Die Hormonkur

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Die Zentren der Wachsamkeit: „Reptiliengehirn“ und limbisches System

Ein Hauptmerkmal weiblicher Hormone ist, dass einige mehr als andere dazu neigen, außer Kontrolle zu geraten. Zum Beispiel Cortisol: Ein chronisch hoher Cortisolspiegel verhält sich oft wie ein Zug ohne Lokführer. Das heißt, während Sie von einer Aufgabe zur nächsten hasten, steigt Ihr Cortisolspiegel immer weiter (besagter Zug nimmt mit der Zeit auch immer mehr Fahrt auf), und führt zu heftigem Verlangen nach Zucker oder Wein und zu Fettpölsterchen um den Bauch. Außerdem wiegt er Sie in dem trügerischen Gefühl, Energie zu haben oder neuen Schwung zu bekommen. Und ehe Sie sich versehen, sind Sie immer noch im Internet unterwegs, obwohl Sie doch in sechs Stunden aufstehen und zur Arbeit gehen müssen, aber Sie sind noch aufgedreht und können gar nicht schlafen.

Ist das der Fall, nimmt Cortisol keinerlei Rücksicht auf Ihre anderen Hormone. Es ist das Alpha-Hormon, und seine Langzeitbeziehung mit den Eierstöcken und der Schilddrüse interessiert es nicht im Geringsten. Also tritt die Schilddrüse auf den Plan und versucht, das Problem durch Drosselung ihrer Hormonproduktion zu regeln. Ein hoher Cortisolspiegel blockiert den Progesteronrezeptor, somit wird es für das Progesteron schwierig, seiner Aufgabe nachzukommen und Ruhe ins System zu bringen. Weniger Schilddrüsenhormone führen zu einer Verlangsamung des Stoffwechsels, Sie verbrennen also weniger Kalorien. Jetzt sind Sie müde und aufgedreht gleichzeitig und nehmen auch noch zu.

Leider wird Cortisol hauptsächlich von den ältesten und – so könnte man sagen – am wenigsten flexiblen Teilen Ihres Gehirns gesteuert. Sie werden auch als „Reptiliengehirn“ bezeichnet und sind entwicklungsgeschichtlich älter als das limbische System und die Hirnrinde (das „denkende“ Gehirn). Die Verbindungen zwischen diesen drei Hirnbereichen überlagern sich. Strukturell gehören Stammhirn und Kleinhirn zum Reptiliengehirn oder unteren Gehirn. (Ich verwende lieber den Begriff „unteres Gehirn“, denn er ist anschaulicher, und ich empfinde den Begriff „Reptilien“ irgendwie gruselig). Dieser angeborene, tief liegende Teil unseres Gehirns steuert instinktive Verhaltensweisen wie Aggression und Dominanz. Er entwickelte sich in grauer Vorzeit, früher als andere Hirnteile, als das Überleben davon abhing, dass man Raubtieren wie Löwen und Tigern entkam. Mit anderen Worten: Ihr Reptiliengehirn ist zuverlässig, aber starr, und manchmal ist das auch gut so. Wenn jemand Ihnen einen Stein an den Kopf werfen will, sorgt es dafür, dass Sie sich schnell genug wegducken.

Es beteiligt sich auch an vielen Aufgaben des limbischen Systems, dem Sitz der Emotionen, des Lernens und Erinnerns. Zu dessen Strukturen gehören die Amygdala (Mandelkern), der Hypothalamus und der Hippocampus sowie weitere. Die Amygdala entschlüsselt Emotionen, auch Bedrohungen, was die „Alarmanlagen“ des Körpers auslöst. Über das Kampf- und Fluchtverhalten hinaus ist das limbische System für das Sexualverhalten (insbesondere Ovulation und Libido) zuständig. Gemeinsam mit dem unteren Gehirn sorgt die Amygdala für Wachsamkeit. Mithilfe des limbischen Systems nimmt das untere Gehirn so wichtige Aufgaben wahr wie Atmung, Verdauung, Ausscheidung, Kreislauf (im Sinne von „mehr Blut in die Beinmuskeln, damit dieser Körper rennen kann!“) und Fortpflanzung.

Ihr denkendes Gehirn arbeitet für Kampf- und Fluchtreaktionen wie dem Ausweichen fliegender Objekte (zum Beispiel Steinen) viel zu langsam. Das Problem ist nur, dass oft das untere Gehirn und die Amygdala „das Ruder in die Hand nehmen“ – ständig suchen sie in Ihrer Umgebung, Ihren E-Mails und Ihrer Ehe nach potenziellen Bedrohungen und erfinden vielleicht sogar weitere Details dazu, wenn die Bedrohung ungenau oder unklar ist. Die Überwachungszentren „machen einfach ihr Ding“ nach dem Muster eines Jahrtausende alten Evolutionsprogramms, solange Sie Ihre Reaktion auf Stress nicht ganz bewusst ändern. Schieben Sie es auf das Cortisol, das unter Stress anflutet und uns keine andere Wahl lässt als zu reagieren, weil wir nicht mehr logisch denken können.

Entmachten Sie die Überwachungszentren

Um die Hormone ins Gleichgewicht zu bringen, müssen wir das überaktive untere Gehirn und das limbische System zur Ruhe bringen. Schließlich ist es wesentlich wahrscheinlicher, dass das Verhältnis der Hormone stimmt, wenn wir lernen können, Emotionen mit mehr Gelassenheit zu ertragen und nicht unentwegt das Gefühl haben, wir müssen irgendwelchen Bedrohungen ausweichen.

Die Aufgabe Ihrer Hormone ist es, für Sie zu arbeiten und nicht gegen Sie. Da die Natur der Harmonie im hormonellen Geschehen den Vorzug gibt, ist es einfacher ausgeglichen zu sein als im Zustand des Ungleichgewichts zu verharren. Doch ein Eindringling – das untere Gehirn – kommt dem Ganzen ständig in die Quere. Zum Glück gibt es Möglichkeiten zur Ruhe zu kommen: Meditation, Yoga, Sport, Spazierengehen in der Natur, eine Therapie und Sex. Jede Frau muss selbst herausfinden, was für sie am Besten ist. Yoga, Meditation, heiße Bäder und gezielte sportliche Betätigungen wie Pilates oder Power-Walking mit Freundinnen (forsches Gehen, nicht Rennen, denn das erhöht den Cortisolspiegel), helfen mir am meisten.

Zirkadiane Übereinstimmung

Natürlich soll auch Ihr Tag-Nacht-Rhythmus richtig funktionieren und auf den Hell-Dunkel-Rhythmus in der Natur ausgerichtet sein. Nahezu jedes Hormon wird als Reaktion auf die innere Uhr und den Schlaf-Wach-Rhythmus ausgeschüttet. Manche von uns sind Morgenmenschen, manche Nachteulen. Wenn wir nachts Schichtarbeit machen, werden die natürlichen Rhythmen gestört. Doch die Grundregel ist, jede Nacht, soweit es möglich ist, zur gleichen Zeit ins Bett zu gehen, zur gleichen Zeit aufzuwachen und sich bei Tageslicht draußen aufzuhalten. Das führt zu einer zirkadianen Kongruenz, einer Übereinstimmung mit dem Tagesrhythmus, die das Gleichgewicht Ihrer Hormone auf natürliche Weise optimiert.

Laborergebnisse versus andere Diagnose-möglichkeiten

Viele meiner Patientinnen möchten zuallererst ihre Hormonwerte von einem Labor überprüfen lassen oder zu Hause selbst bestimmen, und manchmal ist das auch hilfreich. Dennoch gibt es mehrere Gründe, warum ich hormonelle Probleme lieber anhand von Fragebögen feststelle, anstatt unverzüglich die Werte aus Blut, Urin oder Speichel zu bestimmen.

– Die meisten Hormone unterliegen tageszeitlichen Schwankungen, so wie eine Blüte, die sich tagsüber öffnet und nachts schließt.

– Aufgrund einer Hormonresistenz spiegelt sich Ihr Empfinden unter Umständen gar nicht im Hormonspiegel wider. Es korreliert mit dem jeweiligen Hormonspiegel innerhalb der Zellen, insbesondere im Zellkern, wo die Hormone mit der DNA (dem genetischen Code) in Wechselwirkung stehen. Die meisten Hormone haben Rezeptoren auf dem Zellkern, und wenn Ihre Hormonrezeptoren blockiert sind, ist es ziemlich egal, wie hoch der jeweilige Hormonspiegel außerhalb des Zellkerns oder außerhalb der Zelle (im Blut, Urin oder Speichel) ist. Eine Hormonresistenz ist für mehrere Hormone wie Insulin, Cortisol, Progesteron und Schilddrüsenhormone belegt.

Aus diesen beiden Gründen empfehle ich Ihnen, lieber mit den Fragebögen zu beginnen, die Sie zu dem Kapitel führen, in dem das entsprechende hormonelle Ungleichgewicht besprochen wird (anstatt die Hormonspiegel überprüfen zu lassen, und sich dann mehr auf die Zahlenwerte zu konzentrieren als darauf, wie Sie sich fühlen). Haben Sie die Ursache Ihrer Symptome ermittelt, fahren Sie mit Schritt 1 des Gottfried-Programms im entsprechenden Kapitel fort und regeln Sie Ihre Lebensweise neu, damit Ihre Hormone wieder in ein natürliches Gleichgewicht kommen.

KAPITEL 3
Die Perimenopause: persönlicher „Klimawandel“, erhöhte Wachsamkeit und kneifende Jeans

Die Perimenopause bezieht sich auf die Jahre des hormonellen Umbruchs vor Ihrer letzten Menstruation. Sie kann mit Mitte Dreißig oder ab Vierzig einsetzen. Sie ist jedoch ein körperlicher und seelischer Zustand und nicht der Zielpunkt einer chronologischen Abfolge. Die Perimenopause beginnt mit dem Absinken des Progesteronspiegels und endet mit dem Absinken des Östrogenspiegels. Für manche Frauen ist das eine Zeit, in der die Stimmung unberechenbar ist, das Gewicht steigt und die Energie schwindet – und sehr oft erleben sie diese drei Dinge gleichzeitig. Andere Frauen fühlen sich vielleicht von der hormonellen Zwangsjacke der fruchtbaren Jahre befreit und beginnen nun offen auszusprechen, was sie wirklich wollen und brauchen. Welchem Lager Sie sich anschließen, kann davon abhängen, wie Sie sich auf den Umgang mit diesen heiklen und zeitweise dramatischen hormonellen Veränderungen vorbereiten.

Unter dem Strich heißt das, die meisten Frauen und ganz sicher auch ihre Ärzte wissen nicht besonders gut Bescheid über die Perimenopause. Den meisten Frauen ist nicht klar, dass die Perimenopause viel steiniger und schwieriger ist als die Menopause, denn die Hormone schwanken von Monat zu Monat, manchmal nur leicht und manchmal heftig. Als ich Mitte Dreißig war, stellte ich mir die Menopause als eine entlegene Klippe vor, von der ich so um die Fünfzig herum, also in ferner Zukunft, stürzen würde. Von wegen. Ihr Körper bereitet sich jahrelang auf diese Klippe vor, und es macht sich für Sie bezahlt, wenn Sie den Sturm der perimenopausalen Hormonschwankungen richtig deuten können. Ich hatte bereits Anzeichen eines Ungleichgewichts – und meine häufigeren Menstruationen, das PMS, die sinkende Libido und die Zunahme des Taillenumfangs waren deutliche Anzeichen. Sie werden vielleicht feststellen, dass die alten Bewältigungsstrategien (gelegentlicher Sport, ein paar Yoga-Übungen pro Woche, Schokolade, abends meist ein Glas Wein), nicht mehr so gut zu wirken scheinen. Der Stoffwechsel wird weniger nachsichtig. Man fühlt sich vielleicht stärker genervt. Der Schlaf wird schlechter. Es kann fast täglich vorkommen, dass die Amygdala alles an sich reißt. Im Klartext: Reptilienhirn und Amygdala übernehmen die Kontrolle – und nicht man selbst als vernunftbegabtes Wesen –, und die Überreaktion kann zur „normalen“ Verhaltensweise werden. Manchmal hat man das Gefühl, der Ehemann oder Partner sei der Feind.

 

Die Perimenopause hat nicht eine einzelne, spezielle hormonelle Ursache. Sie ist vielmehr Ausdruck einer Abhängigkeit der Hormone untereinander. Mit anderen Worten, man erlebt keine steigenden neurotischen Tendenzen, sondern das Wechselspiel zwischen den wichtigsten Hormonen in einer Zeit, in der großes neuroendokrines Chaos herrscht. Diese Lebensphase muss kein Todesmarsch durch das mittlere Lebensalter sein; die Perimenopause ist einfach ein Zeitabschnitt, in dem die biologische See rau ist und nur eine kluge Kapitänin am Steuer des Schiffes optimal navigieren kann. Das heißt Sie, mithilfe dieses Buches, und, wenn nötig, einem Arzt Ihres Vertrauens „an Bord“.

Folgende Anzeichen könnten darauf hindeuten, dass Sie in der Perimenopause und nicht plötzlich verrückt geworden sind.

Haben oder hatten Sie in den letzten sechs Monaten …

– das Gefühl, dass Sie den Lebensmitteleinkauf, die Wäsche, das Geschirr und das Kochen viel weniger fröhlich erledigt haben, als, sagen wir, noch vor zehn Jahren?

– eine Vorliebe dafür, sich sozial zu isolieren und zugleich sehr wenig Wert auf Ihre Garderobe zu legen (Sie sind neuerdings introvertiert und tragen nur widerwillig etwas anderes als Ihre Yoga-Hose, wenn Sie außer Haus gehen müssen)?

– das Bedürfnis, die Knöpfe Ihrer Jeans zu öffnen, damit der Ring um Ihre Taille Platz hat, den Sie scheinbar ganz plötzlich über Nacht bekamen?

– eine emotionale Instabilität erlebt? Sind Sie zum ersten Mal in Ihrem Leben während der Arbeit in Tränen ausgebrochen, als Sie in einer wichtigen Sitzung waren und Ihr Kind Sie wegen eines pubertären Problems anrief?

– das Gefühl, dass Sport nichts bringt, weil er in Bezug auf Ihr Gewicht nichts auszurichten scheint?

– ein allgemeines Gefühl fix und fertig oder einsam zu sein? Ertappen Sie sich dabei, dass Sie auf die Uhr schauen und sich fragen, wann Sie sich, ohne gesellschaftlich anzuecken, von den normalen Aktivitäten zurückziehen und in den Abend verabschieden können?

– Probleme mit dem Schlafen (wahllose Überlegungen und Grübeleien wecken Sie mitten in der Nacht)?

– die Angewohnheit, so schweißgebadet aufzuwachen, dass Sie Ihre Nachtwäsche und das Laken wechseln mussten, und vielleicht Ihr Mann oder Partner auch?

– Krähenfüße und eine ständig zerfurchte Stirn?

– ein mangelndes Interesse an der persönlichen Pflege (es kümmert Sie nicht, wie attraktiv Sie aussehen)?

– eine weniger engagierte und eher zwiespältige Haltung als früher gegenüber Ihren Kindern?

– eine so wenig vorhersagbare Menstruation, dass Sie nicht wissen, ob eine Schmierblutung oder eine starke Periode oder irgendeine seltsame Kombination aus beidem auf Sie zukommt?

– plötzlich vergessen, was Sie wollten, wenn Sie in ein Zimmer gehen? (Sie wissen zwar, dass es einen bestimmten Grund gibt, müssen aber nach Hinweisen darauf suchen.)

– ständigen Zweifel an Ihrem Instinkt und Erkenntnissen?

– Ihrer Familie häufiger angekündigt, dass Mama „jetzt ein Nickerchen macht“ oder „eine Pause braucht“?

– lieber ein Stück Schokolade oder ein Glas Wein genossen anstatt Sex (der, offen gesagt, ganz unten auf Ihrer Liste steht)?

– den Gedanken, dass eine kleine Psychopille immer verlockender wird?

– die Meinung, dass es viel zu aufwendig klingt, Ihre Stimmungsprobleme durch Meiden von Zucker, Alkohol und Mehl, die Einnahme verschiedener Nahrungsergänzungen und die Einstellung des Hormonspiegels in Angriff zu nehmen?

Die Auswertung

Haben Sie die meiste Zeit fünf oder mehr dieser Gedanken oder Gefühle, egal ob Sie das mittlere Alter noch vor sich oder es bereits hinter sich haben – na dann, herzlich willkommen in der Perimenopause. Das heißt, Ihre Eierstöcke haben damit begonnen, die Produktion der sonst üblichen, immer gleichen, vorhersagbaren und konstanten Menge von Geschlechtshormonen, Östrogen und Progesteron, herunterzufahren. Und, um es noch schlimmer zu machen, Ihr Gehirn reagiert auch noch weniger stark auf die Hormone, die Ihre Eierstöcke immer noch bilden – hierbei handelt es sich um ein Phänomen des weiblichen Gehirns im mittleren Alter –, und die chemischen Glücksstoffe im Gehirn (wie das Serotonin) haben sich ebenfalls verabschiedet. Manche Frauen überstehen die Perimenopause völlig problemlos, andere glauben, dass sie im Begriff sind, den Verstand zu verlieren. Beides sind ganz normale Reaktionen auf die hormonellen Veränderungen des mittleren Lebensalters, der Perimenopause.

Sie sagen sich vielleicht: „Ja! Ja! Das bin ich! Und jetzt?“ Wenn Sie sich um die mithilfe der Fragebögen aus dem ersten Kapitel ermittelten Hormonschwankungen kümmern, wird sich der Sturm der Perimenopause legen. In Kapitel 10, das sich mit den am häufigsten kombiniert auftretenden hormonellen Ungleichgewichten beschäftigt, finden Sie zusätzliche Ratschläge.

Wenn Frauen das Alter von 40 Jahren erreichen, sind sie oft schockiert von den dramatischen hormonellen Veränderungen, die alles beeinflussen, vom Gedächtnis bis hin zum Sex. Doch diese haben sich nicht heimlich über Nacht angeschlichen. Ganz recht: Östrogen, Testosteron und das Wachstumshormon ließen, wenn auch ganz allmählich, bereits früher nach – nämlich bis zu 20 Jahre, bevor Sie sich „plötzlich“ vergesslich und schläfrig fühlten und keine Lust mehr auf Sex hatten. Im Alter zwischen Zwanzig und Dreißig vollziehen sich diese Veränderungen oft unmerklich, aber sie signalisieren, dass der Körper erste Schritte in Richtung Perimenopause macht, die die meisten Frauen in der vierten oder fünften Dekade zu spüren bekommen: Es ist die Lebensphase, die meist zehn Jahre andauert und den Übergang von einem regelmäßigen Menstruationszyklus ins hormonelle Chaos ankündigt.

Die wichtigste Veränderung besteht darin, dass Ihre Eierstöcke die Aufgabe der monatlichen Ovulation nicht mehr erfüllen. Sie koppeln sich zuerst zeitweise ab und stellen schließlich die Bereitstellung einer befruchtungsfähigen Eizelle ganz ein. Wenn es soweit ist, fühlen sich viele Frauen als wären sie im falschen Film.

Die Perimenopause aus wissenschaftlicher Sicht

Während des Studiums wurde uns beigebracht, dass man an der Menstruationsblutung ablesen kann, wann eine Frau von den fruchtbaren Jahren – mit klassischerweise einem monatlichen Eisprung und der Bildung der Fortpflanzungshormone (Östradiol und Progesteron) –, in die unfruchtbaren Jahre und die Menopause hinüberwechselt. Das Wort Menopause leitet sich aus dem Griechischen pausis (Beendigung) und men (Monat) ab und bezeichnet das Ende des Monatszyklus.

Wenn Sie sich nach der offiziellen medizinischen Definition richten, planen Sie Ihre „Menopausen-Party“ am besten ein Jahr nach der letzten Menstruation. Das legt nun die Vermutung nahe, die Menopause sei eine „eintägige Veranstaltung“ und der „erste Jahrestag“ der „offizielle Ruhestand“ der weiblichen Eierstöcke. Doch so ist es nicht. Genauso, wie ein Rückzug aus dem Arbeitsleben heutzutage nicht gleichbedeutend damit ist, dass gar keine Aktivität mehr stattfindet, bilden auch die Eierstöcke in der Menopause immer noch bestimmte Hormone wie Testosteron und Östron, aber eben nicht mehr die großen Mengen an Östradiol und Progesteron, die mit dem Eisprung einhergehen.

In den Jahren meiner klinischen Praxis bin ich auf eine ganze Menge Symptome gestoßen, die mit der Perimenopause zusammenhängen, im Alter von etwa 35 bis 45 Jahren auftreten und den Veränderungen bei Ihrer Periode vorangehen. Diese Symptome sind hormonelle Anhaltspunkte, Signale von Ihren Eierstöcken, dass Sie im Begriff sind, in einen neuen Lebensabschnitt einzutreten. Typischerweise gehören zu diesen Symptomen Veränderungen in verschiedenen Bereichen: Stimmung, Schlaf, Gewicht, Libido und Gelassenheit.

In vielerlei Hinsicht ist die Menopause das Gegenteil der Pubertät, der Lebensphase, in der Frauen fortpflanzungsfähig werden. Die Perimenopause ist gewissermaßen vergleichbar mit den Jahren unmittelbar vor der Pubertät. Wie in den Jahren vor der Menarche, Ihrer ersten Menstruation, spielt der Hormonspiegel auch wieder verrückt. Dabei müssen Ihre Eierstöcke, die Schilddrüse und die Nebennieren in Bestform sein, damit Sie sich auch in Bestform fühlen – doch mehrere Dinge verschwören sich gegen Sie.

Zunächst macht sich der Alterungsprozess in den Eierstöcken bemerkbar. Sie haben nicht mehr jeden Monat einen Eisprung, also kommt Ihre Menstruation häufiger oder seltener oder ist überhaupt nicht mehr vorhersagbar. Da Ihr Körper nicht mehr so viele reife, das heißt, befruchtungsfähige Eizellen zur Verfügung stellt, erhöht die Hypophyse die Menge der Steuerungshormone – des follikelstimulierenden (FSH) und des luteinisierenden Hormons (LH) –, um die Tätigkeit der Eierstöcke anzuregen. Weil die Eierstöcke aber nicht entsprechend darauf reagieren, steigt der Spiegel der Steuerungshormone weiter. Und in all dem Chaos kommt Ihnen vielleicht noch die Idee, ein weiteres Kind zu bekommen – schnell, schnell, bevor es zu spät ist! –, wäre eine gute Sache. Denken Sie daran: Das sind nur die Einflüsterungen Ihrer Hormone, es ist keine logische Reaktion auf die Realität. Bald kommt auch Ihr FSH in die Jahre und Sie haben Hitzewallungen und Schweißausbrüche. Jetzt ist es offiziell und auch die Körperchemie ist eindeutig: Sie sind in der Menopause und bekommen kein weiteres Kind, sondern kaufen sich einen Hund.

Anschließend wird Ihre Schilddrüse träge. Ihr Stoffwechsel verlangsamt sich. Ihr Gewicht steigt, selbst wenn Sie weniger essen und mehr Sport treiben. Sie fühlen sich ausgelaugt, und Ihre Launen sind unberechenbar.

Gleichzeitig treten die Nebennieren auf den Plan. Bei all diesen hormonellen Veränderungen steigt die Stressreaktion. Sie können auf Änderungen nicht mehr so flexibel reagieren wie früher. Sie können sich nicht mehr konzentrieren. Sie haben nicht mehr die Energie, noch etwas zu Ende zu bringen, wenn die Kinder im Bett sind, und ehe Sie sich versehen, ist es Mitternacht. Sie gehen zu Bett, aber Sie wachen ständig auf, denn Ihnen ist heiß oder Sie müssen zur Toilette oder Ihr Mann schnarcht.

Addieren Sie all das auf und Sie haben den perfekten neuroendokrinen Sturmangriff: Alle drei Hormonsysteme – Eierstöcke, Schilddrüse und Nebennieren – ziehen Ihnen gemeinsam den Boden unter den Füßen weg. Ihr neues Mantra heißt: Das Leben ist unberechenbar. Auf drei wunderbare Tage voller Glückseligkeit folgt ein Anruf aus der Schule, dass Ihr Kind Läuse hat, und Sie verlieren völlig den Verstand. Reizbarkeit wird zum vorherrschenden Zustand. Bei Ihrem Liebesleben bestünde ebenfalls Verbesserungsbedarf, aber sich auch noch hier zu engagieren, übersteigt Ihre Kapazitäten. Zucker, Alkohol und Schokolade werden zum täglichen Rettungsanker. Haben Sie Geduld. Gemeinsam werden wir dafür sorgen, dass Sie Ihr hormonelles Gleichgewicht zurückbekommen und sich wieder ganz wie früher fühlen.