Russian Mafia Prince

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Aus der Reihe: Russian Mafia #1
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Kapitel 3

Sarah

„Sarah, da bist du ja. Ich habe schon gedacht, dass du gar nicht mehr kommst“, ruft meine Tante, als ich durch das Gartentor meiner Eltern trete und mich dabei zu allen Seiten hin umsehe.

Bei ihren Worten werfe ich einen prüfenden Blick auf die Armbanduhr, da ich die Befürchtung habe, dass ich zu spät bin. Aber ich habe gesagt, dass ich um zwei Uhr da sein werde und jetzt ist es halb zwei. In meinen Augen bin ich überpünktlich, in den Augen meiner Eltern bin ich gerade noch so pünktlich. Doch bis jetzt habe ich sie noch nicht gesehen, also hat meine Mutter sich anscheinend noch nicht auf die Suche nach mir gemacht.

Mit großen Schritten kommt meine Tante auf mich zu. Dabei wehen ihre langen blonden Haare im Wind und ihr üppiger Busen hüpft ein wenig auf und ab.

Meine Tante Carole kann man als eine der wenigen Normalen in meiner Familie bezeichnen. Meine Cousins standen nie unter Leistungsdruck und man hat ihnen auch nie gesagt, wie sie sich verhalten sollen. In gewisser Weise kann man sagen, dass ich sie ein wenig beneidet habe und das auch heute noch mache. Obwohl nein, nicht nur in gewisser Weise. Ich beneide sie. Trotzdem ist etwas aus ihnen geworden. Der mittlere ist sogar ein erfolgreicher Anwalt.

Die Erziehung meiner Eltern hat mir zwar ein Leben in Sicherheit geschenkt, auch jetzt noch. Doch bei einer schlechten Note habe ich mir schon einmal gewünscht, dass meine Eltern nicht schimpfen oder laut werden. Das sie einfach mal ruhig bleiben. Und dazu muss ich sagen, dass eine zwei schon eine schlechte Note bei ihnen war. Meine Tante hat mich zwar oft zu sich und ihrem Mann geholt, aber das hat mir noch mehr gezeigt, was ich mir immer gewünscht habe.

Eine normale Familie!

„Hi“, begrüße ich sie und schließe sie dabei in meine Arme.

„Wie geht’s dir? Man sieht und hört ja überhaupt nichts mehr von dir. In den letzten Tagen habe ich ein paar Mal versucht dich anzurufen. Und weil du nicht erreichbar warst, bin ich davon ausgegangen, dass du dich im Urlaub befindest.“

„Urlaub hätte ich gerne“, seufze ich und fahre mir über den Nacken. Dabei bildet sich vor meinem inneren Auge ein Bild, wie ich am Strand liege und einen Cocktail schlürfe.

Ich muss zugeben, dass die Verlockung groß ist, einfach wegzufahren. Gerade kann ich mich aber nicht entbehrlich machen in der Firma, sodass es noch ein wenig warten muss.

„Soviel zu tun?“ Carole sieht mich mitfühlend an.

„So kann man auch nennen. Ich war in den letzten Tagen immer bis spät abends im Büro, um das Chaos auf meinem Schreibtisch in den Griff zu bekommen.“

„Hat es funktioniert?“

„Nicht wirklich.“

Ich verziehe das Gesicht und gebe ihr so zu verstehen, dass ich es mir eigentlich auch anders vorgestellt habe. Stattdessen kommt es mir so vor, als wäre es von Tag zu Tag nur noch schlimmer geworden.

„Du hast dir eindeutig den falschen Beruf ausgesucht“, stellt sie fest und schüttelt dabei den Kopf. Gleichzeitig erkenne ich das belustigte Funkeln in ihren Augen.

„Ich kann das machen, was ich gerne tue und ich verdiene gut. Mehr ist nicht wichtig für mich“, wende ich ein. Dabei behalte ich für mich, dass vor allem das Gehalt der Hauptgrund dafür ist, dass ich diesen Job mache. Dank ihm kann ich mir Dinge leisten, die ich mir sonst wahrscheinlich nicht leisten könnte.

Der Blick, mit dem sie mich nun bedenkt, zeigt mir aber, dass sie das ganz genau weiß. Deswegen bin ich nur froh darüber, dass sie nichts weiter dazu sagt.

„Ich habe viele Nichten, aber du bist mein Liebling. Deswegen möchte ich dich an meinen Weisheiten teil haben lassen. Irgendwann wirst du morgens aufwachen und merken, dass du auf dem falschen Weg bist. Dass die Dinge, die du noch am Vortag wichtig fandest, es eigentlich nicht sind, weil du dich auf die falschen Sachen konzentriert hast. Du wirst merken, dass es wichtigere Dinge gibt. Und das ist der Moment, in dem du einiges ändern wirst. Du wirst dir einen neuen Job und vielleicht sogar eine neue Wohnung suchen. Einen Mann, der dich auf Händen trägt, und du wirst weniger arbeiten und mehr Spaß haben und das Leben genießen.“ Nachdem sie geendet hat, zwinkert sie mir noch einmal zu.

Ich nehme mir die Zeit und denke über ihre Worte nach. Mein erster Reflex besteht darin, den Mund aufzumachen und zu widersprechen. Doch ich weiß nicht so genau, was ich eigentlich von mir geben soll. Deswegen lasse ich es sein.

„Du brauchst es mir nicht zu sagen. Ich weiß auch so, dass deine Eltern nicht sehr begeistert davon sein werden. Meine Mutter ist damals völlig ausgerastet, als ich angefangen habe, meinen eigenen Weg zu gehen. Du weißt ja, wie nachtragend sie sein kann. Deswegen muss ich dir wohl nicht sagen, dass sie bis heute deswegen sauer ist. Sie ist der Meinung, dass ich den falschen Weg gegangen bin und es auf ihre Weise besser gewesen wäre. Aber sie hatte ja deine Mom, die immer noch nach ihren Regeln spielt. Wir beide wurden so erzogen den Schein nach außen hin zu wahren, deswegen bin ich hier. Wäre es nach deiner Mutter gegangen, hätte sie mich nicht eingeladen. Nach all den Jahren sind beide Frauen immer noch wütend auf mich und sprechen nicht mehr als nötig mit mir.“

Carole lacht leise und gibt mir so zu verstehen, dass es ihr egal ist. Aber mich hätte es auch gewundert, wenn es nicht so wäre. Meine Tante hat noch nie sehr viel auf die Meinung von anderen gegeben.

Noch so ein Punkt, auf den ich ein wenig neidisch bin. Sie macht einfach ihr Ding. Das hat sie schon immer und ich bin mir sicher, dass das auch so bleiben wird.

„Ich bin mir sicher, dass du die richtigen Entscheidungen treffen wirst, egal worum es geht.“

Aufmunternd lächelt sie mich an, ehe sie sich umdreht und wieder verschwindet, um die nächsten Gäste zu begrüßen. Ich hingegen bleibe noch ein wenig stehen und schaue ihr nach. Dabei denke ich über ihre Worte nach und muss zugeben, dass sie recht hat. Doch ich bin noch nicht so weit, diesen Schritt zu gehen. Eigentlich weiß ich nicht einmal, ob ich das überhaupt jemals sein werde. Doch hier und jetzt ist nicht der richtige Ort, um darüber nachzudenken.

Gedankenverloren gehe ich weiter und bahne mir einen Weg durch die Menge. Jeder, der mich kennt, grüßt mich und will sich mit mir unterhalten. Ich wechsle allerdings nur ein paar nette Worte mit ihnen. Ehrlich gesagt habe ich keine Lust, immer wieder die gleichen Fragen zu beantworten.

Zielsicher gehe ich auf die Terrassentür zu, die sich ein paar Schritte von mir entfernt befindet. Doch als ich mich nur noch wenige Meter davon entfernt befinde, taucht meine Mom plötzlich in meinem Sichtfeld auf.

„Sarah, da bist du ja endlich.“

„Ja, ich habe schon alle begrüßt“, erwidere ich und zeige auf die Menge, die sich hinter mir befindet.

Meine Mutter betrachtet sie kurz, ehe sie mich ansieht. Ihr Blick sagt mir, dass ihr etwas auf dem Herzen liegt, sie aber nicht weiß, ob sie es hier ansprechen soll. Allerdings bin ich mir sicher, dass sie es trotzdem machen wird. Egal, was es ist.

Meine Mutter ist niemand, der sich zurückhält.

„Bist du alleine gekommen?“, fragt sie mich schließlich und schaut sich dabei um.

„Ja“, antworte ich vorsichtig, auch wenn ich mir bereits denken kann, was als Nächstes von ihr kommen wird.

„Nach unserer letzten Unterhaltung habe ich gedacht, dass du jemanden mitbringst.“ Ich höre an ihrer Stimme, dass sie enttäuscht darüber ist.

„Ich habe nie gesagt, dass ich einen Freund habe“, entgegne ich nur.

Vorher denke ich aber noch einmal über unser letztes Gespräch nach. Allerdings habe ich zu keinem Zeitpunkt nicht einmal einen Kommentar oder sonst etwas in diese Richtung fallen gelassen. Deswegen habe ich keine Ahnung, wie sie darauf kommt.

Sie sieht mich so an, als würde sie nicht wissen, was sie dazu sagen soll.

„Es wäre heute die perfekte Möglichkeit gewesen.“

Nach außen hin scheint meine Mutter vielleicht gefasst zu sein und sich so anzuhören, als wäre ihr das egal. Allerdings weiß ich, dass es in ihr ganz anders aussieht. Da meine Schwester mit ihrem Freund hier ist, ist sie davon ausgegangen, dass ich auch endlich einen Mann mit nach Hause bringe.

Ich sehe ihr an, dass sie eigentlich noch mehr zu diesem Thema sagen will. Schließlich hat sie in den letzten Wochen kein Geheimnis daraus gemacht, dass sie mich auch gerne in einer festen Beziehung sehen möchte. Doch nachdem sie einen Blick auf die Gäste geworfen hat, lässt sie das sein. Worüber ich froh bin, denn ich weiß nicht, ob ich ruhig bleiben könnte.

Meine Mutter hat das Talent, mich mit solchen Unterhaltungen auf die Palme zu bringen. Ich habe ihr nie ein Widerwort gegeben, egal was sie gemacht hat. In diesem Punkt mache ich das aber. Und das nur, weil ich weiß, dass es da einige Söhne von den Geschäftspartnern meines Vaters auf dieser Party gibt, mit denen sie mich gerne verkuppeln würde. Man kann auch sagen, dass sie es in gewisser Weise doch nicht so schade findet, dass ich noch Single bin. So hat sie wenigstens die Gelegenheit mir den Mann aufs Auge zu drücken, von dem sie sicher ist, dass es der richtige ist.

In den letzten Monaten hatte ich deswegen eine große Anzahl an Dates. Sie waren nett, das bestreite ich auch überhaupt nicht. Mehr aber auch nicht. Mit keinem von ihnen konnte ich mir den Rest meines Lebens vorstellen. Ich bin zwar nicht auf der aktiven Suche, doch wenn ich es wäre, dann wären sie eher gute Freunde, als potenzielle Partner.

Wenn es nach meiner Mutter geht, habe ich in diesem speziellen Fall aber kein Mitspracherecht. In gewisser Weise wäre es wahrscheinlich wirklich einfacher gewesen, wenn ich in männlicher Begleitung gekommen wäre. Doch ich habe keine Lust, ihr etwas vorzuspielen. Wenn ich schon mein Leben nach ihr ausrichte, dann will ich mir wenigstens meinen Partner selbst aussuchen.

 

„Hi, Schwesterherz“, ruft Robyn nun und taucht neben mir auf, noch bevor unsere Mutter sich hineinsteigern kann.

Dankbar darüber lächle ich sie an, auch wenn ich nicht weiß, ob sie etwas von unserer Unterhaltung mitbekommen hat. Meine Mutter hingegen macht den Eindruck, als würde sie noch etwas sagen wollen. Allerdings weiß sie, dass sie diesen Kampf gerade nicht gewinnen kann. Dennoch bin ich mir sicher, dass früher oder später noch etwas deswegen kommen wird.

Jetzt zieht sie es aber vor, mir noch einen kurzen Blick zuzuwerfen und dann zu verschwinden. Leise lasse ich die Luft entweichen, die ich während der Unterhaltung mit ihr unweigerlich angehalten habe.

„Ich kann dir gar nicht sagen, wie froh ich bin, dass ich Todd getroffen habe. Er ist ein wunderbarer Mann. Von Tag zu Tag wird unsere Beziehung intensiver. Er ist ein wahrer Gentleman und liest mir jeden Wunsch von den Augen ab. Seit einem halben Jahr sind wir nun zusammen und ich kann dir gar nicht sagen, wie glücklich ich bin. In der letzten Zeit kommt es mir aber so vor, als würde er etwas vor mir verheimlichen. Ich hoffe, dass er einen Antrag plant.“ Während sie spricht, strahlen ihre Augen und es hat sich ein breites Grinsen auf ihrem Gesicht gebildet.

Ich lasse meinen Blick kurz an ihr vorbeiwandern, kann Todd aber nirgends entdecken, deswegen konzentriere ich mich wieder auf sie.

„Und was ist mit dir?“, fragt sie mich.

„Was soll mit mir sein?“, erkundige ich mich, obwohl ich es mir bereits denken kann und ich mich eigentlich nicht darüber unterhalten will.

„Mom wartet nur darauf, dass sie zwei Hochzeiten planen kann. Ich bin mir sicher, dass sie das insgeheim schon getan hat. Und ich bin mir sicher, dass Dad nicht so glücklich darüber sein wird, wenn er die Rechnung dafür bekommt. Aber das wird er schon überleben. Schließlich hat er nur zwei Töchter.“ Noch immer grinst sie frech.

Ich hingegen verdrehe nur genervt die Augen. Ich bin noch nicht so weit, um mich mit diesen Themen auseinander zu setzen. Und das vor allem deswegen, weil ich noch keinen Mann gefunden habe, mit dem ich mir den Rest meines Lebens vorstellen kann.

Nicht zum ersten Mal in den letzten Stunden schieben sich die durchdringenden Augen des Mannes in meine Gedanken, den ich gestern gesehen habe. Ich habe mich nicht mit ihm unterhalten, ihn wirklich nur für wenige Sekunden gesehen, und dennoch kam es mir so vor, als könnte er meine Gedanken lesen, meine Wünsche erkennen, obwohl ich sie selber nicht einmal kenne.

„Sollte ich dafür nicht erstmal einen Freund haben?“, hake ich nach, um mich von ihm abzulenken. Auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob ich die Antwort darauf wirklich wissen will, so ist es gerade doch besser, als mich mit ihm auseinanderzusetzen. Zumal ich mir sicher bin, dass ich ihn nie wiedersehen werde.

„Ich gebe dir jetzt einen gut gemeinten Rat, weil du meine kleine Schwester bist und ich dich nicht einfach ins offene Messer laufen lassen will. Ich will, dass du glücklich bist. Du weißt, dass es in unserer Familie Standarts gibt, an die man sich zu halten hat. Ich weiß, dass es einige gibt, die das nicht machen, allen voran unsere Tante, aber du weißt auch, dass sie bei jeder Gelegenheit gemieden wird. Aus welchem Grund auch immer, schließlich scheint sie ja Erfolg zu haben. Dazu gehört aber auch, dass man einen erfolgreichen Mann heiratet, selber eine gute Ausbildung hat und man auch immer mal zurücksteckt. Aber vor allem gibt es eine Grenze zum Heiraten. Ich habe sie bald erreicht. Allerdings hatte ich das Glück, dass ich einen wundervollen Mann gefunden habe, den Mom und Dad als meinen zukünftigen Ehemann akzeptieren. Hätte ich ihn nicht, dürfte ich spätestens mit dreißig eine nicht so tolle Unterhaltung mit den beiden führen. Ich weiß, dass du dich weigerst, dir unter diesen Voraussetzungen einen Partner zu suchen, aber du willst nicht mit ihnen darüber sprechen, dass kannst du mir glauben. Also kann ich dir nur raten, vorher einen Mann zu finden, der dich glücklich macht. Sonst wird es wahrscheinlich darauf hinauslaufen, dass du unzählige Dates mit irgendwelchen Söhnen von irgendwelchen Geschäftspartnern haben wirst. Und zwar mehr, als du eh schon hattest.“

Mehr als ein Nicken bekomme ich nicht zustande, als ich über ihre Ansprache nachdenke. Ich weiß, dass sie es nur gut meint, auch wenn ihre Worte mir vor Augen halten, was ich eigentlich schon längst weiß. Sie sorgen aber auch dafür, dass ich wieder an die Unterhaltung mit meiner Tante denken muss, die mir erst vor wenigen Minuten mehr oder weniger das Gegenteil gesagt hat.

„Wir sehen uns nachher noch.“ Mit diesen Worten lächelt sie mich aufmunternd an und gesellt sich wieder zu einer anderen Gruppe, wo ich auch ihren Freund entdecken kann.

Ich hingegen greife nach einem vollen Champagner-Glas und leere es in einem Zug. Mein Gefühl sagt mir, dass ich den Alkohol brauchen werde, damit ich heute nicht die Nerven verliere.

Kapitel 4

Anatoli

Ich bin völlig außer Atem und nass geschwitzt. Dennoch schlage ich ununterbrochen weiter auf den Boxsack ein. Und ich habe auch nicht vor, aufzuhören. Zumindest nicht in den nächsten Minuten.

Meine ganze überschüssige Energie lasse ich an ihm aus. Und davon habe ich eine Menge. Woher sie genau kommt weiß ich nicht. Doch ich schiebe es einfach mal darauf, dass ich mich schon lange nicht mehr geprügelt habe.

Nachdem ich jetzt festgestellt habe, dass mein Eingreifen hier wirklich wichtig ist und mein Vater mich nicht einfach aus einer Laune heraus in die Staaten geschickt hat, bin ich nicht mehr ganz so sauer auf ihn. Dennoch bin ich der Meinung, dass er mir wenigstens ein paar Tage eher etwas hätte sagen können.

„Bist du immer noch hier? Ich dachte, du hättest schon vor zwei Stunden aufgehört.“ Viktor sieht mich beinahe ein wenig belustigt an.

„Sieht man doch. Oder bist du blind?“, erwidere ich, ohne dabei mit meinen Bewegungen aufzuhören.

„Wärst du am Wochenende einfach mitgekommen, so wie ich es dir gesagt habe, würde es dir jetzt nicht so gehen“, stellt er mit einer selbstgefälligen Stimme fest.

Zu gerne würde ich ein paar Dinge darauf erwidern, von denen ich weiß, dass sie ihm nicht gefallen werden. Doch das mache ich nicht. Ich habe keine Lust, mich weiterhin damit zu beschäftigen. Vor allem deswegen, weil er es ganz genau weiß. Aus diesem Grund ziehe ich es vor, weiter auf den Boxsack einzuschlagen.

„Okay, du willst dich also nicht darüber unterhalten. Auch gut, ich muss das nicht unbedingt ausdiskutieren. Du weißt, dass ich eher meine Fäuste für mich sprechen lasse, als Worte. Dann unterhalten wir uns halt lieber übers Geschäft. Ich habe den Termin bezüglich der Homepage für heute Nachmittag gemacht.“

Kaum sind seine Worte durch den dichten Nebel gedrungen, der mich immer beim Training umgibt, halte ich schließlich doch inne. Langsam, fast schon in Zeitlupe, drehe ich mich in seine Richtung und schaue ihn abwartend an. Doch er macht keine Anstalten noch etwas zu sagen. Dennoch kann ich das Funkeln in seinen Augen erkennen. Er macht sich einen Spaß daraus und das gefällt mir überhaupt nicht.

„Und?“, knurre ich wütend. Ich war noch nie der Typ Mensch, der gerne rätselt. Und das weiß Viktor auch. Dennoch sieht er mich auf eine Art und Weise an, die mir überhaupt nicht gefällt.

„Du musst hingehen“, erklärt er mir in der nächsten Sekunde, als ich schon die Befürchtung habe, dass er überhaupt nicht mehr zum Punkt kommt.

„Sehe ich so aus, als würde ich seit neustem zu irgendwelchen Geschäftsterminen gehen, bei denen es um so etwas geht?“, stoße ich zwischen den Zähnen hervor. Dabei richte ich mich zu meiner vollen Größe auf, auch wenn ich weiß, dass ich Viktor so keine Angst machen kann.

„Nein, aber du hast es auch nie für möglich gehalten, dass dein Vater dich nach Los Angeles schickt. Und dennoch bist du nun hier.“

Aus einem Reflex heraus schlage ich wieder auf den Boxsack ein.

„Die sollen einfach nur eine vernünftige Webseite und ein neues Logo machen. Das kann doch nicht so schwer sein. Dann wird dieser Laden mit Sicherheit auch wieder Gewinn machen. Jeder Club, in dem es nackte Frauen gibt, macht Gewinn, wenn die Homepage vernünftig geführt wird und er in einem vorzeigbaren Zustand ist. Das wäre der erste, bei dem das nicht der Fall ist.“

„Da bin ich ganz deiner Meinung. Wenn sogar Iwan das mit seinem komischen Hinterhof-Club schafft, wird das in einer Stadt wie Los Angeles doch wohl machbar sein.“

„Dann sind wir ja einer Meinung. Ich muss mich um eindeutig wichtigere Dinge kümmern. Unter anderem muss ich nachher den Mexikanern gehörig auf die Füße treten. Es hat ewig gedauert, das Hauptquartier von ihnen ausfindig zu machen. Doch nun habe ich sie.“

Meine Stimme und meine angespannten Muskeln lassen nicht den kleinsten Zweifel daran, dass es nicht mein Job ist, zu so einem Treffen zu gehen. Zur Not kann ich auch einen der anderen schicken. Irgendjemand wird sich da schon finden.

„Ich bin dein Bodyguard. Deine rechte Hand sozusagen. Mein Job ist es nicht, so einen Termin zu vereinbaren. Und trotzdem habe ich das getan. Wenn du jemanden brauchst, der sich um solche Sachen kümmert, wirst du eine Sekretärin einstellen müssen. Sie kann ja in einem kurzen Rock vor deinen Augen herumtänzeln und dabei deine Termine machen. Dann hast du auch etwas für die Augen. Außerdem können wir davon ausgehen, dass die Mexikaner eh erst heute Abend in ihrem Club sind. Wahrscheinlich vögeln sie sich gerade durch sämtliche Betten ihrer Gespielinnen. Du hast also noch nichts vor.“

Noch während er spricht, bildet sich ein dreckiges Grinsen auf seinem Gesicht. Jedem anderen würde ich dafür eine verpassen, weil er meint, mich zu etwas zwingen zu können. Von dem Ton, in dem er mit mir gesprochen hat, mal abgesehen. Bei ihm mache ich das jedoch nicht. Das heißt nicht, dass ich es ihm durchgehen lasse. Doch ich muss zugeben, dass es schon irgendwie gut ist, dass es wenigstens einen gibt, der mir seine Meinung sagt.

Und jeder weiß, dass er da eine Ausnahme ist. Deswegen traut es sich auch sonst keiner.

„Okay“, grummle ich vor mir hin. „Aber fürs Protokoll, dafür schuldest du mir etwas.“

Ich gebe mich zwar damit einverstanden, da ich hoffe, dass es nicht so lange dauert und ich danach direkt zu den Mexikanern fahren kann. Doch ich lasse keinen Zweifel daran, dass ich überhaupt Lust dazu habe, mich in so ein Meeting zu setzen. Eigentlich macht das immer meine Mutter. Ich bin eher der Mann für die grobe Arbeit.

„Ich verspreche dir, dass du es nicht bereuen wirst“, ruft er aus und klatscht dabei in die Hände. In dieser Sekunde wird mir klar, dass er mir nicht alles gesagt hat. Er verheimlicht mir etwas Wichtiges und das gefällt mir überhaupt nicht.

Bevor ich ihn allerdings danach fragen kann, hat er sich umgedreht und ist wieder verschwunden. Seufzend fahre ich mir über den Nacken und schaue ihm nach, während ich überlege, ob ich dafür sorgen soll, dass er wieder zurückkommt.

Ich habe meinen Freund schon einige Male so gesehen. Deswegen kann ich mit großer Gewissheit sagen, dass er etwas ausheckt. Ja, in diesem Punkt ist er eindeutig ein kleines Kind geblieben.

Doch irgendeinen Grund muss es haben, dass ich dahin gehen soll, obwohl er weiß, dass ich das sonst nicht mache.

Auch als ich ein paar Stunden später in meinem Wagen sitze und Viktor zu diesem Termin fährt, habe ich noch immer schlechte Laune. Ich habe keine Ahnung, wieso er meint, dass ich unbedingt dahin muss. Doch ich möchte es zu gerne erfahren.

„Du hast die Wahl“, fahre ich ihn an, als ich aus dem Wagen steige.

Neugierig sieht er mich an, während er darauf wartet, dass ich weiterspreche.

„Entweder wischst du dir jetzt dein dämliches Grinsen aus dem Gesicht, oder ich helfe dir nach und lasse dich nachher mit den Mexikanern sprechen. Vielleicht können sie ja dafür sorgen, dass deine gute Laune verschwindet.“

„Die sind keine Herausforderung für mich. Mit denen werde ich fertig“, erwidert er unbeeindruckt. Dabei grinst er jedoch noch immer über das ganze Gesicht.

Ich beschließe, dass ich diese Unterhaltung auf später verschieben werde. Erstmal will ich jetzt dieses Meeting hinter mir haben, auch wenn ich nicht weiß, was ich hier soll.

 

Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, gehe ich an ihm vorbei und betrete das riesige Bürogebäude. Direkt vor mir befindet sich eine Tafel, auf der die einzelnen Firmen aufgelistet sind, die sich in diesem Gebäude befinden. Und ich muss sagen, dass es einige sind. Deswegen dauert es auch ein wenig, bis ich den richtigen Namen gefunden habe und den Aufzug betreten kann.

Nachdem wir ihn wieder verlassen haben, schaue ich mich um. Einige Schritte entfernt befindet sich eine Glastür, auf der in großen Schritten der Name der Agentur steht, die Viktor anscheinend beauftragt hat. Auch wenn es einleuchtet, dass ich als Chef einen Blick darauf werfen sollte, so finde ich noch immer, dass es eine schwachsinnige Idee und verschwendete Zeit ist. Und so ganz kann ich auch noch immer nicht glauben, dass ich mich wirklich darauf eingelassen habe.

Um ihm zu zeigen, dass ich noch immer nicht den Sinn dahinter verstehe, werfe ich ihm einen bösen Blick zu, bevor ich hineingehe.

„Mr. Nesterow“, werde ich von einem Mann begrüßt, der mit großen Schritten auf mich zukommt. Auf seinem Gesicht befindet sich ein selbstgefälliges Lächeln. Ich weiß bereits jetzt, dass er mir auf die Nerven gehen wird. Doch ich bin freundlich genug, um mir das nicht anmerken zu lassen. Auch wenn ich sagen muss, dass es mir schwerfällt.

„Danke, dass Sie so kurzfristig einen Termin für mich hatten. Aber das hätten Sie nicht machen müssen. Ich will einfach nur, dass die Seite des Clubs auf Vordermann gebracht wird. Genaue Vorstellungen habe ich da nicht“, erkläre ich ihm.

So mache ich aber auch klar, dass ich eigentlich überhaupt keine Ahnung habe, wieso ich hier bin. Meine Muskeln sind angespannt und mit meinen Gedanken bin ich schon bei der überfälligen Unterhaltung mit den Mexikanern.

Einen Moment sieht er mich an. Ich gehe davon aus, dass er sich gerade überlegt, was er darauf erwidern soll.

„Kommen Sie erstmal. Ich bin mir sicher, dass wir eine gute Lösung finden werden.“ Kaum hat er ausgesprochen, dreht er sich herum und geht voraus in eines der vielen Zimmer.

Wie sich herausstellt, befinden wir uns in einem großen Konferenzraum. An dem Tisch, der sich in der Mitte befindet, haben mindestens fünfzehn Personen Platz. An den Wänden hängen Aufnahmen der Stadt und in der Mitte eine riesige Uhr.

„Setzen Sie sich“, fordert er mich auf und zeigt auf zwei der Stühle. „Ich gebe zu, dass es ein sehr ungewöhnlicher Auftrag ist. Aber wir nehmen jede neue Herausforderung gerne an“, spricht er weiter, nachdem er scheinbar ein paar Sekunden darüber nachgedacht hat, wie er es am besten ausdrücken soll.

Ich habe diese Wirkung auf so ziemlich jeden, der mir begegnet. Die einen lassen sich davon aber aus der Ruhe bringen und denken über ihre Worte nach, während andere meinen, mir zeigen zu müssen, dass sie besser sind als ich. Schon einige Male ist es vorgekommen, dass sie sich dabei um Kopf und Kragen geredet haben. Sie sprechen Drohungen aus oder machen Versprechungen, die sie nicht halten können. Und auf beides reagiere ich sehr allergisch.

Bis jetzt habe ich jedem zeigen können, dass man sich mit mir besser nicht anlegt. Und ich habe nicht vor, etwas daran zu ändern.

Ich sehe ihm an, dass er unsicher ist und noch etwas sagen will. Doch bevor er einen Ton von sich geben kann, höre ich das leise Geräusch von Pumps hinter mir und sehe seinen beinahe erleichterten Gesichtsausdruck.

„Sarah“, ruft er und winkt einer Person hektisch zu.

Neugierig drehe ich mich herum. Doch als ich die Frau entdecke, die hinter mir steht, kommt es mir so vor, als würde man sich einen Scherz erlauben. Beziehungsweise, als würde Viktor sich einen Scherz mit mir erlauben.

Wie ich feststellen muss, handelt es sich bei Sarah um die Frau, die mir bereits am Wochenende in der Bar aufgefallen ist. Und um die Frau, wegen der ich mir von Viktor den einen und anderen Kommentar anhören durfte.

Sie hat den Blick auf die Unterlagen in ihren Händen gerichtet, sodass sie mich noch nicht bemerkt hat. Doch mich stört es nicht. So gibt sie mir nämlich die Möglichkeit, sie ausgiebig betrachten zu können.

Ihre langen braunen Haare fallen ihr in leichten Wellen über die Schultern. Sie trägt eine Bluse, die sie in ihre Hose gesteckt hat. Die Bluse ist zwar weit geschnitten, dennoch kann ich erkennen, dass sie Rundungen an den richtigen Stellen hat. Vor allem ihr Hintern sticht mir ins Auge, als sie an mir vorbei auf die andere Seite des Tisches geht. Er ist nicht gerade das, was man als zierlich bezeichnen kann. Auf den ersten Blick kann ich erkennen, dass er perfekt in meine großen Hände passen würde.

Sie setzt sich mir direkt gegenüber auf den Stuhl, ohne sich umzusehen, sodass sie mich noch immer nicht gesehen hat. Herausfordernd schaue ich sie an, während ich darauf warte, dass sie endlich ihren Kopf hebt und in meine Augen sieht.

„Sie haben da ein wirklich …“, beginnt sie, spricht jedoch nicht weiter, als würde sie nicht wissen, was sie sagen soll. Ein wenig unsicher verzieht sie das Gesicht, während sie ein Blatt zur Seite legt und sich die nächste Seite ansieht. „… sehr interessantes Geschäft, Mr. Nesterow“, fährt sie schließlich fort.

Und du kannst dir gar nicht vorstellen, was ich dort am liebsten mit dir machen würde, schießt es mir durch den Kopf.

„Es ist schon lange in Familienbesitz“, antworte ich nur mit dunkler und gefährlicher Stimme. Noch immer hat sie mich nicht angesehen, sodass es noch mehr Spaß macht, mit ihr zu spielen.

Ich wende mich nicht von ihr ab. Aus dem Augenwinkel sehe ich aber, wie Viktor hinterhältig grinst. Und in diesem Moment wird mir klar, dass er wusste, dass sie hier arbeitet. Wundern tut es mich nicht. Wenn es darum geht, etwas in Erfahrung zu bringen, ist er der Beste. Doch gerade bin ich zu sehr auf sie konzentriert, um mich um ihn zu kümmern. Das heißt aber nicht, dass ich das nicht noch machen werde.

Langsam, viel zu langsam, hebt sie endlich ihren Kopf und sieht mich an. Ich kann dabei zusehen, wie sich ihre Augen weiten und ihr Mund sich ein Stück öffnet, als sie mich erkennt. Und ich weiß ganz genau, dass Letzteres der Fall ist. Das verrät mir der Ausdruck in ihren Augen.

Obwohl sie den wahrscheinlich für sich behalten will.

„Mein Vater hat mir die Entscheidung überlassen, ob ich den Laden schließe, was ich am liebsten gemacht hätte. Aber er befindet sich schon so lange im Besitz meiner Familie, dass er schon zu einem Teil der Familie geworden ist. Deswegen habe ich mich dazu entschlossen, ihm zu altem Glanz zu verhelfen. Auch, wenn das eine Menge Arbeit bedeutet.“

Sarah sieht mich an, als wäre sie sich nicht sicher, was ich ihr damit sagen will. Doch ich weiß es genau. Ich will sie verunsichern, indem ich weiter spreche. Ich spüre nämlich, dass ich sie noch weiter einnehmen kann. Ganz davon abgesehen genieße ich es zu sehr, sie so leicht aus ihrem inneren Gleichgewicht zu ziehen. Man kann auch behaupten, dass ich es genieße, mit ihr zu spielen.

„Ich heiße übrigens Anatoli, meine Freunde nennen mich Toli. Mr. Nesterow ist mein Vater“, fahre ich unbeeindruckt fort.

Aus dem Augenwinkel kann ich jedoch sehen, wie Viktor erneut grinst. Sein Verhalten erklärt zumindest, wieso er so darauf bestanden hat, dass ich den Termin wahrnehme.

„Ich habe gleich noch einen wichtigen Termin“, lasse ich nun den Geschäftsmann raushängen, der ich bin. Allerdings ein anderer, als sie wahrscheinlich denkt. „Sollten Sie mich fragen, wie ich sie mir vorstelle, kann ich Ihnen nur sagen, dass ich es nicht genau weiß. Entscheiden Sie es einfach.“