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Die größten Lügen der Elektro-Multis

Die Multis verkaufen uns nicht nur für dumm, sie verkaufen uns für dümmer als wir sind. Sie erzählen uns jeden Tag unglaubliche Lügen, die zumindest aus meiner Perspektive als Reparateur leicht zu durchschauen sind.

EINS. Die Preislüge

Das oberste Ziel der Elektro-Multis und der Elektroketten besteht darin, uns Konsumenten so viele elektrisch betriebene Geräte wie möglich zu verkaufen. Deshalb bieten sie möglichst billige Geräte an und bewerben sie in ihren Flugblättern und Inseraten als Schnäppchen.

Wenn wir diese Geräte kaufen, haben wir das Gefühl, einen guten Deal zu machen. Wir glauben, gute Qualität zu einem guten Preis zu bekommen. Wir fühlen uns als Sieger, weil wir denken, dass sich die Ketten beim Buhlen um uns gegenseitig die Preise ruinieren. Sie tun uns beinahe leid deswegen, und unsere Welt scheint in Ordnung zu sein, denn wir sind als Kunden Könige. Die Elektro-Multis und die Elektroketten beugen sich unserem Wunsch nach dem jeweils Neuesten zum billigsten Preis. Die österreichische Elektrokette Zgonc hat dieses subjektive Empfinden in einen Slogan gefasst. »Wenn er´s nur aushält der Zgonc«, lautet er.

Nur stimmt das so nicht, auch wenn es anfangs schwer zu glauben ist. Das alles ist genauso eine Illusion wie die Vorstellung, dass die Pfandflaschen verschwunden sind, weil wir Kunden es so wollten. Die Elektro-Multis haben diese Illusion mit falschen Behauptungen und zurückgehaltenen Informationen geschaffen, und wir sind darauf hereingefallen, ganz wie es ihre Absicht war.

Ich kann das deshalb mit so großer Sicherheit sagen, weil mein Verdacht von einst, dass die billigen Geräte nur ihren Herstellern und nicht uns Konsumenten dienen, sich in den vergangenen zwanzig Jahren meiner Auseinandersetzung mit dem Innenleben dieser Geräte jeden Tag bestätigt hat.

Billige Geräte haben aufgrund ihrer Bauart eine kürzere Lebensdauer. Für Haushaltsgroßgeräte wie Waschmaschinen, Geschirrspüler und Kühlschränke gilt die Faustregel: 100 Euro mehr bringen ein Jahr Lebenszeit, Geräte ab 700 Euro halten überhaupt länger. Es gibt auch unter den teuren Geräten welche, die früher, als es ihr Preis versprechen würde, kaputt sind, und andere, die trotz niedrigem Anschaffungspreis lange halten, aber im Großen und Ganzen stimmt diese Faustregel.

Damit reicht ein einfaches Rechenbeispiel, um die Preislüge zu erklären. Eine billige Waschmaschine müssen wir im Schnitt nach drei bis fünf Jahren austauschen. Dabei geben wir in zwanzig Jahren rund 2.000 Euro aus und belasten die Umwelt mit bis zu sechs neu produzierten und ebenso vielen entsorgten Geräten. Würden in den Verkaufsräumen in erster Linie Waschmaschinen ab 700 Euro stehen und die Handelsketten sie mit ihrer Langlebigkeit bewerben, sähe die Rechnung anders aus. Eine solche Waschmaschine liefert, wenn sie klug gewählt ist, gut und gern zwanzig Jahre lang saubere Wäsche. Wir würden uns in diesem Zeitraum in Summe rund 1.000 Euro sparen, und der Umwelt einen Transporter voll Altmetall, Gummidichtungen und Kabel für die entsorgten Geräte, ganz abgesehen von dem Ressourcenverbrauch für die neuen.

Einbußen hätten bloß die Hersteller und der Handel zu verzeichnen. Ihre Umsätze und ihre Gewinne, beides die Grundmaße ihrer Welt, würden empfindlich schrumpfen.

Der Zusammenhang »billiger Preis und kurze Lebensdauer«, den uns die Elektro-Multis gerne als eine Art ehernes Naturgesetz präsentieren, und den wir deshalb auch als unumstößlich zur Kenntnis genommen haben, existiert so eigentlich auch nicht. Auch ihn haben bloß die Elektro-Multis in unseren Köpfen verankert, um billige Geräte so bauen zu können, dass sie nach wenigen Jahren kaputtgehen und wir in den Elektromärkten neue kaufen müssen.

Wie lange genau ein Gerät zu welchem Preis halten darf, das ist Gegenstand von ausgeklügelten Marktstrategien der Elektro-Multis.

Die Elektro-Multis berechnen die Lebensdauer ihrer Produkte kühl und sorgen dafür, dass sie auch tatsächlich zum gewünschten Zeitpunkt den Geist aufgeben. Wofür es einen Fachbegriff gibt: geplante Obsoleszenz.

Eine Verschwörungstheorie?

Leider nein. Ich habe das seit einer Weile schwarz auf weiß, oder besser gesagt: schwarz auf gelb. Denn im Zuge eines großen Waschmaschinentests, den wir in unserem Reparatur- und Servicezentrum im Auftrag einer europäischen Konsumentenschutzorganisation durchführten, fragten meine Kollegen bei den Zentralen der Elektroindustrie Hintergrundinformationen ab. Dabei landete eine brisante Tabelle in meinem Email-Postfach.

In schwarzer Schrift auf gelbem Untergrund war dort in holländischer Sprache nachzulesen, wie der Elektrohandel mit der Lebensdauer der Haushaltsgroßgeräte kalkuliert. Die Branchenvertretung des Elektrohandels in den Niederlanden hatte die Liste für die Hersteller verfasst und sie »UNETO VNI Vorschrift 2015« genannt. Offenbar sollten die Hersteller eine Leitlinie dafür bekommen, wie sie das Geschäft für den Handel und damit sich selbst am besten am Laufen hielten. Dass auch ich als Außenstehender, noch dazu als kritischer, die Liste bekam, war dem Übereifer eines Mitarbeiters eines jener Hersteller geschuldet, der hinterher wohl einige Schelte dafür hinnehmen musste.

Am oberen Ende der Tabelle stand die billigste Waschmaschine, ein Gerät für gerade einmal 149 Euro. 149 Euro sind nur wenig mehr, als serbische Händler von gebrauchter Weißware am Flohmarkt von Belgrad für alte Waschmaschinen verlangen, die sie in Verlassenschaften in Wien für ein paar Euro kaufen und dann in ihren Lieferwagen die 600 Kilometer nach Südosten transportieren.

Dass es um diesen Preis eine nagelneue Waschmaschine beim Elektrohändler gibt, ist erstaunlich, hat allerdings nennenswerte Nachteile für ihre Käufer. Der Hersteller hat ihre Lebenszeit auf zwei Jahre begrenzt. So stand es auch in dieser Tabelle. Das heißt, in unserer Rechnung von oben kommt der Käufer einer solchen Waschmaschine in zwanzig Jahren auf 1.490 Euro, vom Stress des zehnmaligen Austauschens der Waschmaschine in dieser Zeit und den Ausgaben für den Waschsalon, die womöglich in der Übergangsphase von einem zum nächsten Modell anfallen, ganz abgesehen.

Serben, die eine alte Waschmaschine aus einer Wiener Verlassenschaft, zum Beispiel, um 100 Euro auf dem Flohmarkt in Belgrad kaufen, haben mit ihren Geräten höchstwahrscheinlich sogar mehr und vor allem länger Freude, denn Ablaufdaten für Weißware sind noch eine eher junge Errungenschaft unseres Wirtschaftssystems. Es folgt der seltsamen Logik eines manipulierten Marktgeschehens, dass alte Geräte inzwischen eine längere Lebenszeit vor sich haben können als fabrikneue. Doch dazu komme ich später noch.

Am unteren Ende jener Tabelle standen die teuersten Waschmaschinen für mehr als 700 Euro. Auch sie waren nicht für die Ewigkeit gebaut, sondern für ebenfalls überschaubare acht Jahre. Dann sind die Holländer also böse? Das wäre eine gewissermaßen unfaire Unterstellung. Denn die Holländer sind nur so böse wie alle anderen. Meine langjährigen Erfahrungen bestätigen, dass die Liste paradigmatisch für die gesamte Branche gilt.


Brisante Tabelle: Billigwaschmaschinen halten geplanterweise zwei Jahre, teure Kaffeevollautomaten vier Jahre.

Mit der Liste für die Waschmaschinen und andere Großgeräte schickte mir jener dankenswerterweise übereifrige Mitarbeiter übrigens auch gleich eine für Kaffeevollautomaten, also für Kaffeemaschinen, die nach der Espresso-Methode verschiedene Kaffeevarianten vollautomatisch produzieren können. Solche Geräte kosten, Stand Sommer 2016, so zwischen 350 und 2.200 Euro. Die Liste bot hier noch unerfreulichere Informationen. Selbst Kaffeevollautomaten für mehr als 500 Euro halten nur vier Jahre.

Wie kann es sein, dass die Hersteller so genau mit der Lebensdauer ihrer Geräte kalkulieren können? Wir sind zurück bei der geplanten Obsoleszenz.

Die Unart der Hersteller, Sollbruchstellen in die Geräte einzubauen, geistert schon seit Jahren durch unsere Köpfe.

Die Elektro-Multis tun so, als wäre allein schon der Begriff »geplante Obsoleszenz« ominös, und sie stellen solche Behauptungen gerne als Hirngespinste von Fortschrittsverweigerern dar. Sie leugnen und beschönigen, obwohl schon mehrere Experten ihre Machenschaften eindeutig aufgedeckt haben und sie bei uns im Reparatur- und Servicezentrum jeden Tag offensichtlich werden.

Eines meiner Lieblingsbeispiele für die geplante Obsoleszenz sind die sogenannten Elkos in den Flachbildfernsehern, derentwegen wohl schon Millionen Geräte verfrüht beim Elektroschrott gelandet sind. Elkos, die mit ihrem ganzen Namen Elektrolytkondensatoren heißen, sehen aus wie kleine Batterien. Sie halten die Stromspannung auf gleichmäßigem Niveau. Geht einer von ihnen kaputt, laufen flimmernde Streifen über den Bildschirm und immer wieder fallen Bild und Ton aus.

Wir haben zwischen 2013 und 2015 alle Reparaturfälle bei Flachbildfernsehern dokumentiert und dabei herausgefunden, dass besonders bei den in den Jahren 2010 und 2011 gekauften Geräten die Elkos technische Schwachstellen sind. Nach drei bis fünf Jahren platzt der erste, weil er zu schwach dimensioniert ist. Außerdem sind die hitzeempfindlichen Elkos in vielen LCD-Fernsehern gleich neben Wärmequellen wie den Transistoren verbaut.


Elkos haben als Sollbruchstelle vor allem in LCD-Fernsehern dazu geführt, dass Millionen solcher Geräte im Elektroschrott landeten.

 

Wenn die Elektro-Multis hier schulterzuckend von preiswerterer Qualität für preiswertere Geräte sprechen, ist das abermals nur blanke Verarsche. Denn der Kostenanteil eines Elkos an einem Fernseher ist lächerlich gering.

In einem Fernseher sind je nach Größe und Typ unterschiedlich viele Elkos von unterschiedlicher Stärke verbaut. In einem LCD-Fernseher mit 32 Zoll Durchmesser beispielsweise sind dreißig Elkos. Ein Elko kostet uns als Reparatur- und Servicezentrum im Einkauf je nach Größe 15 Cent bis 1,50 Euro. Wenn wir als kleiner Betrieb die Elkos kaufen, wohlgemerkt. Die Elektro-Multis kaufen die Elkos im großen Stil und zahlen nur einen Bruchteil unseres Preises. Das liegt daran, dass die meisten von ihnen ihre Geräte im gleichen Land bauen, in dem sie die Elkos kaufen – in China. Die 15 Cent bis 1,50 Euro, die wir in Europa zahlen, sind vor allem Transportkosten. Worauf ich hinaus will: Würden die Elektro-Multis etwas bessere Elkos einbauen, die ihre Fernseher langlebiger machen würden, würde das für sie keine echten Mehrkosten bedeuten. Wenn also ein zu schwacher Elko in einem Fernseher platzt, gibt es also nur einen plausiblen Grund dafür: Der Hersteller des Fernsehers wollte, dass er platzt.

Da gibt es noch die Sache mit dem Metall und dem Plastik. Jedem Schulkind, das schon einmal etwas gebastelt hat oder einfach über etwas praktischen Hausverstand verfügt, wird klar sein, dass nichts Gutes dabei herauskommt, wenn Teile aus ganz normalem Plastik in Teile aus Metall greifen, zumal dann, wenn sich die Teile bewegen und unter Druck stehen.

Dennoch bauen die Elektrokonzerne zum Beispiel in Handrührgeräte Plastikzahnrädchen ein, die in Metallschnecken greifen. Wenn sich dann die Knethaken nicht mehr bewegen, obwohl der Motor läuft, finden wir im Inneren des Gerätes, sofern es sich überhaupt öffnen lässt, zahnlose Plastikzahnrädchen und weißen Plastikmatsch.

Dass uns Kunden ein defektes Handrührgerät bringen, kommt allerdings kaum noch vor. Sie sind wegen so eines Problems nicht einmal richtig sauer. Sie legen einfach beim nächsten Einkauf in einem größeren Supermarkt ein neues Handrührgerät in ihren Einkaufswagen, und es kostet wahrscheinlich kaum mehr als das kaltgepresste Olivenöl, bei dessen Anschaffung sie auch nicht richtig nachdenken.


Dass eine Verbindung von Plastik und Metall fragwürdig ist, sollte jedes Kind begreifen, selbst ohne Werkunterricht in der Schule.

Derartige Sollbruchstellen entdecken wir in unserem Reparatur- und Servicezentrum ständig. Zum Beispiel bei Laptops, deren Grafikkarte in einer ganzen Baureihe nach exakt zwei Jahren kaputtgeht, bei Kaffeemaschinen, deren Brühgruppe die Hitze nicht aushält, weil sie aus ungeeignetem Kunststoff besteht, oder bei Druckern, die nach wenigen Jahren das Papier nicht mehr einziehen können, weil eines der dafür nötigen Zahnräder mit zu schwachem Klebstoff befestigt ist. Bei vielen Geräten zahlt es sich nicht einmal mehr aus, sie als Ersatzteilspender aufzubewahren, weil bei allen immer das gleiche Teil, die Sollbruchstelle, kaputt wird.

Ich könnte diese Liste eindeutiger Sollbruchstellen endlos fortsetzen. Dennoch erhielten die Elektro-Multis bei ihrer Strategie des Leugnens und Beschönigens auch schon einmal Unterstützung von einer Seite, von der ich das nie erwartet hätte. Das Öko-Institut Freiburg führte eine Studie zum Thema geplante Obsoleszenz durch.

Ich hatte erwartet, dass die deutschen Experten eine wissenschaftliche Grundlage für die Dinge liefern würden, die wir Praktiker jeden Tag eindeutig feststellen. Was dabei herauskam, war aber nur ein plastisches Bild davon, wie sehr und mit welchen subtilen Mitteln die Konzerne das öffentliche Bewusstsein in Sachen Preislüge und geplanter Obsoleszenz unterwandern, und wie wenig uns das bewusst ist.

Die an der Studie beteiligten Forscher der Universität Bonn und des Öko-Instituts Freiburg kamen zu einem in Anbetracht der Realität geradezu beschämenden Schluss. Es gäbe zwar Hinweise darauf, meinten sie, aber die geplante Obsoleszenz von Elektrogeräten, also der absichtliche Einbau von Sollbruchstellen, lasse sich nicht beweisen.

Die Studienautoren gingen sogar noch einen Schritt weiter und gaben den Herstellern ein gutes Argument für schlechte Qualität in die Hand. Schuld am Wegwerfwahn seien eigentlich wir Konsumenten, meinten sie. Dies, weil wir Geräte gewöhnlich früher als nötig ausmustern würden, also dann, wenn sie noch funktionieren, und zwar aus eigenem Antrieb. Wir kaufen einfach gerne ein und wollen immer das Neueste, vor allem bei Geräten wie Flachbildfernsehern, bei denen die Innovationssprünge rasch aufeinander folgen, hieß das.

Womit das deutsche Umweltbundesamt die Elektro-Multis jeglicher Verantwortung für ihr Tun enthoben. Schließlich können die sich mit dem Resümee der Studie fast schon als Retter des Planeten fühlen. Denn würden sie mehr in langlebige Bauteile investieren, hätte das demnach nicht zur Folge, dass wir unsere Geräte länger behalten, sondern nur, dass wir selbst teurere Geräte, in denen wertvollere Materialien verbaut wären, funktionstüchtig entsorgen würden.

Der Schluss, zu dem die Forscher der Universität Bonn und des Öko-Instituts Freiburg im Auftrag des deutschen Umweltbundesamtes kamen, ist natürlich grundfalsch. So falsch, dass sich der Verdacht aufdrängt, das Amt hätte sich zum Teil jener Phalanx gemacht, die das Heil unseres Wirtschaftssystems, damit das Heil der Menschheit und letztlich das des ganzen Planeten, im Konsum sieht.

Diese Phalanx stuft alle, die das hinterfragen, als subversiv bis neokommunistisch, und jedenfalls als bedrohlich ein. Sie ist stark, weil sie sich aus Werbemitteln der Industrie nährt, kaltschnäuzige Manipulation als Meinungsbildung betrachtet und damit unsere Einstellung zu Dingen gründlicher beeinflusst, als wir selbst ahnen können oder wahrhaben wollen.

So waren auch einige Geschehnisse rund um die Entstehung der Studie fragwürdig. Es gab Wissenschaftler, die bei ihrer Erstellung mitarbeiten sollten, aber aus Angst um ihren guten Namen lieber passten. Zudem hat dem Vernehmen nach eine Organisation, die ein ausdrückliches Interesse daran hatte, dass die Studie den Elektro-Multis nicht allzu weh tut, im großen Stil gratis, oder zumindest sehr günstig, Daten dafür zur Verfügung gestellt. Auch die Art der Fragestellung war zweifelhaft. Das habe ich selbst erlebt, als ich im Zuge der Recherchen dafür Fragen beantworten sollte.

Das deutsche Umweltbundesamt schickte mir zuerst einen 15-seitigen Fragenkatalog, um mir die Fragen hinterher doch lieber am Telefon zu stellen. Eine Mitarbeiterin las sie mir vor. Das ging dann zum Beispiel so: »Frage elf: Ist der Kunststofflaugenbottich in Waschmaschinen eine Sollbruchstelle?«

»Nein«, antwortete ich wahrheitsgemäß. »Kunststofflaugenbottiche werden, auch wenn die Laugenbottiche in Waschmaschinen bisher aus Edelstahl waren, nicht so leicht kaputt.«

Ich ahnte, dass ich damit schon mehr gesagt hatte, als sie hören wollte, und dass sie womöglich nur eine Callcenter-Mitarbeiterin war, deren Aufgabe einzig darin bestand, auf ihrem Bildschirm den Haken bei »ja« oder bei »nein« zu setzen. Dennoch ließ ich nichts unversucht, um auf das wahre Problem der geplanten Obsoleszenz bei billigen Waschmaschinen hinzuweisen. »Das wahre Problem besteht darin, dass die Kunststofflaugenbottiche viel zu schwache Stoßdämpfer haben«, sagte ich. »Bitte vermerken Sie das.«

Ich verzichtete darauf, ihr die Details zu schildern, obwohl die allein einen hinreichenden Beweis für die Existenz der ganz und gar nicht ominösen geplanten Obsoleszenz liefern: Die Elektro-Multis verbauen in ihren Billigwaschmaschinen so genannte Reibungsstoßdämpfer, deren Aufgabe darin besteht, die Unwucht des Laugenbottichs beim Schleudern abzufangen.

Bei dem Wort »Stoßdämpfer« drängt sich uns das Bild von einem schönen und stabilen Teil aus glänzendem Metall auf. Zumal dann, wenn es darum geht, die Unwucht einer schleudernden Waschmaschine und die dabei freiwerdenden beträchtlichen Kräfte abzufedern.

Doch die Wahrheit der Reibungsstoßdämpfer ist eine andere. Sie ist desillusionierend und bei Laien, denen ich solche Stoßdämpfer im Schauraum unseres Reparatur- und Servicezentrums gelegentlich vorführe, löst sie jenen Ärger und auch jene Bedrückung aus, die mit dem Gefühl, betrogen worden zu sein, einhergehen.

Reibungsstoßdämpfer bestehen aus Plastik, und ihr Kern ist nichts weiter als ein Stück eingefetteter Schaumstoff. Ja, genau: Der Schaumstoff an dem Plastikteil sieht genauso aus wie der Schaumstoff, der aus einem billigen Kissen quillt, wenn wir es aufmachen, und das Fett ist einfach nur Fett, das mit der Zeit vertrocknet.

Wenn das Fett vertrocknet ist, kann der Stoßdämpfer die Unwucht des Laugenbottichs nicht mehr abfangen. Die ganze Unwucht trifft nun auf das Lager, in dem er sich dreht, und das natürlich nicht dafür gebaut ist, solchen Kräften standzuhalten. Das Lager geht kaputt.


Dieses Plastikding soll dauerhaft die Unwucht einer Waschmaschinentrommel ausgleichen? Die Elektro-Multis nennen es »Reibungsstoßdämpfer«.

Über den Daumen würde ich sagen, dass das Lager einer Waschmaschine mit Reibungsstoßdämpfern verlässlich nach spätestens drei bis fünf Jahren kaputtgeht. Anders kann es gar nicht sein. Die Reparatur so einer billigen Waschmaschine zahlt sich dann kaum noch aus.

In der Studie des Umweltbundesamtes hieß es lapidar, dass Kunststofflaugenbottiche keine Sollbruchstellen von Waschmaschinen sind. Das war, wie gesagt, korrekt, doch die entscheidende Information fehlte. Denn über den fatalen Zusammenhang zwischen den Laugenbottichen, den Reibungsstoßdämpfern und den Lagern stand nichts drin.

Die Elektro-Multis hätten, wie bei besseren Elkos, unzählige Möglichkeiten, auch billige Produkte haltbarer zu machen. Doch im Schutz der Preislüge tun sie beharrlich genau das Gegenteil.

Aus der Studie des Umweltbundesamtes ist aber auch herauszulesen, dass sich in den vergangenen rund 15 Jahren der Anteil jener Waschmaschinen, die innerhalb von fünf Jahren wegen eines Defektes ersetzt werden, fast verdreifacht hat. Bei den Geschirrspülern dürfte die Entwicklung ähnlich sein.

Unser Fernsehtechniker Herbert arbeitet schon seit mehr als zehn Jahren bei uns und erzählt oft, dass in dieser Zeit die Reparaturen etwa von Fernsehern immer unwirtschaftlicher wurden. Die Fernseher wurden immer billiger und die Reparaturen immer teurer.

Etwa ab dem Jahr 2012 lösten die LED- die LCD-Fernseher ab. In den LED-Fernsehern sind viel weniger Elkos verbaut und die werden kaum noch kaputt. Doch die Elektro-Multis ließen sich die Umsatzvorteile, die sie bis dahin mit zu klein dimensionierten Elkos erzielt hatten, nicht entgehen. Von nun an betrieben sie mit den Platinen Absatzsteigerung. LED-Fernseher haben drei Platinen, auf denen sich alle elektronischen Elemente befinden, die den Fernseher am Laufen halten.


Unser Fernsehtechniker Herbert.


Platinen sind oft so gestaltet, dass sie sich nicht reparieren lassen, obwohl sich auf ihnen alle elektronischen Bauteile befinden.

Die Elemente sind auf die Platinen aufgelötet, aber nicht alle. Einige sind aufgepresst. Ist ein Element, das aufgepresst statt aufgelötet ist, defekt, haben wir ein Problem. Dann müssen wir die ganze Platine tauschen.

So eine Platine für einen LED-Fernseher kostet 150 bis 300 Euro. Dazu kommt etwa eine halbe Stunde Arbeitszeit, macht weitere 60 Euro. Eine solche Reparatur kommt also im besten Fall auf 210, im schlimmsten auf mehr als 360 Euro. Wenn nun aber nicht nur eine Platine, sondern gleich zwei oder alle drei auszutauschen sind, rechnet sich die Reparatur endgültig nicht mehr.

Als kleine Zusatzquälerei haben sich die Elektro-Multis eine neue Löttechnik ausgedacht, die sogenannte SMD-Technik. Sie stellt sicher, dass wir auch bei defekten, aufgelöteten Elementen gleich die ganze Platine tauschen müssen. Denn, um so zu löten, ist spezielles Lötwerkzeug erforderlich, das die wenigsten Werkstätten haben, weil es mehrere Tausend Euro kostet.

 

Dass billige Geräte schwerer reparierbar sind, ist ebenfalls Teil der Preislüge. Sie sind deshalb schwerer reparierbar, weil die Elektro-Multis absichtlich und in ihrem eigenen Interesse dafür sorgen.

Die Hersteller benützen auch für die unglückliche Bauweise ihr Killerargument: Sie müssen das so machen, um ihren Kunden günstige Preise bieten zu können. Sie tun es also angeblich wieder unter dem Druck des Marktes und letztlich im Sinne von uns allen. Nur deshalb können wir uns damit, zum Beispiel, einen Flachbildfernseher leisten, ohne auf die Städtereise im Herbst verzichten zu müssen. Dabei würde der Einbau einer reparierbaren Platine, auf der sich einzelne Teile austauschen lassen, den Gesamtpreis eines Fernsehers ebenfalls kaum erhöhen.

Besonders dramatisch ist die von den Elektro-Multis bewusst herbeigeführte Entwicklung zu Wegwerfgeräten bei Küchenutensilien wie Handrührgeräten, Kaffeemühlen, Saftpressen oder Rührmaschinen. Die unserer Eltern haben noch ein halbes Leben lang gehalten, unsere tauschen wir bald schon so regelmäßig wie früher Glühbirnen. Dafür liegt ihr Preis auch nur noch zwischen der besagten Flasche Bio-Olivenöl und einmal gut essen gehen. Für diese Produkte haben die Hersteller auch so ihre Tricks, um ihre Lebenszeit zu begrenzen und sie unreparierbar zu machen.

Ich habe daheim seit zwanzig Jahren eine Saftpresse, mit der ich schon kiloweise Orangen ausgepresst habe. Vor Kurzem drehte ich sie einmal um und bemerkte zum ersten Mal das Etikett auf der Unterseite. »KB5« stand darauf. Ich fragte ein bisschen herum, aber kein Mensch konnte mir sagen, was »KB5« bedeutet.

Die Bedienungsanleitung für diese Saftpresse hatte ich längst nicht mehr, aber in der für ein relativ neues Handrührgerät fand ich die Abkürzung ebenfalls, und diesmal sah ich nach. »KB« ist die Abkürzung für Kurzzeitbetrieb. Die Zahl dahinter besagt, wie viele Minuten ein Gerät durchgehend in Betrieb sein darf.

»KB5« bedeutet also: Beim Orangenpressen muss ich die Presse spätestens nach fünf Minuten für eine Weile abschalten, sonst laufe ich Gefahr, dass sie kaputtgeht und der Hersteller nicht einmal zu einer Gewährleistung verpflichtet ist, weil er es ja in der Gebrauchsinformation vermerkt hatte.

Wie gesagt, tat er das in Form eines Kürzels, das kein Mensch versteht, und zwar in einer Bedienungsanleitung, die niemand liest, weil ja ohnedies jeder weiß, wie eine Saftpresse oder ein Handrührgerät funktioniert. Den eigentlich notwendigen Sticker »Achtung: nach fünf Minuten Laufzeit kaputt« klebt natürlich kein Hersteller auf so ein Gerät.

Die Sache ließ mir keine Ruhe, bis ich einige Geräte hinsichtlich ihrer »KB«-Angaben testete. Ich fing mit ein paar spottbilligen Handrührgeräten an. Ich beschloss, einen Wiener Gugelhupf aus leichtem Germteig zu backen und setzte die Knethaken ein. Rührzeit, damit er richtig gut schmecken würde: rund dreißig Minuten.

Bei allen drei Handrührgeräten, die ich verwendete, stand »KB4« auf dem an der Unterseite aufgeklebten Etikett. Bei zwei Geräten konnte ich das einfach nachlesen, beim dritten war der Hinweis durch ein anderes Etikett des Herstellers überklebt. Bei einem Gerät waren die Angaben zudem nicht eindeutig. Auf dem Etikett stand »KB4« und in der Bedienungsanleitung »KB5«. Ich informierte mich dann sicherheitshalber auch noch, wie lange die Geräte nach ihrem Kurzein satz jeweils pausieren mussten. Dreißig Minuten, fand ich heraus, das stand ebenfalls in den Bedienungsanleitungen.

Nach den ersten vier Minuten war das erste Handrührgerät warm, aber intakt. Ich sah auf die Uhr und wartete die vorgeschriebenen dreißig Minuten. Ich bin nur Hobbykoch, weshalb es für mich eine neue Erkenntnis war, dass mein Germteig in diesen dreißig Minuten noch zäher wurde, als er vorher war. Ich rührte also weiter, und nach den zweiten vier Minuten roch mein Handrührgerät ein bisschen komisch.

Die Wartezeit wirkte meinem Vorhaben, den Teig schön weich und geschmeidig hinzubekommen, abermals entgegen. Während der nächsten vier Minuten gab das Gerät den Geist auf. Zuerst qualmte es, dann folgte ein lauter Knall und damit war Schluss. Insgesamt verbrauchte ich an diesem Kochnachmittag alle drei Billighandrührgeräte, ohne am Ende meinen Gugelhupf servieren zu können. Ich wusste, wie er aussehen hätte sollen. Ungefähr so:


Bloß wurde der Teig dank moderner »Technik« nie fertig. Statt Kaffee und Kuchen zu genießen, befasste ich mich mit den näheren Ursachen der Schäden. Ich zerlegte die Geräte, was einigermaßen schwierig und jedenfalls irreversibel war, weil ihr Gehäuse verklebt war. Ich hatte aber ohnedies nicht vor, sie wieder zusammenzubauen oder gar noch einmal zu verwenden.

Der Qualm war erwartungsgemäß aus dem Motor gekommen. Dieser wäre vielleicht zum Anrühren von Schlagobers geeignet gewesen, aber für einen Teig war er eindeutig zu schwach. Aber nicht einmal ersteres wäre jetzt noch möglich gewesen, auch wenn der Motor nicht durchgebrannt wäre. Denn die beiden Kunststoffzahnräder, die jeweils einen der Knethaken angetrieben hatten, waren vollkommen abgerieben. Ich konnte nur noch die Kunststoffbrösel herausklopfen.

Eine Metallschnecke hatte Zahnräder angetrieben. Ich habe das Problem einer solchen Kombination schon beschrieben: Durch die Kraft, die das Metallstück auf die kleinen Zähne aus schlechtem Kunststoff ausübt, trägt es sie nach und nach ab. Wenn der Motor wegen mangelnder Belüftung nicht ohnehin ausgefallen wäre, hätte die Metallschnecke nur noch leer durchgedreht.

Als ich den Fall unserem zuständigen Mitarbeiter zeigte, schüttelte er nur den Kopf. Er beanstandete nicht nur die Kombination von Kunststoff und Metall für diese Art von Antrieb, sondern auch das Fehlen einer guten alten Thermosicherung. So eine Sicherung würde ganz von selbst dafür sorgen, dass ein heiß laufender Motor rechtzeitig Pause macht.

Zumindest bei dem Problem mit dem Plastikzahnrad ist klar: Wenn die Elektro-Multis mit dem günstigeren Material für ein günstigeres Produkt argumentieren, ist das Teil der Preislüge. Ein brauchbareres Kunststoff- oder sogar ein Metallzahnrad würde das Gerät so minimal verteuern, dass es sich im Kaufpreis nicht ernsthaft niederschlagen würde.

Sie bauen diese Kunststoffzahnrädchen mit dem Ziel ein, Handrührgeräte wie Verbrauchsartikel verkaufen zu können. Mit billigen Handrührgeräten, die ein halbes Leben halten würden, und die sie leicht herstellen könnten, würden sie sich selbst aus dem Markt nehmen.

Die Studie des Umweltbundesamtes zu diesem Thema war mit der enormen Aufmerksamkeit, die sie bekam, ein Rückschlag für die Meinungsbildung, die wir Reparateure seit Jahrzehnten gegen den Wegwerfwahnsinn betreiben.

Interessant waren immerhin einige Details, die ich darin nachlesen konnte. So waren die befragten Konsumenten mit der Lebensdauer der Produkte im Durchschnitt zu 30 Prozent unzufrieden. Was wohl bedeutet, dass ungefähr ebenso viele Menschen schon einmal Erfahrungen mit einem verfrühten Lebensende eines ihrer Produkte gemacht hatten. So viel zum Thema, »wir werfen ohnedies alles weg, bevor es kaputt geht«.

Eine Aussage, die zudem arrogant gegenüber all jenen ist, die vielleicht mehrere Kinder haben, in der Spirale des abflauenden Wohlstands Einkommen verlieren oder aus anderen Gründen sparen müssen. Es gibt viele Menschen, und es wird immer mehr geben, die nicht aus Lust und Laune funktionierende Technik wegwerfen.

Dass das Umweltbundesamt mit seiner Einschätzung hinsichtlich der Wegwerfmentalität nur zum Teil Recht hat, zeigen auch die jährlich durchgeführten sogenannten Eurobarometer-Umfragen. Im Auftrag des europäischen Parlaments beantworten dabei Privatpersonen aus allen EU-Mitgliedsstaaten die immer gleichen Fragen aus den immer gleichen Themenkategorien. Etwa 86 Prozent der Befragten geben dabei jeweils an, dass ihnen langlebige Produkte wichtig wären.

Wäre Langlebigkeit eine Werbebotschaft, würde sie also funktionieren. Das bestätigt auch eine Studie, die 2016 im Auftrag des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses entstand. Demnach hätte die Ausweisung der Lebensdauer eines Produktes erheblichen Einfluss auf die Kaufentscheidung. Insbesondere die Hersteller von Druckern, Kaffeemaschinen, Waschmaschinen, Staubsaugern und Smartphones könnten mit Langlebigkeit punkten. Viele Konsumenten würden dafür einen höheren Preis in Kauf nehmen. 90 Prozent der Befragten würden im Schnitt um 102 Euro mehr für einen Geschirrspüler ausgeben, wenn sie wüssten, dass er dann zwei Jahre länger hält. Doch so funktioniert unser Wirtschaftssystem leider nicht.

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