Der parfümierte Garten

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ZWEITES KAPITEL
Von lobenswerten Frauen

WISSE, o Wesir (und die Gnade und Weisheit Gottes seien mit dir), daß es vielerlei Arten von Frauen gibt und unter ihnen jene, die es wert sind, gelobt zu werden, und andere, die nur Verachtung verdienen.

Eine Frau, an der Männer Gefallen finden, sollte gesund und von schöner Gestalt sein, die Haut weich, das Fleisch fest; ihr Haar von glänzendem Schwarz, darunter die hohe Stirn und der Bogen ihrer Brauen, dunkel wie die Hautfarbe der Äthiopier. Ihre Augen sollten groß sein, das Augenweiß ungetrübt und rein, die Pupillen makellos, schwarz und funkelnd wie Edelsteine. Ihre Wangen bilden ein vollkommenes Oval. Die Nase ist vornehm, der Mund anmutig, der Flor ihrer Lippen zinnoberrot, rotglänzend auch die Farbe ihrer Zunge. Ihr Atem ist wohlriechend, ihr Hals lang und wohlgeformt, ihr Nacken kräftig. Oberkörper und Hüften sollten nicht zu schmal sein, die Brüste voll und fest, ihr Bauch nicht formlos, ihr Nabel markant, eingesunken und schön gewachsen. Die Vulva sollte vorstehen und ihr Fleisch durchgehend fest sein, vom Ansatz der Schamhaare bis zum Gesäß; der Durchgang sollte eng und trocken sein, sich weich und warm anfühlen und nicht nach verfaulten Eiern riechen. Auch das Fleisch ihrer Schenkel und Hinterbacken sollte fest sein, die Hüften breit und voll, die Taille schmal. Ihre Hände und die Feingliedrigkeit ihrer Füße sind von besonderer Vornehmheit; ihre Arme sind drall und ihre Schultern kräftig.

Erblickt man eine Frau, die diese Vorzüge besitzt, von vorne, ist ihr Anblick atemberaubend; erblickt man sie von hinten, ist ihr Anblick fatal. Sitzend gleicht sie einer sanft gerundeten Kuppel, liegend einem weichen Bett und aufrecht stehend dem Stab einer Standarte. Wenn sie geht, wölbt sich ihre Vulva im Schritt gleich einem Schmuckstück unter ihren Kleidern vor. Sie spricht und lacht selten, und niemals ohne Grund. Nie verläßt sie das Haus, auch nicht, um ihr bekannte Nachbarn zu besuchen. Sie hat keine Freundinnen. Ihr Ehemann ist ihre Stütze und ihr einziger Verbündeter. Sonst vertraut sie keinem. Sie nimmt auch von niemandem außer von ihrem Ehemann und seinen Verwandten Geschenke an. Kommen seine Verwandten in ihr Haus, mischt sie sich nicht in deren Angelegenheiten. Sie ist nicht treulos, hegt keine heimlichen Absichten und hat nichts zu verbergen. Sie versucht, niemanden zu verführen oder zu beeindrucken.

Wünscht ihr Ehemann mit ihr zu verkehren, um seiner ehelichen Pflicht nachzukommen, ist sie damit einverstanden und weist ihn nicht zurück. Manchmal kommt sie ihm zuvor und weckt von selbst sein Verlangen. Sie hilft ihm immer in seinen Geschäften; sie ist sparsam mit ihren Tränen und Klagen. Wenn sie sieht, daß ihr Ehemann niedergeschlagen oder traurig ist, frohlockt sie nicht und lacht ihn nicht aus, sondern teilt seine Sorgen, verwöhnt und kümmert sich um ihn und findet so lange keine Ruhe, bis seine Sorgen verschwunden sind und er wieder wohlgelaunt und zufrieden ist.

Sie gibt sich keinem anderen hin, selbst wenn sie die Enthaltsamkeit das Leben kosten würde. Sie ist schamvoll und achtet darauf, daß niemand ihre geheimen Körperteile zu sehen bekommt. Sie achtet auf größte Reinlichkeit, ist vornehm gekleidet, von größter persönlicher Schicklichkeit und sorgsam bemüht, ihrem Ehemann nichts zu zeigen, was ihn abstoßen könnte. Sie parfümiert sich mit Wohlgerüchen, benützt Antimon zur Körperpflege und reinigt ihre Zähne mit souak1.

Solch eine Frau wird von allen Männern geschätzt.

Die Geschichte von dem Neger Dorerame

Es ist überliefert, und nur Gott weiß, ob es wahr ist, daß vor langer Zeit ein mächtiger König namens Ali ben Direme auf Erden lebte. Sein Reich war so groß, daß eine Karawane zwei Monate brauchte, um von den entferntesten Grenzen seines Reiches zur Hauptstadt zu gelangen. Er gebot über Armeen und besaß mächtige Verbündete.

Als er eines Nachts keinen Schlaf finden konnte, ließ er seinen Wesir, den Polizeihauptmann und den obersten Befehlshaber der Wachen zu sich rufen. Nachdem sie sich unverzüglich bei ihm eingefunden hatten, sprach er zu ihnen die folgenden Worte: „Der Schlaf will heute Nacht nicht zu mir kommen; ich wünsche deshalb, in die Stadt zu gehen, und brauche euch an meiner Seite.“

„Hören ist gehorchen“, antworteten sie.

„Also dann, im Namen des allmächtigen Gottes!“, rief der König aus. „Laßt uns gehen! Möge der Segen des Propheten mit uns sein und das ewige Heil und die Gnade Gottes auf ihm ruhen.“ Dann holten sie ihre Schwerter und verließen den Palast.

Nachdem sie schon eine Zeitlang ohne bestimmtes Ziel durch die nächtliche Stadt gewandert waren, hörten sie plötzlich in einer der Seitenstraßen lautes Geschrei, und als sie an den Ort des Tumultes kamen, erblickten sie einen Mann, der, völlig außer sich, lang ausgestreckt auf dem Boden lag, sich mit einem Stein auf die Brust schlug, weinte und jammerte und unablässig wiederholte:

„Es gibt keine Gerechtigkeit mehr hier unten auf Erden! Ist hier denn keiner, der dem König berichten will, was in seinem Königreich vor sich geht? – Nein, es gibt keine Gerechtigkeit mehr! Sie ist verschwunden, und die ganze Welt ist in Trauer.“

Der König, verwundert über den Anblick, befahl seinen Begleitern, den Mann zu ihm zu bringen. „Aber tut es, ohne Aufsehen zu erregen. Und gebt acht, daß ihr ihn nicht erschreckt.“

Sie gingen zu dem Mann hin, faßten ihn an der Hand und sagten: „Erhebe dich und hab keine Furcht – es wird dir kein Leid geschehen.“

„Ihr sagt, daß mir kein Leid geschehen wird und daß ich mich nicht fürchten soll“, erwiderte der Mann, „und dennoch entbietet ihr mir nicht den Willkommensgruß! Obwohl ihr wißt, daß der Willkommensgruß eines Gläubigen dem Gegrüßten Schutz und Gnade gewährt! Unterläßt aber ein Gläubiger den Willkommensgruß, wie ihr es getan habt, so ist das wahrlich ein Grund, sich zu fürchten.“ Trotzdem stand er auf und ging, ohne ein weiteres Wort zu verlieren, mit ihnen.

Der König wartete in der Nähe. Wie seine Begleiter hatte auch er sein Gesicht hinter einem Haik verborgen.

Als seine Begleiter den Mann vor den König gebracht hatten, sagte er: „Ich grüße dich, o Mensch!“

Der König entgegnete: „Ich erwidere deinen Gruß, o Mensch.“

Darauf der Mann: „Warum sagst du ‚o Mensch‘?“

Der König: „Und warum hast du ‚o Mensch‘ gesagt?“

„Weil ich deinen Namen nicht kenne.“

„Genausowenig kenne ich deinen.“

„Nun aber sag mir“, fuhr der König fort, „was die Worte bedeuten, die ich vorhin aus deinem Mund gehört habe: ‚Es gibt keine Gerechtigkeit mehr hier unten auf Erden! Ist hier denn keiner, der dem König berichten will, was in seinem Königreich vor sich geht?‘ Erzähl mir, was dir zugestoßen ist.“

„Ich habe geschworen, daß ich das nur demjenigen erzählen werde, der, so es dem Allmächtigen Gott gefällt, in der Lage ist, mich aus meiner Not und von meiner Schmach zu befreien, und mir Genugtuung verschafft.“

„Möge Gott es fügen, daß es mir möglich ist, dir Genugtuung zu verschaffen und dich aus deiner Not und von deiner Schmach zu befreien!“

„Nun gut“, sagte der Mann. „Dann höre meine Geschichte. Einst liebte ich eine Frau, die mich wiederliebte, sodaß wir durch die Liebe verbunden waren. Unsere Liebe währte lange Zeit, bis eine alte Frau meine Geliebte zum Bösen verführte und sie mit sich fortnahm zu einem übelbeleumundeten Haus. Seither flieht mich der Schlaf, ich habe meine Lebenslust verloren und finde mich am Boden eines Abgrunds von Trauer und Verzweiflung.“

„Dann sag mir: Wo ist dieses Haus, und bei wem ist deine Frau jetzt?“, forderte ihn der König auf.

„Sie ist bei einem Neger, genannt Dorerame“, antwortete der Mann, ohne zu zögern. „Ihm gehört das übelbeleumundete Haus, in das die Alte meine Geliebte entführt hat. Es wohnen noch andere Frauen dort, schön wie der Mond, wie du sie nicht einmal im Palast des Königs findest. Dieser Neger hat außerdem eine Mätresse, die ihn abgöttisch liebt und ihn mit allem versorgt, dessen er bedarf.“

Dann verstummte der Mann plötzlich, wie durch die Erinnerung an den Ort, an dem seine Geliebte jetzt weilte, von Trauer und Verzweiflung überwältigt, und der König drang nicht weiter in ihn. Zwar war der König sehr erstaunt über das, was er von ihm gehört hatte, doch war dem Wesir, der jedes Wort der Unterhaltung mitangehört hatte, klar, daß es sich bei dem Neger Dorerame nur um seinen eigenen Diener handeln konnte.

Mit knappen Worten forderte der König den Mann auf, ihm das Haus zu zeigen.

„Wenn ich es dir zeige, was willst du dann tun?“, fragte der Mann erschrocken.

„Du wirst sehen, was ich dann tun werde“, antwortete der König.

„Du wirst nichts tun können“, erwiderte der Mann. „Denn auch wenn deine Absichten ehrbar sind, kannst du mir doch nicht helfen. Dieses Haus ist ein Ort, den man meiden und fürchten muß. Willst du dort mit Gewalt eindringen, verwirkst du dein Leben, denn sein Herr ist wegen seiner Stärke und seines Muts gefürchtet.“

„Zeig mir den Ort“, sagte der König, „und hab keine Furcht.“

„Der Wille Gottes geschehe!“, erwiderte der Mann, erhob sich und ging voran. Er führte sie bis vor das Haus, das von einer hohen Mauer umgeben war, so hoch, daß kein Dieb sie erklettern konnte. Die Eingangstüren waren fest verriegelt und von außen durch ein Eisengitter gesichert. Sie gingen um das Haus herum und suchten nach einer Möglichkeit, in das Haus einzudringen, jedoch blieb ihre Suche erfolglos. Sie fanden das Haus so fest verschlossen wie den Brustpanzer eines Kriegers.

 

Als sie wieder vor der Eingangstür standen, wandte sich der König an den Mann und fragte ihn nach seinem Namen.

„Omar ben Isad“, antwortete der Mann.

„Omar, bist du stark und entschlossen?“

„Ja, mein Bruder“, antwortete Omar. „Dem Allmächtigen sei Dank! Möge er dir heute Nacht beistehen!“

Dann wandte sich der König an seine Begleiter und sagte: „Ist einer unter euch, der diese Mauer überwinden kann?“

„Unmöglich!“, antworteten sie alle wie aus einem Mund.

„So Gott will, werde ich diese Mauer selbst bezwingen“, sagte der König. „Doch dazu bedarf ich eurer Hilfe. Sagt mir: Wer ist der Stärkste von euch?“

Sie antworteten: „Der Polizeihauptmann, der dein Chauouch ist.“

„Und der zweitstärkste?“

„Der Hauptmann der Wache.“

„Und nach ihm?“

„Der Großwesir.“

Omar hatte mit wachsendem Erstaunen zugehört. Nun, da er wußte, daß dieser Fremde niemand anderer als der König selbst sein konnte, war seine Freude groß.

„Wer ist dann noch übrig?“, fragte der König.

„Ich, o mein Herr und Gebieter“, antwortete Omar.

„Omar, nun, da du weißt, wer wir sind, bewahre unser Geheimnis, und du sollst von deiner Schmach befreit werden.“

„Hören ist gehorchen“, antwortete Omar.

Dann sagte der König zum Chauouch: „Stütz deine Hände gegen die Mauer, sodaß du uns den Rücken zukehrst.“

Der Chauouch tat es.

Dann sagte der König zum Hauptmann der Wache: „Steig über den Rücken auf die Schultern des Chauouch.“ Er tat es und stellte sich mit seinen Füßen auf die Schultern des Chauouch. Als nächster kletterte der Wesir hinauf, stellte sich auf die Schultern des Hauptmanns der Wache und stützte sich mit seinen Händen an der Mauer ab. Zuletzt forderte der König Omar auf, es den anderen nachzutun.

Und Omar, noch immer überrascht von der Einfachheit der Lösung, die niemandem außer dem König eingefallen war, rief aus: „Möge Gott dir bei deinem Vorhaben seine Hilfe gewähren, o mein Herr und Gebieter!“

Dann stieg er auf die Schultern des Chauouch, von dort auf die Schultern des Hauptmanns der Wache, von dort auf die Schultern des Wesirs, wo er stehenblieb und sich wie die anderen mit seinen Händen an der Mauer abstützte. Nun war nur noch der König übrig.

Als er seine Hände auf die Schultern des Chauouch legte, sagte er zu ihm. „Hab noch etwas Geduld; wenn ich Erfolg habe, wirst du belohnt werden!“ Dasselbe sagte er auch zu den anderen, wenn er zu ihnen kam. Zu Omar aber sagte er: „O Omar, hab noch ein wenig Geduld, wenn ich Erfolg habe, werde ich dich zu meinem persönlichen Sekretär ernennen – gib nur acht, daß du fest stehenbleibst und dich nicht bewegst.“

Mit den Füßen auf Omars Schultern war es dem König nun möglich, den Mauerabschluß zu erreichen. Vor Freude rief er aus: „Im Namen Gottes! Möge er seinen Segen über den Propheten ausgießen, auf dem die Gnade und Barmherzigkeit Gottes ruhen!“ Dann schwang er sich auf die Mauer und befahl von dort seinen Begleitern, wieder hinabzusteigen, einer nach dem anderen, in der umgekehrten Reihenfolge, in der sie hinaufgestiegen waren. Während sie das taten, konnten sie nicht aufhören, sich über den guten Einfall des Königs und dessen einfaches Gelingen zu wundern, auch über die Stärke des Chauouch, der vier Männer auf einmal getragen hatte.

Indessen suchte der König nach einer Stelle, von der aus er von der Mauer wieder hinuntergelangen konnte. Als er keine fand, rollte er seinen Turban auf, befestigte ein Ende oben an der Mauer und ließ sich vorsichtig in den dunklen Innenhof hinab. Unten angekommen, begann er sofort alles zu erkunden und stieß in der Mitte des Hauses auf eine Tür, die mit einem riesigen Schloß versperrt war. Die Größe des Schlosses erschreckte ihn, aber er erinnerte sich, daß er in der Hand Gottes war, daß Gott es gewesen war, der ihm die Idee mit der Räuberleiter zur rechten Zeit eingegeben hatte, und daß, so es Sein Wille war, Er es ihm auch ermöglichen würde, wieder heil und gesund zu seinen Gefährten zurückzukehren.

Dann begann er aufs neue, den Ort zu untersuchen. Anhand der Fenster, die auf den Innenhof hinausgingen, zählte er siebzehn Zimmer. Soviel er erkennen konnte, war jedes dieser Zimmer in einem anderen Stil eingerichtet, ausgestattet mit Tapeten und Samtvorhängen in den unterschiedlichsten Farben. Sich weiter umsehend, entdeckte er zu seiner Überraschung eine kleine Terrasse, die er bei seiner ersten Erkundung übersehen haben mußte. Zu der Terrasse führten sieben Stufen hinauf, und jetzt schien es ihm auch, als hörte er, in der Stille des Innenhofes, von dort her Stimmen. Gottes Beistand erflehend, betend, ihn vor jedem Schaden zu bewahren, ging er darauf zu.

Die einzelnen Stufen waren aus verschiedenfarbigem Marmor gebildet. Er setzte seinen Fuß auf die erste und sprach: „Im Namen Gottes, des Mitleidigen und Mitleidvollen!“

Er setzte seinen Fuß auf die zweite Stufe und sprach: „Der, dem Gott hilft, ist unbesiegbar!“

Er setzte seinen Fuß auf die dritte Stufe und sprach: „Mit der Hilfe Gottes ist der Sieg nahe!“

Er setzte seinen Fuß auf die vierte Stufe und sprach: „Ich habe von Gott, dem mächtigsten Verbündeten, den Sieg erbeten.“

Bei der fünften, sechsten und siebten Stufe rief er den Propheten an (Die Gnade und Barmherzigkeit Gottes seien mit ihm!).

Dann stand er auf der Terrasse. Ein Vorhang aus rotem Brokat versperrte ihm die Sicht auf den dahinterliegenden Raum. Vorsichtig schob er ihn beiseite und erblickte einen Raum, der vom Licht unzähliger Kerzen, die in goldenen Kerzenhaltern brannten, erhellt wurde. Der Glanz ihrer honigfarbenen Flammen spiegelte sich in kostbaren Lustern, die von der Decke hingen. Mitten im Raum strömte aus einer künstlichen Quelle moschusduftendes Wasser. Über die ganze Länge des Raums war eine Tischdecke2 ausgebreitet, auf der silberne Tabletts, Onyxteller und Schüsseln aus Porzellan aufgereiht waren, alle bis zum Rand gefüllt mit den köstlichsten Speisen, süßen Spezereien und frischen Früchten. Die vergoldeten Möbelstükke rundherum blendeten das Auge mit ihrem Glanz, und überall waren kunstvolle Ornamente und kostspielige Verzierungen angebracht.

Auf dem Teppich saßen zwölf Mädchen und sieben Frauen, alle schön wie der Mond. Der Anblick ihrer Schönheit und Anmut machte den König staunen. Noch mehr aber verwunderte ihn die Anwesenheit von sieben Negern, die bei den Frauen saßen. Eine von ihnen, deren Schönheit vollkommen wie der Vollmond war und die Schönheit der anderen Frauen und Mädchen bei weitem übertraf, zog seine Aufmerksamkeit in Bann. Ihre Augen waren von glänzendem Schwarz, ihre Wangen bildeten ein perfektes Oval, ihr Körper war anmutig und ihre Bewegungen geschmeidig. Ihr Anblick mußte die Herzen aller verwirren, die sie ansahen. Geblendet von ihrer Schönheit, unfähig, auch nur einen Muskel zu rühren oder den Blick abzuwenden, starrte der König sie an. Er dachte bei sich: „Wie kann ich nur jemals von diesem Ort entfliehen! O mein Gott, laß es nicht zu, daß ich mich verliebe!“

Die Anwesenden fuhren fort, zu essen und Wein zu trinken, wobei es offensichtlich war, daß sie mehr tranken als aßen. Während der König über einen Weg nachsann, wie er aus seiner mißlichen Lage entkommen könnte, hörte er, wie eine der Frauen zu ihrer Begleiterin sagte: „Steh auf! Zünde eine Lampe an und laß uns zu Bett gehen, denn wir sind beide müde.“

Sie standen auf und gingen geradewegs auf den Vorhang zu, hinter dem sich der König verbarg. Er trat zurück, um sie vorbeizulassen, aber sie waren so müde und betrunken, daß sie ihn ohnehin nicht bemerkt hätten. Er folgte ihnen bis zu ihrem Zimmer, und als sie wieder herauskamen, um einem natürlichen Bedürfnis nachzukommen, nützte er die Gelegenheit, stahl sich in das Zimmer und verbarg sich in einem Schrank. Während er dort die Rückkehr der Frauen abwartete, geriet er in Sorge, ob er wohl seine Gefährten je wiedersehen würde, und auch diese begannen, wegen seiner langen Abwesenheit allmählich um das Leben des Königs zu fürchten.

Die Frauen kamen zurück und verschlossen die Tür. Sie waren offensichtlich noch immer betrunken, und sobald sie ihre Kleider abgelegt hatten, begannen sie, sich gegenseitig zu berühren.3

Der König dachte bei sich: „Omar hat die Wahrheit gesprochen, als er mir dieses Unglückshaus als ein Haus der Sünde und des Verderbens beschrieben hat.“

Als die Frauen endlich eingeschlafen waren, verließ der König sein Versteck, löschte das Licht, zog seine Kleider aus und legte sich zwischen die beiden Frauen. Während er sie belauscht hatte, hatte er darauf achtgegeben, ihre Namen zu erfahren. Eine der Frauen bei ihrem Namen ansprechend, fragte er sie: „Wo hast du die Schlüssel des Hauses hingetan?“

Die Frau antwortete: „Schlaf jetzt, Dirne, die Schlüssel sind, wo sie immer sind.“

Der König hielt den Atem an, sagte sich: „Es gibt keine Stärke als in Gott, dem Allmächtigen!“ und sprach die Frau nochmals an: „Es wird bald Tag, und ich muß die Türen öffnen. Die Sonne geht schon auf, und es wird Zeit, das Haus aufzusperren.“

Die Frau antwortete: „Die Schlüssel sind an ihrem üblichen Platz. Warum belästigst du mich? Schlaf noch, bis es hell wird.“

Der König sagte sich: „Es gibt keine Stärke als in Gott, dem Allmächtigen und Mitleidvollen!, wäre es nicht aus Furcht vor Ihm, würde ich diesen Frauen mein Schwert in den Leib stoßen.“

Dann begann er von neuem: „Sag mir …“

„Was?“, fragte die Frau.

„Ich fühle mich nicht wohl wegen der Schlüssel. Sag mir, wo sie sind!“

„O du läufige Hündin! Juckt es dich wieder zwischen den Schenkeln, brauchst du wieder einen Mann? Kannst du es nicht eine einzige Nacht ohne Mann aushalten? Nimm dir ein Beispiel an der Frau des Sohns des Wesirs, die allen Verführungskünsten des Negers widerstanden und sich ihn sechs Monate vom Leib gehalten hat. Damit du es weißt: Ich schäme mich für dich! Der Neger hat die Schlüssel. Er trägt sie immer bei sich, in einer der Taschen seiner Kleider. Frag ihn nicht danach. Sag nicht zu ihm: ‚Gib mir die Schlüssel‘, sondern sag: ‚Gib mir dein Glied.‘ Und jetzt laß mich schlafen!“

Jetzt wußte der König alles, was er wissen wollte. Er wartete, bis die Frau eingeschlafen war, zog ihre Kleider an und verbarg darunter sein Schwert. Sein Gesicht versteckte er unter einem Schleier aus roter Seide. Er schlich sich aus dem Zimmer und kehrte zu seinem Beobachtungsposten auf der Terrasse zurück. Die Gesellschaft in dem Raum war nicht mehr vollzählig; nur noch wenige waren noch wach, die anderen an der Tafel eingeschlafen.

Stumm verrichtete der König folgendes Gebet: „O meine Seele, laß mich dem rechten Weg folgen; und laß diese Leute blind vor Trunkenheit sein, sodaß sie den König nicht von einem seiner Untertanen zu unterscheiden wissen – o möge Gott mir Stärke verleihen!“

Dann betrat er den Raum und ging mit unsicheren Schritten, als sei er betrunken, zu einem der Neger hin. Dieser Neger war kein geringerer als Dorerame. Dorerame hielt den König für die Frau, deren Kleider er trug. Er hatte ein großes Verlangen nach dieser Frau, und als er sah, daß sie sich zu ihm setzte, glaubte er, daß sie nur wieder aufgestanden war, um bei ihm zu sein. Deshalb sagte er: „Zieh dich aus und leg dich schon hin. Ich werde gleich wieder da sein.“ Dann ging er hinaus.

Der König dachte bei sich: „Omar hat mir nichts als die Wahrheit über diesen Ort erzählt.“ Kaum aber hatte Dorerame den Raum verlassen, begann er, die Taschen der herumliegenden Kleider zu durchwühlen, fand jedoch in keiner den gesuchten Schlüssel. Die Zeit drängte. Bald würde Dorerame zurückkommen, und dann war jede Möglichkeit, diesen Ort wieder heil zu verlassen, zunichte. Der König murmelte ein Stoßgebet, den Beistand des Allmächtigen erflehend, und, als er seinen Kopf wieder hob, fiel sein Blick auf ein hohes Fenster, auf dessen Sims etwas lag, das wie ein Gewand aussah. Auf den Zehenspitzen stehend, reichte er hinauf und tastete den Sims ab, bis er das Gewand ergriff – ein goldbestickter Rock, in dessen Taschen er endlich die gesuchten Schlüssel fand. Er untersuchte den Schlüsselbund genauer und zählte sieben Schlüssel. In seiner Freude rief er aus: „Gott sei gepriesen und gerühmt!“ Und fügte hinzu: „Ich werde hier nur durch eine List wieder hinauskommen.“ Als dann Dorerame zurückkam, täuschte er Übelkeit vor. Er tat so, als müßte er sich jeden Augenblick übergeben, hielt sich die Hand vor den Mund und stürzte aus dem Raum. Dorerame lachte nur und rief ihm nach: „Gott segne dich wegen deiner guten Erziehung, meine Liebe. Wäre das einer der anderen Frauen passiert, hätte sie sich auf meinem Lager übergeben!“

 

Der König ging zu der innersten Tür des Hauses, öffnete sie, schlüpfte hindurch und verschloß sie gleich wieder hinter sich. Auf diese Weise gelangte er von einer Tür zur nächsten, bis er zur siebten und letzten kam, die auf die Straße hinaus führte. Dort hatten seine Begleiter schon sorgenvoll auf ihn gewartet. Jetzt, über seine Rückkehr erleichtert, bestürmten sie ihn mit Fragen und wollten alles wissen, was ihm zugestoßen war.

Der König aber wehrte ihre Fragen ab und sagte: „Es ist jetzt nicht die Zeit, Fragen zu beantworten und Geschichten zu erzählen. Bald wird es Tag; laßt uns also rasch in dieses Haus gehen und, mit dem Segen Gottes und seiner Hilfe, unser Werk vollenden.“

Er ermahnte sie noch, wachsam zu sein, und unterrichtete sie in kurzen Worten von der Anwesenheit der sieben Neger, der zwölf Mädchen und der sieben Frauen, jede schön wie der Mond.

„Was tragt Ihr für seltsame Kleider?“, wollte der Wesir vom König wissen.

„Sei still“, antwortete der König, „für jetzt nur soviel: Ohne diese Kleider wäre es mir nie gelungen, das Haus lebend zu verlassen.“

Dann drangen sie in das Haus ein. Als sie in den Innenhof gelangten, schlich sich der König zuerst in das Zimmer der beiden Frauen, bei denen er im Bett gelegen hatte, zog sich die Frauenkleider aus und seine eigenen wieder an. Dann führte er seine Gefährten zu dem Brokatvorhang und ließ sie durch den Spalt in den Raum spähen. Nachdem sie sich, einer nach dem anderen, alles genau angesehen hatten, sagten sie: „Unter all diesen Frauen gibt es keine schönere als jene, die auf dem erhöhten Kissen sitzt!“

„Ich beanspruche sie für mich, wenn sie noch keinem anderen gehört“, sagte der König.

In diesem Moment erhob sich Dorerame von seinem Lager und nach ihm eine der schönen Frauen. Ein anderer Neger stand auf und legte sich mit einer der Frauen hin. Das ging so fort bis zur siebten Frau. Jede der sieben Frauen schien sich mit großem Widerwillen in das Bett zu legen und verließ es wieder mit gesenktem Kopf.

Den Negern war das egal. Am meisten aber gelüstete es sie nach der schönen Frau auf dem erhöhten Kissen. Immer wieder wollten sie sie umarmen, sie aber wies sie zurück und stachelte ihre Begierde noch mehr an, indem sie sagte: „Niemals werde ich mich freiwillig einem von euch hingeben – und was diese Jungfrauen betrifft, so stehen sie unter meinem Schutz.“

Da stand Dorerame auf, nackt wie er war, ging zu ihr hin, sein erigiertes Glied in der Hand, und begann, sie damit ins Gesicht und auf den Kopf zu schlagen, wobei er sagte: „Schon sechsmal habe ich heute Nacht versucht, dich zu umarmen, damit du mein Verlangen stillst, aber du hast mich immer wieder zurückgewiesen – wisse: Heute noch, in dieser Nacht, wirst du mir gehören.“

Als die Frau die Entschlossenheit des betrunkenen Negers sah, versuchte sie, ihn zu beschwichtigen und bat ihn, sich neben sie zu setzen, indem sie ihm versprach, alle seine Wünsche zu erfüllen.

Dann sang sie mit gefühlvoller Stimme die folgenden Verse:

Bei der Liebe bereiten mir junge Männer das größte Vergnügen;

ich will nur einen jungen Mann,

voller Mut und jugendlicher Kraft –

ihn zu bekommen, gilt mein ganzer Ehrgeiz;

sein Zepter ist stark, bereit, Jungfrauen zu erobern,

wohlgestalt in seiner Größe;

ja, stark ist er, und hart,

stolz hebt er seinen Kopf,

und sein Verlangen ist so mächtig, daß er nicht schlafen kann.

Zwischen meinen Schenkeln nimmt er Wohnung

und weint so manche Träne über meinem Bauch,

er benötigt weder Hilfe noch Rat,

nie beugt ihm die Müdigkeit das Haupt;

nein, die Jugend verschmäht keine Gelegenheit zur Liebe.

Zuerst wird er meine Wangen küssen,

dann an meinen Lippen saugen

und mich zuletzt, in fester Umarmung, auf sein Lager werfen.

Mit Küssen erregt er meine Lust,

bis er mich in Hitze sieht,

dann kommt er schnell zu mir und öffnet mir die Schenkel.

Mit tausend Lippen küßt er meinen Bauch,

kraftvoll dringt er in mich ein,

ausdauernd und gleichmäßig erfüllt er seine Pflicht.

Zuerst erforscht er meine Tiefen, dann meine Seiten,

nun ist er ganz in mir, der Schaft bis an die Wurzel,

dann reibt er seinen Kopf in mir

und streichelt meinen Rücken, meine Seiten, meinen Bauch.

O, in seinen Armen bin ich wie ein Körper ohne Leben,

freudig trinke ich den Kelch der Lust,

und sagt er sanft: „Empfang meinen Samen“, antworte ich:

„Gib ihn mir, o Geliebter! Willkommen soll er sein!“

O, du! Mann aller Männer!

Du erfüllst mich mit ungekannter Lust.

Licht meiner Augen.

O, du! Seele meiner Seele, Geist von meinem Geist –

bleib noch ein wenig! Geh nicht! Bleib in mir ruhen,

bis du wieder zu Kräften kommst!

Erinnere dich an dein Versprechen,

durch das du für siebzig Nächte

mein Geliebter bist.

Würdig hast du heute deine Pflicht getan,

und wenn du gehst, wirst du in meinem Herzen weiterleben.

Als er diese Verse vernommen hatte, sagte der König voller Bewunderung: „Wie verführerisch und begehrenswert hat doch Gott diese Frau gemacht! Es besteht kein Zweifel: Diese Frau hat keinen Mann, und keiner von diesen Männern hier hat sie berührt, denn obwohl dieser Neger offensichtlich in sie verliebt ist, hat sie ihn abgewiesen.“

Omar ben Isad ergriff das Wort: „O König, was Ihr sagt, ist wahr! Ihr Ehemann ist nun seit fast einem Jahr fort, und viele Männer haben versucht, sie zu verführen, aber bisher hat sie jeden zurückgewiesen.“

„Wer ist ihr Ehemann?“

„Sie ist die Frau des Sohnes des Wesirs eures Vaters.“

„Ihr sprecht wahr. Ich habe schon davon sprechen gehört, daß der Sohn des Wesirs meines Vaters eine Frau von vollendeter Schönheit geheiratet hat, keusch und ohne Makel.“

„Das ist jene Frau“, antworteten seine Begleiter.

„Ich muß sie trotzdem haben“, sagte der König. Und an Omar gewandt fügte er hinzu: „Wer von diesen Frauen ist deine Geliebte?“ – „Ich kann sie nirgendwo sehen, o mein König!“

„Hab Geduld, ich werde sie dir zeigen. Und der dort ist also der Neger Dorerame? Ist er es?“, fragte der König.

„Ja“, antwortete der Wesir, „und er ist einer meiner Diener.“

„Genug!“, befahl der König. „Es ist jetzt nicht die Zeit für viele Worte.“

Während sie so miteinander sprachen, sagte Dorerame zu der Frau: „Ich bin deiner Lügen müde, o Beder el Bedour“ – Vollmond der vollen Monde, denn das war ihr Name. Dann schlug er ihr ins Gesicht und versuchte, sie mit sich fortzuziehen.

Das erfüllte das Herz des Königs mit Eifersucht und Zorn. „Schau, was dein Neger tut!“, sagte er zum Wesir. „Bei Gott! Ich werde es ihn mit dem Leben büßen lassen! Ich werde an ihm ein Exempel statuieren, als Warnung für alle, die versuchen, es ihm gleichzutun!“

In diesem Moment sagte die Frau zu Dorerame: „Was tust du? Du hast deinen Herrn, den Wesir, mit seiner Frau betrogen. Und nun willst du sie betrügen, obwohl sie dich mit soviel Wohlwollen behandelt und dir alle erdenklichen Annehmlichkeiten verschafft hat? Und obwohl sie dich ohne jeden Zweifel über alles liebt, versuchst du, eine andere Frau zu verführen!“4

„Hör zu, aber sprich kein Wort!“, ermahnte der König den Wesir.

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