Beautiful Lights

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Mit Lisa

„Du machst so große Augen, Lars. Was hast du mit John besprochen?“

„John hat mit seinem Team einen quantenmechanischen Effekt beobachtet. Er fragte mich nach meiner Einschätzung und Interpretation der Ergebnisse. Und er fragte an, ob ich die Diskussion zu einem Paper schreiben mag, das er im Scientific American platzieren will.“

„Kannst du das von hier aus erledigen? Oder musst du zu John fliegen?“

„Das kann ich selbstverständlich auch von Frankfurt aus leisten. Ich bleibe hier.“

„Dann bleibt unser Sommerurlaub fest eingeplant?“

„Ja, Lisa. Wo magst du hin?“

„Ich habe eine Finka auf Mallorca ausgesucht, die ich gern anmieten würde. Sie ist fernab der Touristenströme im Südosten der Insel.“

„Ich bin einverstanden. Du kannst es fest machen. Das wird unser großer Urlaub, bevor du in den Abiturjahrgang einsteigst. Wann willst du los?“

„Übernächste Woche. Wir bleiben volle drei Woche. Und dann beginnt für mich auch schon wieder die Schule.“

„Gut. Sehr gut, Lisa. Bis dahin haben wir unser Paper fertig geschrieben.“

Abstract

Die Grenzen zwischen Informatik, Elektrotechnik und Medizin werden überschritten, seitdem Nano-3D-Drucker vitale neuronale Netzwerke nachbilden, die quantenmechanische Rechenprozesse ermöglichen. Mit einem Quantencomputer der zweiten Generation haben wir einen Einfluss des Rechenwerks auf das Raum-Zeit-Kontinuum beobachten können. Ein Artikel von John Morgan, Andrew Williams und Lars Krönlein, Virginia Science & Technology Campus, George Washington University, Washington D.C.

„Lisa, schau nur, unser Abstract ist fertig.“

„Und der restliche Artikel?“

„Der ist selbstverständlich auch schon fertig. Das Abstract schreibt man erst ganz zum Schluss.“

„Und deine Diskussion?“

„Die Diskussion ist das vorletzte, was man zu Papier bringt.“

„Und womit fängt man an?“

„Mit den Messergebnissen. Messergebnisse sind stets der Anfang jeder naturwissenschaftlichen Arbeit. Sie sind das Herz der Arbeit, sie sind das Fundament, auf dem man seine ganze Schrift aufbaut. Man erklärt, wie und unter welchen Bedingungen man seine Beobachtungen gemacht hat. Und in der Diskussion deutet man die Messergebnisse vor dem Hintergrund des bisherigen Wissens.“

Ich sehe Lisas Interesse. „Danke für den Hinweis. Das werde ich sehr gebrauchen können, wenn ich selbst einmal Medizin studiere und vielleicht eine Dissertation schreibe.“

„Dein Vater wird dir da vielleicht auch hier und da unter die Arme greifen.“

„Ja. Und du hoffentlich auch. Das werde ich sicher brauchen können.“

Mallorquinische Luft

„Urlaubszeit! Das ist jetzt unser Urlaub, Lars!“ Lisa lächelt mich breit an, während wir im Parkhaus neben dem Aeropuerto de Palma de Mallorca in den Mietwagen steigen. Es ist ein offenes Cabriolet. Francis haben wir auf einen Kindersitz im Fond des Wagens gesetzt. Das Fahrzeug fragt mich, ob ich den Wagen steuern möchte, oder ob uns der Bordcomputer an das Ziel unserer Reise führen soll. Ich entscheide mich für den Selbstfahrmodus des Cabriolets. Und schon fährt uns der Wagen aus dem Parkhaus heraus.

„Der Himmel ist hier viel blauer und leuchtender als zuhause, Lisa.“

„Das liegt am Meer. Das Blau des Himmels reflektiert die Farben des Meeres, Lars.“

Francis deutet lachend auf die bunten Windmühlen, die zwischen vereinzelten Palmen am Rand der Schnellstraße nach Manacor an uns vorbeiziehen. In der zweitgrößten Stadt der Insel biegen wir nach rechts in Richtung Calles de Mallorca ab. Die Landstraße wird zunehmend hügelig. Wir passieren Obstplantagen, die von meterhohen Steinmauern auf beiden Seiten der Landstraße eingefasst werden. Dann weist uns ein Schild den Weg nach rechts zur Playa Romantica. Es schließt sich eine kleine Siedlung mit Finkas an. Am Horizont sehen wir im Osten das Meer. Nach Süden schließt sich an die Siedlung das größte Naturschutzgebiet Mallorcas an.

Wir verlassen das Cabriolet und schließen das Tor zum Grundstück auf. Wir öffnen erst die Haustür und dann die vielen sorgsam verschlossenen Fensterläden der Finka. Ich bringe unsere Koffer ins Haus.

„Die Terrasse ist ein Traum. Wir schauen direkt auf das Naturschutzgebiet, Lars.“

Es ist ganz still. Man hört kein Geräusch. Solch eine Ruhe kannte ich bis jetzt gar nicht. Mit einem Mal hören wir das Rascheln von Blättern. Was ist das? „Eine Schildkröte, Papa.“ – Francis deutet mit dem Zeigefinger auf das Tier, das sich seinen Weg durch den Garten bahnt.

Lisa öffnet die Küchenschränke. „Der Vermieter hat für uns eingekauft und alle Schränke gut gefüllt. Jetzt mache ich uns erst einmal einen Kaffee. Und Francis bekommt einen Kakao.“

Francis klatscht vor Freude in die Hände. Dann nimmt er auf einem Schaukelstuhl auf der Terrasse Platz.

Lisa bringt die Getränke auf die Terrasse heraus. Wir setzen uns zu Francis. „Am Nachmittag können wir an den Strand gehen. Wollt ihr?“

„Selbstverständlich.“ Ich nicke und sehe, dass auch unser Junge sich auf den Besuch des Strands freut. „Es ist herrlich. Lisa, das hast du hier gut ausgesucht.“

Morgenstunde

Liebe Lisa,

es ist heute Morgen noch ganz still im Haus. Du schläfst noch. Und Francis auch. Ich nutze die Zeit, um in unser gemeinsames Tagebuch zu schreiben.

Wir hatten gestern einen wundervollen Tag am Strand. Die Bucht ist auf beiden Seiten von Felsen umgeben. Ich liebe die Gischt, die Luft und Wasser in der Brandung schlagen. Selbst wenn man weit ins Meer hinausgeht, ist das Wasser nicht tief. Das ist gut für unseren kleinen Jungen. Wir haben nach dem Baden sogar eine Sandburg gebaut. Mir ist nicht entgangen, wie du uns mit liebevollen Blicken gefolgt bist.

Gestern Abend kam dann noch eine schwere Nachricht bei dir an. Die Eltern von Brian haben sich bei dir gemeldet. Ich vergesse vollkommen, dass eigentlich Brian der Vater von Francis ist. Für mich ist er unser gemeinsamer Sohn. Und so wird es auch immer bleiben.

Brians Eltern haben vor vier Wochen erfahren, dass ihr Sohn mit einem Oldtimer über den Santa Monica Boulevard zum Ocean Drive gefahren ist. Er parkte den Wagen so, dass er den Pazifik sehen konnte. Und dort hat er dann eine Überdosis Vital Kick genommen. Zwei Beamte vom hiesigen Police Department haben ihn bewusstlos aufgefunden. Er hatte bereits nicht mehr geatmet, als sie ihn antrafen. Sie leisteten Erste Hilfe und reanimierten ihn. Brian kam ins Krankenhaus. Dort stellte man fest, dass er sich übergeben hatte und Erbrochenes in seine Lunge gelangt war. Durch den Sauerstoffmangel hat er einen Hirnschaden erlitten. Jetzt hat er ein Locked-In-Syndrom. Er blickt aus seinen Augen, kann sich aber nicht bewegen. Brian kann noch nicht einmal sprechen. Er wird über eine Magensonde ernährt und muss gewindelt werden. Das Pflegepersonal muss ihn mehrfach am Tag in seinem Bett wenden, damit er keine Geschwüre vom Liegen bekommt. Die Ärzte haben gesagt, dass sie nichts mehr für Brian tun können, und dass er entweder in ein Pflegeheim müsste oder seine Eltern ihn nachhause nehmen könnten. Robert und Kate entschlossen sich, Brian zu sich nachhause zu nehmen. Sie haben zwei Pflegekräfte engagiert.

Kate sprach direkt mit Lisa. Sie weinte. Kate sagte, sie schaue ihren Sohn an und wisse nicht, ob er versteht, was sie zu ihm sagt. Seine Augen starrten ganz leer in den Raum.

Du hattest keine tröstenden Worte, als du all das von Kate und Robert erfahren hattest. Ich fühlte, wie schwer das dein Herz machte.

Ich nahm dich nach dem Gespräch in den Arm.

Es scheint eine Ewigkeit her zu sein, dass Brian ein sportlicher, schöner junger Mann war. Dieses Vital Kick hat ihn zugrunde gerichtet. Es ist ein furchtbares Zeug. Drogen sind furchtbar.

Lisa, ich bin immer für dich da. Ich tröste dich.

Getragen

Lieber Lars,

schon vor dem Aufstehen entdeckte ich deinen Tagebucheintrag in unserer Cloud. Danke, dass du für mich da bist, mich trägst und tröstest.

Als wir gestern hier ankamen, war alles so leicht. Das Leben war so ganz ohne jede Schwere. Die Nachricht von Kate und Robert hat das alles schlagartig verändert.

Brian hat sich damals gegen mich und Francis und für die Drogen entschieden. Wie sehr habe ich um ihn gekämpft, doch ich habe ihn nicht retten können.

Schon damals warst du immer an meiner Seite. Du hast mich nie fallen lassen. Du bist mein Mann. Und du bist Francis ein wunderbarer Vater. Lars, ich kann gar nicht in Worte fassen, wie dankbar ich dir bin.

Jetzt höre ich, dass du den Frühstückstisch auf der Terrasse vorbereitest. Ich stehe auf. Ich komme zu dir.

Ausflug nach Valldemossa

Ein neuer Morgen. Ein neuer Tag. Ich decke auf der Terrasse den Frühstückstisch für uns drei. In dem kleinen Laden, der zum Strand hin steht, habe ich frisches Brot gekauft. Und Marmelade, Käse und Orangensaft. Der gedeckte Tisch sieht gut aus. Ich warte auf Lisa und Francis. Unser Kleiner erscheint zuerst.

Ein Teil des Gartens ist schon in das morgendliche Licht getaucht. Es ist noch angenehm frisch. Lisa kommt jetzt auch auf die Terrasse. Sie hat sich eine Strickjacke übergezogen. „Guten Morgen, Liebling.“

 

„Guten Morgen, Lisa. Lass uns essen. Und dann habe ich einen schönen Vorschlag.“

„Du machst mich neugierig.“

„Wir können einen Ausflug nach Valldemossa machen. Der Ort liegt in über vierhundert Metern Höhe im Nordwesten der Insel. Es soll dort aussehen wie im Tessin.“

„Du warst mit deinen Eltern immer gern in Ascona, ich weiß.“

„Also, wir fahren nach Valldemossa, und am Nachmittag können wir nach Port de Sóller weiterfahren. Dort ist ein schöner Hafen.“

„Schiffe!“, ruft Francis aus.

„Ich sehe schon, du hast den Tag schön geplant. Das machen wir.“ Lisa greift nach meiner Hand, die auf dem Tisch liegt.

„Lisa, ich räume alles zurück in die Küche. Und dann fahren wir los.“

Kurz darauf sitzen wir drei im Cabriolet und fahren zurück in Richtung Manacor, dann in Richtung Palma. In Höhe des Flughafens geht es in den Norden. Es wird bergig. Die Landschaft wirkt tatsächlich wie in der Schweiz. Und auch die Häuser wirken so. Ich schaue meine kleine Familie an. Die beiden lieben den Ausflug auch. Nach einer letzten scharfen Linkskurve geht es in den Ort hinein. Das Cabriolet sucht sich einen freien Parkplatz im Zentrum der Stadt.

„Frédéric Chopin hat hier in Valldemossa einmal einen Winter verlebt und hat hier auch viel komponiert, Lisa.“

– „Ja. Chopin. Ich liebe seine Préludes.“

„Ich weiß, Lisa.“

„Ich fühle mich phantastisch. Das ist ein wundervoller Tag heute, Lars.“

In einem Restaurant in der Fußgängerzone kehren wir ein und essen einen Salat und trinken ein Wasser. Francis bekommt auch ein Eis.

Mit unserem Auto fahren wir weiter über eine Bergstraße, die einen atemberaubenden Blick auf das Meer freigibt. Viele Serpentinen bestimmen die hoch gelegene Straße, die nach und nach auf das Meeresniveau hinabführt. Dann treffen wir in Port de Sóller ein. Als erstes fällt uns eine klassische Holzstraßenbahn auf, die am Ufer entlangfährt. Wir finden ein schönes Restaurant mit Blick auf den Hafen und bestellen uns Pasta.

„Papa, das ist toll hier. Und die vielen Schiffe…“, Francis lächelt mich an. Und ich streichele sein Haar. Mir entgeht nicht, wie liebevoll Lisa mich und Francis anschaut.

Neuigkeiten von John

Mein Messenger am Handgelenk flasht. Ich nehme das Gespräch entgegen, und sofort erscheint Johns Avatar ganz vertraut als Hologramm über meinem Handgelenk. Ich frage ihn gleich nach unserer Publikation.

John stockt. Dann antwortet er zögerlich. „Unser Paper liegt noch zum Peer Review bei einem Gutachter, den Scientific American hinzugezogen hat.

„Dann wird die Welt noch ein Paar Tage auf unsere Entdeckung warten müssen, John.“

„Eine New Yorker Arbeitsgruppe hat eine Publikation in Nature veröffentlicht. Sie erschien gestern. Sie beschreibt Ergebnisse, die mit unseren Beobachtungen identisch sind, Lars.“

„Da haben sie zeitgleich mit uns geforscht?“

„Ja. Offensichtlich.“

„Dann bekommen wir also nicht den Ruhm für die Erstentdeckung dieses quantenmechanischen Phänomens?“

„Nein, Lars. Die Trophäe geht an McCarthys Arbeitsgruppe in New York.“

„Wird Scientific American unseren Artikel dann überhaupt noch drucken?“

„Ich kann es nicht sagen. Die Messergebnisse und auch die Diskussion sind unserem Paper zu ähnlich, glaube ich. Es kann sein, dass unsere Arbeit unveröffentlicht bleibt. Aber ich frage nochmal bei Scientific American nach. Ich melde mich wieder.“

Wir beenden das Gespräch.

Lisa schaut mich an. „Das klingt jetzt aber gar nicht gut. Kann man in Erfahrung bringen, bei wem euer Paper zum Peer Review auf dem Tisch liegt und versauert?“

„Peer Reviewer sind immer das bestgehütete Geheimnis der Journals. Die Editors-in-Chief geben keine Namen preis. Da kann man nichts machen. Wir werden es nicht erfahren.“ Ich schaue auf die Abendsonne, die sich hinter dem Bergrücken senkt. „Alle Ehre, aller Ruhm gehen jetzt nach New York.“

„Das tut mir leid, Lars.“

Rückflug

Liebe Lisa,

unser schöner Sommerurlaub auf Mallorca ist zu Ende, und wir sind jetzt auf dem Rückflug nach Frankfurt. Es war eine wundervolle Zeit mit dir und Francis. Nächste Woche geht für dich die Schule los. Und ich werde alles tun, um dir das Lernen leicht zu machen. Und wenn alles gut geht, dann bekommst du schon im nächsten Jahr zum Wintersemester 2041/2042 einen Studienplatz in Medizin.

Ich fühle mich als Hausmann ganz gut. Und ich werde dazu auch das Kochen lernen. Ich werde dich richtig verwöhnen, du wirst schon sehen.

Lisa, ich liebe dich über alles.

Küchengespräch

Heute hat für Lisa das letzte Schuljahr begonnen. Ich bereite für uns drei das Mittagessen vor. Es gibt Frankfurter Schnitzel mit Grüner Sauce und gekräuterten Butterkartoffeln. Dazu habe ich eigens einen Mix aus den sieben Kräutern – Boretsch, Kerbel, Kresse, Petersilie, Pimpinelle, Sauerampfer und Schnittlauch – besorgt. Die Kräuter werde ich mit saurer Sahne, mittelscharfem Senf und etwas Rotweinessig anmischen.

Die Wohnungstür wird geöffnet. Das muss Lisa sein. Ja. Sie ist es. Francis rennt ihr gleich entgegen und streckt ihr seine Arme entgegen.

„Hallo Lars. Hier riecht es schon so gut. Was gibt es? Gibt es Schnitzel mit Grüner Sauce?“ Lisa stellt ihre Tasche an der Garderobe ab, hebt Francis nach oben und kommt zu mir in die Küche.

„Genau. Du hast es erraten.“ Ich gebe Lisa einen Kuss.

„Lars?“

„Ja, Lisa?“

„Ich habe heute nochmal über euer Paper nachgedacht. Ich habe verstanden, dass der Editor-in-Chief euch den Namen des Gutachters im Peer Review nicht nennen wird. Aber wie wäre es, wenn John ihn nicht nach einem Namen fragt – sondern stattdessen einen Namen nennt?“

„Welchen Namen soll er denn da nennen, Lisa?“

„McCarthy, New York.“

„Wie bitte?“

„Ja. McCarthy. Mir kam der Gedanke, dass McCarthy der Peer Reviewer sein könnte.“

„Das wäre ja ein Skandal. Also, Lisa – ich weiß nicht so recht.“

„Sprich doch mal mit John darüber. Am besten ruft gleich der Dekan, Professor Williams, beim Scientific American an.“

„In Washington ist es jetzt 9.00 Uhr morgens. John hält gerade seine Vorlesung für das Erstsemester. Ich spreche ihm eine Nachricht auf die Mailbox. Ich kann ihn jetzt nicht stören.“ Ich greife nach meinem Handgelenk. Ich spreche die Nachricht, die mein Avatar John vorlesen wird, sobald er seinen Messenger nach der Vorlesung wieder einschaltet. Dann wende ich mich wieder der Mahlzeit zu: „Das Essen ist gleich fertig. Setzt euch schon einmal an den Tisch.“

Lisa und Francis nehmen an dem großen Esstisch vor der Fensterfront mit Blick auf die Frankfurter Skyline Platz. Ich trage die drei Teller zum Tisch.

„Lars?“

„Ja?“

„Du bist ein wundervoller Koch, ein wundervoller Mann und ein erstklassiger Liebhaber.“

„Liebhaber“, wiederholt Francis, „ich habe Papi auch lieb.“

„In dieser Reihenfolge, Lisa?“

Lisa grinst über ihr ganzes Gesicht. „Ja. Und bevor du mich fragst: Ja, ich meine das in aufsteigender Reihenfolge.“

Ich muss lachen. „Gut, dass du sagst, dass ich besser liebe als koche.“

Und Lisa lacht nun auch.

Wir essen weiter.

Gewissheit

Am Nachmittag meldet sich John: „Andrew hat mit dem Editor-in-Chief gesprochen. Er rief als Dekan und Mitautor des Papers beim Scientific American an. Er nannte den Namen. McCarthy. Ganz verdutzt bestätigte ihm der Editor-in-Chief unsere Vermutung.“

„Und jetzt?“ Ich bin außer mir und suche nach Worten.

„Wir können nichts machen. McCarthy hat parallel zu seiner Publikation bereits eine Presseerklärung herausgegeben. Die Welt sieht in ihm den Entdecker des quantenmechanischen Effekts.“ Johns Verärgerung schwingt deutlich in seiner Stimme mit.

„Dann müssen wir es das nächste Mal auch so handhaben. Wir werden bahnbrechende Neuentdeckungen sofort auch mit einer Presseerklärung ankündigen.“ Ich beiße mir auf die Lippen.

„Es ist fraglich, Lars, ob wir jemals wieder solch eine große Entdeckung machen werden. Aber sie haben Recht. Aus der Sache müssen wir lernen. Nur in dieser Angelegenheit können wir nichts mehr machen. Wir müssten zu viel Schmutz aufwirbeln, wenn wir nun McCarthys Plagiat aufdecken würden. Und weil McCarthy Obergutachter im National Board für die Verteilung staatlicher Forschungsmittel ist, dürfen wir es uns mit ihm nicht verderben.“

„Das ist unlogisch.“

„Das ist Hochschulpolitik, Lars.“

„Ach.“ Mir sinken enttäuscht die Schultern herab. Das war heute keine gute Nachricht. Und Lisa hatte für alles ein Näschen.

Das einfache Leben

Liebe Lisa,

nun ist das Schuljahr für dich schon weit vorangeschritten und Weihnachten steht bald vor der Tür. Deine Anspannung vor dem Abitur wächst von Tag zu Tag. Das Lernpensum ist immens. Du liest viel.

Und ich bin glücklich, dass ich für uns den Haushalt und unseren Sohn versorge. Ich bin froh, dass ich alle Arbeit von dir fernhalten kann.

Unser einfaches Leben besteht aus der Aneinanderreihung belangloser Banalitäten. Und doch entdecke ich gerade darin eine große Geborgenheit und Wärme. Ich bin sicher bei dir. Und du bist sicher bei mir.

Lisa, du wirst eine gute Ärztin werden. Da bin ich mir gewiss. Wie dein Vater.

Sag mir, wenn ich mehr für dich tun kann.

Weihnachten mit Papa und Heidi

Wir gehen zusammen mit Papa und Heidi über den Eisernen Steg zur Alten Nikolaikirche. Wieder liegt Schnee auf der Brücke. Die Lichter der Großstadt funkeln herrlich über uns.

„Papa, das ist wie damals, als wir das erste Mal ohne Mama zur Christvesper gegangen sind.“

„Ja, Lars. Ich erinnere mich gut. Damals war der Weihnachtsbaum auf dem Römerberg besonders prächtig.“

„Ich denke noch oft an Mama.“

Ich sehe, wie Papa nickt. Auch er hat Mama nicht vergessen. Jetzt sind es schon sieben Jahre, dass sie nicht mehr da ist. Wie doch die Zeit vergeht. Da geht mir auf, wie lange ich schon nicht mehr an ihrem Grab auf dem Südfriedhof war. Ich weiß, dass Papa das Grab von einem Gärtner pflegen lässt. Aber wie es jetzt aussieht? Ich habe keine Ahnung. Mir wird für einen kleinen Moment das Herz schwer.

Francis läuft zwischen mir und Lisa und hält uns an den Händen. „Papa“, sagt er zu mir. Ich glaube, er merkt, dass ich traurig bin. Er drückt meine Hand ganz fest. Wir erreichen die Kirche. Pastor Albert predigt heute. Er spricht davon, wie Gott die leere Krippe mit seinem Sohn füllt. So füllt er auch unser leeres Leben mit ihm. Ja. Darauf vertraue ich fest.

Danach gehen wir zu Papa und Heidi nachhause. Papa hat einen Weihnachtsbaum gekauft und mit Heidi wundervoll geschmückt. Francis steht vor dem Baum und freut sich über den prachtvollen Anblick.

„Ich habe Gänsekeulen, Knödel, Maronen und Sauce eingekauft. Ich bekoche euch heute Abend.“ Papa bekommt tatsächlich wieder ein gutes Weihnachtsessen hin.

Ich bin glücklich, dass ich Papa noch habe. „Es riecht schon ganz vielversprechend.“

Ein längliches, rot verpacktes Geschenk liegt unter dem Weihnachtsbaum. Es fällt sehr ins Auge. Das müssen Papa und Heidi für Francis gekauft haben. Aber unser Kleiner muss noch warten. Erst wird das Essen serviert. Es schmeckt köstlich. Papa reicht einen leichten Rotwein zum Essen.

„Ich hoffe, wir feiern noch viele Weihnachten zusammen“, Papa hebt das Glas. Wir stoßen gemeinsam an. Francis hat einen roten Traubensaft in seinem Glas. Bevor ich mir einen Nachschlag auftun lasse, erlaubt Heidi, dass Francis sein Geschenk öffnet.

Francis öffnet das Geschenkpapier. „Was ist das?“

Lisa beugt sich zu ihm herab. „Oh. Das sind Buntstifte. Zweihundert Stück. In allen Farben. Schau nur Francis, wie schön die Farben sind. Der ganze Regenbogen ist vertreten.“

„Was macht man damit?“ Francis schaut fragend in die Runde.

„Du kannst damit auf Papier malen.“

Francis zieht die Augenbrauen nach oben. „Und wie speichert man das ab?“

 

„Das Bild bleibt auf dem Papier. Deine Zeichnung bleibt auf dem Papier gespeichert.“ Ich lächele. Er kennt bis jetzt nur das Malen auf dem Medienboard. Gut, dass sich das mit diesem Geschenk ändert.