Die verbotenen Bücher

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Aus der Reihe: Die verbotenen Bücher #1
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Die Griechen haben aber Sicherheiten. Nehmen wir mal den Tourismus. Das ist eine Sicherheit, die besonders dadurch aufgewertet wird, dass viele Urlauber, die aus Deutschland stammen, für ihre großzügige Hilfe körperlich attackiert werden.

Oder Gyros. Das ist auch eine Sicherheit. Wobei sich da die Frage stellt, ob diese Sicherheit nicht eher in den Gyrosbuden in Deutschland Relevanz besitzt.

Dann gibt es noch Panzer. Das ist auch eine Sicherheit. Es ist bekannt, dass bei den 70 Milliarden, die zuletzt an Griechenland gespendet wurden, davon Panzer gekauft wurden. Sogar aus Deutschland. Dann hat sich das wenigstens etwas gelohnt.

Griechenland besitzt so gut wie keine Schwerindustrie. Die Finanzämter in Griechenland sind auch nicht so verhasst beim Volk wie die Finanzämter in Deutschland. Während die deutschen Finanzbehörden jeden Tag bei der Mafia neue CDs von vermeintlichen Steuersündern einkaufen, sparen sich die griechischen Behörden das Geld und schonen damit den Schlaf ihrer Bürger.

Eigentlich ist Griechenland eine wirkliche Alternative zu Deutschland. War es zumindest. Seit aber Frau Merkel die Griechen zum Sparen verpflichtet hat, haben die Regierenden ein geniales Mittel entwickelt, um diesen Sparwillen nach außen zu dokumentieren.

Sie haben gefolgert, dass sie Sparen am besten dadurch ermöglichen, dass sie die Mehrwertsteuer in gigantische Höhen treiben und damit den Binnenhandel fast zum Erliegen brachten. Oder sie haben Staatsangestellte vorzeitig in den Ruhestand geschickt, die ohne dieses staatliche Engagement, wahrscheinlich noch in zehn Generationen Alimente kassiert hätten. Irgendwann hat es aber dann die griechische Regierung übertrieben.

Als die blitzenden Staatskarossen einen eklatanten Widerspruch zu den ärmlichen Kutschen der Normalbürger bildeten, waren einige Bürger aufgebracht über die Regierung, die ein Freund der bösen Frau Merkel war.

Deshalb haben sie dann die Frau Merkel in alter Tradition mit einem Schnäuzer ausgestattet und die hosenanzugtragende Kanzlerin Deutschlands mit einem Kanzler verglichen, der auch mal regierte.

Als dann aber die Regierung in Griechenland immer noch sparen wollte, dachten sich die Griechen, dass es an der Zeit sei, dass man andere Leute wählt.

Der neue Ministerpräsident Tsipras bot sich geradezu an. Der schlipslose Mann versprach den Griechen, dass man alles gleichzeitig haben kann. Das erinnert irgendwie an eine Klassensprecherwahl. Sie müssen nämlich wissen, dass ich als junger Mensch oft Klassensprecher war. Wissen Sie warum?

Ich war deshalb der längst amtierende Klassensprecher meiner Dorfschule, weil ich den Mitschülern immer eine Party versprochen habe. Ich hatte bei jeder neuen Amtsperiode immer wieder eine neue Party anzubieten. Das wurde honoriert.

Genauso ist es mit der neuen Linksregierung. In unbekümmerter Freudigkeit versprechen die neuen Amtsinhaber dem Volk eine immerwährende Party.

Geld von der EU bekommen, aber nicht sparen. Alle Pensionen wieder einsetzen, aber bloß keine Auflagen erfüllen. Es wird von einem Schuldenschnitt gesprochen. So einen hätte mancher Bundesbürger bestimmt auch gerne. Einen Schuldenschnitt. Hurra - und alles ist wieder im Lot.

Dann wird gesagt, dass die Deutschen still sein sollten. Nicht nur, dass die Deutschen Griechenland gewütet haben und der Hitler ihnen schlimm zugesetzt hat, auch die Tatsache, dass Deutschland selbst einmal einen Schuldenschnitt hatte, sollte eigentlich zur besseren Einsicht der verkrusteten Spießer in Deutschland reichen.

Da kann man geteilter Meinung darüber sein, ob der Schuldenschnitt der Deutschen durch die Amerikaner nach dem Zweiten Weltkrieg, wirklich mit der jetzigen Situation vergleichbar ist. Die Deutschen haben sich damals dafür im Gegenzug damit bedankt, dass sie ein weiterer Stern auf der amerikanischen Flagge wurden. Die Griechen sind ein Stern auf der europäischen Flagge, aber der Unterschied sei erwähnt, dass der Stern sehr wacklig scheint. Und vielleicht wird der Stern bald eine Supernova.

Zusammenfassend ist die Schmonzette von Herrn Schäuble aber doch ein wenig Klamauk.

Man kann nicht auf der einen Seite zu den Superkreditnehmern der Welt zählen und ständig neue kostspielige Prestigeprojekte aus dem Boden stampfen, und dann im Gegenzug, den anderen Ländern ihr Verhalten zum Vorwurf machen.

Auch wirkt die deutsche Bundesregierung bei diesem Ansinnen allein schon deshalb wenig glaubhaft, weil sie diese Milliarden gegen den mehrheitlichen Willen ihrer Bevölkerung bewilligt. Der deutsche Michel denkt sich manchmal, dass irgendetwas mit den Finanzmärkten nicht stimmen kann. Besonders dann, wenn er in seine eigene Geldbörse blickt.

Manchem Bundesbürger ist ein Grexit eigentlich egal. Manchem Griechen auch. Nicht egal scheint es aber denen, die dann befürchten, dass die Steuermilliarden nicht in ihrem Säckel verschwinden. Leider sind diese wenigen Profiteure aber wenig geeignet, um eine derartige Umverteilung auch nur im Mindesten zu rechtfertigen.

Ich bin nicht Charlie

In den heutigen Tagen ist jeder Charlie. Jeder will bekunden, dass er die Terroranschläge auf die Redaktion einer relativ in der Welt unbekannten Zeitung, namens Charlie Hebdo, ablehnt und aufs Schärfste verurteilt.

Seit Wochen sind die Qualitätsmedien nur noch damit beschäftigt, dieser gebeutelten Redaktion den Rücken zu stärken, und damit ihre Auflage von geschätzten 40- 60 000 Exemplaren auf Millionenniveau zu erhöhen.

Ich hatte mich etwas gewundert, dass diese Meldung, nämlich das die Redaktion eine derartige Steigerung der Auflage erwog, sehr schnell nach dem tragischen Ableben der Redakteure erfolgte. Der Terroranschlag der Islamisten, die nach vorherrschender Politikermeinung keine sind, war nämlich noch in vollem Gange, als die Redaktion diese trotzige Reaktion verkünden ließ.

Ich habe diese Zeitung noch nie gelesen, da sie wahrscheinlich auch in Französisch erscheint, und kenne auch deshalb nicht den ganzen Inhalt. Ich habe mir aber einige vergangene Cover angesehen und fand die Kunst, die diese Zeichner beherrschen, sehr gewöhnungsbedürftig. Ich bin kein Muslim, aber ich fand einige Darstellungen doch mehr als grenzwertig. Nun bin ich ein westlicher Mensch und daher nicht sehr sensibel, was die Herunterwürdigung von Kirchen und Religion angeht. Wir sind es im Westen lang gewohnt, dass die Kirchen eigentlich eine Art Punchingball sind, an denen sich jeder vergreifen darf. Da die Zahlen der Kircheneintritte proportional zu den Austritten abnehmen, ist dies aber auch nicht weiter verwunderlich.

Bei den Karikaturen der Zeitung Charlie fand ich aber auffällig, dass die Autoren wohl gerne den Islam und die katholische Kirche aufs Korn nehmen. Da sieht man einen Papst bei einer angedeuteten Masturbation mit einem Maulwurf und ganz viele Mohamed-Bilder.

Es war nach den Anschlägen in Paris sehr auffällig, dass viele Politiker zu ausgewiesenen Kunstexperten mutierten. Wenn man nämlich den Reden der Politiker vieler Länder lauschte, wurde einem sehr schnell bewusst, dass es ein Aufbäumen der freien Welt gegen jede Form von Beschneidung der Meinungsfreiheit und Demokratie war, die löwenartig verteidigt werden muss.

Wir haben alle die schlimmen Ereignisse in Paris verfolgt. In endlosen Schleifensendungen wurde die Bevölkerung von den Qualitätsmedien in einen ungeheuren Taumel gezogen. Da waren zwei Menschen, die offensichtlich so gefährlich waren, dass sie ganz Frankreich in einen Ausnahmezustand versetzten. 88 000 Polizisten jagten zwei Männer. Das war unglaublich. Ich dachte manchmal bei mir, dass es wohl zwei sehr mit James Bond im Bunde stehende Menschen und Krieger sein müssen, die eine ganze Nation so schockieren konnten. Und nicht nur eine Nation, sondern die ganze Welt.

Ich fragte mich auch manchmal, ob es zu dieser Zeit eigentlich ein El Dorado für andere Kriminelle gewesen sein muss. Ich weiß jetzt nicht, wie viele Polizisten Frankreich insgesamt hat, aber ich kann mir kaum vorstellen, dass bei diesem Aufgebot von fast hunderttausend Polizeikräften, jeder Verkehrsunfall noch aufgenommen werden konnte. Oder wie war es mit Bankräubern? Ging man dem noch nach und wenn ja, welche Kräfte waren das?

Ich hatte bei der Berichterstattung vielleicht keine Panik, wie das viele Menschen in den Qualitätsmedien bekundeten, denn ich lebe nicht in Paris und weiß auch nicht, ob ich da Angst gehabt hätte. Ich sah die ganze Zeit nur Polizisten, die überall waren. Das ist doch gut. Dann ist man sicher. Aber gegenteilig zu meinem Empfinden, betonte man immer wieder, dass diese rudimentären kleinen Einheiten nicht ausreichen können, um die Gefahr wirklich zu beherrschen.

Niemand der Qualitätsjournalisten stellte die Frage, warum man so viele Polizeieinheiten benötigt, um zwei Männer zu fassen.

Tatsächlich erfuhr man dann auch, dass die Einheiten ganze Landstriche durchsuchten, die aber eigentlich gar nicht so wichtig waren. Eine Reporterin berichtete, dass sie weder Straßensperren noch eine systematische Methodik erkennen konnte. Sie merkte an, dass sie, während sie bei dem Einsatz dabei sein durfte, gesehen hatte, dass man immer nur eine Seite der Ortschaften absuchte, um danach die andere Seite abzusuchen.

Sie merkte also an, dass es ihr merkwürdig vorkam, dass man so eigentlich alle potenziellen Verbrecher auf sich aufmerksam gemacht hätte und die Terroristen gewarnt hätte. Dieser Bericht der Qualitätsjournalistin fand aber keine weitere Beachtung, da die Medien betonten, dass es eben alles spontane Aktionen seien, mit denen niemand gerechnet hatte und deshalb eine gewisse Chaotik nicht vermeidbar wäre.

 

Wir haben Qualitätsjournalisten erlebt, die ständig an irgendwelchen Straßenkreuzungen, auf Äckern, in U-Bahnstationen und in leeren Straßen standen. Die Journalisten verstanden ihr Handwerk aber so perfekt, dass sie stundenlang über Dinge episch redeten, die eigentlich den Aussagewert einer Landschaftsbeschreibung eines Abwasserkanals hatten. Die Qualitätsjournalisten lobten, dass man in Frankreich über alles hautnah und ortsnah berichten konnte. Tatsächlich waren diese Journalisten nicht vor Ort, sondern meist kilometerweit entfernt. Die hochsensiblen Informationen, die uns die Journalisten verkündeten, hatten alle immer etwas Fragwürdiges. Vielleicht, möglicherweise, nach unbestätigten Meldungen, nach unkommentierten Zeugenaussagen, laut einem unbestätigten Pressebericht. Alles war absolut live und deshalb kann man sicher verstehen, dass man nicht alles sofort wissen kann. Da die Qualitätsjournalisten aber nicht fürs Schweigen, sondern für das endlose Lamentieren bezahlt werden, bemühte sich natürlich jeder Reporter und jede Reporterin, den Ereignissen besondere Schwere zu verleihen.

Man erfuhr erstaunliche Dinge. Einer, der mit James Bond im Bunde stehenden Superkriminellen, hatte seinen Pass in einem Fluchtauto vergessen. Das erinnerte frappant an den Ausweis von Mohamed Atta, der beim Anschlag auf das World Trade Center zwar nichts von den Türmen übrig ließ, im Gegenzug aber seinen Ausweis im pulverisierten Trümmermüll unbeschädigt hinterlassen hatte.

Man erfuhr, dass die beiden islamischen Terrorkämpfer, sich bei dem Terroranschlag auf die Satirezeitung in der Tür irrten, aber ansonsten auf den Anschlag professionell vorbereitet waren.

Frankreich befand sich im Schockzustand.

In endlosen Expertengesprächen wurde immer wieder die etwas naive Frage der Qualitätsmedien aufgegriffen, wie man sich vor so einem Anschlag in Zukunft schützen könne.

Niemand, der hier mehrfach wahrscheinlich kasernierten Experten, kam auf die Idee, einfach zu sagen, dass man sich davor natürlich nicht schützen kann. Zwar sagten einige Experten, dass es vielleicht immer ein Restrisiko geben würde, aber man alles tun müsse, um schon den Keim zu erfassen und zu neutralisieren.

Sehr schnell wusste die Polizei in Frankreich, wer diese furchtbaren Attentate verübt hatte. Obwohl auf den spärlichen Bildaufnahmen nur absolut vermummte Menschen zu identifizieren waren, die über irgendeine Straße liefen, war man sich sicher, dass man die Identität der beiden Superkriminellen verlässlich ausgemacht hatte.

Man sah diese Bilder überall. Der eine Mann hatte eine Glatze und der andere Mann einen Bart. Man erfuhr aber auch, dass es noch einen dritten Mann gab, der offensichtlich farbig war, und irgendwie mit den Attentätern familiär und ideologisch verbunden war.

Dieser Mann hatte eine Polizistin getötet und verschwand dann einen langen Tag lang aus dem Fokus der Ermittler. Obwohl niemand wusste, wo der Mann denn war, wie er bei einem solchen Polizeiaufgebot mit schweren Waffen entkommen konnte, und man auch nicht wusste, wo er schlief oder wie er sich tarnte, tauchte er erst wieder auf, als er in einem jüdischen Supermarkt Geiseln nahm.

Der ehemalige Leiter der GSG 9, der einmal die Geiselnahme in Mogadischu beendet hatte, sagte auch mehrmals zu den Qualitätsmedien, dass es ihm absolut unverständlich sei, wie dieser farbige Mann den Behörden die ganze Zeit nach seinem Mord an der Polizistin nicht in die Hände fallen konnte. Obwohl jeder normale Mensch am Bildschirm dachte, dass die Qualitätsjournalistin da einmal nachhakte, war es im Gegenteil so, dass man den Eindruck bekam, dass der alte Mann der GSG 9 doch nicht so einen Mist erzählen solle.

Anscheinend schien der betagte Mann das aber nicht zu merken, denn er insistierte immer wieder auf den Punkt, wie es sein kann, dass jemand bei einer Mordaktion eine Polizistin tötet und dann frank und frei durch eine Stadt irrt, die mehr Polizei beherbergt als bei einem Krieg.

Dieser Aspekt wurde nicht weiter gewürdigt, denn in der aktuellen Situation schossen Vermutungen ins Kraut, die der Dramatik der Ereignisse neues Futter gaben. Die Journalisten standen vor einer Halle, die angeblich als der letzte Zufluchtsort der Terroristen ausgemacht worden war.

Es handelte sich um ein Verlagshaus, oder andere sagten, um eine Cateringfirma für Flugzeugverpflegung, andere sagten, dass man eben nicht weiß, was es ist. Das war wieder sehr merkwürdig. Es bedarf doch sicher auch für die Qualitätsjournalisten keines großen Aufwandes, wenn man da einmal Google bemüht, bevor man stundenlang darüber mutmaßt, was für eine Firma das eigentlich ist.

Jedenfalls war diese Fabrikhalle der Ort, an dem Weltgeschichte geschrieben wurde.

Der Zuschauer der Ereignisse sah nichts. Einmal sah er den Acker und einen Hubschrauber und dann sah er eine Kreuzung, an der Verkehrskontrollen erfolgten. Auffällig war, dass man den Eindruck erwecken wollte, dass die Fabrikhalle in der Nähe eines Flughafens wäre, den man nun hermetisch abgeschirmt hätte. Irgendwie war diese Information nicht ganz verständlich, denn es kann selbst einem James Bond doch nicht gelingen, aus einer, von tausenden Polizeikräften umzingelten Halle, noch zum Flughafen zu gelangen.

Vielleicht wollte man aber auch verhindern, dass Terroristen mit Flugzeugen landeten, um die eingeschlossenen Dschihadisten zu befreien.

Wie auch immer.

Man sah ständig Reporter, die alles über die Vorgänge in der Halle wussten. Man musste aber, selbst bei wohlwollender Begutachtung konstatieren, dass alle Informationen, die die Qualitätsjournalisten kundtaten, direkt aus Quellen der Staatsanwaltschaft und der Polizei stammten. Eigentlich berichteten die Journalisten also nicht. Sie gaben einfach stoisch alles weiter, was gerade offiziell in Pressemitteilungen an sie herausgegeben wurde. Die Qualitätsjournalisten waren so dankbar dafür, dass man sie im Fernsehen reden ließ, dass sie nicht einmal auf die Idee kamen, sich vielleicht selbst ein Bild der Lage zu verschaffen.

Unhinterfragt wurden die Informationen für bare Münze genommen, die man weder nachgeprüft hatte, noch die man hätte nachprüfen können. Da die Qualitätsmedien aber darin geschult zu sein scheinen, dass man als Journalist nicht übermäßig selbstständig recherchiert, sondern einfach vertrauensvoll nachbetet, was einem angetragen wird, erfüllten die Journalisten ihren Auftrag ohne Reue.

Die Ereignisse schienen sich zuzuspitzen. Ständig kamen neue Eilmeldungen, die alle wieder den bekannten „Vielleicht-Möglicherweise-Aspekt“ innehatten.

Als der farbige Mann einen Supermarkt überfiel, war das Drama an Spannung aufgeladen. Tausende von Polizisten wurden sogleich an den Ort des Geschehens verbracht, die sich eigentlich mehr gegenseitig behinderten, als der Sache dienlich zu sein. Man sah nun eine Qualitätsjournalistin, die ständig von einer abgesperrten U-Bahnstation berichtete und neben sich absolut gelangweilte Polizisten hatte, die wohl keine Aufgabe erfüllten, als sich die Häuserkulisse einzuprägen. Ambulanzen wurden geordert und man wusste nicht, ob der islamische Täter 2 oder 10 oder 100 oder vielleicht auch gar keine Geiseln hatte.

Bei den Terroristen in der Halle vernahm man merkwürdige Angaben über die Geiseln, die sich in deren Gewalt befanden. Mal war es ein 28-jähriger Mann, dann der Geschäftsführer, dann ganz andere Personen.

Man stellte sich zwangsläufig die Frage, ob so eine große Halle an diesem Tag derart verwaist war, dass man nur eine Geisel hätte finden können. Schnell erfuhr man aber auch, dass die Dschihadisten eh nicht mehr leben wollten und als Märtyrer sterben wollten. Ein Zeuge soll angeblich, wie man später erfuhr, ständig in der Halle unbemerkt das Geschehen verfolgt haben und über Handy der Polizei Lageberichte gegeben haben. Woher hatte denn der Zeuge die Telefonnummer der Einsatzzentrale? Oder hat er 110 angerufen, oder was immer in Frankreich der Notruf ist. Hat man ihn dann auch erst gefragt, wo er wohnt, was er beruflich macht und wie er heißt? Hatte er Angst, als er diese heldenhafte Mission im Angesicht des Todes ausführte? Warum sieht man ihn nicht jeden Tag im Fernsehen, denn dieser Zeuge ist doch Gold wert?

Ein Telefon spielte auch bei dem farbigen Mann eine Rolle. Er soll nämlich sein Handy die ganze Zeit auf Empfang gehabt haben. Ja, das ist natürlich schlecht. Während der professionelle Killer, der ganz Paris in Atem hält, seine Untaten minutiös und kaltblütig umsetzt, vergisst er, sein Handy auszuschalten.

Was einen aber auch wundert, denn wenn ich in einer Situation bin, in der die ganze Welt mich jagt, telefoniere ich dann wirklich in der Gegend herum? Dann soll der farbige Dschihadist gefordert haben, dass man die zwei Männer in der Fabrikhalle freilässt. Er soll damit gedroht haben, dass er alle Geiseln tötet, wenn den beiden Brüdern in der Halle etwas geschieht.

Man sagte den Zuschauern dieses Dramas manchmal, dass es noch lange dauern könnte, bis die Terroristen einen Zugriff erleben würden. Dennoch erfolgte dann ein Zugriff zur besten Sendezeit, zumindest internationaler Zeitrechnung, der eigentlich als ein komplettes Desaster beschrieben werden kann.

Vier Geiseln tot. Alle Dschihadisten tot. Die Bilder vom Einsatz der Ordnungshüter wirkten auch verwirrend, wenn man die Theorie in Rechnung stellt, die dann behauptet wurde. Man sah Rauchblitze und Leuchtmunition über der Halle, behauptete aber, dass die Dschihadisten von allein aus der Halle gestürmt wären und dann erschossen worden wären. Warum es dann allerdings Rauchblitze gab, die angeblich die um sich schießenden Mörder blenden sollten, hielt auch der ehemalige Leiter der GSG 9 für eher unwahrscheinlich. Zumindest wurde angedeutet, dass es vielleicht auch nicht so war und die Kräfte das Gebäude gestürmt haben. Ganz genau wollte das aber auch kein Qualitätsjournalist wissen.

Mit einem Gesicht der offensichtlichen Erleichterung schienen die Journalisten das Vorgehen der Polizei zu bewundern. Alle Dschihadisten tot. Das war eben gute Arbeit. Niemand sagte, dass man niemals den Tod eines Menschen, egal wie schuldbeladen er sein mag, dass man niemals so etwas beklatschen sollte. Es ist zwar verständlich, dass man die Opfer zunächst für wichtiger und erwähnenswerter befindet, aber dann auch nicht gelungen, wenn viele unschuldige Menschen gestorben waren. Im Gegensatz zu dem Einsatz der GSG 9 in Mogadischu, bei dem keine Geisel starb, hätte man das Vorgehen der Einsatzkräfte eigentlich als dilettantisch bezeichnen müssen.

In dem Supermarkt sah man ein Vorgehen der Polizei, das irgendwie an einen Kamikazeeinsatz erinnerte. Angeblich griffen die Beamten dann zu, als der farbige Terrorist betete. Da sein Handy die ganze Zeit wie ein offenes Buch live aus dem Supermarkt berichtete, hatten die Einsatzkräfte diesen zeitnahen Zugriff zu der Fabrikstürmung gewählt.

Entgegen der Annahme, dass nun hier Spezialkräfte einen chirurgischen Angriff versuchten, sah man Hunderte von Polizisten, die von zwei Seiten in den Supermarkt stürmten. Das sah etwas befremdlich aus.

Das Ergebnis entsprach dem optischen Eindruck.

Sofort nach Beendigung der beiden Geiselnahmen und den terroristischen Attacken in Paris, begannen alle wesentlichen Politiker damit, den Verlust der Menschen zu beklagen, die bei den schlimmen Anschlägen ums Leben gekommen waren.

Reflexartig kam aus Deutschland der Vorschlag, die Datenspeicherung auf Vorrat endlich umzusetzen. Dies war ein naiver Vorschlag, da es sich bei den Terroristen in Paris durchaus um polizeibekannte Täter handelte, die aber dennoch nicht am Anschlag gehindert werden konnten.

Über die Täter erfuhr man so gut wie nichts. Man sagte dann aber etwas, was einen schon fast am guten Glauben einiger Qualitätsjournalisten zweifeln ließ. Einige Journalisten brachten tatsächlich die vollkommen absurde These ins Gespräch, dass die Freundin des farbigen Mannes, der den Supermarkt überfallen hatte, dass diese Freundin tatsächlich beim Stürmen des Supermarktes, als Geisel getarnt, entkommen wäre. Dies war die Krönung der Absurdität. Während 88 000 Polizisten durch Paris streifen, entkommt eine bis dato unbekannte Freundin der berühmtesten Attentäter Frankreichs im Tumult der Ereignisse.

Man sah dann auch ein Bild der Frau, die auf dem Foto wirkte, als hätte sie Drogen genommen. Zur Unterfütterung der These, dass diese junge Frau mindestens genauso gefährlich, wie die Haupttäter der Anschläge sei, wurden dann Bilder präsentiert, die jede Frau zeigen konnten. Man sah nämlich eine völlig verschleierte Frau mit einer Pistole in der Hand. Es konnte sich bei diesen Bildern um jede Frau des Erdballs handeln. Zudem verwunderte auf den Bildern, dass die Hand der vermeintlichen Frau sehr männliche Züge trug. Die Qualitätsmedien fanden diesen Beweis ausreichend, um nun zu behaupten, dass sich diese anonyme Frau in Syrien aufhalten würde. Das kann man natürlich glauben. Oder auch nicht. Bis heute hat niemand diese Frau gefunden.

 

In der Konsequenz wurden Maßnahmen angekündigt, die die Bevölkerung in Zukunft vor solchen Anschlägen schützen sollen. Als Herr Hollande und Frau Merkel und die gesamte Politprominenz der Welt durch Paris einen Trauermarsch antraten, sah man von einer Terrorgefahr eigentlich nichts. Es nimmt Wunder, dass die logistisch derart begabten Superkriminellen, die angeblich diese Attentäter unterstützten, auf diesen Anlass nicht geradezu gewartet hätten. Nun hätten sie einen Anschlag verüben können, der sicher effektiver gewesen wäre, als der, bei dem unschuldige und nicht mit politischen Ämtern befasste Personen umkamen. Aber nichts geschah, denn die sich nun posthum bekennende Al- Kaida, hatte wohl kein Interesse, ein solches Ereignis durch weiteren Terror aufzuheizen.

Der Finanzminister Herr Schäuble aus Deutschland hat einen Appell an die Deutschen gerichtet. Er verwies darauf, dass alles, was man Schlechtes den Geheimdiensten in der Welt andichtet, wie das ein Snowden oder andere tun, dass all dies eben zur Konsequenz hat, dass man so etwas wie in Paris nicht verhindern kann. Einige Polizeivertreter stießen in ein ähnliches Horn und sagten, dass man hier sehe, dass man mehr Polizei, mehr Geheimdienst und mehr Kontrolle und mehr Einschnitte in die Datensicherheit bräuchte.

Andere betonten, dass man den Terror weiter offensiv in der Welt an allen Schauplätzen bekämpfen muss und es daher eher zu einer Ausweitung einiger Länder im Engagement für Freiheit und Demokratie kommen müsse.

Für die Satirezeitschrift Charlie Hebdo waren die Terrorereignisse sicher traumatisch.

Die Auflage von 5 Millionen Exemplaren der Mittwochsausgabe werden dem Verlag aber dennoch 15 Millionen Euro bescheren.

In diesen Tagen wird viel von der Freiheit der Presse und der Verteidigung dieses Wertes gesprochen. Dem schließe ich mich an.

Für mich ist aber die Freiheit der Presse dann gegeben, wenn man von Journalisten erwarten kann, dass sie Dinge gewissenhaft recherchieren, Widersprüchen nachgehen, offizielle Verlautbarungen kritisch hinterfragen und als Kontrollfunktion der Mächtigen fungieren. Erfüllt die Presse diese Aufgabe nicht, handelt es sich um Hofberichterstattung.

Die Freiheit der Presse besteht für mich, mit Verlaub, auch nicht darin, dass man Religionen veralbert und auf die religiösen Gefühle anderer Menschen keine Rücksicht nimmt.

Deshalb tut es mir leid. Aber ich bin nicht Charlie.

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