Schienengüterverkehr in der Schweiz

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Schienengüterverkehr in der Schweiz
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Inhaltsverzeichnis

1 Vorwort

2 Einleitung

3 Einführung in den Güterverkehr

3.1 Was ist Güterverkehr?

3.2 Vor- und Nachteile von Schienen- und Strassenverkehr

4 Der Ist-Zustand des Schienengüterverkehrs in der Fläche

4.1 Der Güterverkehrsmarkt

4.2 Wie wird der Schienengüterverkehr durchgeführt?

4.2.1 Produktgruppen

4.2.2 Einzelwagenladungsverkehr (EWLV)

4.2.3 Ganzzüge

4.2.4 KV-Liniensysteme

4.2.5 Import und Export

4.3 Güterverkehrspolitik

4.3.1 Verkehrspolitische Instrumentarien im Strassengüterverkehr

4.3.2 Verkehrspolitische Instrumentarien im SGV in der Fläche

4.3.3 Ausbau der Eisenbahninfrastruktur

4.3.4 Exkurs: Verlagerungspolitik im alpenquerenden Güterverkehr

5 Der Schienengüterverkehr von den Anfängen bis heute

5.1 Das 19. Jahrhundert – Die Zeit der Privatbahnen

5.1.1 Von der ersten Eisenbahn zur Verstaatlichung

5.1.2 Schienengüterverkehr zu den Anfängen der Eisenbahn

5.2 Die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts – Geprägt durch zwei Weltkriege

5.3 Die zweite Hälfte des 20. Jh. - Konkurrenz durch die Strasse

5.3.1 Ausbau der Strasseninfrastruktur

5.3.2 Höhepunkt und Abbau im Schienengüterverkehr

5.3.3 Das Verhältnis der Schweiz zur EU – Vom Alpenschutz zur Liberalisierung

5.4 Das 21. Jahrhundert – Das neue Jahrtausend

5.4.1 Folgen der Liberalisierung auf den SGV

5.4.2 Güterverkehrspolitik in der Fläche

5.4.3 Mengenrückgang im SGV in der Fläche und Abbau von Bedienpunkten

5.5 Fazit zur historischen Entwicklung und den heutigen Problemen im SGV in der Fläche

6 Negative Auswirkungen des Güterverkehrs

6.1 Ein Vergleich zwischen Strasse und Schiene

6.2 Elektrisch betriebene Lkws

6.3 Externe Kosten

7 Prognosen und Trends

7.1 Trends

7.2 Treiber

7.3 Prognosen der Güterverkehrsentwicklung

8 Ziele der Weiterentwicklung und methodisches Vorgehen

8.1 Ziele der Weiterentwicklung

8.2 Handlungsbedarf

8.3 Strategien zur Zielerreichung

8.4 Methodenbeschreibung

9 Weiterentwicklung des Schienengüterverkehrs in der Fläche

9.1 Innovationen im Bereich der Güterwagen

9.1.1 Stromversorgung und Intrazugkommunikation

9.1.2 Automatisierung der Rangiervorgänge

9.1.3 Der intelligente Güterwagen

9.1.4 Verbesserte Laufwerke

9.1.5 Innovatives Wagendesign

9.1.6 Verlagerungspotenzial

9.2 Innovationen im Bereich der Lokomotiven

9.3 Das EWLV-System

9.3.1 Innovationen im Rollmaterial

9.3.2 Optimierung des Ressourceneinsatzes

9.3.3 Alternative Produktionsformen miteinander verbinden

9.3.4 Abbau von Bedienpunkten und Verunsicherung

9.3.5 Verunsicherung

9.3.6 EWLV komplett anders durchführen?

9.3.7 Vom Transportunternehmen zum Logistikdienstleister

9.3.8 Eine neue Innovationskultur

9.3.9 Mitarbeiter

9.4 Ganzzugsverkehre

9.5 Kombinierter Verkehr

9.5.1 Kosten senken

9.5.2 Auslastung erhöhen

9.5.3 Neue Systemansätze

9.6 Stückgutverkehr

9.7 Cargo Sous Terrain

9.8 Import/Export

10 Politische Massnahmen

10.1 Lenkungsabgaben

10.1.1 Internalisierung extern anfallender Kosten

10.1.2 Spezialfall CO2-Bepreisung

10.1.3 Der Flächenverbrauch - Ein vernachlässigtes Kriterium

10.1.4 Strassenbenutzungsgebühren

10.1.5 Internalisierung externer Kosten im Import/Export - Border Tax Adjustment

10.1.6 Auswirkungen der Lenkungsabgaben

10.1.7 Übergangsphase

10.2 Raumplanerische Instrumente

10.3 Das Regulativ im Strassengüterverkehr

10.3.1 Das geltende Regulativ - Sicherung des Status quo

 

10.3.2 Sicherheitsauflagen und Gefahrguttransporte

10.3.3 Arbeitsbedingungen

10.3.4 Kontrollen - Durchsetzung des Regulativs

10.3.5 Exkurs: Umweltfreundlicher Strassengüterverkehr

10.4 City Logistik

10.5 Förderung des SGVs in der Fläche

10.5.1 Förderung der Eisenbahninfrastruktur

10.5.2 Innovationsförderung

10.5.3 Betriebssubventionierung - Die Frage nach der Anzahl Bedienpunkte

10.5.4 Das Trassenpreissystem

10.6 Trassensicherung

10.7 Die Frage des Marktzugangs – Reguliert oder liberalisiert?

10.7.1 Staatlicher Systembetreiber oder liberalisierter EWLV?

10.7.2 SGV in der Fläche - Offener oder geschlossener Marktzugang?

10.8 Eigner der SBB Cargo

10.9 Import/Export

10.10 Verkehrsinfrastrukturpolitik

10.10.1 Eine neue Ausbaupolitik

10.10.2 Ausbau(-stopp) der Strasseninfrastruktur

10.10.3 Technik vor Beton

10.10.4 Mobility Pricing

10.10.5 Ausbau der Eisenbahninfrastruktur

10.10.6 Fazit Verkehrsinfrastrukturpolitik

11 Fazit

12 Schlusswort

13 Literaturverzeichnis

14 Abbildungsverzeichnis

15 Tabellenverzeichnis

16 Anhang

16.1 Interview mit Peter Füglistaler

16.2 Interview mit Fabio Gassmann

16.3 Interview mit Philipp Hadorn

16.4 Interview mit Albert Mancera

16.5 Interview mit Nicolas Perrin

17 Selbständigkeitserklärung

Titelbild: Vgl. SWR: Vorbild Schweiz: Der Güterverkehr rollt - auf der Schiene (16.11.2020).

1 Vorwort

Als Reaktion auf das Thema meiner Maturaarbeit - den «Schienengüterverkehr in der Fläche» - kam oft die Frage, ob die Schweizer Eisenbahn überhaupt noch verbessert werden kann, da sie doch bereits die weltbeste sei. Darauf musste ich jeweils mit «Ja, und wie!» antworten. Doch wie kam ich überhaupt zu diesem Thema?

Bereits vor der Themensuche wusste ich, dass meine Maturaarbeit etwas mit Nachhaltigkeit zu tun haben wird. Da ich mich für alles rund um erneuerbare Energien und den öffentlichen Verkehr interessiere, blieben am Schluss noch die drei Themen Wasserkraft, Intercity-Verkehr und Schienengüterverkehr übrig. Am Güterverkehr spannend fand ich, dass er für mich im Unterschied zum Personenverkehr relativ unbekanntes Terrain war, komplex mit vielen Wirkungszusammenhängen ist und die Weiterentwicklung aufgrund finanzieller Schwierigkeiten und grosser Herausforderungen vergleichsweise ungewiss ist. Da ich sowohl im Internet genügend Recherchematerial fand als auch direkt vom Bundesamt für Verkehr weitere Informationen erhielt, fehlte nur noch wenig für einen endgültigen Entscheid. Als ich erfuhr, dass ein Verwandter bei der SBB Cargo tätig war und sich für ein Interview bereit erklärte, passte dies perfekt zusammen, weshalb ich mich für den Schienengüterverkehr entschied.

Um das Thema etwas einzugrenzen, habe ich mich nach der anfänglichen Recherche für den Binnen-, Import- und Exportverkehr entschieden. Grund für diesen Entscheid war, dass ich ihn aufgrund der ungleich höheren Komplexität spannender fand, seine Weiterentwicklung im Unterschied zum Transitverkehr relativ offen ist und damit viele Gestaltungsmöglichkeiten bestehen. Zudem ist er in der Öffentlichkeit kaum bekannt und geniesst in der Politik nur eine geringe Priorität.

Ich danke vielmals meinem Betreuer, Dieter Winistörfer, der mir bei Fragen immer zur Verfügung stand. Auch bedanke ich mich herzlich bei meinen Interviewpartnern - Nicolas Perrin, Philipp Hadorn, Peter Füglistaler, Fabio Gassmann und Albert Mancera -, die sich bereit erklärten, meine Fragen zu beantworten. Ein ausserordentlicher Dank geht zudem an meinen Vater, Andreas Lieb, für das Korrektur lesen meiner Maturaarbeit.

2 Einleitung

Güterverkehr ist für Bevölkerung und Wirtschaft essenziell. Ohne Güterverkehr kommt kein Brief an seinem Ziel an, können keine Produkte dem Kunden zugestellt werden und der Dorfladen nicht mit Nahrungsmitteln beliefert werden. Ohne Güterverkehr würde vieles nicht funktionieren. Trotzdem wird er in seiner Bedeutung stark unterschätzt und findet praktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

Diese Maturaarbeit behandelt den Güterverkehr auf der Schiene mit Start- und/oder Zielpunkt in der Schweiz, also Binnen-, Import- und Exportverkehr. Wenn man von diesem sogenannten Schienengüterverkehr (SGV) in der Fläche hört, dann meistens aus Negativ-Schlagzeilen, wie etwa 2018, als ein grosser Abbau von Bedienpunkten angekündigt wurde. Er steht in einer schwierigen Ausgangslage und hat seit etwa 2005 Mengen verloren. Neben dem SGV in der Fläche gibt es den Transitverkehr, der im Zusammenhang mit der Alpen-Initiative etwas bekannter ist. Dieser wird aber nicht behandelt. Der Strassengüterverkehr schliesslich ist zwar nicht zentraler Bestandteil dieser Maturaarbeit, doch kann der SGV nicht losgelöst von diesem betrachtet werden, weshalb immer wieder von ihm zu hören sein wird.

Neben den positiven Effekten – der Verteilung von Gütern – hat der Güterverkehr aber auch starke negative Auswirkungen auf Mensch und Umwelt: Es werden CO2-Emissionen ausgestossen, Feinstaub- und Lärmemissionen beeinträchtigen Mensch und Umwelt und Strassen zerschneiden Ökosysteme. Der heutige Umgang mit der Umwelt ist nicht nachhaltig.

Daraus ergibt sich die folgende Zielsetzung:

Diese Maturaarbeit soll aufzeigen, wie der Schienengüterverkehr in der Fläche weiterentwickelt werden kann, um das Ziel eines nachhaltigen Umgangs mit der Umwelt im Bereich des Güterverkehrs zu erreichen.

Konkret sollen die CO2-Emissionen auf null gesenkt und die weiteren negativen Auswirkungen wie Luftschadstoffemissionen, Flächenverbrauch, Habitat-Zerschneidung, Lärmemissionen und Energieverbrauch auf ein umweltverträgliches, nachhaltiges Niveau reduziert werden.

Dabei sollen die folgenden drei Leitfragen beantwortet werden:

(1) Wie sieht das heutige Schienengüterverkehr-System in der Fläche aus, was sind die bestehenden Probleme und was sind Ursachen dafür?

(2) Wie können die Eisenbahnverkehrsunternehmen das schweizerische Schienengüterverkehrs-System in der Fläche weiterentwickeln und verbessern, um möglichst viele Gütertransporte von der Strasse auf die Schiene zu verlagern?

(3) Mit welchen politischen Massnahmen kann das Ziel eines nachhaltigen Umgangs mit der Umwelt im Bereich des Güterverkehrs erreicht werden?

Es werden verschiedene Möglichkeiten der Weiterentwicklung aufgezeigt und diskutiert, es geht aber nicht darum, genau zu evaluieren, was und in welchem Umfang zur Zielerreichung notwendig ist.

Um die Fragestellungen zu beantworten, wurden eine Literaturrecherche und fünf Interviews mit Interviewpartnern von verschiedenen Institutionen durchgeführt. Diese Interviews sind im Anhang aufgeführt. Die gewonnenen Informationen wurden analysiert und mit eigenen Überlegungen und Schlussfolgerungen zusammengeführt.

Nach einer kurzen Einführung in den Güterverkehr folgt die Beschreibung des heutigen SGVs in der Fläche. Um die Ursachen für die heutigen Probleme zu verstehen, wird danach ein Rückblick auf die historische Entwicklung des SGVs gemacht. Bevor aktuelle Prognosen zur Entwicklung des Güterverkehrs vorgestellt werden, werden die negativen Auswirkungen des Güterverkehrs behandelt. Dann folgt ein Kapitel, in dem von den Eisenbahnverkehrsunternehmen umsetzbare Innovationen aufgezeigt werden und ein Kapitel, in dem Massnahmen, die vom Staat ergriffen werden können, diskutiert werden. Schliesslich werden in einem Fazit die wichtigsten Ergebnisse zusammengeführt.

3 Einführung in den Güterverkehr

3.1 Was ist Güterverkehr?

Bereits der Gang zum Coop oder Migros könnte als Gütertransport bezeichnet werden. Doch unter Güterverkehr wird die ausserbetriebliche, geschäftsmässige «Beförderung von Gütern durch Verkehrsmittel»1 verstanden. Das heisst, nicht der Einkauf im Coop, sondern dessen Belieferung mit Nahrungsmitteln wird als Güterverkehr definiert. Logistik als umfassenderer Begriff bezeichnet alle Aktivitäten, rund um Transport, Umschlag und Lagerung von Waren.

Der Güterverkehr ist für die Ver- und Entsorgung der Gesamtwirtschaft und Bevölkerung essenziell.2 Er versorgt Privathaushalte, Unternehmen und Geschäfte mit Gütern und ist deshalb für das Funktionieren der Wirtschaft von zentraler Bedeutung.

Güterverkehr kann zu Land, zu Wasser oder in der Luft erfolgen. Diese Arbeit befasst sich mit dem Güterverkehr zu Land, der sich auf die Verkehrsträger Eisenbahn und Strasse aufteilt.

3.2 Vor- und Nachteile von Schienen- und Strassenverkehr

Die Verkehrsträger haben verschiedene systembedingte Vor- und Nachteile.3 Da die Eisenbahn spurgebunden ist, können lange und schwere Züge mit geringem Flächenbedarf transportiert werden. Dies prädestiniert sie für den Transport schwerer Güter in grossen Mengen. Der Luftwiderstand ist vergleichsweise klein, zudem ist der Rollwiderstands zwischen Stahlrad und Stahlgleis im Vergleich zur Strasse sehr klein, weshalb der Energieverbrauch etwa um den Faktor fünf bis sieben kleiner ist (vgl. Kapitel 5.5).

Der Strassengüterverkehr hat den Vorteil, dass er aufgrund des dichteren Strassennetzes jedes Unternehmen und jeden Haushalt direkt anfahren kann. Weiter kann er all diese Punkte direkt miteinander verbinden und transportiert kleinere Gefässgrössen. Seine Flexibilität ist somit viel grösser.

Im Gegensatz zum Lkw kann ein Zug nicht einfach jederzeit auf der Schiene fahren, sondern muss dafür Trassen fahrplanmässig reservieren. In Folge kann er eine hohe Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit haben, ist aber weniger flexibel. Bei kleineren Mengen kann der Schienengüterverkehr (SGV) keine Direktverbindung zum Zielpunkt anbieten, sondern muss Güterwagen verschiedener Kunden einsammeln, zu einem Güterzug zusammenführen und am Schluss wieder verteilen, was kosten- und zeitintensive Umschlagtätigkeiten impliziert (vgl. Kapitel 4.2.2).

 

Die sogenannten Fix- oder Bereitstellungskosten sind auf der Schiene sehr hoch. Das sind die Kosten, die unabhängig von der transportierten Menge anfallen, etwa die Infrastruktur- oder Rollmaterialkosten. Hingegen sind die variablen Kosten, die durch den Transport der Güter entstehen und somit mengenabhängig sind, sehr klein. So fallen bei jedem Güterzug die Kosten für die Lokomotive, den Lokführer und Infrastrukturkosten wie Trassenbenutzungsgebühren an, unabhängig davon, ob ein oder zehn Güterwagen angehängt werden. Deshalb ist der SGV beim Transport über lange Strecken mit grossen Mengen gegenüber Lkws im Vorteil, während dieser bei der Feinverteilung und kleinen Sendungsgrössen tendenziell stärker ist (vgl. Abbildung 1). Besonders bei regelmässigen Massenguttransporten kann der SGV seine Stärken ausspielen.


Abbildung 1: Systemkostenvergleich Strasse-Schiene

Auch durch das politische Regulativ ergeben sich Vor- und Nachteile für die verschiedenen Verkehrsträger (vgl. Kapitel 4.3). Die systembedingt unterschiedlichen negativen Auswirkungen auf die Umwelt werden im Kapitel 6 behandelt.

4 Der Ist-Zustand des Schienengüterverkehrs in der Fläche

Um herauszufinden, wie der SGV weiterentwickelt und verbessert werden kann, ist es zuerst notwendig, das heutige SGV-System zu kennen. Um sich ein erstes Bild davon machen zu können, geht es in diesem Kapitel zuerst darum, wie der heutige Güterverkehrsmarkt aussieht. Es wird aufgezeigt, wie viele Güter transportiert werden, wie deren Aufteilung auf die Verkehrsträger ist und wie sich dies in der Vergangenheit entwickelt hat. Auch werden die räumliche Verteilung der Güterverkehrsströme, die transportierten Warenarten, die Aufteilung auf die Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVUs) und zum Schluss die Kundenanforderungen beschrieben. In einem zweiten Teil wird erklärt, auf welche Arten und Weisen SGV durchgeführt wird. Zuletzt folgt ein kurzer Einblick in die heutige Güterverkehrspolitik.

4.1 Der Güterverkehrsmarkt

Stand 2018 betragen die Verkehrsleistungen4 im Schienen- und Strassengüterverkehr in der Schweiz 27,9 Milliarden Tonnenkilometer und haben seit 2000 um 19% zugenommen (vgl. Tabelle 1).5 Davon wird ein Modalsplit6-Anteil von 36,6% über die Schiene abgewickelt (1980: 53%). Als Vergleich: Der Anteil der Schiene an der Binnenverkehrsleistung in der EU lag 2014 bei 18%, dazu kamen noch 7% in der Binnenschifffahrt. In Deutschland liegen die Werte etwa im EU-Durchschnitt.7


Verkehrsleistung gesamt Inkl. Transit Modalsplit Gütermenge gesamt Inkl. Transit Modalsplit Verkehrsleistung Binnen- Im-/ Exportverkehr Modalsplit
2018 [Mia. tkm] 2018 [Mio. t] 2017 [Mia. tkm]
Schiene 10.2 36.6% 68.7 15.7% 4.3 22.8%
Strasse 17.5 62.7% 368.9 84.3% 14.6 77.2%
Total 27.9 100.0% 437.6 100.0% 18.9 100.0%

Tabelle 1: Übersicht über die Verkehrsleistungen und Gütermengen des Schweizer Güterverkehrs

Am Aufkommen, sprich den transportierten Gütermengen in Tonnen, hat der SGV mit 68,7 Mio. Tonnen einen Anteil von 15,7%. Dieser ist geringer als der Modalsplit bei der Verkehrsleistung, da die durchschnittlichen Distanzen im SGV mit 171km gegenüber 49km deutlich grösser sind. Auf der Strasse wurden 6,8 Mrd. Fahrzeugkilometer zurückgelegt, davon 33% durch schwere Fahrzeuge mit einem Gewicht über 3,5Tonnen, von denen es in der Schweiz 52`000 gibt.

Auf der Schiene in der Schweiz dominiert der Transitverkehr, der 63% der Verkehrsleistungen im SGV ausmacht. Auf den gesamten Güterverkehr bezogen macht der Transitverkehr hingegen nur 29% aus. Dies ist auf die systemspezifischen Vorteile der Schiene auf langen Distanzen und auf die verschiedenen Verlagerungsinstrumente im alpenquerenden Güterverkehr zurückzuführen. Der Anteil des Binnenverkehrs am gesamten SGV beträgt 25%, beim Importverkehr 8% und beim Exportverkehr 3%.

Neben den aktuellen Zahlen zur Verkehrsleistung und den Anteilen sind vor allem die vergangenen Entwicklungen interessant. In Abbildung 2 sind die Anzahl Tonnenkilometer pro Verkehrsträger in der Fläche und im Transit ersichtlich. Interessant ist, dass die Verkehrsleistung des SGVs in der Fläche seit Mitte der 2000er-Jahre sinkt, während sie im Strassengüterverkehr in der Fläche zunimmt. Auch erkennt man die starke Volatilität und Konjunkturabhängigkeit.

Abbildung 2: Anzahl Tonnenkilometer pro Verkehrsträger8

Im Binnen-, Import- und Exportverkehr betragen die gesamtmodalen Güterverkehrsleistungen (Stand 2017) 18.9 Mia. tkm9. Der Modalsplit der Schiene in der Fläche beträgt 22,9% (Transit: 78%). Im Jahr 2000 betrug der Anteil 29,0%, 1950 sogar 64.3%. Besonders seit den 1970er-Jahren ist er stark am Abnehmen. Trotzdem zeigt dies, wie wichtig der SGV für die Schweizer Wirtschaft immer noch ist.

Neben der Strasse und der Schiene nehmen im Import- und Exportverkehr auch die Rheinschifffahrt und Öl-Pipelines eine wichtige Rolle ein. Diese ist zwar in Bezug auf die Verkehrsleistung in der Schweiz sehr klein, sie machen aber 18% des Aufkommens aus.

In der Abbildung 3 ist die räumliche Verteilung des Güterverkehrs ersichtlich. Sie verdeutlicht, dass der alpenquerende Transitverkehr auf der Schiene den grössten Anteil ausmacht. In der Fläche dominiert hingegen die Strasse, wo sie von einem Strassennetz mit 71`555km Länge profitieren kann, davon 1`800km Nationalstrassen.10 Doch auch das Schienennetz ist mit 5`196km Länge für ein Land in der Grösse der Schweiz sehr dicht. Die Hauptachse des Binnen-SGVs verlauft dabei von der Genfersee-Region über Zürich bis in die Ostschweiz, entspricht also der West-Ost-Achse im Mittelland. In diesem Gebiet konzentrieren sich schwerpunktmässig die güterverkehrsintensiven Branchen wie auch die gesamte Wirtschaft.


Abbildung 3: Verkehrsströme im Schienengüterverkehr11

Als nächstes soll kurz ein Blick auf die Warengruppen geworfen werden (vgl. Abbildung 4). Links sind die Anteile am Aufkommen, rechts an der Verkehrsleistung zu sehen. Ein grosser Teil steht mit Bautätigkeiten in Verbindung. Die Stück- und Sammelgüter sind ein weiterer wichtiger Bereich. Dies sind nicht weiter spezifizierbare Bereiche, die jedoch oft dem Konsumgüterbereich (mit geringen Gewichten) zuzuordnen sind. Auch fällt auf, dass die Anteile des SGVs bei der Verkehrsleistung höher als beim Aufkommen sind, was auf die grösseren Transportdistanzen zurückzuführen ist. Für die Schiene sind Halb- und Fertigwaren, Stück- und Sammelgüter und Energieträger die wichtigsten Warengruppen.


Abbildung 4: Anteile der Warengruppen und der Modi im Binnenverkehr (2014)12

Die SBB Cargo ist mit einem Anteil von über 25% an der Güterverkehrsleistung13 das grösste Schweizer Güterverkehrsunternehmen.14 Im SGV in der Fläche ist sie mit einem Anteil von 83,6% Prozent der mit Abstand wichtigste Akteur. Bei einem Umsatz von über 700 Mio. CHF umfasst die Flotte etwa 5`000 Güterwagen und 380 Lokomotiven. Sie hat zudem 2`200 Mitarbeiter. Sie ist eine 65-prozentige Tochtergesellschaft der SBB AG, welche sich vollständig in Bundesbesitz befindet. Die restlichen 35% gehören seit 2020 der Swiss Combi, die aus vier Logistikdienstleistern15 besteht.

Neben der SBB Cargo gibt es im Güterverkehrsmarkt mehrere Nischenanbieter. Beispiele wären die BLS Cargo oder die Railcare. Diese sind aber meist im Transitverkehr aktiv und spielen in der Fläche nur eine geringe Rolle.

Zuletzt sollen noch die Anforderungen der Kunden an den Güterverkehr besprochen werden. Diese sind für die Weiterentwicklung des SGVs sehr wichtig, da letztlich die Kunden über die Verkehrsmittelwahl entscheiden. Abbildung 5 zeigt eine Umfrage unter Güterverkehrskunden betreffend deren Anforderungen. Dabei ist auffallend, dass neben dem Preis die Zuverlässigkeit und die Flexibilität zu den wichtigsten Kriterien der Verkehrsmittelwahl im Güterverkehr gehören. Schlussfolgerung: Es reicht bei der Weiterentwicklung des SGVs nicht, nur das Preisniveau zu senken, sondern die Qualität spielt eine wesentliche Rolle. Auch oft genannt werden Investitionssicherheit16, die Integration des Schienentransportes in die Logistikkette der Kunden und das Angebot von zusätzlichen Serviceleistungen (vgl. Kapitel 9.2).17


Abbildung 5: Kriterien der Verkehrsmittelwahl18