.«

»Warum? Sag es mir bitte«, sag es mir, ob wir ein Paar waren. Streiche meine Haare zurück, berühr mein Gesicht, meine Lippen. Sage es, wünsche ich mir und meine Füße paddeln aufgeregt im See und wirbeln das Wasser plätschernd auf.

»Weil…«, ich verfange mich in seinen tollen Augen, verliere mich in ihnen. Dann nimmt er seine Hand weg. Wieder zieht er sich zurück. Ich gefalle ihm nicht! Nein, was tust du? Adam wendet seinen Blick ab und lässt meinen im Nichts zurück.

»Lass uns endlich schwimmen gehen!« Er weicht aus. Warum nur? Bin ich denn nicht attraktiv genug? Sind meine Tattoos abstoßend?

Ich beobachte ihn, wie er aus seinen Jeans schlüpft, sie lässig auf den Steg fallen lässt. Adam zieht sein Shirt über den Kopf. Mir wird bewusst, dass ich seiner nackten Haut noch nie so nahe war, dass ich ihn noch nie ohne Klamotten gesehen habe. Er hat einen umwerfenden Körper. Tolle Muskeln! Ist riesig.

Er wirft sein Shirt zu den Jeans, begibt sich an den Rand des Stegs und springt schnurstracks, kopfüber in den See. Wassertropfen spritzen auf mein glühendes Gesicht und verdampfen durch das unter meinen Wangen lodernde Feuer. Adam schwimmt in kräftigen Zügen zwanzig Meter raus, dreht sich zu mir um und schaut mich an mit diesem besonderen, fragenden Blick. Vielleicht würde mir eine Abkühlung ganz gut tun? Deshalb sind wir doch hergekommen, um zu schwimmen? Weswegen auch sonst?

Adams Augen haften auf meinen Beinen, während ich mir jetzt auch meine Jeans abstreife und sie mit dem Fuß zu seinen Anziehsachen schubse. Er verfolgt interessiert, auf der Stelle schwimmend, wie ich das schwarze Top geflissentlich langsam über den Kopf ziehe. Ein kurzer Blick an mir hinab genügt. Der rabenschwarze Bikini steht mir ganz gut. Auch ein Geschenk von Adam. Ich finde, das Training und das köstliche, italienische Essen sieht man mir echt an. Ich bin schon nicht mehr so dürr, wie die ersten Tage nach meiner Wiedergeburt. Ich bin mit meinen Kurven recht zufrieden und die filigranen, hauchfeinen Bestientattoos schmücken meine Haut auf exotische Weise.

 

Ich bleibe ganz bewusst länger am Ende des Stegs stehen, als es notwendig ist und beobachte Adam, wie er mich ansieht. Gefalle ich ihm doch? Ich denke schon. Ja, ich kann es fast spüren, wie er meinen Körper mit seinen Augen berührt. Er begehrt ganz sicher, was er sieht. Ich stemme meine Hände in die Hüften und klimpere mit meinen Wimpern und dann schaue ich ihn von unten mit leicht geneigtem Kopf durch die Haare hindurch an.

»Was guckst du so?«, frage ich aufreizend. Adam lächelt schief. War das ein nervöses Zucken in seinem Mundwinkel, das ich da eben gesehen habe?

»Komm jetzt endlich rein!«, fordert er mich auf und winkt mir zu.

»Nichts lieber als das«, springen die Worte über meine Lippen. Ich hole tief Luft, werfe meine Haare zurück und hüpfe, mit dem Gesicht voraus, ins Wasser. Ich lege einen formvollendeten Bauchklatscher hin und sehe schon meine Organe rausspringen und auf der Wasseroberfläche treiben, so weh tut es. Aber die Schamesröte, die mir ins Gesicht steigt, ist schlimmer. Ich tauche ab.

Das Wasser ist nicht so kühl, wie ich annahm. Der See ist tief, sehr tief, zum Ertrinken tief und ich kann tauchen wie ein Pottwal.

Ohne in Atemnot zu geraten, tauche ich spielend leicht in seine Tiefen hinab. Das Wasser fühlt sich heimelig an und ich frage mich nach einer Weile, ob es normal ist, dass ein Mensch so lange die Luft anhalten kann? So schnell unter Wasser schwimmen kann? Ich schaue nach oben, sehe das Abendrot diffus sich in den See ergießen, sehe Adams Beine im Wasser unentwegt strampeln. Ohne Arme und Hände zu benutzen, schnelle ich nach oben, überwinde die Entfernung zu Adam in Windeseile. Ich habe noch immer nicht das Bedürfnis zu atmen, als ich direkt unter ihm zum Schweben komme. Dann steckt er sein Gesicht ins Wasser, um nach mir zu suchen. Wie lustig das aussieht. Ich muss kichern und spucke Luftblasen aus, die vor mir aufsteigen wie kleine glitzernde Ballons. Dann packe ich frech zu. Schnappe nach ihm mit beiden Händen und erwische seinen Fuß, ziehe ihn unter Wasser, nur um mich an seinem Körper fest zu klammern. Wenn er schon nicht den Anfang macht, dann muss ich ja wohl.

Es sind nur Sekunden, in denen sich unsere Körper aneinander pressen, aber ich genieße jede einzelne von ihnen, bevor ich mich wieder von ihm abstoße und zurück an die Oberfläche schwimme. Ich hätte mich wirklich gerne noch länger an ihm festgekrallt, aber Luft holen war jetzt wichtiger. Nee, eigentlich doch nicht. Ich könnte immer noch unter Wasser bleiben, aber irgendwann muss ich ja einfach mal hoch an die Oberfläche und atmen.

Ich durchbreche die Wasseroberfläche und warte dort auf Adam. Es vergeht eine halbe Ewigkeit. Dann endlich, taucht er prustend neben mir auf. Wasser sprudelt in einem Bogen aus seinem Mund. Dann hustet er so heftig, dass ich mir plötzlich echte Sorgen um ihn mache. Ich schau ihn an, meine Augen müssen sehr groß und schuldbewusst aussehen. Als sich sein Zustand nach ein paar Sekunden nicht bessert, und er sich kaum noch über Wasser halten kann, schwimme ich zu ihm hin und helfe ihm dabei, nicht zu ertrinken.

Irgendwie bin ich ja dafür verantwortlich, auch wenn es nur Spaß war und ich ihn nicht in ernsthafte Schwierigkeiten bringen wollte.

Als ich bei ihm bin, meinen Arm um seine Brust schlinge und ihn wild strampelnd versuche, über Wasser zu halten, berühren sich unsere beiden Körper so heftig, so oft. Ich kann nicht anders, als ständig, völlig unbeherrscht, nach Luft zu schnappen. Überall, wo wir uns berühren, entstehen Funken, die wie winzige Elektroschocks auf meiner Haut herumrasen. Ich finde das toll, auch wenn ich es zugegebenermaßen noch schöner finden würde, wenn er während der gegenseitigen Berührungen nicht den halben See herauswürgen würde.

»K k-e-i keine L-u-f-t«, röchelt Adam und mir wird bewusst, dass er unumstritten enorme Schwierigkeiten hat.

Ich schwimme vor ihn und Adam klammert sich an meinen Schultern fest. Mir fällt es verblüffend leicht, seinen schweren Körper über Wasser zu halten. In diesem Moment hat der See seinen Titel, ruhigster und friedlichster See der Sektion, ganz gewiss verloren. Das Rehkitz und seine Mum sind längst vor unserem Lärm geflüchtet. Ich ziehe Adam hinter mir her.

Es sollte eine übermenschliche Anstrengung sein, für ein Mädchen, das erst vor kurzem aus dem Koma erwacht ist. Aber ich bin nicht einmal außer Puste, als wir das Ufer erreichen. An Land stehend, zerre ich den halbtoten Adam in den Matsch, richte seine Schultern auf und haue ihm, so stark ich kann, auf den Rücken, bis auch der letzte Tropfen See aus ihm heraussprudelt. Völlig am Ende, lässt er sich dann wieder in den Matsch sinken und ich gleite neben ihn in den Schlamm und schaue ihn an. Ganz langsam bekommt sein Gesicht wieder die Farbe der Lebenden und als er meine Augen mit seinen rot unterlaufenen sucht und sich unsere Blicke treffen, kann er sogar schon wieder etwas schief lächeln.

»Mensch Adam, ich habe dir das Leben gerettet!«, sage ich und übersehe glatt, dass ich es war, die es in Gefahr gebracht hat.

»Muss ich mich dafür jetzt etwa bedanken!«, röchelt er mehr, als er sprechen kann.

»Ja, bitte! Und zwar sofort!«

Adam (schlammverschmiert) stemmt sich auf seine Unterarme, beugt sich über mich und… küsst mich.

Ich bin total überfordert, unvorbereitet. Damit habe ich im Leben nicht gerechnet.

Er streicht mir meine nassen Haare aus dem Gesicht sieht mich an und dann küsst er mich erneut, zieht mich abrupt mit seinen Lippen hinein in einen heißen Strudel von Verlangen. Ich schließe die Augen und lass mich ganz fallen. Ich fühle mich, als würde ich jetzt erst aus dem Koma erwachen. Seine Lippen sind kühl und heiß, schmecken nach See, Natur und nach Adam. Sie schmecken unwiderstehlich köstlich.

Adam küsst mich intensiver, mit mehr Nachdruck und seine Lippen verwandeln sich in Flammen, die auf mich überspringen und mich in Brand stecken. Ich vergrabe meine Hände in seinen klatschnassen, schwarzen Haaren und ziehe heftig daran. Ich lege meinen Kopf in den Nacken und biete mich Adam schutzlos an. Ich spüre seinen Daumen meine Kehle entlang streichen – ich stöhne sanft auf und nehme davon Notiz, wie seine Lippen der Aufforderung Folge leisten und meinen Hals hitzig küssen.

Ich stöhne wieder leise und spüre, wie er sich anspannt und mich fester in den Schlamm drückt. Eine Hand liegt auf meiner Kehle, mit der anderen wandert er an meiner Flanke hinab zu meiner Hüfte und zieht mich mit ihr noch näher zu sich hin.

Ich höre, wie er ein tiefes Brummen ausstößt und sich mit seinem ganzen Gewicht auf mich legt. Seine Hand streicht jetzt an meinem Bein entlang, bis zu meiner Kniekehle und ich wickle instinktiv mein Bein um seinen Körper. Ich kann nicht verhindern, dass ich wieder seufzen muss und einen lang gezogenen Laut von mir gebe, meine Wirbelsäule verbiege und mich ihm entgegenstrecke. Seine Hände sind jetzt überall und berühren meine Haut mit ungezähmter Intensität. Mir kommt es vor, als besitze Adam nicht zwei, sondern hundert davon.

Er atmet jetzt viel schwerer und tiefe Geräusche entweichen seiner Kehle. Adam ist über mir, auf mir. Sein Körper ist so nah. Ich spüre, wie seine Muskeln beben. Er ist mir ganz nah. So nah… So nah…

Zu nah?!

Viel zu nah für einen…?

Schlagartig, wie von einem Stromschlag getroffen, öffne ich meine Augen.

Da ist etwas. Eine Erinnerung? Eine Erinnerung ohne Namen? Eine intuitive Eingebung, dass das hier nicht richtig ist. Ich schaue am Ufer entlang. Zum Steg, zum Haus. War da etwas? Hat sich da jemand hinter dem Fenster in Adams Arbeitszimmer bewegt? Werden wir beobachtet? Ganz bestimmt, denke ich. Da versteckt sich jemand und schaut uns zu. Aber ich kann nichts sehen. Die Sonne ist schon fast untergegangen. Die Schatten spielen ein trügerisches Spiel. Irre ich mich?

Adam drückt seine Hüften auf meine und ich versinke noch tiefer im Schlamm. Er ist nah! Viel zu nah! Viel zu nah für einen…? Ich stemme mein Bein neben mir in den Schlamm. Benutze es, um mich weg zu schieben.

Ich kann es nicht sagen warum, aber es ist nicht richtig. In mir schrillen Alarmglocken.

Adams unablässige Berührungen fühlen sich mit einem Mal nicht mehr heiß an, sondern nur noch fremd. Ein Fremder presst sich auf mich und betatscht meinen Körper mit seinen gierigen, glitschigen Händen. Ich will das nicht!

Adam küsst wieder meine Kehle, intensiv, heiß, fordernd. Seine Lippen streichen tiefer an mir hinab. Seine Hände legen sich auf meine Brüste und drücken zu. Zu nah! Viel zu nah! Ich kann mich entscheiden. Ich habe immer die Wahl!

Es sind Kristens Worte, die mir jetzt in den Verstand kommen. Warum gerade ihre?

Ich verlasse mich auf meine Intuition. Ich will das nicht. Jetzt nicht. Vielleicht später? Vielleicht niemals? Ich brauche Zeit. Zeit zum Nachdenken. Zeit, um mich zu entscheiden.

Er will dir wehtun! Dass darfst du nicht zulassen!, höre ich Kristens Stimme in meinem Kopf.

Ich zucke nervös unter Adams Lippen, seinen Küssen, seinen Händen zusammen. Entziehe mich seiner Berührung, schiebe ihn mit einem Bein von mir weg.

»Bitte nicht. Mir geht das zu schnell. Ich will nicht!«, sage ich laut. Angespannt. Aufgeregt.

Adam ist kräftig, groß und meine innere Stimme, warnt mich, dass ich vorsichtig sein soll. Adam hört auf, mich zu küssen, hört sofort auf, meine Haut zu streicheln, aber er weicht nicht von mir. Langsam versuche ich, auf dem Rücken unter ihm wegzurobben. Er sieht verwirrt aus, seine Augen sehen desorientiert aus und ich schaffe es tatsächlich, etwas Distanz zwischen seinen und meinen Körper zu kriegen.

Ich bin extrem angespannt. Die Atmosphäre knistert, Gefahr liegt in der Luft. Er sieht unverändert aus. Immer noch wie der Adam, der vergangenen Wochen. Er ist hübsch und er ist durcheinander.

Ich spüre, wie die Angst mir die Kehle zuschnürt und habe keine Ahnung wieso. Die Angst vor ihm und dem, was jetzt alles passieren kann und mir wird bewusst, wie fremd er mir im Grunde ist. Und ich muss an die Stimme in meinem Kopf denken, an Kirstens Stimme, die sich nicht echt anhört und denke daran, was noch alles nicht echt ist?

Wer bin ich? Was ist die Wahrheit? Warum bin ich hier?

Adam schaut mich an, immer noch unschlüssig, wie er auf mich reagieren soll. Irgendwie schuldbewusst. Und ich habe wieder ein Stück Schlamm zwischen ihn und mich bekommen. Noch ein Stück und ich kann meine Beine unter seinem Körper herausziehen. Die Angst wird schlimmer, fängt an, meine Muskeln zu lähmen.

Er will dir wehtun!, höre ich Kristens Stimme in mir. Ich bekomme mehr und mehr Angst vor Adam. Es ist wie eine schlimme Erinnerung. Was ist das für eine Erinnerung, die mir solche Angst macht?

Du darfst keine Schwäche zeigen!

Angst ist nur ein Produkt meiner Gedanken. Ich habe die Wahl. Ich kann mich entscheiden. Für oder gegen die Angst.

Ich entscheide mich in diesem Moment dagegen!

Plötzlich packt Adam meine Hüften. Er tut mir weh. Er fasst so stark zu.

»Freija, was ist los? Habe ich etwas falsch gemacht?« Seine Stimme klingt so nett! Und er sieht so verflucht gut aus.

Die Gefahr ist real, die Angst ist nicht real. Ich bin ganz ruhig. Atme ein und aus. Ganz tief. Einmal, Zweimal, Dreimal.

»Bitte, lass mich los«, sage ich ruhig, aber meine Stimme bebt.

»Was hast du denn? Was machst du?«, fragt er und seine Augen sind so schön dunkel und überhaupt nicht gemein oder eisig kalt. Er schaut mich an, als wäre ich so etwas wie ein Kind, um das er sich Sorgen macht.

»Lass - mich - los - oder - ich - bringe - dich - um!«, sage ich plötzlich, aber das bin gar nicht ich. Es ist die andere Stimme. Kirstens Stimme in mir, die spricht und doch haben sich meine Lippen bewegt, sind es meine Worte, die ihn treffen wie vergiftete Pfeilspitzen.