Wir sind nicht allein

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Aus der Reihe: Yerion-Saga #1
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Rassenbonus

„La- äh, Terrivon!“, rief ich freudig, als ich den Trollschamanen erblickte, wobei ich sofort zu ihr eilte und sie einfach umarmte, was sie ein wenig verwirrt dastehen ließ.

„Destina? Was machst du hier?“ Sie drückte mich leicht von sich und sah mich irritiert an, wobei ihr Blick auf Serena fiel. „Ah, du hast Serena getroffen.“

„Nun ja, wohl eher hab ich sie gefunden. Ohne mich wäre sie schon längst Vampirfutter geworden“, mischte sich die Orcdame ein, wobei ich merkte, wie es mir peinlich war, dass mich eine Frau verteidigen musste. Doch ich war nun einmal noch nicht sehr gut in diesem Spiel und der Level meines Charakters ließ auch zu wünschen übrig.

„Destina?! Ich hab dir doch gesagt, dass du auf mich in der Bar warten sollst“, schimpfte sie mich, doch ich blies nur beleidigt die Backen auf. „Diese Bar war voller notgeiler Kerle, die mich blöd angemacht haben. Da kann man es ja gar nicht lange aushalten.“

„Ich hab es dir doch gesagt, dass man es als Frau nicht einfach hat.“ Sie schlug mir spielerisch gegen die Schulter, wobei sie sich erneut an Serena wandte. „Dir auf jeden Fall danke, dass du ihr geholfen hast. Wir sollten uns eh mal wieder treffen und ein paar Dungeons durchlaufen. Was meinst du?“

„Ja, klingt nicht verkehrt. Meld' dich einfach bei mir, wenn du mal Zeit hast und Destina vielleicht auch soweit ist, dass man sie mitnehmen kann. Ein Dunkelritter ist nie verkehrt.“ Sie nickte Terrivon zu, wobei sie sich dann noch zu mir wandte. „Und du, Destina, pass' besser auf dich auf. Die Vampire werden weiter Jagd auf dich machen und du solltest lernen, dich selbst zu verteidigen. Ich oder Terrivon können nicht immer in deiner Nähe sein.“

„Ich werde an mir arbeiten. Danke noch mal für deine Hilfe.“ Ich nickte ihr zu und dann wandte sie sich schon ab und verschwand in der Masse, wobei ich zurück zu Terrivon sah. „Und? Bist du schon fündig geworden.“

„Ja, einen Moment.“ Sie begann in ihren Taschen zu graben und dann reichte sie mir ein paar Taschen und ein Schwert, die ich allesamt anlegte und irgendwie fühlte ich mich jetzt schon nicht mehr wie ein Neuling, was mich ein wenig lächeln ließ.

„Das steht dir gut.“ Ihr Lächeln wurde breiter, wobei sie mir dann schon zuwinkte. „Aber nun wollen wir den Schwarzmarkt mal verlassen. Nicht, dass wir doch noch überfallen werden. Ich bin leider noch nicht so gut wie Serena“, erklärte sie sich kurz und begann dann voraus zu gehen. Sofort folgte ich ihr. Denn ich spürte, dass die Blicke noch nicht verschwunden waren. Sie waren nie weg gewesen. Serena hatte die Vampire nur auf Abstand gehalten, doch jetzt war die stolze Orcdame nicht mehr bei mir und Terrivon war kein so großer Schutz. Alleine durch die Tatsache, dass er nur eine Kettenrüstung trug und nicht so wie Serena Platte. Außerdem waren die zwei Breitschwerter auch um einiges eindrucksvoller, als der Streitkobeln und das Schild, die an Terrivons Kleidung befestigt waren.

„Woher kennst du Serena?“, fragte ich sie dann, um ein Gespräch zu führen, wodurch sie kurz lachte. „Nun ja. Das kann ich dir eigentlich gar nicht mehr so genau sagen. Aber sie hat mir damals sehr geholfen und seitdem unternehmen wir öfters etwas. Orc und Trolle haben einen Rassenvorteil, wenn sie zusammen spielen. Da steigen all unsere Werte um zwanzig Prozent und das ist nicht zu verachten, wodurch wir uns öfters verabreden, um gemeinsam zu spielen.“

„Gibt es so etwas öfters? Rassenvorteile?“, fragte ich ruhig nach, wodurch sie kurz nickte. „Ja, es kommt öfters vor. Deinen Vorteil weißt du ja schon. Du bekommst durch das Töten von Vampiren Erfahrung. Genauso wie die Vampire, wenn sie dich töten. Minotauren und Feen bekommen Erfahrungsbonus, wenn sie gemeinsam eine Gruppe bilden. Die Zentauren bekommen Erfahrungen, wenn sie einen Werwolf vor einem Vampir beschützen, wodurch die zwei Rassen gerne eine Gruppe bilden. Bei den Elfen steigt die Intelligenz um fünf Prozent pro Elfenmitglied, wenn sie mit ihresgleichen unterwegs sind. Genauso wie die Angriffskraft der Goblins um vierzig Prozent steigt, wenn sie in kleinen Gruppen von maximal drei Leuten unterwegs sind. Bei vier Goblins sind es nur noch dreißig Prozent.“

„Also sollte ich wohl lieber mit einem Zentauren spielen, sehe ich das richtig?“, meinte ich ruhig, wobei Laura kurz auflachte. „Nun ja, es wäre zumindest zu euerem beider Nutzen. Aber es ist nicht zwingend. Dennoch streben es die Spieler vermehrt an, genau diesen Bonus zu bekommen, wodurch die Gemeinschaft gestärkt wird und vor allem die Geschichte des Spiels mehr in den Vordergrund rückt, sodass die gesellschaftlichen Strukturen auch so sind, wie es laut der Geschichte sein sollte. Ohne Erfahrungsbonus würden die Vampire die Werwölfe nicht jagen, wodurch man nicht merken würde, dass dies eigentlich ihre Aufgabe ist. Genauso wie Minotauren und Feen nicht zusammen arbeiten würden, obwohl dies die Geschichte des Landes eigentlich beinhaltet. Es ist ein Anreiz, sich dem sozialen System des Spiels anzupassen und es funktioniert sehr gut.“

„Na ja, aber nicht immer. Ich habe einen Elfen mit einem Vampir gesehen“, meinte ich ruhig, wobei mich Laura kurz ansah, bevor sie dann die Schultern zuckte. „Es gibt immer Ausnahmen. Auch in der richtigen Welt. Das sind meistens Leute, die sich auch privat kennen und dann gemeinsam spielen. So wie bei uns jetzt.“

Langsam schien ich zu begreifen, wobei ich immer mehr von diesem Spiel fasziniert war. Es war nicht nur irgendein Spiel. Ja, es war schon fast eine eigene Welt mit all ihren Facetten. Und als wir die Gasse zum Schwarzmarkt verlassen hatten, bemerkte ich es umso stärker, dass sich die Gruppen wirklich so zusammensetzen, wie es ihr Bonus verlangte.

„Das ist beeindrucken“, huschte es über meine Lippen, wobei ich ruhig neben Terrivon herging. „Ja, du hast es begriffen. Und wer weiß, vielleicht wirst du irgendwann einen Zentauren treffen, mit dem du dann vermehrt spielen wirst. Hätte ich dich nicht aus deinem Startgebiet geholt, dann wäre dies sogar möglich gewesen“, sprach sie ruhig weiter, wobei ich sie irritiert von der Seite musterte. „Wie meinst du das?“

„Das Anfangsgebiet der Werwölfe und Zentauren überschneidet sich, weil die Werwölfe in den Wäldern um die Stadt von den Zentauren leben. Früher oder später wärst du wohl einem Zentauren begegnet“, erklärte sie kurz, wobei ich nicht verhindern konnte, dass ich mich fühlte, als hätte man mir etwas weggenommen. Doch ich ignorierte das Gefühl und sah mich noch einmal um, bevor ich mich dann zu Terrivon wandte. „Und was machen wir jetzt?“

„Wir gehen questen.“ Mit diesen Worten beschwor sie wieder ihren Greifen und wir stiegen auf seinen Rücken, um dann die Stadt und all diese Völker hinter uns zu lassen, wobei ich nicht leugnen konnte, dass es wirklich interessant war. Niemals hätte ich solch eine Tiefe bei einem Spiel erwartet und ich war gespannt, was noch so auf mich zukommen würde…

Zu real?

„So, hier sind wir nun.“ Sie landete wie immer recht sanft, ehe wir dann beide von dem Greifen abstiegen und ich mich kurz umsah. „Das ist doch das Startgebiet von den Werwölfen. Was wollen wir hier?“

Ich fand mich in den Nadelwald wieder und nahm die bekannten Gerüche in mich auf. Die Höhle verströmte ihre eigene Note von Wolf und gab der Mischung etwas Animalisches. Vereinzelt sah ich das Moos an den Bäumen und auch Spinnweben darin. Tautropfen benetzten sie und machten sie sichtbar und zeugten von der scheinbar harmlosen Gefahr.

„Das habe ich doch gerade schon gesagt. Wir questen ein wenig“, erklärten sie erneut, wodurch sie mich etwas vorwurfsvoll ansah, bevor sie mir dann zuwinkte ihr zu folgen. „Den ersten Quest hast du ja schon angenommen, als du mit dem Werwolf am Anfang gesprochen hast, oder?“

„Nun ja, er hat nur von der Suche nach neuen Höhlen geredet. War das etwa das erste Quest?“, meinte ich, als ich ihr ruhig folgte. Die gebückte Haltung ließ den Troll kleiner aussehen, als er wirklich war. Denn immer wenn er sich einmal streckte, dann überragte er mich um gut eine Kopflänge, während er mir so gerade einmal bis zur Schnauze ging.

„Jap, scheint so zu sein.“ Ruhig schritt sie zunächst weiter voran, doch dann hielt sie plötzlich inne, drehte sich zu mir um und gesellte sich alsbald darauf zu mir. „Zeig mal deine Karte, damit ich weiß, wo wir hin müssen. Einfach mit Steuerung und M. Dann kann ich sie auch sehen. Oder du denkst einfach daran sie mir zu zeigen, wenn du tippfaul bist.“

Ich musste immer wieder über das Spiel staunen. Die Technik war wirklich hoch entwickelt, wobei ich auch kurz zu meinem Rechnergehäuse sah, dass er diese Leistung erbrachte, war wirklich erstaunlich.

„Du siehst grad zu deinem Rechner, habe ich Recht?“ Sie lachte kurz auf, als ich mich wieder zu ihr wandte „Das musst du nicht. Dein Rechner schickt die Daten nur an den Server, wo sie verarbeitet werden. Die ganze Arbeit macht der Server des Spiels. So können auch Menschen mit geringer Computerleistung das Spiel spielen. Selbst die Grafik passt sich an die Leistung des Rechners an. Also ich will nicht wissen, wie sie das gemacht haben, aber einige Spieleentwickler würden sich danach wahrscheinlich die Finger lecken.“

„Das ist echt unglaublich“, kam es nur über meine Lippen, bevor ich dann wieder auf meine Karte sah. Das Questgebiet war eingezeichnet, wodurch auch Terrivon schließlich nickte. „Gut, ich weiß nun, wo wir hin müssen. Folge mir einfach. Es kann sein, dass uns ein paar Monster in die Quere kommen, aber so kannst du gleich mal das Kämpfen üben.“

Sie schritt erneut voran und ich folgte ihr, wobei ich mich kurz umsah. Der Wald war immer noch so ausladend, wie ich ihn am Anfang empfunden hatte. Daran wird sich wohl auch nichts ändern. Werwölfe waren einfach Kreaturen des Schattens, wodurch sie auch in solch einer Welt lebten.

 

„Wie willst du kämpfen? Über die Tastatur oder über die Gedanken? Viele Spieler machen es über die Gedanken, weil es schneller geht. Vor allem wenn sie im Nahkampf sind“, sprach sie mich erneut an, wobei ich kurz überlegte und dann meinen Blick über die Befehle auf meinen Aktionsleisten wandern ließ. Es waren nur Angriffe, wodurch ich sie irritiert ansah. „Wo liegt da der Unterschied?“

„Nun ja, du musst es in deinem Interface einstellen. Wenn du über deine Tastatur kämpfst, dann weicht dein Charakter nach Zufallsprinzip selbst den Attacken aus oder blockt sie. Aber wenn du die Gedanken wählst, dann musst du das auch tun. Viele fangen mit der Tastatur an und gehen dann auf die Gedanken über. Manche bleiben immer auf der Tastatur. Es gibt selten Spieler, die sofort mit den Gedanken anfangen“, erklärte sie mir auch dieses System, wodurch ich meinen Blick kurz auf die Tastatur gleiten ließ. Eigentlich waren meine Hände schon lange nicht mehr auf ihr gelegen. Ich steuerte meine Figur schon eine geraume Weile nur mit meinen Gedanken, vor allem ohne es zu bemerken.

„Wie komme ich in das Interface?“, fragte ich dann ruhig nach, wodurch Terrivon auflachte. „Drücke einfach Escape. Dadurch öffnet sich das Menü und du kannst den Button Interface anwählen. Dort in der Kampfeinstellung kannst du zwischen den zwei Versionen wählen.“

Ich tat sofort, was sie mir sagte und blickte überrascht auf den Haken, der in dem Feld war. „Sag mal, Lau-“ „Terrivon bitte“, unterbrach sie mich sofort, wodurch ich kurz schluckte und nickte. „Okay, Terrivon. Wo ist der Haken denn am Anfang normalerweise drinnen?“

„Bei der Tastatursteuerung. Wieso fragst du?“ Sie sah mich irritiert an und ich schluckte den dicken Kloß in meinem Hals herunter, bevor ich dann mit zitternder Stimme antwortete: „Bei mir ist er auf Gedankensteuerung.“

Laura hatte nun schon eine geraume Weile nichts mehr gesagt. Sie ging einfach weiter und sah sich hin und wieder um. Die Wölfe um uns herum wurden immer weniger und ich spürte, wie die Gefahr stetig zunahm, wodurch ich mich instinktiv anspannte.

„Wir sind gleich da. Ich kann schon das Getrappel ihrer Spinnenbeine spüren.“ Sie durchbrach endlich das Schweigen, wodurch ich sie irritiert ansah, doch dann schließlich nickte.

„Wir müssen in die Höhle und dort ihre Königin töten. Mit mir an deiner Seite wird das keine schwierige Aufgabe sein. Ich werde dir ein Schild geben, das eine Weile deinen Schaden prozentual verringern wird. Das ist alles was ich für dich tun kann. Außer dir noch ein paar Spinnen vom Hals zu halten. Leider bin ich kein Heiler. Also behalte dein Leben gut im Auge, okay?“, erklärte sie mir den Schlachtplan und nur nach wenigen Schritten, war der Wald plötzlich von Spinnweben überzogen. In ihnen krabbelten riesige Spinnen, die nur darauf warteten, dass sie jemanden zum Fressen bekamen.

Ohne mein Zutun legte sich meine Hand instinktiv um den Griff meines Schwertes, wobei sich Terrivon noch einmal zu mir umwandte. „Hier der Schild. Denk daran: Du hast im Moment nur die Fähigkeit, dass du deine Klinge mit Schatten überziehst, was deinen Schaden für eine gewisse Zeit erhöht. Die Schattenmagie selbst wirst du erst später erlernen. Im Moment bist du nur ein schwarzer Krieger. Mehr nicht.“

Ich nickte erneut und spürte das Schild um mich herum, wobei ich nicht verhindern konnte, dass die Spannung in meinem Körper immer mehr anstieg. „Pass auf dich auf, Kleiner.“ Sie legte ihre Hand auf meine Schulter und ich konnte nicht anders, als zu grinsen. „Hey, ich bin gut einen Kopf größer als du.“

„Ja, das behauptest du jetzt.“ Der Troll streckte sich und ich musste laut lachen. „Ich meine im echten Leben.“ „Das zählt hier nicht.“ Sie zwinkerte mir zu, bevor sie sich dann umwandte und aus dem Gebüsch trat.

Die Spinnen reagierten nicht auf sie, wodurch ich ebenfalls den Mut sammelte und in das Schlachtfeld trat. Sofort schienen sie sich alle in meine Richtung zu drehen. Ich konnte direkt ihre acht ekelhaften Augen auf mir spüren und das Zischen aus ihren widerlichen Kiefern drang an mein Ohr. Oh mein Gott!

Irgendwie konnte ich mich nicht bewegen, sondern starrte nur auf die Spinnen, die sich auf mich stürzten. Jetzt erkannte ich den Nachteil der Egoperspektive. Ich verlor die Distanz zu meinen Charakter und irgendwie hatte ich nur noch den Wunsch wegzulaufen, doch ich rührte mich nicht.

Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich schon den Geifer aus den Kiefer der vordersten Spinne tropfen sah, als diese von einem Blitzschlag getroffen wurde, der sich über die nächstliegenden Spinnen ausbreitete und sie alle zu Boden schickte. Sie waren tot.

Fassungslos sah ich auf Terrivon, der seinen kleinen Streitkolben in den Himmel gestreckt hatte und auch in seinen Augen sah ich das, was ich gerade eben noch gefühlt habe: Puren Schrecken.

„Und das ist das Anfangsgebiet?“ Meine Stimme war nur ein Krächzen und ich spürte, wie ich irgendwie immer noch am ganzen Körper zitterte, wobei sich Terrivon kurz umwandte und dann auf einen Weg deutete. „Nun ja, eigentlich läuft man da entlang, wodurch man nach und nach auf die Spinnen trifft. Wir sind von der anderen Seite gekommen und somit direkt in die Meute gelaufen. Tut mir Leid. Aber hey, du hast zwei Level dadurch bekommen. Das ist doch gut.“

Sie grinste breit und irgendwie konnte ich nicht anders und es erwidern. Ich fühlte mich so erleichtert, dass ich diese Begegnung überlebt hatte, dass ich irgendwie gar nicht böse sein konnte. Schließlich hatte sie mich ja auch gerettet.

„Zwei Level sind ja auch das mindeste, was ich erwarten kann, oder?“, ging ich sofort auf das Gespräch ein und schritt schließlich wieder neben sie, „aber starker Angriff.“

„Nicht wirklich. Er geht nur auf die meisten Gegner und nachdem sie alle sehr schwach sind, musste kein starker Angriff her“, meinte sie ruhig und ging dann weiter voraus, „das nächste Mal wäre es aber gut, wenn du auch kämpfen würdest. Das bringt mehr Erfahrung.“

Ich nickte nur kurz und schritt weiter voran. Wir betraten schließlich die Höhle, wo erneut drei Spinnen auf uns warteten. Dieses Mal zog ich mein Schwert, als die Monster auf uns zustürmten. Terrivon erledigte zwei davon, sodass ich nur noch einen Gegner hatte, der sich, ohne zurückzusehen, auf mich stürzte.

Meine Klinge wehrte die Kiefer ab. Stieß sie von mir. Sprang ihr nach und ließ mein Schwert nach vorne schnellen. Die Klinge durchtrennte drei Gliedmaßen und ließ sie aufschreien, wobei sie sich erneut auf mich stürzte. Der Geifer tropfte auf mich herab. Wie konnte das Spiel nur so real sein? Ich begriff es nicht.

Ein gezielter Hieb trennte den kleinen Kopf von dem Körper und sie rollte sich sterbend zusammen, wobei ich schwer atmend zu Terrivon sah. „Das Spiel ist der Hammer. Warum ist das so real? Die hat sogar Beine verloren, wo ich sie getroffen habe. Wie ist das möglich? Das kann doch kein anderes Spiel.“

Terrivon legte den Kopf ein wenig schief und sah mich besorgt an. „Sie hat keine Beine verloren. Nur Schaden genommen. So wie es sich gehört. Ich weiß nicht, was du gesehen hast.“

„Aber ihr Kopf müsste-“ Ich wandte mich zu der Stelle, wo das kleine Gebilde liegen sollte, doch dort war nichts mehr, wodurch ich stockte und mich irritiert umsah. „Wo ist er?“

„An ihrem Rumpf, wo er hingehört“, drang ihre Stimme zu mir durch und als mein Blick zu dem Monster glitt, sah ich, wie es wirklich noch ganz war. Derweil habe ich es doch zerstückelt. Was geht hier vor?

Sie sah mich besorgt an, wobei ich versuchte zu verstehen. Was machte das Spiel gerade mit mir? Meine Hand zitterte und bevor ich es verlor, steckte ich das Schwert wieder in die Scheide, ehe ich noch einmal zu meinem Gegner sah. Warum war die Spinne ganz? Ich habe sie doch zerstückelt.

„Was passiert hier mit mir?“ Ich sah auf meine Hände und die Kleidung, wo der Geifer hätte entlang laufen müssen, doch dort war nichts. Ich war staubtrocken. So wie es sein sollte in einem Spiel.

„Ich weiß es nicht.“ Lauras Blick wurde nicht besser und ich selbst spürte, wie ich mich immer mehr in meinen Gedanken verlor.

„Ich muss hier raus! Laura bring mich aus der Höhle raus, sodass ich mich ausloggen kann!“ Alles in mir schrie danach, mich von dem Spiel zu entfernen, wodurch sich der Troll erhob und sich vorsichtig mit erhobenen Händen mir näherte. „Jetzt beruhige dich erst einmal, Shujo. Dafür gibt es bestimmt eine Erklärung. Du hattest schon immer eine sehr ausgeprägte Fantasie. Vielleicht geht sie gerade nur mit dir durch. Komm, lass uns den Quest noch beenden und dann bring ich dich zurück zu den Höhlen, wo du dich gefahrlos ausloggen kannst. Wir haben es nicht mehr weit.“

Ich wollte jetzt raus aus dem Spiel. Weg von dieser Figur, die mich Dinge sehen ließ, die nicht da waren. Nein, ich wollte nicht anfangen an meinem Verstand zu zweifeln. Ich wollte hier raus.

Sanft berührten mich die großen Hände des Trolls an meinen Schultern und sie sah mich besorgt an, wobei sie leicht lächelte. „Komm… die paar Minuten bringen dich dann auch nicht um, oder?“

Ich rang mich zu einem Nicken durch und folgte Terrivon dann weiter in die Höhle. Sie vermied es, mich kämpfen zu lassen und erledigte die Gegner noch bevor sie uns sahen. Genauso wie die Spinnenkönigin, die diese Höhle behauste.

Es war unspektakulär, redete ich mir ein, wodurch ich auch den Geruch von verbrannten Chitin ignorierte. Das war alles nicht real. Es war nur ein Spiel. Nur ein Spiel…

Davon schwimmen

Ich war froh, als ich das Headset abnehmen konnte und das Spiel auf meinem Bildschirm erlosch. Der Werwolfführer hatte sich noch bei mir bedankt, dass sie nun eine neue Höhle hatten, die sie bevölkern könnten und sich so unsere Rasse weiter ausbreiten konnte. Alles, was mich nicht interessierte.

Ohne nachzudenken griff ich nach der Spielhülle und drehte sie in meinen Fingern. Sie sah aus, wie jedes andere Exemplar dieser Produktion. Sonst wäre es mir ja schon im Laden aufgefallen, das etwas nicht stimmte. Mein Blick blieb bei dem Werwolf auf dem Cover hängen. Er schien mich mit seinen Augen zu fixieren und tief in meine Seele zu schauen.

Ein eisiger Schauer lief über meinen Rücken und ich warf reflexartig die Hülle von mir, wodurch sie hart gegen das Fenster hinter meinem Schreibtisch knallte und zurück vor mein Gesicht. Erneut begegnete ich dem Blick des Werwolfes, der sich noch tiefer in mich bohrte. Ich konnte nicht verhindern, dass aus dem abgebildeten Wesen plötzlich Destina wurde. Sie wandte sich zu mir um und sah mich nun direkt an.

„Shujo“, hörte ich meinen Namen, als sich ihr Kiefer bewegte, wodurch ich erschrocken aufschrie und zurücktaumelte. Mein Stuhl ging mit einem lauten Knall zu Boden, während ich nur noch weiter zurückwich. Das war nicht möglich. Einfach nicht möglich. Dieses Bild konnte sich nicht bewegen und es war auch nicht Destina, die darauf abgebildet wurde. Was passierte hier mit mir?

Verzweifelt griff ich nach meinem Kopf, um so an meinem Verstand festzuhalten, doch meine Gedanken drehten sich weiter. Was war in dieser Höhle passiert? Was war in diesem Spiel passiert? Warum war die Einstellung meines Spiels anders, als sie hätte sein sollen? Wieso war alles so real? War es wirklich nur meine Fantasie, die sich einfach mitreißen ließ?

Langsam erhob ich mich und schritt zurück an meinen Rechner, wobei mein Blick erneut auf das Spiel fiel. Alles war so, wie es sein sollte. Der Werwolf starrte den Vampir zornig an, wobei sich auch dieser angriffslustig zu ihm gewandt hatte. Genau so wie es am Anfang auch war. Keine Destina. Nicht einmal ein weiblicher Werwolf.

„Ich werde hier noch verrückt.“ Ich seufzte schwer und ließ mich dann auf meinen Stuhl nieder. Gerade wollte ich den Internetbrowser öffnen, als mein Handy zu klingeln begann. Ein kurzer Blick verriet mir, dass es Laura war, die sich wohl um mich sorgte, wodurch ich ohne zu zögern ranging.

„Hallo, mein Trollhengst“, neckte ich sie ein wenig, wobei dieser Witz nur verschleiern sollte, wie viel Angst ich eigentlich vor dem Spiel hatte. Dennoch lachte Laura kurz an der anderen Seite der Leitung. „Und das obwohl du mich noch gar nicht im Bett erlebt hast. Anscheinend muss ich ja eine sehr starke sexuelle Ausstrahlung mit Terrivon haben.“

„Scheint so. Was gibt es?“ Ich wollte mich nicht wirklich darüber unterhalten. Am liebsten würde ich das Spiel einfach von meinem Rechner deinstallieren, aber das empfand ich dann doch als ein wenig übertrieben, wodurch ich den Impuls unterdrückte.

 

„Lust ein wenig an den See zu gehen? Wir könnten eine Runde schwimmen“, machte sie einen Vorschlag, wofür ich ihr mehr als nur dankbar war. Ich wusste, dass sie eigentlich nach meinem Befinden fragen wollte und vor allem nach dem, was in dem Spiel passiert war, doch sie hatte soviel Feingefühl, dass man so was vielleicht nicht am Telefon besprach, wodurch ich ruhig nickte. „Ja, klingt nach einer guten Idee. Treffen wir uns in zwanzig Minuten dort, oder?“

„Oh ja, das klingt wirklich nach einem Plan. Also man sieht sich“, verabschiedete sie sich von mir und nach meiner Floskel legten wir gemeinsam auf, wobei ich nur tief seufzte. Ich wusste, dass sie mich noch darauf ansprechen würde, aber andererseits wollte ich auch eine Weile hier raus. Weg von diesem Spiel.

Noch einmal wanderte mein Blick auf das Cover, wobei es sich nicht verändert hatte. Es war so, wie es sein sollte. Keine Destina. Nichts.

„Ich glaube, dass ich mich einfach zu sehr auf meinen Charakter konzentriert habe. Vielleicht sollte ich das nächste Mal einfach aus der Egoperspektive rausgehen“, sprach ich mir selbst beruhigend zu. Ja, ich wusste, dass ich mindestens noch einmal spielen musste. Laura würde mich früher nicht in Ruhe lassen, wodurch ich nur kurz seufzte. Das konnte wirklich nicht wahr sein.

Schließlich schloss ich das Internetfenster wieder und fuhr auch meinen Computer runter, bevor ich dann damit begann, ein paar Sachen für den See zusammen zu suchen. Eine Badehose, die ich gleich mal unter meiner Kleidung anzog, Sonnencreme, ein Handtuch und noch was Kleines zum Trinken und zum Essen. Schließlich wollte ich mein Geld nicht in dem Kiosk liegen lassen. Beziehungsweise würde mich meine Mutter gar nicht gehen lassen, ohne dass ich etwas mitnahm. Sie sah es noch weniger ein, diese horrenden Preise zu bezahlen.

Erneut ein Seufzer, als ich die Tasche schulterte und schließlich aus dem Zimmer ging. Nein, ich vermied es noch einmal zurück zusehen. Ich hatte Angst, dass mir meine Sinne erneut einen Streich spielen würden und ich hatte für heute schon genug Unglaubliches gesehen.

„Shujo?“ Meine Mutter sah mich verwirrt an, als ich das Wohnzimmer betrat, wobei ich sie nur kurz anlächelte. „Ich bin mit Laura am See verabredete. Keine Sorge, ich hab was zum Essen und Trinken dabei und werde pünktlich zum Abendessen zurück sein.“

„Hast du dir nicht gerade ein neues Spiel gekauft?“ Sie wirkte mehr als nur irritiert, wobei ich kurz lächelte. „Ja, habe ich. Wieso fragst du?“

„Nun ja, normalerweise bist du dann tagelang nicht mehr sichtbar. Außer eben zum Essen. Es verwundert mich, dass du jetzt nach draußen gehst. Ich dachte, dass du mit Laura das Spiel zocken würdest. Nicht, dass ich etwas dagegen hätte. Aber es sieht dir halt gar nicht ähnlich, jetzt an den See zu fahren.“ Ihre braunen Augen sahen mich besorgt an, wobei sie unsicher mit einer Strähne ihres langen schwarzen Haares spielte.

„Da hast du durchaus Recht. Aber das ist einfach ein Spiel, was man nicht allzu lange spielen kann. Deswegen geh ich ein wenig frische Luft schnappen, um meinen Kopf wieder zu entlasten“, log ich, doch ihr schien es nicht aufzufallen. Dadurch dass sie in der Welt der Spiele nicht viel unterwegs war, hatte sie auch keine Ahnung von dem Spiel, das ich mir geholt hatte. Was wohl mein Glück war. Schließlich war dieses Spiel darauf ausgelegt, dass man soviel Zeit wie möglich da hinein investierte und somit war es auch für den Kopf nicht allzu anstrengend. Wobei ich es mir durchaus als anstrengend vorstellte, wenn man wirklich mit der Gedankensteuerung längere Zeit spielte.

„Na gut. Pass auf dich auf, Kleiner, und habt viel Spaß.“ Sie nickte mir zu, wobei ich nicht verhindern konnte, dass ich erleichtert ausatmete, bevor ich sie sanft anlächelte. „Werden wir haben. Bis später, Mama.“

Damit verschwand ich aus der Wohnung und machte mich auf den Weg zum See. Er lag ein wenig abseits der kleinen Stadt, in der ich wohnte, wodurch ich mich auf mein Fahrrad schwang und in die Pedale trat. Laura hatte es nicht so weit, wie ich, wodurch sie wohl schon vor mir da sein würde, doch das sollte mir nur Recht sein. So musste sie einen Platz suchen und nicht ich.

Desto weiter ich mich von Zuhause entfernte, umso leichter wurde es mir ums Herz. Es tat gut räumlichen Abstand zwischen mich und das Spiel zu bringen, wodurch ich mich auf den Badeausflug nur noch mehr freute…

Ich näherte mich dem Badesee. Er war umgeben von einigen vereinzelten Baumgruppen und ein kleiner Imbissstand bot Nahrung und Getränke an. Die andere Seite des Ufers war nur mit sehr viel Mühe zu erkennen. Wären die bunten Handtücher nicht, würde man es wahrscheinlich gar nicht sehen. Viele Familien lagen hier und fröhlich kreischende Kinder rannten zwischen den einzelnen Gruppen hin und her. Das Ufer selbst war nur knapp mit Schilf bewachsen und bot einen brauchbaren Einstieg und auch einen guten Blick auf das sanft bläulich glänzende Wasser.

„Hey, Shujo“, begrüßte mich Laura mit ausgreifenden Winken, wobei ich leicht lächeln musste. Ich wusste, dass sie früher da sein würde und sie hatte direkt einen der begehrten Schattenplätze ergattert, was mich doch ein wenig erstaunte. Manchmal würde ich gerne wissen, wie sie das anstellte.

„Hey, Laura.“ Ich umarmte sie freundschaftlich, bevor ich mich dann von ihr trennte und erst jetzt fiel mir das zweite Handtuch auf, wobei ich sie irritiert ansah. „Wen hast du denn noch mitgebracht?“

„Mitgebracht ist das falsche Wort. Jun war schon vorher da und na ja, er hat mir den Platz angeboten. Nachdem kein Schattenplatz mehr frei war und du mir in der Sonne eingehst, musste ich sein Angebot annehmen.“ Sie zuckte mit den Schultern und ich spürte, wie kurz ein wenig bittere Galle in meinen Mund kroch, als ich den Platz nach dem Jungen absuchte.

Seine schwarzen Haare mit roten Strähnen fielen normalerweise überall auf, doch ich wollte ihn noch nicht entdecken.

„Warum ausgerechnet neben Jun? Du weißt, dass wir uns nicht leiden können“, knurrte ich sie an, wobei sie mich aus ihren unschuldigen grünen Augen ansah und dann schüchtern mit einer Strähne ihrer kinnlangen, braunen Haaren spielte. Warum benahmen sich alle Frauen immer so? Was wollten sie damit erreichen? Doch ich spürte schon, wie die Wut langsam verrauchte. Diese Unsicherheit rüttelte an etwas in mir und ich hasste dieses Etwas dafür, denn es hat Laura schon oft dabei geholfen, dass ich nicht mehr sauer auf sie war.

„Es wird schon nicht so schlimm sein. Wie gesagt, anders hättest du in der Sonne braten müssen und deine Haut verträgt das nicht sehr lange. Schon vergessen? Außerdem musst du dich ja nicht mit Jun unterhalten. Ignorier' ihn einfach. So wie du es im Klassenzimmer auch tust.“ Sie versuchte mich auch mit Worten zu beschwichtigen, wodurch ich kurz schnaubte und dann nickte.

Ich begann mein Handtuch auszubreiten und schließlich aus meiner Kleidung zu schlüpfen, bevor ich mich dann niederließ und damit begann meine Haut mit Sonnencreme einzuschmieren. Sie war sehr hell. Meine Mutter hatte es mir einst mal damit erklärt, dass einer meiner Verwandten ein Albino war. So war unsere Haut sehr sonnenempfindlich und konnte auch nicht richtig braun werden. Das Zweite störte mich nicht wirklich, aber der Sonnenbrand kam meistens nach nur kurzer Zeit und war auch sehr schmerzhaft, wodurch ich eine spezielle Sonnencreme verwenden musste.

Erneut seufzte ich, als ich darauf wartete, dass die Creme langsam einzog. Ruhig sah ich auf Laura, die dem Treiben um den See folgte. Ich spürte, dass sie reden wollte, aber anscheinend noch nach dem passenden Anfang suchte, wodurch eine komische Atmosphäre zwischen uns entstand, die sich schwer auf mein Gemüt legte.

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