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Verträumt 5

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Aus der Reihe: Verträumt #5
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Verewigt 149

Am nächsten Morgen scheinen die warmen Sonnenstrahlen in Katrins Gesicht. Sie hat sich bereits nach dem verkaterten Aufstehen das nächste Verewigt-Buch genommen. Und während sie der Geschichte ihres Chefs hinterhereifert, vergisst sie um sich herum die reale Welt.

… Es ist beschämend, gar schon zum dahinvegetieren. Wieso konnte ich Ms. Sour nicht davon überzeugen, blind durch meine Hotels zu gehen? Wieso finde ich in ihr kein Bedürfnis, das befriedigt werden will? Ich könnte ihr jeden Wunsch erfüllen, wenn sie ihn nur ein wenig herauskristallisieren lässt. Einerseits finde ich es ermutigend, schon fast erregend – sie will erobert werden. Andrerseits steht zu viel auf dem Spiel. Sie darf nicht hinter die Fassade meiner Hotels blicken. Und da meine Schmeicheleien bei ihr so rein gar nichts gebracht haben, werde ich mir nun was Neues überlegen müssen.

Nachdem sie sich zum nächsten Besuch für mein Hotel in Polen angemeldet hat, kam mir auch schon eine Idee: Selbstverständlich würde sie sofort in den Augen meiner Gäste bemerken, auf welchem Trip sie sich befinden und dass dies in diesem Hotel auch noch gestattet ist. Natürlich würde sie alleine von der etwas verkümmerten Einrichtung her Fragen diesbezüglich stellen, wieso dieses Hotel von einem anderen Sternwanderer mit diesem Antlitz so viele Sterne erhalten hat. Aber was soll ich sagen – diese Gäste bevorzugen eben eine ungezwungene, düstere Atmosphäre.

Nun, und jetzt werde ich mit Mr. Plumburg in der Smoker-Lounge Ms. Sour erwarten. Einen Nalewka zur Linken, eine Zigarre zur Rechten. Und alles andere wäre für unseren Ehrengast vorbereitet.

Ich wusste, es muss schnell gehen, denn ich weiß mittlerweile, dass sich Ms. Sour nicht lumpen lässt. Sie hätte kein Interesse, sich mit uns in der Lounge zu unterhalten. Sie würde gleich die Hotelsuiten begutachten und ihren Job erledigen wollen. Und um meine Gerissenheit in Worte zu fassen – Ms. Sour würde dennoch in die verruchte Lounge gebeten werden und schon bei ihrem ersten Atemzug, käme sie in den Genuss einer berauschenden Droge, ohne es zu wollen.

Sie würde kurzzeitig neben sich stehen und mit uns Platz nehmen. Sich in den ersten drei Minuten fragen, wieso ihr plötzlich so schwindelig sei.

Sie würde ihre Kompetenz infrage stellen und überlegen, ob sie etwas Falsches gegessen hat.

Sie würde den Besuch vertagen wollen, doch bemerken, dass sie, selbst wenn sie wollte, mit tauben Beinen nicht mehr aufstehen könne.

Ich würde sie derzeit unterhalten – ein wenig vom Image dieses Hotels erzählen und sie zu einer guten Bewertung ermutigen. Mr. Plumburg würde ihr dabei seinen Zigarrenqualm entgegenpusten und öfter mal aus keinem ersichtlichen Grund lachen.

Etwas verdutzt würde sie mich anblicken und ihre doch verwirrte Situation nicht äußern. Ein zu stolzer Charakter schlummert in ihr. Bis sie sich dann nach fünf minütiger Stummheit von Mr. Plumburg anstecken ließe und einfach jedes Mal mitlacht. Ich würde nachfragen, ob mit ihr alles in Ordnung sei, da sie immer wieder anfängt lauthals loszulachen.

Ein Glas Wasser – würde ich sie fragen, nachdem mir ihre trockenen, roten Lippen auffallen. Sie würde selbstverständlich nicken. Denn so langsam käme aus diesem wunderschönen, kurvigen Körper nur noch Blödsinn heraus. Keine sinnvollen Sätze mehr, keine Fragen, keine Antworten. Nur das Gefühl des Glücklichseins wäre relevant, das Gefühl endlich abzuheben.

Ihr Glas Wasser würde in kürzerer Zeit gereicht werden, wobei sich auch darin eine Substanz befände, die Ms. Sour komplett aus ihrem wunderschönen Körper ziehen wird.

Ich würde mich erheben und ihr vorschlagen, die Besichtigung zu beginnen. Mr. Plumburg würde nun gehässig lachen.

Doch ich wüsste, Ms. Sour verneint mein Vorhaben, zu stark wirken die Drogen. Gut, würde ich sagen, dann verschieben wir es auf heute Mittag und genießen weiterhin diese wunderbare Atmosphäre in meiner Smoker-Lounge.

Sie würde anschließend ihre Augen schließen und halluzinieren. Sie würde in einer anderen Welt sein und beschließen, heute einfach nichts mehr zu machen. Und während sie schwebt, würde ich sie daran erinnern, dass sie mir gerade meine Zeit stiehlt.

Ich würde ihr Unprofessionalität vorwerfen, ihr drohen bei der Agentur, für die sie arbeitet Beschwerde einzureichen.

Ich würde so viel Angst in ihr erzeugen, das sie diesem Hotel freiwillig eine gute Sternebewertung gäbe, ohne die Räume jemals gesehen zu haben. Ich würde sie haben!

So hätte es ablaufen können – bestimmt – wenn sie nicht fünf Minuten vor dem Termin abgesagt hätte. …

»Guten Morgen Katrin, bist du schon wach?«

Ertönt es plötzlich hinter der Schlafzimmertür, woraufhin Katrin das Verewigt-Buch Nr. 149 unter ihrem Kopfkissen verschwinden lässt. Sie bejaht die Frage von Fabian, der mit einem schelmischen Lächeln im Gesicht die Tür öffnet.

»Wie war dein gestriger Abend mit Phil? Nachdem ich gehört habe, dass ihr ganz gut getrunken habt, dachte ich mir, lassen wir dich ein wenig länger schlafen.«

»Das ist nett, Fabian. Um ehrlich zu sein, eine Kopfschmerztablette habe ich bereits in der Früh zu mir nehmen müssen. Aber mir tat der Abend ganz gut, ich konnte mal ein wenig quasseln.«

»Und wie mir zu Ohren kam, würdest du auch gerne mal wieder Sex haben, da es mit Luca derzeit nicht läuft und ein Berg voller Schulden eure Beziehung belastet.«

»Ähm, ich … mein Kamerad hat wohl nichts ausgelassen.«

»Manchmal muss man seine Bedürfnisse befriedigen, um nicht innerlich zu verfaulen. Wir sind hier alle mehr als tolerant – wie du bereits bemerkt hast. Und wir hätten nichts dagegen, wenn du bei unserem Geschlechtsakt mitwirkst. Zum Thema Schulden – nur so am Rande – bei Zusatzleistungen bin ich nicht geizig.«

»Geld gegen Sex? Diesmal wird mir ganz heiß bei diesem Thema.«

»Ganz ruhig, es liegt ganz bei dir. Niemand wird gezwungen. Ich dachte nur, du hast auch mal verdient, glücklich zu sein.«

»Würde es denn schön werden?«

»Wir würden selbstverständlich auf dich eingehen und dir deine Wünsche erfüllen. Aber ruhe dich erstmal noch ein wenig aus, Natalia kümmert sich heute um Isabella. Um 12.00 Uhr freue ich mich dann, mit dir Mittag zu essen. Phil bereitet eine gefüllte Entenbrust zu. Ach und im Übrigen, die Badehose, die ich damals bei unserem Mallorca Urlaub verloren habe – selbstverständlich war das extra. Ich freue mich, bis später. Tschüüüss.«

Die Tür wird geschlossen und Katrin lässt kichernd ihren Kopf in den Schoß fallen. Gleich darauf hat sie bezüglich des Angebotes von Fabian Bedenken, ihr schlechtes Gewissen würde ihr am Ende einen Strich durch die Rechnung machen. Allerdings würde sie mit diesem Bonus schneller als gedacht, ihren Schuldenhaufen beseitigen können. Luca würde von dem Seitensprung nichts erfahren und auch nicht hinterfragen, weshalb sie mehr Geld mit nach Hause bringt, da er eh keinen Überblick hat, was die Finanzen angehen.

Im Laufe des Vormittags schwinden die Sonnenstrahlen im Umkreis des Hafens – dichter Nebel ist über das Land gezogen. Und während das Wetter draußen seine ungemütliche Seite zeigt, sorgen einige Kerzen im Wohn- und Essbereich dafür, dass es kuschelig warm und angenehm hell wird. Klassische Musik ertönt aus dem Lautsprecher und der Duft von gutem Essen verbreitet sich.

Léger angezogen sitzt Fabian am Esstisch und genießt seinen Aperitif mit Blick auf die Uhr. Katrin kommt unangenehm gestimmt aus ihrem Zimmer heraus und nimmt ebenfalls am Tisch Platz. Ihr Blick jedoch richtet sich auf ein silbernes Tablett, auf dem sich verschiedene Rauschmittel befinden. Fraglich versteht Katrin die Geste nicht.

»Falls du etwas lockerer werden möchtest Katrin. Du darfst dich gerne bedienen. Alles für umme.«

»Oh meine Güte, wieso das denn? Wir essen doch nur zu Mittag. Nein, nein. Ich schenke mir lieber meinen Rotwein ein, die Wirkung denke ich zu kennen.«

»Ist nur ein Angebot, falls du doch mal das Bedürfnis hast – bediene dich.«

Katrin lehnt dankend ab. Daraufhin wird ihnen von Phil das dampfende Essen serviert, wobei Katrin geschockt reagiert und sich erstmal mehrere Schlücke aus ihrem Glas gönnt. Der Grund: Phil zeigt sich dabei völlig entblößt.

»Ich wünsche einen guten Appetit«, belächelt Phil die Situation und zieht sich anschließend in die Küche zurück.

»Na komm Katrin, du tust ja gerade so, als wäre das der erste Penis, den du in deinem Leben gesehen hast.«

»Entschuldige mal, ich hatte 20 Jahre immer den ein und denselben – wenn überhaupt. Hahaha. Die jungen wilden Jahre waren ja bei Luca und mir schnell vorbei.«

»Mit deinem Lachen überspielst du auch immer mal ganz gerne, oder? Und nun lassen wir uns unsere Brust schmecken. Entenbrust natürlich.«

Während dem Gaumenschmaus bemerkt Katrin ihre steigende Nervosität, wobei ihr der Alkohol diesmal nicht hilft. Zu sehr hat sie Respekt davor, was Fabian gerne mit ihr anstellen mag.

Und nachdem Katrin den Hauptgang mit einer halben Flasche Rotwein genossen hat, sticht ihr das noch unberührte Silbertablett wieder ins Auge. Die Hemmung dem Rauschgift gegenüber wird durch die Alkoholwirkung überwunden. Dies entgeht Fabian nicht, weshalb er Katrin die kleine runde Tablette für den Anfang empfiehlt.

Phil serviert dabei die süße Nachspeise – wohl bemerkt – noch immer nackt und heißt diese Droge ebenfalls gut. Deshalb nimmt er selbst nun eine zu sich. Überzeugt wirft Katrin aus plötzlicher Neugier zugleich auch eine ein und vernascht ihr Dessert.

»Du wirst überrascht sein, wie schnell sich die Wirkung positiv bemerkbar macht«, lässt Phil verlauten bevor er wieder verschwindet.

 

Fabian lässt derweil seinen Teller unberührt und widmet sich lieber seinem Cognac.

»Wie schmeckt denn der Nachtisch, Katrin?«

»Sag mir eher mal, wie du dir die gemeinsame Liebelei konkret vorstellst?«

»Du, Phil und ich. Isabella wird zuschauen. Wir werden Spaß haben und was du nicht willst, musst du auch nicht. Und falls du zwischenzeitlich generell nicht mehr willst, kannst du jederzeit aussteigen. Willst du, dir ist es aber einfach zu viel um dich herum, darfst du dir sicher sein, dass Phil derjenige ist, den ich als Erstes vom Boot werfe.«

Plötzlich erscheint Phil hinter Katrin und neigt ihren Kopf zur Seite, sodass ihm ihr Hals schutzlos ausgeliefert ist. Langsame, sinnliche Küsse wandern zu ihrer Schulter, woraufhin der dritte ins lüsterne Spiel kommt.

Fabian berührt mit seinen Lippen die geschmeidigen von Katrin. Ein Feuer voller Endorphine wird entfacht. Die Lust auf einen erotischen Austausch beginnt und macht sich in Fabians Bett vermehrt bemerkbar. Es erzittern die Körper und sie verschmelzen ineinander.

Und auch Isabella lässt sich beim reizenden Anblick der nackten Körper verwöhnen. Stichflammen erhöhen die Temperatur bis zum Anschlag, weshalb das Thermometer zerspringt.

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Verewigt 150

Katrin öffnet nach diesem leidenschaftlichen Liebes­spiel ihre Augen und findet sich in den frühen Abendstunden, im Bett zwischen den schlafenden Männern, Fabian und Phil wieder. Eine einzige Decke aus Satin verbindet die nackten Körper in dieser sinnlichen Umgebung, während leere Champagnerflaschen im Sektkühler zu sehen sind. Das Bettlaken ist feucht – die Raumtemperatur köchelnd.

Nachdem Katrin ihre Gedanken sortiert hat, entdeckt sie auch Isabella, die sich schlafend auf der danebenstehenden Couch befindet.

Von den Erinnerungen eingeholt, weiß Katrin nicht so recht: Soll sie darüber schmunzeln oder sich gar schämen? Sie verlässt leise das Zimmer und entdeckt zuvor ein weiteres Verewigt-Buch und einen Füllhalter auf dem Nachtisch liegen.

Bei einem turbulenten Seegang eilt Katrin durch die Zimmer in ihr Bad – mal mit einem breiten Grinsen im Gesicht und mal mit einem mehrmaligem Klatscher auf die Stirn. Dort angekommen begibt sie sich in die Dusche, wo die lebendigen Erinnerungen an den Dreier durch das Einseifen wieder hochkommen. Während dem Abbrausen kommt sie so richtig in Ekstase, bis es plötzlich an die Kabinentür klopft.

Völlig perplex stellt sie das Wasser ab und steigt aus der Dusche, wo sie auch schon einen Bademantel gereicht bekommt. Ebenfalls mit einem Bademantel bekleidet, möchte sich Phil nach ihrem Wohlbefinden erkundigen, da er gleich Feierabend hat.

»Ich bin etwas zwiegespalten, Kamerad. Ich muss dir sagen, so habe ich mich das letzte Mal in meinen jungen Jahren gefühlt. Und obwohl es mir wirklich gefallen hat, weiß ich nicht so genau, ob ich es auch ohne Drogeneinfluss gemacht hätte. Weißt du, leider ist es öde mit Luca geworden. Irgendwie eintönig und die Anziehungskraft ist auch nicht mehr so vorhanden. Nicht so, wie es zwischen uns drei war. Selbst jetzt könnte ich mich wieder an deine Lippen hängen.«

»Sorry Kameradin, dafür werde ich nicht bezahlt. Wollte nur nochmal nach dir schauen, bevor ich gehe und muss jetzt auch los.«

Beschämt blickt Katrin zu Boden. Gewissensbisse überrollen sie, die Scham ihrem Ehemann gegenüber ist plötzlich riesengroß, auch wenn er quasi mit seiner Spielsucht gerade ihr Leben ruiniert.

Wieder gefasst zieht sie sich Kleidung über und begibt sich in den Wohn- und Essbereich. Dort befindet sich Fabian, der es sich nackt, mit einer Zigarre und einem Cognacschwenker in der Hand, auf dem Sofa gemütlich gemacht hat. Regen plätschert derweil an die Fensterfront.

»Bei dir ist alles okay, meinte Phil gerade. Du scheinst angetan von unserem Dreier gewesen zu sein.«

»Ich wollte eigentlich nur fragen, ob ich Bella fertig machen soll. Also, ob ich sie für das Bett fertig …«

»Katrin, bitte setz dich.«

»Aber, ich, soll sie nicht …?«

»Katrin, sie ist bereits umsorgt. Sei jetzt nicht zu nervös und gönne dir etwas zum Trinken, der Barwagen ist voll. Und dann setz dich zu mir. Du wirst hier nicht für deine Bedürfnisse verurteilt und von niemandem hingerichtet. Also entspanne dich. Du hast mir heute große Freude bereitet.«

»Ja entschuldige, Fabian. Mich plagt das schlechte Gewissen Luca gegenüber und ich frage mich zunehmend, weshalb ich eigentlich eingestellt wurde? Denn so richtig um Bella gekümmert habe ich mich bisher nicht.«

»Hier für dich. Auf diesem Sparbuch erhältst du deine Aufwandsentschädigung für die Zusatzleistungen, die du erbringst. Schau dir dein Startkapital an, das du dir heute mit deinem Vertrauen uns gegenüber verdient hast. Und ich finde, das muss nicht bei dieser Summe bleiben. Ich dachte, damit Luca von diesem Geld nichts herausbekommt, um es verspielen zu können, überweise ich es dir eben auf dieses Extra-Konto. Wie oft musst du denn mit uns Spaß haben, damit eure Schulden getilgt wären?«

»Auf jeden Fall mehr als einmal.«

»Da hat Luca euch ja ganz schön in die Scheiße geritten. Dann darf ich mich also auf ein nächstes Mal mit dir freuen?«

Katrin zuckt verhaltend mit den Schultern, woraufhin sich Fabian schweigend erhebt und den Raum verlässt. Nach Sekunden der Stille beschließt sie ihren Abend mit einem weiteren Verewigt-Buch zu verbringen. Deshalb begibt sie sich nach dem Buchaustausch der Nr. 150 wieder in ihr Zimmer und versperrt zugleich die Tür mit einem anlehnenden Stuhl. Ihr volles Glas Cognac, welches sie zuvor mitgenommen hat, stellt sie auf dem Nachttisch ab und macht es sich auf ihrem Bett gemütlich. Mit Blick auf das Buch verliert sie sich kurzzeitig in Gedanken:

Ist es erbärmlich, sein Leben durch honorierten Spaß wiederzuerlangen? Denn so wie Fabian sagte, würde sie hier schließlich nicht verurteilt oder erhängt werden. Und auch Phil besitzt ebenfalls eine Familie, der es reicht zu wissen, dass er für sie aufkommen und sorgen kann, ganz egal woher oder wodurch das Geld kommt. Bei Luca jedoch ist das anders. Er kann mit Geld einfach nicht umgehen, verzockt es im Casino und legt keinen Wert auf Familie. Ist es überhaupt noch Liebe? Oder ist es die Gewohnheit, die Einzug in das öde, monotone Leben genommen hat? Doch jetzt nach Fehlern zu suchen, ergibt keinen Sinn mehr – Lösungen müssen her. Und diese Lösung wäre wohl die einfachste und schnellste, egal für welchen Preis.

Außerdem müsste Kimberly ebenfalls den Rücken mit Geld gestärkt bekommen und wer weiß, was mehr Geld noch bewirken kann. Vielleicht einen Neuanfang und den Absprung der missglückten Ehe.

»Soll sich doch sein Vater oder seine Großmutter um Luca kümmern!«, beendet Katrin ihre Gedanken.

Mit neuer Zuversicht gönnt sie sich noch mehr Weinbrand und schlägt ganz vernarrt das vorletzte Verewigt-Buch auf, mit dem Wissen: Es gibt noch ein weiteres, welches bereits auf Fabians Nachttisch wartet.

»Tja, hättet ihr mir einen Fernseher ins Zimmer gestellt, würde ich mir jetzt eine Telenovela reinziehen, Prost!«

… Die Tage sind gezählt und meine Pläne Ms. Sour auf irgendeine Art und Weise auf meine Seite zu bekommen sind sang- und klanglos gescheitert. Was soll ich sagen? Ich habe es versucht und all mein Können eingesetzt, um sie vor dem Schicksal zu bewahren, das ihr nun blühen wird. Im Grunde genommen hat sie es sich so ja auch eigentlich ausgesucht. Wäre sie nur beim letzten Termin in meinem Hotel in Polen erschienen, wäre sie jetzt verwirrt und erpressbar. Ich hätte meine gute Sternebewertung und müsste nicht um ihr Leben bangen.

Und was ein Schmaus, ausgerechnet das Hotel in Russland hat sie sich als Nächstes ins Visier genommen. Das Hotel, in dem meine Gäste in ihren Zimmern kaltblütig ihren dunkelsten Bedürfnissen nachgehen können. Das Hotel, bei dem ich meiner schaurigsten Fantasie in der Architektur freien Lauf gelassen habe.

Denn hier verschieben und drehen sich die Zimmer, während kalter Schnee auf den dampfenden Boden hinabfällt. Ich begebe mich gerade mit Mr. Plumburg durch die Korridore des Hotels und wir hören, wie sich hinter den Mauern zahllose Schreie in die Ohren der Täter hineinbrennt. Ich sage zu Mr. Plumburg, dass wir niemals all diese Gäste für den Besuch von Ms. Sour hinausbefördern hätten können. Wir hätten niemals das Blut an den Wänden reinigen können – dafür hätte es Jahre gedauert. Unsere Maske wäre gnadenlos gefallen.

Und ich wäre all meine Hotels, all das, was mich ausmacht, was mir Spaß macht, womit ich mein Geld verdiene, all das wäre zunichte getragen worden.

Ich rechtfertige mich, während wir die steilen, zerbrochenen Treppenstufen gemeinsam hinabgehen. Ich berichte Mr. Plumburg, wenn Ms. Sour nicht von Bord geht, dann wären es abertausende von Menschen, die kein Zuhause mehr hätten, um ihren Durst ihrer inneren Bedürfnisse zu stillen. Also soll er bitte das tun, was ihm am meisten Befriedigung verschafft. Er soll sie in irgendeinem Zimmer seiner Wahl zu Tode führen.

Mir egal wie, Hauptsache sie ist keine Gefahr mehr. Hauptsache ihr schöner, faszinierender Körper, dem ich so lange hinterherschmachte, lebt nicht mehr. Ich will, dass mich kein Wimpernschlag mehr verzaubern kann. Ich will, dass ihr femininer Körper mit ihrem graziösen Gang, dem ich so gerne gefolgt bin, leblos auf dem Boden verrottet und wir unsere Sterne und unser Ansehen behalten.

Die letzte Stufe ist gegangen und schon sehen wir sie bereits aus der Ferne am Eingangstor hell strahlen.

Mit einer Zigarette in der Hand und ihrer Mappe unterm Arm versehen, steht sie da, unter einer großen Anzeigetafel, die wir extra über dem Eingangstor befestigt hatten. Sie zeigt mit genauer Uhrzeitangabe an, wann sich welches Wetter draußen abspielt. Denn in diesem Land haben wir entweder dichten Nebel, diffuses Sonnenlicht oder die pechschwarze und kalte Nacht, in die man lieber keinen Fuß setzen möchte. Somit können meine abreisenden Gäste besser entscheiden, wann welcher Abreisezeitpunkt für sie mit welchem Wetterverhältnis am günstigsten wäre, um vorgewarnt und nicht überrascht zu werden, sodass ihnen mitten in der plötzlichen Nacht die Kehle durchgeschnitten werden kann.

Ich nehme Ms. Sour herzlichst in Empfang und atme ihr, mich scharf machendes Parfum ein, während sie mir Küsschen rechts und links gibt. Den russischen Akzent hat sie bereits bei der Begrüßung gut zur Geltung gebracht.

Mein Blick wandert nochmal kurz zu Mr. Plumburg, während sie sich willkommen heißen. Dabei frage ich mich: Sollen wir diesen Körper wirklich kalt machen? Vielleicht genüge ein Angebot – vielleicht reicht ihr Geld für Sterne? Aber nein. Mr. Plumburg schüttelt heimlich seinen Kopf. Ihm ist bewusst, dass ich beim Anblick dieser Schönheit ins Schleudern komme.

Daraufhin nimmt er plötzlich das Zepter in die Hand und entschuldigt sich in meinem Namen – ich hätte wichtige Unterzeichnungen zu tätigen, die fristgemäß abgesandt werden müssen, weshalb nur Mr. Plumburg und Ms. Sour die Begehung starten werden, bis ich wieder dazustoße.

Sie willigt ein – so als könnte sie auch glatt ohne mich leben – mit solch einer Hingabe zur Arbeit, sodass ich schon fast Feuer speien könnte. Ohne mich eines Blickes zu würdigen, folgt sie meinem Angestellten und schaut sich dabei aufmerksam um. Ich kann ihre Gedanken hören, während sie mit Mr. Plumburg durch den Gemeinschaftsraum schlendert. Ich kann hören, wie sie die zerfetzten Sessel missbilligt, die schmutzigen Fenster kritisiert und sich beim Anblick des großen Kamins die Frage stellt, wann aus ihm das letzte Mal die Kohle entnommen wurde.

Ms. Sour läuft um die Ecke und mein Blick bleibt an einem Balken hängen, an dem ich sie nun zu gerne aufhängen wollen würde. Aber ich weiß, Mr. Plumburg wird bald gehässig lachen. Mr. Plumburg wird bald seinen Spaß haben und die Drecksarbeit erledigen, für die ich nicht imstande bin – nicht bei solch einem wunderschönen Körper.

Ich geselle mich an die Rezeption, lasse mich im Chefsessel nieder und begutachte die unzähligen Spinnen, die an der Decke ein Netz gewoben haben, das so groß ist, dass es aus keiner Fantasie entsprungen sein kann. Ich lasse mir ein Glas Cognac von meiner einäugigen Rezeptionistin bringen, schaue mir in meinem alkoholischen Getränk den Tiefgang an und verliere mich kurzzeitig in dem modernen Holz, aus dem der Empfang gemacht wurde. Dass ich gerade keine Holzwürmer entdecke, ist alles.

 

Bis ich plötzlich durch einen Schuss aufgeschreckt hochspringe und auch noch meinen guten Cognac verschütte. Sofort sucht die einäugige Angestellte auf den Überwachungsbildschirmen nach dem Waffenbesitzer und dem Ort, wo der Schuss abgefeuert wurde.

Lautes Geschrei ertönt in meinem Hotel. Und ich denke mir nur empört: Schusswaffen sind nur im Keller erlaubt!

Die Sternwanderin! Erklingt es aus der Rezeptionistin, die dabei auf eines ihrer Bildschirme zeigt, wo ich ebenfalls Ms. Sour blutüberströmt und mit einer Waffe in der Hand zu sehen bekomme. Sie marschiert erbarmungslos wie eine Soldatin durch die Korridore und schafft sich jeden Gast aus dem Weg, der vor Neugier sein Hotelzimmer verlässt.

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