Sprachwitze

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Kampf der Geschlechter – Blondinenwitze und die „Rache der Blondinen“

Die Blondinenwitze, deren Popularität langsam im Abklingen ist, basieren auf dem Vorurteil, dass blonde Frauen strohdumm sind. Sie verstehen alles falsch und finden sich im Alltagsleben nicht zurecht. Die Witze, die ich hier zitiere, gehören noch zu den besseren und intelligenteren, weil sie eine sprachliche Komponente aufweisen. Gemeinsam ist ihnen jedoch, dass sie reaktionär und anti-emanzipatorisch sind.

Warum trinken Blondinen die Joghurts immer gleich im Supermarkt? – Weil auf dem Packerl steht: „Hier öffnen!“

Warum freut sich eine Blondine so, wenn sie ein Puzzle nach sechs Monaten fertig hat? – Weil auf der Schachtel steht: „2–4 Jahre“.

Eine Blondine sitzt mit ihrer Oma im Auto. Oma: „Stell mir bitte den Sitz vor!“ Blondine: „Oma – Sitz! Sitz – Oma!“

Was ist eine Blondine zwischen einer Brünetten und einer Rothaarigen? – Eine Bildungslücke.

Manche dieser Witze bauen auf dem Vorurteil auf, dass sich Frauen in der Welt der Computer, angeblich eine Domäne der Männer, nicht zurechtfinden.

Was macht die Blondine, wenn der Computer brennt? – Sie drückt die Löschtaste.

Warum gießt eine Blondine ihren Computer? – Weil sie im Internet surfen will.

Warum stellt eine Blondine ihren Computer auf den Boden? – Damit er nicht abstürzen kann.

„Der Computerriese IBM ist pleite!“ – „Wieso?“ – „Die haben zehn Blondinen eingestellt, und die haben die ganzen Chips gefuttert.“

Die angebliche Dummheit der Blondinen ist die eine Seite dieser stereotypen Vorstellung. Hinzu tritt die Behauptung, dass Blondinen jederzeit für jede Art von Sex zu haben sind.

Zwei Blondinen unterhalten sich, sagt die eine: „Von neuen teuren Schuhen bekomme ich immer Blasen.“ Die andere: „Komisch, bei mir ist es gerade umgekehrt.“

Eine Blondine fährt mit ihrem Auto an die Tankstelle, steigt aus, tankt und läuft schnurstracks zum Tankwart. Sie kniet sich vor ihm nieder, öffnet seine Hose und bläst ihm einen. Nach vollendetem Werk steht die Blondine auf und der Tankwart fragt verwundert: „Womit habe ich das verdient?“ Die Blondine zeigt Richtung Tanksäule: „Da draußen steht doch: Blasen – frei zapfen!“

Sigmund Freud unterscheidet zwischen dem obszönen Witz und der Zote (Freud, S. 111). Der „Tanksäulen“-Witz ist eine Zote, das Sexuelle wird unverhüllt ausgesprochen, außerdem wird die Frau herabwürdigend dargestellt. Da hilft auch nicht das sprachspielerische Element, dass die Aufschrift an der Tanksäule in ihre Bestandteile zerlegt und neu zusammengesetzt wird (siehe S. 214).

Der erste Witz hat dieselbe sexuelle Praxis zum Thema, aber sie wird verhüllt dargestellt, in Form einer Anspielung. Es ist Aufgabe des Zuhörers, den Umkehrschluss zu ziehen. Bei vielen Umkehrwitzen kann der Erzähler zum Zuhörer sagen: Ich habe es nicht ausgesprochen – du hast es so interpretiert.

Was ist das einzige Fremdwort, das eine Blondine kennt? – Fiktiv.

Auf den Witzeseiten im Internet wird häufig das -t- im Wortinneren großgeschrieben – damit auch jeder Mann den Witz versteht.

Laut Freud sind Zoten „beim gemeinen Volk“ beliebt. In „feiner gebildeter Gesellschaft“ werde hingegen das Mittel der Anspielung eingesetzt. Der Zuhörer müsse „ein im entfernten Zusammenhang Befindliches“ in seiner Vorstellung zur vollen und direkten Obszönität rekonstruieren. „Je größer das Missverhältnis zwischen dem in der Zote direkt Gegebenen und dem von ihr im Hörer mit Notwendigkeit Angeregten ist, desto feiner wird der Witz, desto höher darf er sich dann auch in die gute Gesellschaft hinaufwagen.“ (Freud, S. 114–115) Auf die höchste Stufe stellt Freud einen Witz, der später von Witzetheoretikern immer wieder zitiert werden sollte.

Eine Frau ist wie ein Regenschirm – man nimmt sich dann doch einen Komfortabel. (Freud S. 93 und S. 125)

Salcia Landmann bringt den Witz so:

Wiener Ausspruch: Eine Ehefrau ist wie ein Regenschirm – man nimmt sich dann doch einen Komfortabel. (Landmann, 1960, S. 391 und 1988, S. 386)

Die Erweiterung von „Frau“ zu „Ehefrau“ ist zwar sachlich nicht falsch, aber unnötig; die Quelle nicht zu erwähnen, ist merkwürdig. „Komfortabel“ war ein einspänniges öffentliches Fuhrwerk, also eines, das von jedermann benutzt werden konnte, es war überdacht, wodurch der Fahrgast nicht nur vor Regen, sondern auch vor den Blicken neugieriger Passanten geschützt war. Den „verblüffenden, anscheinend unmöglichen Vergleich“ zwischen einer Ehefrau und einem Regenschirm erklärt Freud so: „Man heiratet, um sich gegen die Anfechtungen der Sinnlichkeit zu sichern, und dann stellt sich doch heraus, dass die Ehe keine Befriedigung eines etwas stärkeren Bedürfnisses gestattet, geradeso wie man einen Regenschirm mitnimmt, um sich gegen den Regen zu schützen, und dann im Regen doch nass wird. In beiden Fällen muss man sich um stärkeren Schutz umsehen, hier öffentliches Fuhrwerk, dort für Geld zugängliche Frauen nehmen. (…) Dass die Ehe nicht die Veranstaltung ist, die Sexualität des Mannes zu befriedigen, getraut man sich nicht laut und öffentlich zu sagen (…) Die Stärke dieses Witzes liegt nun darin, dass er es doch – auf allerlei Umwegen – gesagt hat.“ (Freud, S. 125–126) Er bezeichnet diesen Vergleichswitz als Beispiel für einen zynischen Witz.

Freud argumentiert sehr vorsichtig, er redet von „Frauen, die für Geld zugänglich sind“. Theodor Reik ist wesentlich direkter: „Komfortabel bedeutet hier so viel wie ein für die Benützung durch jedermann dienendes öffentliches Fuhrwerk – eine Prostituierte. Diese Symbolik aber wird für die Frau überhaupt gebraucht. Der zynische Witz bringt sie oft mit einem Fuhrwerk zusammen.“ Als Beispiel zitiert er einen Vergleichswitz.

Laufe nie einer Elektrischen (Straßenbahn) oder Frau nach! In ein oder zwei Minuten kommt eine andere. (Reik, 1929, S. 22)

Zurück zu den Blondinenwitzen, die zu Sigmund Freuds Zeiten noch nicht existierten. Herabwürdigende Witze über Frauen gab es aber sehr wohl, noch dazu in großer Zahl. Sie waren äußerst beliebt und wurden auch in den Kabarettprogrammen häufig erzählt. Manche Kabarettszenen aus der Zwischenkriegszeit sowie aus der Nachkriegszeit sind deswegen kaum noch spielbar.

Die Blondinenwitze weisen Gemeinsamkeiten mit den Valley-Girl-Witzen auf. Gemeint sind die Frauen des San Fernando Valley, eines Talkessels an der südkalifornischen Pazifikküste, der zu Los Angeles gehört, aber nicht so attraktiv wie die schönen Viertel von Los Angeles ist. In den frühen 1980er Jahren hat sich das Stereotyp verbreitet, dass in dieser Region ungebildete junge und blonde Frauen der oberen Mittelklasse einen für die Region typischen Slang sprechen und ihren Lebenssinn in Shopping und Mode sehen.

I walked into a Valley hotel and asked the receptionist: „Excuse me, do you have a Jacuzzi, spa, or a sauna?“ She started looking through the guest list.

Menschen in den hochentwickelten Regionen machen sich über jene lustig, die nicht das Privileg haben, unter derart günstigen Verhältnissen zu leben. Wenn dann die Aufsteiger auch noch einen Lebensstandard beanspruchen, der ihnen aufgrund ihres Bildungsniveaus nicht zusteht, werden sie zur Zielscheibe von Witzen.

Hinzu kommt, dass Schauspielerinnen wie Goldie Hawn wiederholt kichernde, naive Blondinen spielten, die dem Stereotyp der Valley Girls entsprachen. Das war ein zusätzliches Motiv, über diesen Frauentyp Witze zu machen.

Valley girls are big fans of the philosopher Descartes. Their life philosophy is „I shop, therefore I am.“

„I’m into the Valley car culture. I have a telephone and television in my car, and in the back seat an emergency manicurist.“

Frank Zappa nahm mit seiner Tochter das Lied Valley girl auf: „She’s a valley girl / In a clothing store / Okay, fine / Fer sure.“ Das Lied enthält auch Anspielungen auf eine Sprachgewohnheit, die man den Valley Girls nachsagte: Sie sollen an jeder passenden und unpassenden Stelle „like“ sagen, ein ähnlicher Diskursmarker wie „so“ oder „weißt du“ im Deutschen. Diese sprachliche Eigenart der Valley Girls wird allerdings auch anderen amerikanischen Frauen nachgesagt.

Nach einem ähnlichen Konzept funktionieren in Großbritannien die Essex-Girl-Witze. Sie kamen ebenfalls in den 1980er Jahren auf. Den Frauen in Essex, nordöstlich von London, wird laut einer stereotypen Vorstellung nachgesagt, sie seien dumm, ungebildet und promisk. Essex Girls tragen knappe Minikleider und Schuhe mit hohen Absätzen, färben sich die Haare blond und verwenden künstliche Bräunungsmittel, was zu einer merkwürdigen, orangefarbenen Hauttönung führt. Sie lassen sich ihre Brüste künstlich vergrößern, außerdem sind sie laut und vulgär, wobei sie einen Slang sprechen, der dem Cockney ähnlich ist.

Why do Essex Girls wear slip-on shoes? – You need an IQ of at least 4 to tie a shoelace.

What does an Essex Girl say after Sex? – „Wow, do you really all play for the same football team?“

Why do Essex Girls laugh three times when they hear a joke? – Once when it is told, once when it is explained to them, and once when they understand it.

Das klingt wie eine Kurzfassung des alten jüdischen Metawitzes am Eingang des Buches (siehe S. 27–28). Natürlich ließe sich ausgiebig darüber streiten, ob die Blondinenwitze, die etwas später im deutschen Sprachraum aufkamen, Epigonen der Valley-Girl-Witze oder der Essex-Girl-Witze sind. Jedenfalls sind viele Blondinenwitze wortident mit Witzen über die Girls im San Fernando Valley oder in Essex.

How do you know, that an Essex Girl has been using your laptop? – There’s Tipp Ex on the screen.

 

Andererseits entstehen in Ländern mit einem ähnlichen gesellschaftspolitischen und kulturellen Hintergrund zwangsläufig ähnliche Witze. Aber nicht nur das: Unabhängig von der jeweiligen Kultur gibt es überall Witze, die auf Archetypen – also auf Urbilder, die im Menschen verwurzelt sind – zurückgehen.

Bemerkenswert ist, dass im Deutschen die Blondinenwitze nicht auf eine bestimmte Gesellschaftsschicht in einer bestimmten Region zugeschnitten sind. Nur aufgrund der Haarfarbe werden den Frauen die Attribute „ungebildet“, „dumm“ und „promisk“ umgehängt. Damit sind sie ein müder Abklatsch ihrer amerikanischen und englischen Pendants.

Inzwischen haben die Frauen mit Antimännerwitzen zurückgeschlagen. Während Sigmund Freud meinte, „dass die Ehe nicht die Veranstaltung ist, die Sexualität des Mannes zu befriedigen“ (Freud, S. 126), geht es in diesen Witzen explizit darum, dass Männer die sexuellen Bedürfnisse der Frau nicht befriedigen. Ein zu kurzer Penis und mangelnde sexuelle Leistungsfähigkeit sind die Grundthemen vieler Antimännerwitze, die ein Wortspiel enthalten.

Auf einer Party wird eng getanzt. Er: „Puppe, du hast aber wenig Holz vor der Hütt’n.“ Sie: „Um dieses kleine Würstchen zu braten, wird es schon reichen.“

Zwei Nachbarinnen unterhalten sich: „Mein Mann ist heute zum Zeugen geladen worden.“ – „Ach, das ist eine gute Idee. Meinen sollte ich auch einmal laden lassen.“ (Hirsch, S. 79)

Eine Frau kommt euphorisiert vom Gynäkologen und erzählt ihrem Mann: „Liebling, stell dir vor, der Gynäkologe hat zu mir gesagt: Sie haben Beine wie eine Zwanzigjährige.“ Er brummt Unverständliches. – „Der Gynäkologe hat gesagt: Sie haben eine Brust wie eine Dreißigjährige.“ – „Und über deinen fünfzigjährigen Arsch habt ihr nicht geredet?“ – „Nein Liebling – kein Wort über dich.“ (Fritsch, S. 22)

Dieser Witz stammt aus dem Buch Wenn Frauen herzhaft lachen. Die besten Witze über Männer. Das Buch der Journalistin Sibylle Fritsch ist 1998 erschienen. Aus sprachlicher Sicht geht es um einen Doppelsinn des Wortes Arsch.

Auch in einigen anderen Witzen steht das umgangssprachliche Wort für Gesäß im Mittelpunkt.

Warum gibt es die Pille für den Mann noch nicht? – Weil man für Ärsche normalerweise Zäpfchen nimmt.

Die Männer schauen den Frauen auf den Hintern und denken: „Boah, was für ein Arsch!“ Das tun Frauen auch, nur dass sie den Männern dabei ins Gesicht schauen.

Bei diesem Witz erlaubt die Pointe zwei Interpretationen: Hat der Mann „ein Arschgesicht“ oder „verhält er sich wie ein Arsch“? Ein milderes Exemplar dieses Witzetypus geht so:

Ein Paar sitzt im Restaurant beim Essen. Der Mann patzt sich an und sagt: „Na geh, jetzt schau ich aus wie ein Schwein!“ Darauf seine Frau: „Ja, und angepatzt hast du dich auch noch!“

Bleiben wir noch bei den Antimännerwitzen, aber gehen wir kurz noch in eine andere Richtung.

Ein Ehepaar hat zwei wunderschöne Töchter und jetzt einen abgrundtief hässlichen Sohn bekommen. Da sagt der Ehemann: „Hast du mich etwa betrogen?“ Die Ehefrau: „Nein, dieses Mal nicht!“

Der Witz spielt darauf an, dass Männer kein gesichertes Wissen über die Vaterschaft besitzen. Das war auch schon in der Antike Thema von Witzen (siehe S. 20).

Die Witzekultur war zu Freuds Zeiten männlich dominiert. Dies hängt damit zusammen, dass ein aggressives verbales Verhalten bei Männern akzeptiert wurde, bei Frauen jedoch verpönt war. Relevant ist auch, dass der Witzeerzähler während des Erzählens im Mittelpunkt der Gesellschaft steht – auch das wurde den Frauen damals noch nicht zugestanden. Außerdem entwickeln Männer eher jenes Gefühl der Selbstsicherheit, das beim Erzählen eines Witzes notwendig ist. Wenn ich mit einem einleitenden Rahmen „Kennst du den?“ zu erzählen beginne, dann muss ich darauf vertrauen, dass ich die Anwesenden zum Lachen oder zumindest zum Schmunzeln bringe. „Insgesamt können sich Mädchen und Frauen zwar noch immer nicht uneingeschränkt in allen Formen von Humor den Jungen und Männern ähnlich sanktionsfrei betätigen“, schreibt die Freiburger Linguistin Helga Kotthoff, „ihr Handlungsspielraum hat sich aber erweitert“ (Kotthoff, S. 164). Sibylle Fritsch sieht es ähnlich: „Langsam, aber konsequent sind Frauen in die Imperien der Männer eingedrungen. (…) In Frauenwitzen werden Männer gnadenlos betrogen und als impotent hingestellt, oder sie sind überhaupt das Letzte. Eine Kostprobe gefällig? Was macht eine Frau morgens mit ihrem Arsch? Sie schmiert ihm Brote und schickt ihn zur Arbeit. Die Schärfe der Frauenwitze mag eine Antwort sein auf mehrere 1000 Jahre Patriarchat.“ (Fritsch, S. 94)

Die folgende Scherzfrage, mit der ich dieses Kapitel abschließe, ist eine Reaktion der Frauen auf die Blondinenwitze und gleichzeitig auch ein Metawitz:

Weshalb sind Blondinenwitze immer so kurz? – Damit sie auch die Männer verstehen!

Wahrscheinlich ist in diesem Fall jener Burgenländerwitz Pate gestanden, den Sie auf Seite 40 gelesen haben. Kurz sind sie allesamt: die Ostfriesenwitze, die Burgenländerwitze und die Blondinenwitze – wenn sie in Form einer Scherzfrage daherkommen.

Der soziale Abstieg des niederen Adels – Graf-Bobby-Witze

Nun zu einem ganz anderen Typus, auch er ist historisch. Dumm, begriffsstützig und naiv ist in diesem Fall ein Mann. Die Rede ist von Graf Bobby. Viele Witze rund um diese fiktive Person haben eine sprachliche Komponente.

Graf Bobby war eine Wiener Witzefigur, die um 1900 in der Spätphase der k. u. k. Monarchie entstanden ist und bis in die frühen 1990er Jahre populär war. Ich beginne mit einem gelungenen Witz. Es ist zwar kein Sprachwitz, aber für mich ist es der Archetypus eines Graf-Bobby-Witzes.

Graf Bobby steigt in Salzburg in den Zug und trifft dort seinen Freund, einen Esterházy. Beide unterhalten sich angeregt über dies und das. Schließlich meint Graf Bobby: „Siehst den Fortschritt der Technik? I fahr’ nach Innsbruck, du fahrst nach Eisenstadt, und beide hock’n wir im selben Zug!“ (vgl. Landmann 1960, S. 269)

Häufig fungieren in diesen Witzen Bobbys Freunde als Stichwortgeber: Graf Rudi, Baron Mucki, Graf Poldi und Baron Schmeidl. Die Kunstfigur wurde so populär, dass derartige Witze nicht nur in Anthologien und Sammlungen erschienen, sondern auch Filme mit Graf Bobby produziert wurden. In dem Film Die Abenteuer des Grafen Bobby (1961) spielte Peter Alexander die Hauptrolle, Gunther Philipp stellte den Grafen Mucki dar.

In einer Art Eingangscouplet charakterisieren sich die Grafen Bobby und Mucki selbst.

„Wir sind zwei Witzfiguren, sind überall bekannt.“

„Der Bobby und der Mucki, so werden wir genannt.“

„Man sagt, dass wir zwei blöd sind, doch scher’n wir uns nicht drum.“

„Von blöd ist keine Rede, wir sind nur bisserl dumm.“ (…)

(beide) „Na bitte sehr, man sagt ja nix, man red’t ja nur davon.“

In der nächsten Strophe wird ein Graf-Bobby-Witz in Reimform wiedergegeben.

„Ich habe gehört im Jockey Club den Grafen Rudi sag’n, / du hättest einen Unfall gehabt mit deinem Wag’n.“

„Es war nur a Missverständnis, wir fuhren quer durch Wien / mit 100 Kilometer, ich und Contess Pauline. / Da stoppt ein Polizist mich und sagt: ‚Mein Herr, / man fahrt durch eine Stadt doch mit 50 und nicht mehr!‘ / ‚Das war a Missverständnis, ich dachte pro Person.‘“

(beide) „Na bitte sehr, man sagt ja nix …“

Der Jockeyclub am Schubertring in Wien zählt zusammen mit dem Rennverein und dem St. Johanns Club zu den drei exklusiven Wiener Freizeitclubs. Im Jockeyclub trifft sich vor allem der Adel.

Auch Schallplatten mit Graf-Bobby-Witzen erschienen in den 1960er und 1970er Jahren. Hier waren unter anderem Peter Igelhoff als Bobby und Fred Rauch als Rudi bekannte Darsteller.

Die Klassiker unter den Graf-Bobby-Witzen sind landauf und landab erzählt worden, sie wirken heute abgedroschen.

Bobby trifft beim Spaziergang im Park die Gräfin Ariadne. „Meine Verehrung, Gnädigste. Wie geht’s denn dem werten Töchterlein?“ „Danke der Nachfrage. Es läuft schon seit 14 Tagen.“ „Oh“, staunt Bobby, „da muss es ja schon fast in Venedig sein.“ (Böhm, S. 10)

Graf Bobby kommt zu Besuch. In der Wohnung schreit dauernd ein kleines Kind. „Was hat denn das Kind?“, erkundigt sich Bobby höflich. Sagt die Mutter: „Es bekommt Zähne.“ – Darauf Bobby: „Ja will’s denn keine?“ (Böhm, S. 19)

Die Witzefigur Graf Bobby ist ideal für Unbildungswitze. Manche von ihnen können richtig wehtun.

Graf Bobby steht vor der Abendkassa der Staatsoper: „Was wird denn heute gegeben?“ – „Tannhäuser oder der Sängerkrieg auf der Wartburg“ – „Schlamperei“, sagt Graf Bobby, „jetzt könnte das Programm eigentlich schon feststehen.“ Verärgert geht er die Ringstraße entlang zum Burgtheater: „Was steht heute auf dem Programm?“ – „Was ihr wollt.“ – „Gut, dann spielen Sie die Klabriaspartie!“ (bei Muliar, S. 24–25, als Teil einer längeren jüdischen Anekdote; bei Böhm, S. 174, bis zur Zwischenpointe)

Graf Bobby wird vom Heiligen Vater in Privataudienz empfangen. Er begrüßt ihn ehrfürchtig. Der Kardinalkammerherr deutet ihm hinter dem Rücken des Heiligen Vaters mit der ringbewehrten Rechten mehrmals den Handkuss. Bobby reagiert vorerst nicht. Dann aber geht es wie ein Leuchten über seine Züge: „Und fast hätt’ ich vergessen, Eure Heiligkeit – einen Handkuss an die gnädige Frau Gemahlin!“ (Bemmann, 1970, S. 130–132, 1973, S. 168–170)

In der ungarischen Reichshälfte spielte der Baron Mikosch eine vergleichbare Rolle. Da diese Figur nicht nur dumm war, sondern auch Deutsch mit ungarischem Einschlag sprach, hatten die Witze einen fremdenfeindlichen Anstrich, wenn sie in Österreich oder Deutschland erzählt wurden – wobei das Ungarische vom Deutschen so weit entfernt ist wie das Türkische. Die Sprachprobleme sind also verständlich.

Mikosch: Is sich dumme Sproch’, dos Daitsch; gibt’s do Worte, wo man konn dovor setzen jedden Artikel und haßt sich donn immer onders.

Deutscher: Lieber Baron, da werden Sie mir wohl den Beweis schuldig bleiben, das gibt es nicht.

Mikosch: Ober, bitt’ ich Ihnen, zum Baispül, sog’ ich: der Regent, is sich dos Monorch; sog’ ich ober: die Regent, is dos Monn mit Taktstock; und wenn ich soge: das Regent, werd’ ich noss und muss Regenschirm aufsponnen. (Arnheim, S. 19)

Baron-Mikosch-Witze wurden erstmals unter dem Titel Baron Mikosch, der ungarische Witzbold 1889 in Berlin publiziert. Die hier zitierten Witze sind einer Sammlung von J. C. Arnheim aus dem Jahr 1913 entnommen.

Mikosch ist angetrunken und erkundigt sich nachts um 1 Uhr auf der Straße nach der Zeit. Der Gefragte gibt ihm eine Ohrfeige und sagt: „Es hat eins geschlagen.“ „Teremtete“, sagt der Baron, sich die Wange reibend, „hob’ ich Glück gehobt in Unglück; wenn hätt’ ich ihn gefrogt vor einer Stund’, hätt’ er mir zwölf gegeben.“ (Arnheim, S. 12)

Der Baron Mikosch verwendet gerne das Fluchwort teremtete. Es ist gleichbedeutend mit „Zum Teufel!“. Morphologisch ist es ein Participium Passivum vom Verbum teremteni (= schaffen, herbeischaffen, hervorbringen), mit dem es aber den Zusammenhang schon verloren hat. Dagegen hat die ungarische Sprache von teremteni ein anderes Wort abgeleitet: teremtettezni (= fluchen). Dieser Baron-Mikosch-Witz ist die Abwandlung eines alten jüdischen Witzes mit der Pointe: „No, wenn er mich hätt’ um ä Stund früher gefragt, hätt’ ich zwölf Pätsch gekriegt.“ (Eisenbach, VI, S. 8–9)

Man spricht über Musiker und Mikosch sagt: „Geb’ ich nit viel auf olle haitige Pianisten, seit ich hob’ gehört Zweischock auf Klafünf.“ – „Sie irren sich, lieber Baron, Sie meinen wohl Dreyschock auf dem Klavier.“ – „Konn sich dos auch so sein; hob ich mir gemerkt, dass’s mocht zusommen sieben.“ (Arnheim, S. 18)

Alexander Dreyschock (1818–1869) war ein böhmischer Klaviervirtuose, der zu seiner Zeit als einer der bedeutendsten Pianisten galt. Im Übrigen gehört der Witz auch in die Kategorie der Mnemotechnikwitze (siehe S. 66).

Aber vielleicht war auch das ursprünglich gar kein Baron-Mikosch-Witz, sondern ein jüdischer Witz. Jan Meyerowitz hält diesen Witz sogar für „das erste große ‚Sujet‘ des jüdischen Witzes wie wir ihn kennen“. Als im 18. Jahrhundert die aufklärerische Bewegung Haskala entstand, die sich für eine kulturelle Annäherung in die christliche Mehrheitsgesellschaft einsetzte, wurde sie „von Gegnern wie auch von wohlwollend ironischen Anhängern in unzähligen Witzen lächerlich gemacht“. (Meyerowitz, S. 49)

 

Ein Jude kehrt von einer Reise nach Budapest, wo er den damals berühmten Pianisten Dreyschock gehört hat, in seine Kleinstadt zurück und erzählt stolz: „Ich bin gegangen ins Konzert – hab’ ich gehört Zweischock auf Klafünf.“ – „Du meinst Dreyschock auf Klavier.“ – „Ach, hab’ ich mir nur gemerkt: Macht zusammen siebene!“ (Meyerowitz, S. 49)

Weil wir gerade bei den Mnemotechnikwitzen sind, gleich noch einer mit dem Baron Mikosch als Hauptfigur:

Baron Mikosch kommt nach Wien und fragt einen Wiener: „Wo ist bittaschän Kupferplotz?“ Der Wiener überlegt: „Kupferplatz, nie gehört. Wir haben einen Stephansplatz, einen Michaelerplatz, einen Goetheplatz …“ – „Igen! Goetheplatz! Hob ich verwächselt Goethä mit Schillär, Schillär mit Lessing, Lässing mit Mässing und Mässing mit Kupfär.“ (vgl. Ott, S. 89)

Mikosch rückt ein war der Titel eines Kinofilms unter der Regie von Johann Alexander Hübler-Kahla. Die Besetzung der deutsch-ungarischen Produktion aus dem Jahr 1952 stand dem zuvor erwähnten Graf-Bobby-Kinofilm um nichts nach.

Die Graf-Bobby-Witze und die Baron-Mikosch-Witze hatten ein Pendant im deutschen Kaiserreich.

Major von Zitzewitz und Major von Bülow treffen sich im Casino.

Von Bülow: Wo waren Sie denn jestern Abend?

Von Zitzewitz: Jestern Abend … Theater jewesen!

Von Bülow: Und, was haben Sie jesehen?

Von Zitzewitz: Seltsame Sache! Stück von Schiller. Zivilist schießt auf Obst.

Ein Offizierskollege zu Graf Zitzewitz: „Heute im Casino jewesen, Beethoven gespielt.“ Darauf Zizewitz: „Und, jewonnen?“

Graf Zitzewitz zum Ober: „Bin heut Abend im Kasino, könnense mir nichen Witz erzählen?“ – „Sehr wohl Herr Graf.“ Der Ober nimmt drei Bohnen, legt sie auf den Tisch, nimmt dann eine Bohne und legt sie etwas zur Seite auf den Tisch. „Was ist das, Herr Graf?“ Zeigt auf die Bohne. – „Na, was solln des sein? Ne Bohne natürlich!“ – „Schauen Sie, Herr Graf …“ Er legt die Bohne zu den zwei anderen und dann wieder zur Seite: „Bohn apart, Bonapart.“ – „Famos, muss ich sofort im Casino erzählen, famos.“

Am Abend im Kasino. „Hören Se ma, Leutnant, hab’ da nen großartigen Witz jehört – Ober, nu bringense ma ne Handvoll Bohnen her.“ Der Ober bringt die Bohnen. Graf Zitzewitz legt den Großteil der Bohnen in die Tischmitte und einige wenige an den Rand. „Na, Leutnant, was is das?“ – „Das ist ein Teil der Bohnen.“ Zitzewitz: „Nee, mein Lieber, das ist Napoleon!“

Version 2

Der Ober bringt Erbsen, weil keine Bohnen vorhanden sind. (…) „Na, Leutnant, was is das?“ – „Ja, Herr Graf, würde sagen Erbsen.“ – „Aber nein, nein, is doch janz einfach: Napoleon!“

Das ist ein Zerlegungswitz, der Name Bonaparte wird zerteilt, wodurch ein annähernder Gleichklang mit „Bohne“ und „apart“ entsteht – Letzteres hier allerdings nicht mit der heute gängigen Hauptbedeutung: von eigenartigem Reiz, besonders reizvoll, geschmackvoll. Gemeint ist im Witz eine alte Bedeutung, die schon verblasst ist: einzeln, gesondert – im Wort Apartheid (= Politik der Rassentrennung) ist sie noch sichtbar.

Nur so nebenbei sei gesagt, dass auch ein Baron-Mikosch-Witz, den Hans Weigel – und nicht nur er – erzählt hat, ähnlich strukturiert ist.

Baron Mikosch ließ sich gerne vom Portier des Hotels Bristol Witze erzählen. Einmal fragte ihn der Portier des Hotels Bristol: „Wer ist das, Herr Baron? Es ist nicht mein Bruder und nicht meine Schwester und ist doch das Kind meiner Eltern?“ – „Weiß ich, bitte, nicht.“ – „Das bin ich.“ – „Großartig, muss ich zuhause gleich erzählen.“

Mikosch kommt nachhause und fragt alsbald die Runde seiner Freunde: „Wer ist das? Ist nicht mein Bruder und nicht meine Schwester und ist doch das Kind meiner Eltern … Wisst ihr nicht? Das ist der Portier vom Hotel Bristol.“ (Ott, S. 17–18, Weigel, S. 11)

Diese Witze waren ursprünglich eine mit Schadenfreude durchwachsene Reaktion der Bildungsbürger auf den Niedergang des Adels. Dieser begann 1848, führte 1907 zur endgültigen Abschaffung des Kurienwahlrechts und Einführung des allgemeinen Wahlrechts für Männer über 24 Jahre und endete 1919 mit der Verabschiedung des Adelsaufhebungsgesetzes. Nach dem Ende der Monarchie Österreich-Ungarn stand fest, „dass eine demokratische Republik unmöglich einen neuen Adel schaffen kann“, schrieb die Neue Freie Presse am 4. April 1919. „Denn das ganze Wesen eines solchen Freistaates beruht auf der Gleichberechtigung. Wird von der Demokratie die Gleichberechtigung abgezogen, dann bleibt eine Regierungsform zurück, von der alle Schichten des Volkes bedrückt werden, die nicht zu den herrschenden Klassen gehören.“ Fortan war es verboten, Adelszeichen wie „von“, „Edler“, „Erlauchter“, „Durchlaucht“ oder „Hoheit“ zu verwenden. Abgeschafft wurde auch das Recht zur Führung von Standesbezeichnungen wie Freiherr, Fürst, Graf oder Ritter – ebenso wie das Führen von Familienwappen. Bei Zuwiderhandeln drohten Strafen von bis zu zwanzigtausend Kronen oder Arreststrafen bis zu einem halben Jahr. Adalbert Graf Sternberg, Abkömmling eines böhmischen Adelsgeschlechts, ließ sich auf seine Visitenkarte einen Text drucken, der eigentlich ein Sprachwitz ist:

Adalbert Sternberg

Geadelt von Karl dem Großen, entadelt von Karl dem Renner

Ihre Hochblüte erlebten die Witze rund um den Grafen Bobby und den Baron Mikosch allerdings erst nach dem Zweiten Weltkrieg, also eine Generation später. Wer dann noch immer seine (niedrige) adelige Herkunft demonstrativ vor sich hertrug, rückwärtsgewandt und gleichzeitig ungebildet oder begriffsstützig war, verdiente sich den Spott der Lachgemeinschaft.