Kostenlos

Verträumt 5

Text
Aus der Reihe: Verträumt #5
0
Kritiken
Als gelesen kennzeichnen
Verträumt 5
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

S.T. Kranz

Verträumt 5

Fabians Geschichte

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

1

2

3

4

5

6

7

8

Impressum neobooks

1
Verewigt 147

Während der Blick in die Ferne des Meeres durch die trübe Herbstnacht undurchsichtig wird, sind die hoch angebrachten Fahnen dem stürmischen Wind schutzlos ausgeliefert. Der Hafen der Stadt von der Natur gepeinigt, nimmt der Weg einer 43-jährigen Frau vor einer Schließanlage auf einem Bootssteg vorerst ihr Ende.

Mit einem gehetzten Gesichtsausdruck und einer goldschimmernden Paillettenjacke am Leibe tragend stellt sie ihre Koffer ab.

Sie betätigt anschließend mehrmals einen der vorhandenen Klingelknöpfe, wobei ihre Ungeduld nicht zu übersehen ist.

Das Schlagen hoher Wellen unterhält sie dabei, bis sie durch die Tür gebeten wird. Sie stolziert unsicher den Steg entlang, vorbei an mehreren Hausbooten, die fest verankert auf dem Wasser treiben. Als sie heilfroh ihr Ziel erreicht, wird sie von einem ansehnlichen Mann, Mitte 40, herzlichst in Empfang genommen.

Sein Kleidungsstil: festlich und léger.

»Na los, Katrin. Beeil dich.«

»Hey mein Freundchen, mach mal halblang. Lauf du mal mit solchen Absätzen herum«, kontert Katrin.

»Lass mich dir deine Koffer abnehmen.«

Seine Stimme: dunkel und geheimnisvoll.

»Unser Haus in der Stadt kennst du ja, aber bevor wir eine Kleinigkeit zu Abend essen, zeig ich dir die Räumlichkeiten unseres Hausbootes, okay?«, schlägt der Hausherr freundlich vor.

Katrins Begeisterung gegenüber dem mittig platzierten Kronleuchter verrät ihr Gesichtsausdruck deutlich. Denn dieser erhellt mit seinen reflektierenden Kristallen die große Couchlandschaft darunter und begrüßt somit den Wohn- und Essbereich. Zusätzlich lässt sich durch eine großzügige Fensterfront die Weite des Meeres erhaschen, während ein Barwagen direkt neben dem Esstisch für trunkene Augenblicke sorgen soll.

»Ganz schön beachtlich, das muss ich euch gestehen. Euer Haus war ja schon wow, aber allein dieser Raum hier übertrifft es meiner Meinung nach.«

»Wir haben uns dank unserer Hotels ein festes Standbein schaffen können, sodass wir zum Glück nur noch bei wichtigen Entscheidungen anwesend sein müssen. Und hier auf dem Hausboot fühlt sich Isabella am wohlsten, vor allem nach ihrer Erkrankung. Hier findet sie die Ruhe, die sie benötigt und meine Mutter freut sich auch, uns wieder öfter zu Gesicht zu bekommen. Katrin, darf ich bitten, ich zeig dir den Rest vom Hausboot.«

Sein Name: Fabian Stein.

»Natürlich, gerne lasse ich mir von dir meinen neuen Arbeitsplatz zeigen.«

»Zuallererst: Unsere wichtigste Regel überhaupt – hier werden keine Türen abgeschlossen. Keine Tür, auch nicht die Tür vom Bad.«

»Und meine Zimmertür?«

»Keine Türen! Dein Zimmer ist gleich hier neben dem Essbereich. Es reicht aber, wenn du es dir später anschaust.«

Katrin erstarrt zunächst, folgt ihrem Arbeitgeber dennoch kleinlaut in den geschwungenen Flur.

»Darf ich vorstellen, das ist Phil Sook«, macht Fabian einen attraktiven Mann im Alter von Mitte 30 mit Katrin bekannt.

Phil begrüßt mit einem verschmitzten Lächeln die neue Mitarbeiterin und bereitet in der Küche ein kalorienreiches Tiramisu zu.

»In der Küche hast du nichts verloren. Phil arbeitet von 9.00 Uhr - 18.00 Uhr. Während die Aushilfskraft Natalia das Boot sauber hält, sorgt Phil dafür, dass wir unsere Mahlzeiten erhalten. Jeder Schlafbereich besitzt ein Badezimmer, für unsere Gäste allerdings wird jedoch dieses Bad angeboten«, unterweist Fabian.

»Nebenan haben wir mein kleines Büro. Wie du siehst, auch das habe ich nicht abgeschlossen. Ich möchte meinen Angestellten mit meiner Offenheit das Vertrauen geben, das ich auch von ihnen verlange. Außerdem schätze ich Diskretion und Aufmerksamkeit sehr. Die Arbeit steht natürlich an erster Stelle, dafür bezahlen wir gut, vergessen aber auch nie das Zwischenmenschliche. Isabella und ich möchten auch gerne private Interessen mit euch teilen können. Dennoch muss ich dir nicht zwingend verständlich machen, dass die Geschäftsbücher in meinem Büro nicht zu deiner Unterhaltung zählen, oder?«

»Also Fabian, was denkst du von mir? Außerdem, seit wann nennst du Bella wieder Isabella?«, antwortet Katrin gepiesackt mit Gegenfragen.

»Wir brauchen dich rund um die Uhr und bist die einzige Angestellte, die hier ein Zimmer von uns erhält. Auf die letzte Pflegerin, die nur halbtags beschäftigt war, konnten wir uns nicht verlassen. Ich weiß, es ist die richtige Entscheidung eine Freundin einzustellen, die weiß, wer wir sind und vor allem ihr Handwerk versteht.«

»Mehr als zwanzig Jahre Berufserfahrung als Krankenschwester, mir macht so schnell keiner was vor.«

»So und hier ist Isabellas und mein Schlafbereich. Sie wartet bereits auf dich. Begrüße sie bitte, danach plaudern wir beim Essen weiter.«

Er scheint alle Hoffnungen in Katrin gesetzt zu haben, weshalb er diesen Schritt wagt, Freundschaft und Geschäft zu mischen.

»Katrin, komm bitte rein«, ertönt es nach einem Klopfen durch die Schlafzimmertür.

Sofort sticht Katrin das überaus große Himmelbett ins Auge, das sich im Spiegel an der Wand zeigt. Auch die gemütlichen Lichtquellen, die mit viel Liebe zum Detail der Schlafzimmereinrichtung angepasst wurden reflektieren sich darin. Darunter kommt die Farbe Babyblau oft zum Einsatz, die zu Ruhe und Frieden besänftigt. Fabians Ehefrau ruft ihre alte Freundin vom Bett aus zu sich, woraufhin Katrin freudestrahlend zu ihr eilt.

»Bella, oh wie schön dich zu sehen.«

»Erst letztes Jahr im Sommerurlaub auf Mallorca zusammen im Swimmingpool gefeiert und heute liege ich hier wie ne platte Flunder. Sag mir, ist das Leben fair?«

»Hör auf das Schicksal zu hinterfragen«, stoppt Katrin Isabellas Worte und umarmt sie freundschaftlich.

Dabei bekommt sie den kalten Atem des Todes von Isabella zu spüren, da allein nur die Umarmung schon unheimliche Schmerzen hervorrufen. Dies kann Katrin nämlich aus ihrem Gesichtsausdruck entnehmen, woraufhin sie erschreckt und den Körperkontakt abbricht.

»Ist die Krankheit bereits so weit fortgeschritten? Ich muss gestehen, ich habe jetzt schon ein schlechtes Gewissen und frage mich, warum wir euch nicht früher besucht haben. Bella, du musst dir doch stellenweise unbeholfen vorkommen, oder?«

Isabella blickt auf ein kleines Gerät, das sich neben ihr auf dem Nachtisch befindet.

»Damit nicht – mein neuer bester Freund Sid. Immer parat, wenn ich Unterhaltung benötige. Außer jemand zieht den Stecker. Es ist mit dem Heimnetzwerk verbunden und es lässt sich per Sprachsteuerung einfach bedienen. Auch du hast Sid im Zimmer, falls ich mit dir kommunizieren möchte und deine Hilfe unverhofft benötige.«

Als Beispiel fordert Isabella Sid auf, Katrins Ehemann Luca anzurufen, woraufhin das Gerät in den verschiedensten Farben aufleuchtet und den Wunsch erfüllt.

Sofort unterbricht Katrin diesen Schritt mit: Sid, Anruf beenden. Wieder kommt Sid dieser Bitte nach und kappt die Leitung.

»Oh nein. Ich bin froh, Luca erstmal nicht mehr zu hören. Aber eine wirklich tolle Erfindung. Hört aufs Wort! Hahaha.«

»Ich bin sehr erleichtert, Sid an meiner Seite zu haben. Doch am meisten erfreut es mich, dich nun in meiner Nähe zu wissen.«

»Nun gut Bella, wenn es dir recht ist, werde ich mich in meinem Zimmer frisch machen. Dein Ehegatte sprach was vom Abendessen und ich habe mega Hunger.«

»Du bist die beste Entscheidung, Katrin. Fabian hatte vollkommen recht. Du wirst hier nochmal den Staub aufwirbeln, der sich seit Langem in jede Ecke gesetzt hat.«

»Ja, ich werde abstauben, hahaha«, scherzt Katrin ironisch und verabschiedet sich.

Mit großer Neugierde erhascht sie, nachdem sie den Flur entlang läuft, noch einen Blick des sympathischen Kochs, der in der Küche stehend mit seiner Schürze zum Anbeißen ausschaut. Phil entgehen diese sabbernden Mundwinkel nicht, weshalb er sie auch nicht unkommentiert lassen möchte.

»Kameradin, aber gegessen wird Zuhause.«

»Oh Kamerad, was denkst du denn, zu welcher Sorte Frau ich gehöre? Ich bin natürlich ein anständiges 60er-Jahre Frauchen.«

»Na dann, wohl bekomms!«

»Herzlichen Dank, Kamerad.«

Katrin schlendert den Flur weiter und wird anschließend von klassischer Musik im Wohn- und Essbereich begrüßt.

»Darf ich dir einen Drink zum Essen zubereiten?«, fragt Fabian gesellig, während er sich am Barwagen austobt.

 

»Mir reicht 'ne Flasche Wein.«

»Ich verstehe, ein Glas wäre für dich auch zu wenig. Deine Koffer habe ich im Übrigen in deinem Zimmer abgestellt.«

»Da werde ich jetzt auch hingehen, mich schnell frisch machen, bevor ich mir eure Leckereien vornehme.«

Katrin verschwindet daraufhin durch ihre Zimmertür. Sie befindet sich in einer winzigen Kajüte, deren Ausblick nur ein minimales rundes Fenster besitzt. Und zu ihrem Nachteil muss sie auch noch erkennen, dass noch nicht mal ein Fernseher zur Belustigung vorhanden ist, geschweige denn ein Passwort zur WLAN-Verbindung. Und selbst das Gäste-WC wirkt gehobener, als ihr eigenes Badezimmer.

Eilig schmeißt Katrin ihre goldene Paillettenjacke auf das Bett, woraufhin sie vom Klingeln ihres Handys erschreckt wird. Nachdem sie abgehoben hat, eilt sie zur Toilette, um während des Gesprächs mit ihrem Ehemann Luca ihr Geschäft zu verrichten.

Ihre Blicke wandern dabei den Ritzen der Täfelung entlang.

»Na mein Schatz, erkundigst du dich, ob ich gesund bei den Steins angekommen bin, was?«

»Natürlich.«

»Fabian scheint wie immer zu sein. Redselig und immer mit einem Getränk in der Hand. Bei Bella hingegen plagt mich das schlechte Gewissen. Warum haben wir sie denn nicht schon früher besucht?«

»Ist doch erst ein halbes Jahr vergangen, was ist ein halbes Jahr? Mach dir doch keine Gedanken, die hatten hundertprozentig anderes im Kopf gehabt. Oder haben sie sich beschwert?«

»Ach Luca, du – Hauptsache nicht darüber nachdenken. Ich bin gespannt, wie lange ich das hier machen muss.«

»Bis wir schuldenfrei sind.«

»Du Depp! Aber hey, das Boot musst du dir mal anschauen. Ich will nicht wissen, wie viel Geld sie unterm Kopfkissen versteckt haben. Obwohl, der hat seine ganzen Akten hier offen gelagert.«

»Was bringt es dir seinen Kontostand zu wissen?«

»Na vielleicht wäre das ein Grund, mich von dir zu trennen? Ich muss jetzt Schluss machen, ich esse gleich mit Fabian zu Abend.«

»Have Fun, Katrin«, beendet Luca das Telefonat, woraufhin Katrin sich mit einem Toilettenpapier abwischt und die Klospülung betätigt.

Keine zehn Minuten später sieht Fabian am Esstisch sitzend Katrin durch ihre Zimmertür laufen. Aufgehübscht und mit einer blumigen Parfümnote versehen nimmt Katrin ausgeglichen Platz.

»Aha, meine Flasche Wein und mein Essen wurde bereits serviert, sehr schön«, schwärmt sie beim Anblick ihres Abendessens, während durch die großen Fenster ersichtlich der Herbststurm sein Unwesen treibt. Musik erfüllt den Raum.

»Lass dir dein Lammkarree schmecken«, prostet Fabian mit erhobenem Cognacschwenker zu.

»Ich habe eben mit Luca telefoniert. Wir bereuen ein wenig, dass wir euch nicht eher besucht haben.«

»Macht euch keine Gedanken, wir hatten Selbstfindungsprobleme und mussten auch erstmal damit klarkommen.«

»Ja, das glaube ich dir …«

Schnell schüttet Katrin ihr erstes Glas Rotwein den Rachen hinunter, um es anschließend wieder füllen zu können.

»… Oh Gott, Luca wäre gleich tot umgefallen und wer hätte die Suppe auslöffeln dürfen? Ich natürlich, wie immer.«

»Wie geht es eurer Tochter?«, unterbricht Fabian die Anekdote zu Katrins instabilem Leben.

»Kimberly geht es, wie es einer 18-Jährigen so geht. Ihr wolltet ja nie Kinder. Schade, sie hätten es gut gehabt.«

»Uns war eben unsere Unabhängigkeit und der Aufbau der Hotelkette wichtiger.«

»Ja ich weiß, ich weiß.«

Fabian schwelgt in diesen Sekunden kurz in Erinnerungen, denkt dabei spezifisch an vergangene Zeit mit Katrin und Luca, weshalb er zu Lachen beginnt.

Katrin runzelt die Stirn und isst weiter.

»Zu viert hatten wir immer großen Spaß. Hab mich eben an unseren Mallorca Urlaub erinnert, als wir gemeinsam in den Pool gesprungen waren und ich meine Badehose verloren habe.«

»Ja richtig. Ist dir überhaupt irgendwas peinlich?«, beginnt Katrin sich ebenfalls zu erinnern.

»Mir? Mir ist nichts peinlich. Ich habe doch einen gut gebauten Körper, warum sollte ich mich schämen?«

Recht gibt sie ihm. Und nach einem weiteren Glas Rotwein faselt Katrin auch keine kurzen Sätze mehr heraus – im Gegenteil. Es beginnt ein feucht fröhlicher Abend zu zweit, wobei hauptsächlich um die jahrelange Freundschaft zwischen Luca und Fabian geschwelgt wird. Aber auch die gemeinsamen Stunden zu viert werden thematisiert, die jedoch immer gleich endeten, und zwar nicht so süß wie das angereichte Tiramisu.

»Fabian, wie meinst du das denn? Natürlich endeten sie immer gleich«, hinterfragt Katrin angetrunken.

»Na ja, immer bist du mit Luca in euer Zimmer und ich mit Isabella in unseres.«

»Was hast du erwartet, das wir uns mit euch in ein Bett kuscheln? Hahaha.«

Fabians Mundwinkel wird hochgezogen und seine Blicke zeigen eine gewisse Erregung.

»Im Bett kuscheln, das wäre doch langweilig. Isabella und ich hätten da lustvollere Gedanken gehegt.«

»Oh nein, du Ferkel …«, winkt Katrin dieser Vorstellung ab und erhebt ihr Glas.

»… Solche Gedanken hattet ihr? Wie schweinisch – ah, da hätte Luca nicht mitgemacht.«

Verschmitzt gibt Fabian ganz offen zu verstehen, dass Luca noch nie so der offene Typ gewesen sei.

»So mein Freundchen, so langsam wirkt der Alkohol in die negative Richtung«, erklärt Katrin beklemmend und bedankt sich für den schönen nostalgischen Abend.

»Gute Nacht, Katrin«, belächelt Fabian, während er Katrin hinterherblickt und ihren wohlgeformten Po begutachtet.

Von diesen neuen Gedanken aufgeheizt, schnauft Katrin nach dem Schließen ihrer Zimmertür die angespannte Stimmung heraus. Aufgewühlt und innerlich total angemacht startet Katrin eine Ablenkung in Form eines Telefonats mit ihrem Ehemann. Doch erfolglos.

Der zweite Versuch gilt ihrer Tochter, der mit Erfolg gesegnet ist. Mit lallender Stimme erkundigt sie sich nach dem Wohlbefinden von Kimberly. Sie jedoch liefert nur mürrische Antworten und gibt gleichzeitig zu verstehen, dass Luca wieder irgendwo ist – nur nicht Zuhause.

Entsetzt fragt sich Katrin, wo sich Luca um diese Uhrzeit wieder herumtreibt, beendet das Gespräch und befürchtet dabei so einiges.

»Ich hasse ihn, wenn er es wieder gemacht hat!«, entledigt sich Katrin ihrer Wut und verlässt ihr Zimmer.

Mit enttäuschtem Gesichtsausdruck findet sie allerdings einen menschenleeren Wohnbereich wieder. Und der Blick in die Küche erweist sich ebenfalls als seelenlos. Weiterhin beschwipst und voller Tatendrang schleicht sie durch den Flur zu Isabellas und Fabians Tür – doch einen gierigen Blick wagt sie nicht hinein.

Ihr Herz klopft wild. Ihre Neugierde scheint riesengroß. Denn nicht nur der Gedanke an Gesellschaft tobt kontinuierlich, auch das Interesse am Vermögen von Fabian ist geweckt.

Auf leisen Sohlen betritt sie anschließend Fabians Büro, mit der Hoffnung irgendwelche interessante Zahlen zu erhaschen. Doch aus den auf dem Schreibtisch liegenden Bilanzen wird Katrin nicht schlau. Weiter suchend findet sie Blankobücher in einer Schublade, die allesamt den gleichen Umschlag besitzen.

Leere Bücherseiten? Fragt sie sich, bis sie ein Regal mit denselben Büchern entdeckt, nur, das diese über hundert Stück, diesmal einen beschrifteten Buchrücken sowie gefüllte Seiten besitzen.

Jedes ist gekennzeichnet mit einer anderen Nummer, jedoch demselben Titel: Verewigt.

Beleuchtet wird sie dabei von angenehm warmen Lichtquellen. Mit strahlenden Augen nimmt sich Katrin wahllos das Buch Nr. 147 heraus, um anschließend darin herumzublättern. Sie liest an verschiedenen Stellen hinein und bemerkt, dass diese Verewigt-Bücher wohl eine Art Tagebuch von Fabian sein müssen.

Und dann ist er da, der unumgängliche Drang.

Völlig vertieft in die selbstgeschriebenen Zeilen platziert sich Katrin auf den bequemen Drehstuhl und beginnt eine Reise in Fabians Gedankenwelt.

… Und während ich von meinem Bürofenster aus hinausschaue, sehe ich bereits, wie ihr Wagen an der Einfahrt meines Hotels haltmacht. Die Sonne scheint an diesem Tag besonders hell, doch nach ihrem Ausstieg gleicht diese Atmosphäre eher einer Sonnenfinsternis.

Mit ihren beachtlich großen Brüsten und ihrem wohlgeformten Hintern spaziert sie in ihrer enganliegenden Kleidung den Rosenweg entlang. Dabei drückt sie sich ihre Mappe so sehr an die Brust, als wäre dieser Gegenstand das Heiligste auf der Welt.

Mit dieser Mappe wird sie entscheiden: Wird mein Hotel einen weiteren Stern kassieren oder einen verlieren. Ich bin vorbereitet. Meine Angestellten sind bereits in Position, um Ms. Sour mit Alkohol und Snacks zu empfangen. Ich lasse ihr Zeit, während des Aperitifs die Empfangshalle zu begutachten. Erst gestern habe ich sie neu dekorieren lassen, nämlich mit den verschiedensten Rosen, die die außergewöhnlichsten Farben besitzen.

Heilfroh bin ich, dass sie mir bei ihrer Anmeldung die Wahl gelassen hat, in welchem meiner Hotels wir uns als erstes Treffen. Natürlich entschied ich mich für mein englisches Luxushotel. Somit gewinne ich letztendlich mehr Zeit, um die anderen Hotels für solch einen Besuch herzurichten. Wobei ich sagen muss, wenn mein Plan aufgeht, wird es gar nicht erst so weit kommen, da sie dann nur noch Augen für mich hat.

Nun trage ich nochmal frisches Rasierwasser auf, zupfe mein hautenges Hemd faltenfrei und verlasse mein Büro.

Begrüßt werde ich von Mr. Plumburg und ich muss sagen, er hat mal wieder alle meine Erwartungen übertroffen. In den Korridoren rankt sich das Dornengestrüpp mit blühenden Rosen an den Wänden entlang und beim Einstieg in den Aufzug fällt mir sofort auf, dass der Wasserfall an den Wänden glasklar wirkt. Ich meine zu Mr. Plumburg, falls Ms. Sour doch was zu bemängeln hat, werde ich sie in dem Wasserfall ertränken. Doch Mr. Plumburg grinst daraufhin nur verschmitzt. Ich weiß, ihn hätte es mehr gefreut, wenn er dies erledigen dürfte.

Beim Betreten der Lobby fällt sie dann auf:

Die beachtliche Schönheit von Ms. Sour. Sie strahlt diese Autorität aus – dieses, was habe ich und was hast du.

Wenn ich jetzt nur wüsste, ob sie darauf stehen würde, würde ich nicht mal ein Wort mit ihr wechseln und sie zugleich auf einem meiner Zimmer vernaschen. Allerdings hat sie gerade zu viel Macht über mich, weshalb ich mich erst einmal antasten muss.

Oh, dieser verdorbene Blick mit diesen langen Wimpern, ich verbrenne innerlich, während ich ihren Handrücken küsse und sie herzlich willkommen heiße. Wohl bedacht stelle ich meinen Assistenten vor und anschließend mich. Das in mir gerade alles vibriert zeige ich äußerlich nicht.

Und dann nennt sie ihren Namen und ich bemerke ihren englischen Akzent. Sie erzählt etwas zu ihrer Person und dass sie schon ganz gespannt ist, was sie hier erwartet. Dabei huscht ihr immer wieder mal ein englisches Wort über die Lippen und ich frage mich, ob sie sich damit interessanter machen möchte. Oder liegt es einfach nur daran, dass sie nicht einen so großen Wortschatz in deutscher Sprache besitzt?

Aber egal, ich höre ihr gerne zu und schaue sie gerne an. Puls und Herzschlag in einem, ich bin ihr innerlich verfallen.

Wie sehnlichst ich mir in diesem Moment gerade eine andere Position mit ihr wünsche, doch ich verstehe mein Handwerk und begleite sie in unser hauseigenes Restaurant. Selbstverständlich habe ich unseren besten Tisch im separaten Garten herrichten lassen. Dort ist es unter einer Kuppel besonders feucht und die rosenverzierte Einrichtung ist ein rechter Augenschmaus.

Ich bitte sie, kurz vor dem Eingang dieses Bereiches auf einem Stuhl Platz zu nehmen, damit ich ihre schönen Füße aus ihren extravaganten Schuhen befreien kann. Erkläre währenddessen, dass dieser Bereich nur für besondere Gäste gedacht ist. Doch damit erhalte ich schon meine erste Schelle, denn Ms. Sour gibt zu verstehen, dass sie kein Gast ist und trotz aller Bemühungen das Hotel genaustens unter die Lupe nimmt.

Ich denke nur: Wenn ich jetzt könnte, würde ich deine nackten Füße küssen und jeden Fußzeh einzeln befeuchten. Aber – es ist, wie es ist und ich befreie mich selbst von meinen Schuhen, damit wir gemeinsam barfuß den reservierten Bereich betreten können.

Mich macht es fürchterlich an, diesen Zierrasen unter meinen Füßen zu spüren. Diese grüne Idylle, während hunderte von Rosen um uns herum erblühen.

Doch Ms. Sour schenkt dem Ganzen keine Interesse. Viel lieber platziert sie sich an unseren Tisch und schlägt provokativ ihre Mappe vor sich auf, in der sie Notizen vermerkt. Auf die Frage des Kellners, ob sie die Karte wünscht, beteuert Ms. Sour, sie hätte nur gerne ein Glas Wasser – mehr nicht.

 

Ich lehne mich an den Stuhlrücken, genieße den Ausblick in ihr schönes Dekolleté und denke mir: Das ist eine harte Nuss. Die Verschleierungen für die nächsten Hotels müssen nun doch sicher beginnen, damit die illegalen Räume nicht entdeckt werden können.

Natürlich beantworte ich all ihre Fragen mit ruhiger Stimme, präsentiere mich hochprofessionell und lasse mir keine Anspannung anmerken.

Andere Sternwanderer und Gourmetschmecker waren leichter zu beeindrucken und von den guten Absichten meiner Hotels zu überzeugen.

Wieder frage ich mich: Sie muss doch irgendwelche Sehnsüchte haben, die gestillt werden wollen – Sehnsüchte, die unter der Haut brodeln und einen ganz wahnsinnig machen. Sehnsüchte, für die sie mit Scheuklappen durch meine Hotels geht. Und genau diese verdorbenen Gedanken werde ich finden. Finden und sie anschließend zu dem jeweiligen Hotel führen, in dem sie es ausleben kann.

Immer schweigsam und mit der Mappe in der Hand begutachtet Ms. Sour jede kleinste Ecke dieses Luxushotels und verabschiedet sich am Ende des Tages mit einem Händedruck von mir. Die letzten Worte dieser Göttin: Wir sehen uns in Ihrem nächsten Hotel!

Sicherlich werde ich weiterhin von ihr träumen – von Ms. Sour und ihrer Mappe. …

Weitere Bücher von diesem Autor