Der Rancher Und Die Schwester Seines Besten Freundes

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Wieder huschte sein Blick zu ihren Lippen. Patty konnten seinen Atem schmecken. Er schluckte schwer, als müsste er sein Verlangen hinunterschlucken. Der Hunger wich nicht aus seinem Blick.

Grizz’ Daumen fuhr über ihre Unterlippe, als hätte der Finger seinen eigenen Willen. Als ob der Finger testen dürfte, was dem Mund verwehrt blieb. Auf ihrem unberührten Fleisch fühlte sich seine Fingerkuppe rau an.

Patty öffnete die Lippen, bereit, darum zu betteln, sie zu erobern. Sie wusste, der Deal würde besiegelt sein, sobald er sie nur küsste.

Grizz stieß die Luft aus. Das Ausatmen schien ihn so niederzudrücken, dass sein Gesicht ihrem näherkam. Er stand ganz dich vor ihr. Sein Oberkörper strich gegen ihre Brust. Patty hörte förmlich, wie ihr eigenes Herz in einen anderen Gang schaltete und sich mit dem des Mannes synchronisierte, für den sie bestimmt war, mit dem sie den Rest ihres Lebens verbringen würde.

»Patty?«

Beim Klang von Keatons Stimme aus dem anderen Zimmer sprangen sie unwillkürlich auseinander und wandten sich um. Patty hatte keine Ahnung, warum ihr Bruder die Vordertür und nicht den Hintereingang gewählt hatte.

»Mom hat von Mrs. Jenkins aus angerufen. Sie hat gesehen, was passiert ist und sagt, ich soll mich bei dir entschuldigen. Auch wenn du selbst dran schuld bist, dass du ausgerutscht bist.«

Ihre Mutter hatte ihre Augen überall. Natürlich hatte sie mitbekommen, was zwischen ihren Kindern vorgefallen war. Die Frage war, ob sie auch sehen konnte, was mit Patty und Grizz passieren würde.

Patty sollte es jedoch nicht mehr herausfinden, denn als sie sich wieder umdrehte, war Grizz ihr bereits entkommen. Er schlüpfte durch die Hintertür nach draußen. Das Letzte was sie hörte, war, wie die Tür leise ins Schloss fiel. Dann war Grizz fort.

Kapitel Drei

Gegenwart

»Du stehst hier und erlaubst es denen, dass sie das mit jemandem von deinen Verwandten machen?«

Grizzs Lippen verzogen sich vor Abscheu über die Worte, die in der späten Nachmittagsluft erklangen. Dabei waren die Worte nicht einmal an ihn gerichtet. Doch er spürte deren Wirkung. Grizz sah zu Angel Bautista hinüber. Der junge Mann war der unglückliche Empfänger der Anschuldigung.

Angel verzog angewidert das Gesicht und drehte seinem Onkel den Rücken zu. Er ballte seine Fäuste und ein knackendes Geräusch war zu hören. Hellbraune Schalen fielen zu Boden, als Angel Erdnüsse in den Mund stopfte.

Manuel Bautista kämpfte gegen seine Handschellen an als er seinen Neffen weiter anschrie. »Du bist eine Schande für deine Familie.«

»Nein, Onkel«, rief Angel über seine Schulter, ohne sich umzudrehen, um den Blick seines Onkels zu erwidern. »Die Schande bist du.«

Kurz vor der Morgendämmerung hatte Manuel, ein ehemaliger Rancharbeiter der Vance Ranch, beschlossen, dass seine Abfindung die neuen Kälber sein sollten, die zum Brandmarken separiert worden waren. Glücklicherweise hatten Grizz und seine Army Ranger Brüder ihn aufgehalten und den Dieb gefangengenommen, bevor er die Herde in das Niemandsland jenseits der Grenzen der Purple Heart Ranch und der benachbarten Vance Ranch hatte treiben können.

Angel, der seinem Arbeitgeber treu geblieben war, hatte dabei geholfen, seinen missratenen Onkel zu fassen. Jetzt wandte der junge Mann sich von seinem früheren Mentor ab und durchtrennte die letzte Verbindung.

»Was glaubst du, wohin du jetzt gehst, Angel?«

Beim Klang der Stimme des Deputy Sheriffs drehte sich der jüngere Bautista um. Es war nicht so, dass in Deputy Newmans Stimme echte Autorität steckte. Sie strotzte vor unangebrachter Selbstherrlichkeit.

»Du wirst noch für eine Befragung in dieser Untersuchung gebraucht, Junge.« Der Deputy verfrachtete seine erste Beute in den Streifenwagen und schlug die Tür zu. Er umrundete das Fahrzeug und hielt den Blick dabei die ganze Zeit auf seine neue Beute gerichtet.

Angel wich nicht zurück, als Newman auf ihn zukam. Er behauptete sich und hielt den dunkelhaarigen Kopf hoch erhoben. Doch hinter seinem Rücken konnte Grizz erkennen, wie der junge Mann seine Faust schloss und wieder öffnete, als suche er nach Rettung. Stattdessen knackte er nur weiter Erdnüsse und wurde dafür mit einer Handvoll Kerne belohnt.

Es war der Deputy, der zurückwich. Newmans Körper bog sich förmlich von Angel weg. Seine Miene verzerrte sich vor Entsetzen. »Ich bin allergisch dagegen.« Newman deutete auf die Schalen rund um Angels Stiefel.

»Das tut mir leid. Das wusste ich nicht.« Angels Stimme klang kein bisschen aufrichtig.

Grizz konnte das Grinsen über den jungen Mann nicht verbergen. Er wusste, was es hieß, wenn die Fehler von Verwandten auf einen selbst projiziert wurden, auch wenn man im Leben nichts falsch gemacht hatte. Das Gleiche passierte nun Angel.

»Wir haben Ihnen bereits gesagt, welche Rolle Angel in dieser Angelegenheit spielte«, mischte Grizz sich ein. »Er half uns, Mister Bautista aufzuspüren und das gestohlene Eigentum zurückzugewinnen.«

»Ja, aber es sind Leute wie er, auf die wir ein Auge haben müssen.« Der Deputy beugte sich näher, als wären Grizz und er miteinander im Bunde.

Grizz lehnte sich angewidert weg.

»Wie soll ich wissen, ob die beiden nicht von Anfang an gemeinsame Sache gemacht haben?«, höhnte Newman.

»Weil wir alle für ihn gebürgt haben.« Grizz deutete mit der Hand auf die anderen Soldaten, die Brenda halfen, die müden Kälber zurück auf ihre Weide zu führen.

Newman kniff die Lippen zusammen. Er blickte von Grizz zu Angel, zu den Schalen auf der Erde und dann wieder zu Angel. »Verlass die Stadt nicht.«

Mit diesen Worten drehte sich der Deputy auf der Hacke seines Stiefels um und umrundete sein Fahrzeug auf dem Weg zur Fahrerseite. Manuel Bautista starrte aus dem Seitenfenster, bis der Motor ansprang und der Wagen wegfuhr. Grizz drehte sich um, doch Angel war gegangen.

Als Grizz beobachtet hatte, wie Bautista abtransportiert worden war, hatte er einen Hauch von Mitgefühl für den alten Mann empfunden. Er wusste, was es hieß, nach höherem gesellschaftlichen Status zu streben, nach Dingen zu verlangen, die einem nicht zustanden. Doch im Gegensatz zu diesem alten Herrn würde Grizz sich niemals etwas nehmen, was ihm nicht gehörte.

Das war so ziemlich die Geschichte seines Lebens. Selbst der Beitritt zu den Elitekräften der Army Ranger hatte den Gestank seiner niederen Herkunft nicht von ihm abwaschen können. Doch dieser Gestank war nicht das Einzige aus seiner Vergangenheit, was an ihm haftete. Die Armut war wieder zurück.

Grizz hatte fast alles, was er in der Army verdient hatte, seiner Mutter nach Hause geschickt, damit sie die Schulden seines Vaters begleichen konnte. Nach zwanzig Jahren war seine Mutter endlich schuldenfrei und raus aus dem Schlamassel, in den Malcolm Hayes seine Familie begraben hatte. Doch nun hatte Grizz deswegen nicht mehr genug Geld übrig, um seinen fairen Anteil an dem Trainings Camp für zukünftige Army Ranger zu leisten, das er mit seinen Freunden aufbauen wollte.

Grizz wusste, dass Keaton ihm das Geld jederzeit vorstrecken würde. Sein bester Freund hatte ihm seit sie Kinder gewesen waren den Rücken freigehalten, doch Grizz hasste Almosen. Er hatte immer darauf bestanden, seinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Es war sein Traum, ein gleichwertiges Mitglied und ein Investor in diese Unternehmung zu sein. Aber wie viele andere Dinge, von denen er zuvor geträumt hatte, mochte auch dieser Traum außerhalb seiner Reichweite bleiben.

»Hey, Grizzlybär«, ertönte eine Frauenstimme hinter ihm, die er sofort wiedererkannte.

Grizz hatte gelernt, dem Feind nie den Rücken zuzuwenden. Doch auch wenn diese Frau kein Feind war, war sie für ihn die größte Gefahr.

Er wandte sich um. Eine junge Frau stand vor ihm, knapp fünfzig Kilo auf einen Meter sechzig verteilt. Strahlend blaue Augen voller Intelligenz und Schalk – eine tödliche Kombination. Flammend rote Haare, die einem lodernden Feuer Konkurrenz machen konnten. Eine Warnung, diese nicht anzufassen. Als ob er diese Warnung brauchte, um die Finger von der Schwester seines besten Freundes zu lassen.

»Was machst du hier, Patty Cakes?«, fragte er.

»Ich kam her, um meine neue Schwägerin und meine beiden Lieblingskerle zu besuchen.«

Er hatte sie seit drei Jahren nicht mehr gesehen. Das Haus der Keatons war nicht nur ein zweites Zuhause gewesen, es war das Zuhause seine Träume. Doch diese Tür hatte sich für ihn geschlossen, als er Patty am Abend ihres Schulabschlusses beinahe geküsst hatte.

Was für ein traumhafter Anblick sie gewesen war. Sie hatte alle seine Sehnsüchte heraufbeschworen. Hatte seine Selbstbeherrschung getestet. Er hatte beinahe nachgegeben, als er sie in der Küche in den Armen gehalten hatte. Dann war Keaton hereingekommen.

Wenn sein bester Freund ihn mit seiner kleinen Schwester im Arm gesehen hätte, bereit, das verschmitzte Lächeln, das ihn schon immer fasziniert hatte, von ihren Lippen zu küssen, hätte Keaton ihn nicht nur aus seinem Zuhause, sondern auch aus seinem Leben verbannt. Und Grizz hätte es verdient, allein schon dafür, dass er gedacht hatte, er könnte überhaupt irgendwelche Ansprüche auf Patty haben.

»Bekomme ich keine Umarmung?«

Eine Umarmung war gefährlich. Eine Umarmung bedeutete, dass er sie halten durfte. Sie war jetzt alles andere als schlaksig. Patty hatte nun noch mehr Kurven als das letzte Mal, als er sie gesehen hatte. Und diese Kurven steuerten direkt auf ihn zu.

Grizz trat einen Schritt zurück, doch es war zu spät. Sie hing an ihm. Sie schlang ihre Arme um seinen Hals, als wollte sie ihn niederringen. Er konnte nie Nein zu ihr sagen. Außer in der einen Nacht, in der sie ihn gebeten hatte, ihr ihren ersten Kuss zu schenken. Da hatte er Nein gesagt. Aber innerlich hatte Grizz gespürt, wie ein Knurren in seiner Kehle aufgestiegen war.

 

Meins, hatte das urtümliche Biest in ihm rufen wollen.

Sie gehört mir, wollte die Bestie heulen, jetzt, da die Frau, die perfekt zu ihm passte, in seinen Armen lag. Dort, wo sie hingehörte.

Grizz entwand sich Pattys Griff. In der Ferne sah er Keaton auf sie zusteuern. Grizz wusste, dass jemand wie er, jemand mit seiner Vergangenheit nicht der Richtige für ein Mädchen wie Patty war. Und angesichts der Ungewissheit über seine finanzielle Zukunft wusste er, dass er das nie sein würde.

»Patty Cakes? Bist du das?«

Patty wandte nur zögerlich den Blick von Grizz ab. Keaton öffnete die Arme, und sie eilte zu ihm. Er stellte ihr seine Frau Brenda vor, die er erst von ein paar Tagen geheiratet hatte. Grizz nutzte die Zeit, um Patty zu betrachten.

Er hatte mit sich selbst einen Deal abgeschlossen. Er durfte an sie denken, solange er sie nicht traf. Oh Mann, wie oft hatte er in den Jahren an sie gedacht. Daran, sie zu halten und zu küssen. Manchmal auch daran, ihr einfach nur in die Augen zu schauen. Patty hatte ihn immer wie einen Helden angesehen. Doch welcher Held stellte der kleinen Schwester des besten Freundes nach? Für Grizz war das der Gipfel des Verrats. Etwas, das Grizz’ Vater tun würde.

»Solltest du nicht in der Schule sein?«, fragte Keaton.

»Frühlingsferien«, entgegnete Patty munter.

Doch da war ein seltsamer Unterton in ihrer Stimme. Sie verschwieg etwas.

»Deine Ferien dauern eine Woche, oder?« Brenda klang aufgeregt. »Wirst du die ganze Woche bei uns verbringen?«

Grizz wollte protestieren. Eine ganze Woche Patty aus dem Weg gehen? Das würde er nicht überleben.

Pattys Blick fand seinen. Übermut strahlte ihm entgegen. »Falls es nicht zu viele Umstände macht.«

Und was für Umstände. Riesige Umstände. Eine Woche mit Patty Keaton würde mit nichts als Umständen verbunden sein.

Kapitel Vier

Patty hatte sich immer eine Schwester gewünscht. Brenda war ein wenig unerwartet. Sie fuhr einen Traktor, fing Bullen ein und ritt Pferde. Der Wildfang in Patty drängte sie, bequeme Jeans anzuziehen, aufzusatteln und die Haare hinter sich herfliegen zu lassen, wenn sie über die Weiden ritt und Hüja rief.

Patty holte tief Luft und ließ den Gedanken beim Ausatmen los. Sie war nicht länger ein Wildfang, sie war jetzt erwachsen. Eine gebildete, vornehme, erwachsenen Frau, die für einen ganz bestimmten Soldaten die perfekte Ehefrau abgäbe, wenn besagter Soldat in der Nähe bleiben und sie beachten würde.

Drei Jahre war es her, dass sie Grizz das letzte Mal gesehen hatte. Drei lange Jahre. In dieser Zeithatte sie hier und da einen Blick auf ihn erhascht, wenn sie mit Keaton Videotelefonate geführt hatte. Grizz hielt allerdings nie still vor der Kamera. Meist winkte er ihr nur kurz zu und entschuldigte sich dann gleich wieder, um nicht mehr mit ihr sprechen zu müssen.

Auch an den Feiertagen kam Grizz nicht nach Hause. Er blieb auf der Militärbasis, während Keaton nach Hause fuhr. Grizz achtete darauf, dass seine Besuche in die Zeit fielen, in der Patty bis zum Hals in Examen und Prüfungen steckte. Es schien, als würde er sie bewusst meiden.

»Das hier war mein preisgekrönter Stier«, sagte Brenda.

Pattys Aufmerksamkeit kehrte in die Gegenwart zurück. Ein großes Tier stolzierte zum Zaun, an dem sie standen. Der Stier war ein beeindruckendes Biest. Mit kräftigen Beinen und breitem Rücken. Seine Nüstern blähten sich, als er Patty musterte. Eine richtige Dame wäre bei dem Anblick des mächtigen Tieres davongelaufen.

Pattys Blick traf den des Bullen. Eine unglaubliche Sanftheit lag in den dunklen Augen. In der Weise, wie das Tier sich näherte, zeigte sich eine Art Erschöpfung, die sagte: ›Ich könnte dich verletzen, wenn ich wollte.‹ Patty wusste jedoch, dass der Stier nicht die Absicht hatte, ihr wehzutun. Sie streckte ihre Hand nach den Hörnern aus.

»Vorsicht«, mahnte Brenda.

Doch ihre neue Schwägerin kam damit zu spät. Der Stier hatte bereits den Kopf gesenkt und erlaubte Patty, ihn zu streicheln. Sein haariges Haupt war mit groben Locken bedeckt. Er stieß ein verhaltenes Schnauben aus, das in Pattys Ohren resigniert klang. Sie hatte mal gehört, dass müde Welpen dieses Geräusch machten.

»Großartig«, seufzte Brenda. »Er könnte auch gleich kastriert werden.«

»Was meinst du damit?« Patty kratzte den Kopf des Tieres.

»Dieser Bulle sollte mit den Mädels Party machen, wenn du verstehst, was ich meine«, entgegnete Brenda. »Aber er hat mit deinem Bruder gekämpft und ist nun total außer Gefecht gesetzt.«

»Für mich sieht er vollkommen in Ordnung aus.«

»Er sollte ein rasender Bulle sein, allzeit geschäftsbereit, und dir nicht erlauben, ihn zu tätscheln.«

»Nun, ich kann mit großen Biestern ganz gut umgehen.«

Pattys Blick wanderte über das Feld, wo ihr Bruder, Mac und Grizz Heuballen stapelten. Pattys Blick blieb am Spiel von Grizz’ Muskeln unter seinem feuchten T-Shirt hängen.

Brenda folgte Pattys Blick und grinste. »Das glaube ich dir sofort.«

Eigentlich stimmte es nicht.

Den Rest des Abends vermied es Grizz, mit Patty allein zu sein. Beim Abendessen setzte er sich so weit weg von ihr, wie er konnte. Er ging früh zu Bett, während alle anderen aufblieben und Brettspiele spielten. Am Morgen hatte er bereits vor Sonnenaufgang das Haus verlassen.

Grizz verbrachte den Morgen in der Scheune bei den Tieren. Um die Mittagszeit verschwand er dann mit den anderen Jungs zum Trainingscamp. Patty war zu diesem Zeitpunkt bereits vierundzwanzig Stunden auf der Ranch und hatte mit Grizz seit ihrer Ankunft kein weiteres Wort mehr gewechselt. Die Dinge liefen so gar nicht nach Plan.

Es war der alte Plan, ein einfacher Plan. Nur ein klein wenig verändert, da sie wusste, dass Grizz etwas für sie empfand. Bestätigt durch die Art und Weise, wie er sie auf Schritt und Tritt mied.

Pattys Plan bestand darin, Grizz dazu zu bringen, ihr seine Gefühle offen zu gestehen. Um das zu bewerkstelligen, musste sie ihn in eine Ecke treiben und das beenden, was sie vor drei Jahren auf der Abschlussfeier begonnen hatte. Sie wusste, dass, wenn sie Grizz dazu bringen konnte, ihr ihren ersten Kuss zu schenken, das den Deal über ihr zukünftiges Glück besiegeln würde.

Als Patty ihr Handy einschaltete, prüfte sie ihre E-Mails und sah eine Reihe an Nachrichten von Lehrern ihrer Schule. Ein Teil der E-Mails betraf fehlende Abgaben von Hausarbeiten. Andere fragten, wo sie während des Prüfungszeitraums war. Drei E-Mails stammten vom Dekan und betrafen ihre schlechter werdenden Noten.

Patty löschte alle. Sie waren nicht länger relevant. Genauso wenig wie das College. Patty hatte ihre Prioritäten bereits festgelegt. Deshalb war sie hier. Sie hatte die Jahre mit einem Abschluss vergeudet, für den sie keine Verwendung hatte. Nun war sie wieder auf dem richtigen Weg zu dem einzigen Zertifikat, das sie immer haben wollte, dem, das ihr eine MRS einbrachte.

Diese drei Buchstaben waren wieder in Reichweite. In dem Moment, in dem sie erfahren hatte, dass ihr Bruder und seine Freunde in den Ruhestand gingen, hatte sie begonnen, ihren Plan zu schmieden. Und kaum wusste sie, wo sie sich aufhielten, war sie in den Wagen gehüpft und quer durchs Land gefahren.

Jetzt war sie hier. Auf einer Ranch. In einer Küche. Und sie wusste nicht so recht, was sie als nächstes tun sollte.

»Du musst Patricia sein.«

Patty drehte sich um. Vor ihr stand ein hochgewachsener Mann auf der Türschwelle. Der Mann hatte das, was ihre Mutter ein vertrauenswürdiges Gesicht nannte. Seine Gesichtszüge waren entspannt, sein Lächeln selbstsicher. Er kannte seinen Platz im Leben. Doch da lag auch etwas Verschmitztes in der Art, wie er die grünen Augen hob.

»Und Sie sind?«, fragte Patty.

Das Grinsen wurde breiter. Er zwinkerte ihr mit einem Auge zu. »Ich bin dein neuer Schwager. Ich bin Brendas Bruder. Pastor Vance. Aber du kannst mich Walter nennen.«

Patty eigenes Grinsen fiel in sich zusammen, als sie seinen Titel hörte. »Warten Sie. Sie sind ein echter, lebendiger Priester?«

»Ich denke doch.« Walter zupfte weiterhin grinsend an seinem Kragen. »Ansonsten wäre die Hochzeit deines Bruders und meiner Schwester wohl Betrug.«

»Sie haben sie getraut?«

»Sicher hab ich das. Sie kamen ins Rathaus, mit der Heiratsurkunde in der einen und einem Ehevertrag in der anderen Hand.«

»Erstaunlicherweise klingt das sehr nach meinem Bruder.«

Ein Ehevertrag mochte sich nicht sehr romantisch anhören, doch Patty wusste, dass Keaton immer einen Plan bereithielt, der auch alle Eventualitäten für die Zukunft berücksichtigte.

»Die beiden haben geheiratet, um die Ranch zu retten und die Idee für das Trainingscamp voranzubringen«, erzählte Walter weiter.

Er war zum Kühlschrank gegangen und holte Gemüse heraus. Karotten, Broccoli und irgendwelche grüne Blätter, die Pattys Magen in Aufruhr versetzten.

»Aber ich glaube, die beiden mögen diese Geschichte nicht mehr länger und haben sie völlig umgeschrieben. Jetzt ist es Liebe auf den ersten Blick gewesen und nicht mehr, der Stier hatte Keatons Wagen auf die Hörner genommen.«

Walter lachte, als er begann, das Hasenfutter klein zu schneiden. Unglücklicherweise hatte er dazu kein Hasenfleisch als Beilage aus dem Kühlschrank genommen.

»Zu dumm für die beiden, dass ich die wahre Geschichte kenne. Andernfalls wäre es ihr Wort gegen meines, und sie könnten versuchen, das Zeugnisverweigerungsrecht für Ehegatten in Anspruch zu nehmen.«

»Zeugnisverweigerungsrecht für Ehegatten?«

»Du weißt schon, das Gesetz, das besagt, dass man Ehegatten nicht dazu zwingen kann, gegeneinander auszusagen.«

Walter warf die zerkleinerten Gartenabfälle in eine Pfanne und streute Gewürze darüber, doch nicht einmal die warmen Aromen der Kräuter konnten Patty dazu verleiten, das farbenfrohe Gericht zu essen. Als Walter beim nächsten Gang zum Kühlschrank ein Steak mitbrachte, das roter leuchtete als ihr Lippenstift, waren sie allerdings im Geschäft.

»Passiert öfter hier draußen, als du denkst«, sagte Walter.

»Was?« Pattys Augen hingen am Fleisch, das für ihren Geschmack einen Tick zu lange in der Pfanne brutzelte. »Zeugnisverweigerung?«

»Zweckehen. Paare tauchen auf, und bevor man sich versieht, sagen sie: ›Ich will.‹ Die Nachbarranch ist voll von Soldaten, die innerhalb von Monaten, einige sogar innerhalb von Tagen nach ihrer Ankunft verheiratet waren.«

»Wirklich?« entgegnete Patty und blickte aus dem Fenster auf einen Soldaten, der auf einem Pferd ritt. Grizz’ bärtiges Gesicht war haariger als das Tier, auf dem er ritt.

»Aber du musst dir keine Sorgen machen«, sagte Walter. »Dein Bruder sagte mir, dass du nur für eine Woche hier bist, bevor du zurück aufs College gehst.«

»Richtig.«

Patty konnte nicht anders, sie blickte wieder aus dem Fenster. Diesmal schaute sie allerdings in den Himmel und suchte nach Anzeichen für ein Gewitter. Hieß es nicht, dass einen der Blitz träfe, wenn man einen Priester anlog?

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