Kommunikationswissenschaft

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Tatsächlich weist der Reuters Digital News Report (Gadringer/Holzinger/Sparviero/ Trappel/Gómez Neumann 2020) auf die steigende Relevanz sozialer Medien für die News-Rezeption hin: So nennen in Österreich 11,3 % der (repräsentativ) Befragten Personen soziale Medien als ihre Hauptnachrichtenquelle; in der Gruppe der 18- bis 24-Jährigen sind es bereits 36 % die sich hier zuordnen. Ob und inwieweit man dabei dennoch auch in Zukunft – wie weiter oben erwähnt – die Nachrichtenquelle beachtet oder sogar gezielt ausgewählte Medienmarken im Netz aufruft (Hölig/Hasebrink/ Behre 2020), lässt sich aktuell nicht vohersagen.

•Insgesamt mutiert die Plattform-Öffentlichkei zu einer semiprivaten bzw. semiöffentlichen Sphäre (Klinger 2018), die Microtargeting ermöglicht. Dabei handelt es sich um ein extrem passgenaues personalisiertes Ansprechen von Zielgruppen, das insbesondere in der Wahlwerbung nicht unumstritten ist (Gorton 2016). Im Kontext des US-Präsidentschaftswahlkampfs (2015/16) von Donald Trump ist Microtargeting durch den Cambridge Analytica-Datenskandal36 in die Schlagzeilen geraten und damit einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden ist (Wylie 2019). Speziell für Wahlauseinandersetzungen resultiert daraus eine demokratiepolitisch hochbrisante Problematik: Wenn stark individualisierte Botschaften für kleinteilig ausdefinierte Zielgruppen generiert und nur an diese ausgespielt werden, dann ist die Chance einer breiten öffentlichen Wahrnehmung dieser Inhalte gleichsam verunmöglicht und die watchdog-Funktion einer kritischen Öffentlichkeit bzw. eines kritischen Journalismus ist blockiert.

Ein Zwischen-Fazit zum stattfindenden digitalen Strukturwandel der Öffentlichkeit fällt somit ambivalent aus: Einerseits ist die Plattformisierung eine Gefahr für die journalistischen Informationsmedien – für ihre Gatekeeper-Funktion und ihre Qualitätsstandards, damit stehen negative Auswirkungen auf den öffentlichen Diskurs im Raum. Andererseits haben zivilgesellschaftliche Akteure bessere Artikulationschancen und einen (potenziell) größeren Resonanzraum zur Verfügung als jemals zuvor. Das bedeutet eine Stärkung der Meinungsäußerungsfreiheit, aber auch der damit angesprochenen Probleme.

Die Entwicklung geht jedenfalls weiter und – das wusste schon Karl Popper – die Zukunft ist offen.

Zweites Fazit: Das Netz ergänzt die Massenkommunikation – aber es ersetzt sie nicht

Es lässt sich also resümieren: Massenkommunikation „beschreibt nur noch einen Teil der medial vermittelten, öffentlichen Kommunikation“ (Neuberger 2017: 564). Das Internet und die damit verbundenen kommunikationstechnischen Innovationen haben zusätzliche attraktive Möglichkeiten für öffentliche Kommunikation hervorgebracht. Das Social Web hat zu neuen digitalen Öffentlichkeiten geführt, aber der klassische Massenkommunikationsprozess ist bislang nicht ersetzt worden – im Gegenteil: Alle einschlägigen Todesanzeigen waren schlicht Fehlanzeigen.

Warum ist das so? Bleibt die moderne, digitalisiert-vernetzte Gesellschaft möglicherweise doch auf die etablierten massenmedialen Strukturen angewiesen?

Aus analytischer Perspektive ist diese Frage mit einem klaren JA zu beantworten. Im virtuellen Raum zerfällt das traditionelle Publikum (der Massenmedien) nämlich „in eine riesige Anzahl von zersplitterten, durch Spezialinteressen zusammengehaltenen Zufallsgruppen“ (Habermas 2008: 162). Was dort bislang fehlt, das sind „die funktionalen Äquivalente für die Öffentlichkeitsstrukturen, die die dezentralisierten Botschaften wieder auffangen, selegieren und in redigierter Form synthetisieren“ (ebd.).

Genau dies leisten die traditionellen, publizistischen Massenmedien, „sie bilden quasi den institutionellen Kern“ (Wimmer 2007: 43) der modernen Öffentlichkeit. Ihr zentraler Stellenwert ergibt sich zuallererst daraus, dass sie als Institutionen in der modernen Gesellschaft auf Dauer etabliert sind. Dadurch werden sie „sowohl von den an der Vermittlung von Themen interessierten gesellschaftlichen Akteuren wie von den Rezipienten als eine Einheit wahrgenommen. Erst die Kopplung zwischen einer Mitteilung und einer Medienorganisation und deren Publikation verleiht dieser Mitteilung gesamtgesellschaftliche Relevanz“ (Jarren 2008: 334) und auch eine entsprechende hohe Glaubwürdigkeit – dies gilt in erster Linie für Leitmedien37 wie den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sowie für ausgewählte Printmedien aus dem Segment der Qualitätspresse (Breunig/Eimeren 2015, Gleich 2017, Schultz/Jackob/Ziegele/Quiring/Schemer 2017). Und dies gilt außerdem sowohl für deren jeweilige Offline- bzw. Druckversion als auch ihren Online-Auftritt (Puchleitner 2017).

Der Fragmentierungsthese von Habermas, mit der er das Fehlen der „funktionalen Äquivalente für die Öffentlichkeitsstrukturen“ (Habermas 2008: 162) im Internet beklagt, ist daher wenigstens zum Teil zu widersprechen (vgl. dazu näher auch Neuberger 2009a: 19 ff.): Längst sind dort ja ohnehin die traditionellen, publizistischen Massenmedien zuhauf mit ihren jeweiligen Online-Auftritten präsent und es ist nicht auszuschließen, dass sich in Zukunft weitere online-basierte publizistische (Massen-)Medien herausbilden werden.

Wenngleich soziale Medien kontinuierlich relevanter werden. Das machen Daten am Beispiel des Nachrichtenkonsums erkennbar. So zeigt eine Spezial-Auswertung des Reuters Digital News Reports (2020) für Österreich38, dass ältere Befragte beim Konsum von Nachrichten eher auf traditionelle Nachrichtenquellen zurückgreifen, während jüngere Menschen vermehrt soziale Medien als Hauptnachrichtenquelle angeben (18- bis 24-Jährige zu 68,5 % und 25- bis 34-Jährige zu 63,2 %). Soziale Medien sind bekanntlich Plattformen, die (in der Regel) zu anderen (publizistischen) Medien verlinken. Ältere Daten aus der österreichischen Twitter-Szene (Maireder 2012) zeigen, dass bis zu 74 % aller Links aus Tweets zu redaktionellen Inhalten der traditionellen publizistischen Medien führen, häufig finden sich auch Links zu Presseaussendungen der nationalen Nachrichtenagentur/APA39 (ebd.). Der (mittlerweile legendäre) Ausspruch eines US-amerikanischen College-Studenten „If the news is that important, it will find me“ (Stelter 2008/03/27) trifft somit den Informations-Nerv der Internet-Generation – wenngleich mit nicht ganz unproblematischen Folgen, was die demokratisch wünschenswerte politische Informiertheit betrifft (ausführlich dazu: Gil de Zúñiga/Weeks/Ardèvol-Abreu 2017).

In diesem Zusammenhang ist das Phänomen News-Avoidance erwähnenswert: Als News-Avoider gelten Menschen, die willentlich die Rezeption von Nachrichtenangeboten verweigern. Erstmals typisiert wurde diese Gruppe im Reuters Digital News Report (Newman 2017). Der Anteil an Mediennutzer·innen, die News-Avoidance betreiben, ist am höchsten in den USA (41 %), gefolgt von Italien, UK, Frankreich und Spanien, Österreich liegt (mit 30 %) im oberen Mittelfeld, den niedrigsten Anteil haben Däenemark (15 %), Finnland (17 %) und Norwegen (21 %).40 Als eine der Ursachen gilt die Abnahme der sogenannten „duty to keep informed“-Einstellung (McCombs/Poindexter 1983; zit. nach Jandura 2020: 51) – vermutlich auch deshalb, weil sich (wie soeben erwähnt) infolge der digitalisierungsbedingten Vervielfältigung des medialen Angebots viele Menschen sicher zu sein scheinen, dass eine wichtige Nachricht schon irgendwie zu ihnen gelangen würde. Und sie gelangt tatsächlich immer häufiger über Soziale Medien zu ihnen – speziell wenn es sich um die jüngere Bevölkerungsgruppe handelt (Grossegger 2020). Die Diskussion darüber, inwiefern Personen, die sich im Zustand einer unterdurchschnittlichen Versorgung durch den Informationsjournalismus – also in einer Art News Deprivation – befinden, eine Bedrohung für unsere digitalisierten Gesellschaften sind, insbesondere für die demokratisch organisierten, wird in Zukunft sicher noch intensiv zu führen sein.

Eng damit verbunden scheint eine in den letzten Jahren wachsende Intensität negativer Einstellungen gegenüber klassischen journalistischen Medienangeboten zu sein. Diese neue Medienfeindlichkeit (Schindler/Fortkord/Posthumus et al. 2018) besteht im Wesentlichen in der „Vorstellung eines unmoralischen, gleichgeschalteten und manipulativen Mediensystems“ (ebd.: 296). Ein Zusammenhang mit populistischen Einstellungen (der Idee eines „guten“ Volkes und einer „bösen“ Elite) sowie mit der selektiven Nutzung alternativer Medien im Netz lässt sich nachweisen. Die Mainstream-Medien werden als Lügenpresse verunglimpft, die Fake News verbreiten.41

Im internationalen Vergleich zeigt sich überdies, dass man am Netz, insbesondere an den sozialen Medien zwar die nachrichtenbezogene Quellenvielfalt sehr schätzt; allerdings realisieren die Nutzer·innen zugleich auch die Gefahr, „wichtige Informationen oder gegenteilige Meinungen zu verpassen“ (Hölig/Hasebrink 2016: 547). Kurzum: Soziale Netzwerke stellen für die meisten Internetnutzer·innen lediglich „eine von mehreren Nachrichtenquellen“ (ebd.) dar. Man darf also nicht übersehen, dass „sich der größte Teil der Bevölkerung weiterhin im Wesentlichen aus journalistischen Angeboten informiert“ (ebd.) und dass gerade die jüngeren Zielgruppen die Inhalte der klassischen Medien immer häufiger online aufsuchen (Puffer 2016).42 Auch neuere Daten deuten in diese Richtung: Vor allem für den Nachrichtenkonsum wird für den Bevölkerungsdurchschnitt immer noch eine deutliche Nutzung der Angebote etablierter Medienmarken erkennbar (ARD/ZDF 202043, Hölig/Hasebrink/Behre 2020).

Der zentrale Stellenwert der traditionellen, publizistischen Massenmedien hängt aber v. a. auch damit zusammen, dass sie sich von anderen Organisationen, die ebenfalls Themen für die öffentliche Kommunikation bereitstellen (wie politische Akteure, Kulturorganisationen, Unternehmen oder auch Corporate-Publishing-Produkte) elementar unterscheiden: Sie können sich „glaubwürdig als Intermediäre ausflaggen“, weil sie „eine gesellschaftlich vermittelnde Funktion wahrnehmen“ (Jarren 2009: 3). Gerade als Intermediäre erbringen publizistische Medien elementare Vermittlungsleistungen zwischen Staat und Gesellschaft44: „sie bieten sich als Organisationen für das Zeitgespräch an, sie organisieren und moderieren Foren und sie laden zum Dialog ein“ (ebd.). Publizistische Medien, die so agieren, kann man daher als „intersystemische Organisationen“ (Jarren 2008: 342) begreifen, weil sie „eine hochgradig institutionalisierte Vermittlungsrolle für alle Akteure der Gesellschaft“ (ebd.) übernehmen.

 

Damit tun sie aber genau das, was den zersplitterten, durch eine Unzahl von jeweiligen Spezialinteressen zusammengehaltenen Zufallsgruppen auf diversen Social-Media-Plattformen abgeht: Sie richten den Blick aufs Ganze, indem sie verschiedene (auch widersprüchliche) Momente gesellschaftlicher Entwicklungen recherchieren, selektieren und kommentieren und so die „Unterstellung universeller Informiertheit“ (Luhmann 1981: 314) erzeugen. Das Wissen um ihre hohen Reichweiten führt beim Rezeptionsprozess außerdem dazu, dass man das „Bekanntsein des Bekanntseins“ (Luhmann 1996: 43) voraussetzen kann, d. h., jede·r Einzelne kann davon ausgehen, dass er·sie die publizierten Themen auch bei allen (jedenfalls: bei sehr vielen) anderen als bekannt unterstellen kann. Das verschafft den publizistischen Medien (insb. den Leitmedien) eine herausragende Stellung, die dazu führt, dass man in sozial unsicheren Situationen zu ihnen wechselt und ihnen auch bei der Überprüfung von Informationen besondere Beachtung schenkt (Jarren 2008: 335). Insgesamt ermöglichen die publizistischen Medien durch diese „Bereitstellungsleistungen eine gesamtgesellschaftliche Koordinierung. Das ist zwar nicht ihr Ziel, wohl aber das nicht intendierte Ergebnis der Medienleistungen – und darauf sind die einzelnen Gesellschaftsmitglieder angewiesen“ (Jarren 2009: 1, vgl. auch: Altmeppen/Donges/Künzler [u. a.] 2015).

Alles in allem wird deutlich, dass der Prozess der Massenkommunikation, wie er vorhin (Kap. 5.1) ausführlich besprochen und definiert worden ist, auch zu Beginn des dritten Jahrtausends noch nicht ausgedient hat. Erst wenn sich die Diffusion von Information in unseren Gesellschaften so sehr gewandelt haben sollte, dass publizistische Medien obsolet geworden sind, erst dann wird auch von Massenkommunikation nicht mehr sinnvoll die Rede sein können.

Auch wenn dafür bislang, wie gezeigt werden konnte, sowohl empirische Hinweise als auch angemessene Argumente fehlen, so bedeutet dies freilich nicht, dass medial vermittelte, öffentliche Kommunikation auch in Zukunft vorrangig als Massenkommunikation im traditionellen Sinn in Erscheinung treten wird. Neuberger (2017) hat darauf hingewiesen, dass sich neue Variationen im Internet längst anbahnen: Neben dem dispersen Publikum der Massenmedien nennt er additive und kopräsente Kollektive als zwei neue Typen von unorganisierten Kollektivphänomenen im Internet, bei denen die Interaktion einer Vielzahl von Akteuren möglich ist. Darauf wird weiter unten (Kap. 7.8) noch näher eingegangen.

In den nächsten beiden Kapiteln dieses Buches soll jedenfalls die Bedeutung von Massenkommunikation aus individueller und gesellschaftlicher Perspektive auf Basis bisher vorliegender, relevanter (kommunikations-)wissenschaftlicher Befunde zum Thema gemacht werden.

–Im Kapitel 6 geht es um die Frage der Wirkung jener Aussagen, die über Massenkommunikation an eine unübersehbar große Zahl von Menschen vermittelt werden.

–Im Kapitel 7 stehen sodann die Strukturen der modernen Kommunikationsgesellschaft im Mittelpunkt.

Freilich wird dies alles abermals – soweit, wie möglich – mit Blick auf die Ausbreitung des Internets und die damit verbundenen kommunikationstechnischen Innovationen geschehen, denn eines steht fest: Sowohl interpersonale als auch massenmediale Kommunikationsprozesse können heute und in Zukunft ohne die Existenz der wohl bald den gesamten Globus umspannenden, internetbasierten Infrastruktur nicht mehr angemessen betrachtet und analysiert werden.

1Die Zahl der Radio- und TV-Sender (insb. privatwirtschaftlich organisierter) hat sich vervielfacht, über Kabel und Satellit sowie online sind rund um die Uhr diverse Spartenkanäle zu empfangen und auch im Printbereich ist eine unermessliche Fülle an Special-Interest-Produkten entstanden.

2Als Urheber gelten der Radiopionier und Gründer der National Broadcasting Company (NBC) David Sarnoff (Peters/Simonson 2004: 9), aber auch Harry P. Davis, damals Vice President des Elektrokonzerns Westinghouse, der die Wortkombination 1930 in einem Buch über das Radio (Davis 1930) verwendete.

3Überdies ist das Publizieren heute längst nicht mehr den altbekannten Gatekeepern (in Print-, Radio- und TV-Redaktionen) vorbehalten – wenngleich Behauptungen wie „Wir alle sind zu Publizisten geworden“ (Humborg/Nguyen 2018: 1) doch mehr als gewagt erscheinen (zur Gatekeeper-Forschung vgl. näher Kap. 7.3).

4Interaktion ist – wie weiter oben (Kap. 2.3) gezeigt wurde – ein schillernder Terminus. Im vorliegenden Kontext sei darauf hingewiesen, dass Interaktion hier (im Anschluss an Neuberger 2007a) als Prozess und Interaktivität „als Potenzial von Einzelmedien und Kommunikationssituationen“ (ebd.: 42) begriffen wird. Zur Differenzierung derartiger Interaktivitätspotenziale (auch: Interaktivitätslevels) siehe außerdem: Goertz 1995, Rössler 2003.

5Rusch (2003) hat diese Idee (allerdings ohne expliziten Bezug auf Kob) sogar noch radikalisiert: Er plädiert angesichts neuer Verständigungsverhältnisse in der Mediengesellschaft überhaupt für eine Entkoppelung von Kommunikation und Rezeption und schließlich sogar (ein wenig vom Konstruktivismus inspiriert – vgl. dazu Kap. 7.6) für eine Revision bzw. „Dekomposition des Kommunikationsbegriffs“ (ebd.: 153).

6Zur Differenzierung von „situationsbezogenem“ und „inhaltsbezogenem“ Interesse kommunikativen Handelns vgl. oben Kap. 2.

7Publizität gilt als eines von vier Gattungsmerkmalen der Zeitung neben Periodizität (regelmäßiger Erscheinungsrhythmus), Aktualität (Bezug zu gegenwärtigen Ereignissen) und Universalität (kein Thema ist ausgenommen) (Wilke 2009: 50 f.). Näher dazu, auch kritisch: Averbeck 1999, Merten 1973, 1999. Vgl. dazu auch Luhmann (1981: 320), der die „Beteiligung aller an einer gemeinsamen Realität“ bzw. die „Erzeugung einer solchen Unterstellung“ (ebd.) als eine zentrale Funktion von Massenkommunikation begreift.

8Davon zeugt eindrucksvoll, dass Public Relations (Öffentlichkeitsarbeit) nicht nur ein boomendes Berufsfeld, sondern auch eine kommunikationswissenschaftliche Teildisziplin geworden ist (vgl. dazu stellvertretend: Röttger/Kobusch/Preusse 2018).

9Unter einer „Maxime“ versteht Kant das jeweils subjektive Prinzip des Handelns.

10Zu publizistischen Medien siehe ausführlich weiter oben (Kap. 2.4.2).

11Der Begriff Publizistik als Bezeichnung für „jegliche Art der Veröffentlichung“ geht auf Karl Jäger (1926: 67) zurück (näher dazu: Pürer 2014: 37 f.).

12Insb. in Teil III seiner penibel edierten Aufsatzsammlung kontrastiert Wolfgang Duchkowitsch (2014: 117 ff.) die publizistischen Repressionen im Absolutismus mit Aktivitäten emigrierter Publizisten in der Metternich-Ära des 19. Jhdts. Teil IV (ebd.: 249 ff.) gewährt dann beispielhafte Einsichten in das Korsett der Medienpolitik des Austrofaschismus der 1930er Jahre.

13Peters (1994: 51 ff.) weist darauf hin, dass eine derartige Rollenverteilung schon in größeren Versammlungen unvermeidlich ist und zu einer unumgänglichen „Asymmetrie von Sprecher- und Hörerrollen“ (ebd.) führt. Er erkennt außerdem bereits zu einer Zeit, in der das Internet noch in den Kinderschuhen steckt(!), dass auch „interaktive Medien“, die jedem·jeder Empfänger·in von Botschaften die Möglichkeit einer unmittelbaren Reaktion erlauben, „an diesem Problem gar nichts ändern“ würden: „Die Anzahl der aktiven Kommunikationsteilnehmer und die Zahl der Botschaften würde steigen, aber dies müsste unvermeidlich dazu führen, dass der durchschnittliche Empfängerkreis jeder einzelnen Botschaft (bei gegebenem Zeitbudget) kleiner würde“ (Peters ebd. 52).

14Ob von „Medialisierung“ oder von „Mediatisierung“ gesprochen werden soll, ist strittig (vgl. dazu sowie ausführlich zur gesamten Thematik: Steinmaurer 2016).

15Längst sind nicht nur politische Parteien, sondern auch viele Unternehmen zu Kommunikationsinstitutionen (mit Presse- bzw. Medien-, Unternehmens- oder Konzernsprecher·innen) geworden. Unsere Gesellschaft scheint sich auf „das Leitprinzip der Massenmedien – Publizität – und die spezialisierte Logik ihrer Herstellung“ (Marcinkowski/Steiner 2010: 51) fixiert zu haben.

16Der Begriff geht auf den amerikanischen Soziologen Erving Goffman (1971) zurück. Er fragt nach der einfachsten Struktur von Öffentlichkeit und erkennt: Jede zweite Person macht aus einem einsamen Individuum und sich selbst bereits eine Zusammenkunft (encounter) – zit. n. Merten 1999: 219. Gespräche bei kleineren Zusammenkünften in den Arbeiterkneipen dienten bereits im Kaiserreich (vor dem Ersten Weltkrieg) speziell beauftragten Beamten dazu, die Stimmung der arbeitenden Bevölkerung einzufangen und zu protokollieren (vgl. Evans 1989).

17So hat z. B. das deutsche Bundesverfassungsgericht die Fernsehberichterstattung bei Gerichtsverhandlungen mit der Begründung eingeschränkt, dass die Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege (insb. die ungestörte Wahrheits- und Rechtsfindung) bei einer unbegrenzten Öffentlichkeit der Verhandlungen gefährdet wäre (Neidhardt ebd.).

18Kriesi (1994: 239 ff.) merkt an, dass Habermas allerdings noch von einem die Medienbotschaft eher passiv rezipierenden Publikum ausging; diese Vorstellung ist jedoch heute überholt. – Das nachfolgenden Kap. 6 (Wirkungsforschung) liefert dazu vielfach Belege.

19Vgl. Kleinen-von Konigslöw (2010), die detaillierte empirische Befunde dazu am Beispiel der wiedervereinten deutschen Öffentlichkeit erhoben hat.

20Die gewaltsame Zerstörung der New Yorker Zwillingstürme durch terroristische Attentäter am 11.09.2001 lassen sich infolge der medialen Live-Präsenz vor Ort als das erste welthistorische (man könnte auch sagen: weltöffentliche) Ereignis im engeren Sinn begreifen: Obwohl 9/11 ein lokales Ereignis war, wurde es „zeitgleich zu einem globalen Ereignis“, denn es „vollzog sich buchstäblich vor den Augen der Weltöffentlichkeit“ (Habermas 2004: 14).

21Er steht damit in der Tradition des US-amerikanischen Zukunftsforschers Alvin Toffler (1980), auf den das Kofferwort Prosument zurückgeht. Toffler prognostizierte damals, dass die Konsumenten in Zukunft sowohl Waren als auch Dienstleistungen nicht immer kaufen, sondern auch (z. B. in Heim- und Hausarbeit) eigenständig herstellen bzw. erbringen werden (vgl. dazu Blättel-Mink/ Hellmann 2010).

22Zur Klassifikation des Social Web (auch Web 2.0) siehe weiter oben (Kap. 2).

23Mit Digitalisierung ist die Umwandlung aller Informationen in genau definierte Werte aus einem binären 0–1-Code angesprochen – eine Idee, die sich übrigens bis ins 17. Jahrhundert zu Gottfried Wilhelm Leibniz zurückverfolgen lässt (Lenzen/Lorenz 2020). Digitalisierung sichert „eine höhere Übertragungsqualität durch Fehlererkennung und -korrektur, bei gleichzeitig geringerem Frequenzbedarf und gesenktem Energieverbrauch“ (Kleinsteuber 2013: 62). Obwohl Digitalisierung nicht zwangsläufig an den Computer gebunden ist (näher dazu: Koch 2017), wurde der Begriff im Alltagsverständnis zum Sinnbild für die moderne Computerentwicklung (Schröter/Böhnke 2004).

24Zur Internetverbreitung von 1993–2014 siehe: Media Perspektiven 2/2015: 104–106. Für den jeweils aktuellen Status siehe: www.internetworldstats.com (23.05.2021).

 

25Das iPhone von Apple des Jahres 2007 war die erste marktreife Version mit Internetverbindung (vgl. dazu auch die Auseinandersetzung mit dem Medien-Begriff im Kap. 2).

26Im Anschluss an den Grundgedanken, wonach die Masse (Crowd) über Kompetenzen verfügt oder Ideen entwickelt, die innerhalb der eigenen Institution möglicherweise nicht vorhanden sind oder nicht zum Ausdruck kommen, wird Crowdsourcing sogar vom österreichischen Parlament offiziell als eine Form politischer Partizipation und politischen Engagements unterstützt. https://www.parlament.gv.at/PERK/BET/CROWD/index.shtml (23.05.2021).

27Als „paradox“ gilt „etwas, das der vorherrschenden Auffassung, der Doxa, und der aus ihr resultierenden Erwartung entgegensteht“ (Neuberger ebd.: 37); man muss erkennen, dass eine gängige, bislang kaum angezweifelte Erklärung nicht (mehr) stimmt (ebd.).

28Auf die Gatekeeper-Forschung wird weiter unten (Kap. 7.3) näher eingegangen.

29Axel Bruns (2005) hat dafür den Begriff Gatewatching (als Gegenbegriff zu Gatekeeping) geprägt. Vgl. dazu näher Kap. 7.3.

30Gemeint sind z. B. die Mediatheken von ARD und ZDF, die ARD Audiothek, die TVthek und die Radiothek des ORF oder der Streamingdienst Joyn von ProSiebenSat1 sowie die Webpräsenzen der Printmedien.

31Es macht in einem Lehrbuch wenig Sinn, Fakten wie diese mit allzu detaillierten Prozentzahlen zu versehen, die relativ schnell veralten. Stattdessen sei auf das Webarchiv zur (seit 1964 regelmäßig, repräsentativ für die deutsche Bevölkerung durchgeführten) ARD/ZDF-Onlinestudie verwiesen, wo viele der hier erwähnten Daten kontinuierlich fortgeschrieben werden und permanent abrufbar sind. Ähnliches gilt für die ORF-Medienforschung, was entsprechende Daten aus Österreich betrifft.

32In Deutschland sind das etablierte Medienmarken wie ARD Tagesschau, ZDF heute, Die ZEIT, Süddeutsche Zeitung, n-tv, Der Spiegel. In Österreich: ORF, Standard, Presse, Servus TV, Kurier (Newman 2020).

33Nicht berücksichtigt sind hier die von China aus operierenden Internet-Unternehmen, wie Alibaba, Tencent oder Bytedance.

34Vgl. dazu den Exkurs zu Gegenöffentlichkeiten im Kap. 7.9.2.

35Vgl. dazu das Kapitel 7.2.1 über Fake News.

36Cambridge Analytica war ein britisch-amerikanisches Datenanalyse-Unternehmen, das in den Jahren 2015/16 persönliche Daten von US-amerikanischen Facebook-Nutzern für Wahlkampf-Aktivitäten der republikanischen Partei nutzbar machte (vgl. Hübl 2018).

37Als Leitmedien gelten Medien, die maßgeblich einen Beitrag zur gesellschaftlichen Debatte leisten und die einen prägenden Einfluss auf die Berichterstattung anderer Medien haben (Künzler 2013).

38Das Reuters Institute for the Study of Journalism (2020) in Oxford befragt seit 2012 Menschen über ihren Nachrichtenkonsum. Kooperationspartner in Österreich ist der Fachbereich Kommunikationswissenschaft an der Universität Salzburg (Gadringer et al: 2020).

39Die APA (Austria Presseagentur) ist Österreichs größte nationale Nachrichtenagentur. Sie ist genossenschaftlich organisiert – Genossenschafter sind österreichische Tageszeitungen sowie der öffentlich-rechtliche Rundfunk (ORF).

40Die Zahlen beziehen sich auf 2019 – vgl. dazu auch die überblicksartige Darstellung von Eisenegger/Schneider/Schwaiger (2020: 13), publiziert in einer lesenswerten und öffentlich zugänglichen Public Value-Publikation des ORF (Mitschka/Unterberger 2020).

41Siehe dazu ausführlich das Kap. 7.2.1 zu Fake News und Desinformation.

42Bezahlmodelle für hochwertige journalistische Online-Produkte könnten sich vielleicht bald auch kaufmännisch rechnen, denn insb. beim jüngeren Publikum ist die Zahlungsbereitschaft für Online-Nachrichten (wenn auch noch zaghaft) im Steigen begriffen (Gadringer/Holzinger/Sparviero/ Trappel/Nening – Pressemitteilung 2018: 15).

43Siehe dazu auch den Abschnitt zur Individualisieurung der Medienreperttiores bei Schrape (2021: 160 ff.).

44Intermedius (lat.) steht für das „Dazwischenliegende“. Es geht – so Jarren (2008: 339) – „um die Vermittlung des Differenten (…) Vorrangige Aufgabe der Medien als intermediäre Instanz ist es, den (artikulierten) Themen und Deutungen öffentliche Resonanz zu verleihen. Sie sind aber nicht ‚reine’ Verlautbarungs- oder Wiedergabeeinrichtungen, sondern sie selektieren Themen, deuten diese eigenständig und nehmen insoweit eine Transformation vor. Diese intermediäre Leistung ist für die gesellschaftlichen Akteure wie für das Publikum gleichermaßen relevant.“

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