Slow Dancing In A Burning Room

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„Okay, Kishiko, dein linkes Bein bitte auf den Würfel – dreh dich ein bisschen! Ja, sehr schön! Die Hand unters Kinn! Perfect, honey! – Haydn, leg dich zwischen ihre Beine! Stütz dich auf die Ellbogen! Ja, diesen Blick will ich sehen! – Kishiko, tu so, als würdest du dich über ihn mokieren! – Perfect! That’s it! – Haydn, be more aggressive! – Beautiful!” Der Fotograf drehte das Stativ, senkte und hob es. „Thank you, sweets! You’re wonderful! – Pete, die Handkamera! – Get it on, sweets! Show me some attitude!” „Wie wär’s mit Kino heute Abend?” Haydn deutete an, als wollte er seine Partnerin schlagen, zog seine Faust dann zurück und Kishiko Hasekura, japanisches Model und Haydns Geliebte, beugte sich nach vor, als wolle sie ihn anspringen. „Ja, unbedingt! Das Horse Hospital zeigt heute Abend eine japanische Filmretrospektive.“ Haydn sprang auf einen der weißen Requisitenwürfel. „Perfekt. Mein Japanisch ist ja schon ganz eingerostet.“ „Odokemono!“ „Yes, show me more of that attitude, sweets!”

„My God, do I have to do everything myself? – Die Perücke glänzt viel zu viel! Puder! Puder!” Der Fotograf huschte herum wie ein Wiesel, war überall gleichzeitig und verlor trotzdem nie den Überblick. Haydn räusperte sich unter dem Puderstaub und versuchte sich zu konzentrieren. Einen Japaner hatte er noch nie dargestellt, das verlangte schon ganz andere schauspielerische Leistungen als sein zweites Gesicht auf der Bühne.

„Kishiko, ich möchte, dass du den Zopf von Haydns Perücke um deinen Finger wickelst. Spielt miteinander, neckt euch – verstanden?“ „Er weiß, dass wir eine sexuelle Beziehung haben, oder?“ Kishiko kräuselte die Nase und tat, wie ihr geheißen. „Deswegen weiß er auch, dass wir diese Aufgabe mit Bravour erledigen werden.“ „Sweets, ihr sollt nicht reden! Foreplay!“ „Oh, Gregory, you don’t want that!“ „Yes, I do! – Oh my, keep your clothes on just yet!” „Told you!“

„Ich habe uns Tee bestellt.“ Kishiko legte den Hörer auf und schlug ihre langen weißen Beine übereinander. Haydn rieb sich die Haare trocken und holte dann eine Packung Zigaretten aus seiner Hosentasche. „Sie hatten allerdings keinen Jasmintee, deshalb lasse ich Rooibos kommen.“ „Wunderbar.“ Dabei meinte er vielleicht ein klein bisschen mehr ihre Beine als den Tee.

„Manchmal habe ich das Gefühl, die Modewelt ist zu einem Warenhaus verkommen.“ Sie klemmte die Zigarette zwischen die Lippen und steckte sich die Haare hoch. Dass sie dabei immer noch unglaublich elegant aussah, war ein Naturtalent. Ihre schlanken Finger zierten drei große goldene Ringe, außerdem trug sie selbst jetzt noch ihre übergroßen Goldcreolen. Mit spitzen Fingern blätterte sie in der Zeitschrift, die sie beim Shoot eingesteckt hatte. Vielleicht war sie eine hochnäsige verwöhnte Königin, aber die Tatsache, dass sie einen Kick davon bekam, wertlose Dinge zu klauen, gefiel Haydn so an ihr. Das und die Tatsache, dass sie dreimal gebildeter war als er, mehr Sprachen sprach und selbst nach wildem Sex unfassbar makellos war.

„Und du bist ihre Schaufensterpuppe“, setzte er sich zu ihr und küsste ihr Schlüsselbein. „Wir sollten ins Kino gehen“, lenkte sie sofort auf ein anderes Thema, schlug die Zeitschrift zu und tippte mit ihren perfekt manikürten Fingernägeln die Asche in die Schale neben dem Bett. „Ich brauche ein bisschen intellektuelle Unterhaltung in dieser sündigen Stadt.“ „So wie ich das sehe“, zuckte Haydn die Schultern und nahm ihr die Zeitschrift aus dem Schoß, „ist das ein Grund, warum du hierher kommst.“ Seine Lippen streiften ihre und sie lachte. „Nun, vielleicht... Aber ich habe jetzt jedenfalls keine Lust auf Sex, ich brauche Stimulation der anderen Art.“ Damit schob sie Haydn von sich und ließ ihn auf dem Bett sitzen, um sich anzuziehen. Doch Haydn kannte sie zu gut, um nicht zu wissen, dass ihr nach dem Film nach einem langen analysierenden Gespräch war – nackt und meist in der Badewanne oder im Bett und er dabei seinen Kopf zwischen ihren Beinen haben würde. Außerdem war es äußerst befriedigend, ihr dabei zuzusehen, wie sie langsam jedes einzelne Kleidungsstück über ihren elfengleichen Körper streifte.

She wore long black boots and tight skinny jeans,

her hair straight back and her nails painted red.

Her skin was dirty from the red sandy road,

her bare feet bloody from the long hard walk.

But her deep black eyes still kept the pride of her past

And her luscious lips kept the secrets of her soul.

We ran out of words halfway down the way

So we stopped and made love instead.

17

Es wurde Winter, Linneas liebste Jahreszeit. Sie mochte es, sich in ihren Schal zu kuscheln und die Mütze über die Ohren zu ziehen. Paradox, das war ihr schon klar, aber es war eine so gemütliche Jahreszeit und sie war ein Kind des Winters, da nahm man das bisschen Nasenfrieren schon in Kauf.

Schade nur, dass sie keinen Kamin in der Wohnung hatte. Wenn sie mit Albin verheiratet war, wollte sie zumindest eine eigene Doppelhaushälfte – Eigentum, nicht gemietet – mit einen Kamin im Wohnzimmer. So wie ihre Mutter einen hatte und vor dem sie als Kind viele Stunden damit zugebracht hatte, Papierfetzen hineinzuwerfen und sie zu beobachten, wie sie langsam vom Feuer aufgefressen wurden. Es war direkt angsteinflößend, dass ihre Eltern sie nie davon abgehalten hatten und Feuer übte seither immer eine gewisse Faszination auf sie aus. Manchmal saß sie einfach an einer Kerze und ließ ihren Finger durch die Flammen gleiten. Albin war der Meinung, sie würde irgendwann das Haus in Brand stecken, aber Linnea bewunderte die Macht, die Feuer hatte. Wenn sie eine geheime Kraft haben könnte, würde sie sich Feuer aussuchen. Ein Zwinkern und Flammen züngelten aus ihren Fingern.

In der Redaktion hatte der Winter allerdings einige unangenehme Nebeneffekte. Es war ständig zu warm und die Böden waren rutschig, weil niemand bereit war, seine Schuhe abzuputzen, bevor sie herein kamen. Außerdem, je nach Wetterlage, konnten sich wichtige Angelegenheiten empfindlich verschieben, was wiederum zu Chaos führte. Karla war deshalb schlecht gelaunt und hinzukam, dass der Monat durch die Feiertage kürzer war und die Deadline immer viel zu früh und scheinbar jedes Jahr „völlig überraschend“ kam.

Das einzig Gute daran, dass eine Dachgeschosswohnung im Winter spürbar kühler war als die Wohnung darunter war die vielleicht beste Art sich aufzuwärmen: im Bett. Linnea konnte Stunden darin verbringen – zur Not auch allein. Sie schnappte sich einfach ein gutes Buch und versank in eine andere Welt, bis Albin sie in die Wirklichkeit zurückholte. Es war unglaublich, wie viele Bücher sie gelesen hatte seit sie mit der Uni begonnen hatte – und wie viele sie schon hätte lesen können, wenn sie früher damit angefangen hätte. Ein gutes Buch konnte einen ganzen Tag retten, in eine andere Welt entführen und einen zur Ruhe kommen lassen.

„Ihr habt beide überreagiert.“ Agneta reichte ihr ein Glas Punsch und setzte sich dann in ihren Armsessel. Linnea seufzte und nahm einen Schluck. Es fühlte sich gut an, wie es warm ihre Speiseröhre hinunterlief. „Ich weiß...“, gab sie bereitwillig zu. „Aber er kann so furchtbar kleinlich sein.“ „Das kannst du auch.“ „Deshalb haben wir uns ja wieder mal gestritten.“ Agneta zog ihre Beine an und lehnte sich zurück. „Und ihr werdet euch wieder versöhnen. Das ist so euer Ding.“ Schon wieder dieses Wort. Was war das eigentlich? Es war ja wahrscheinlich nicht einmal ein Wort, es war bestimmt ein „Ding“. „Ich hätte gerne ein anderes ‚Ding’“, verzog Linnea den Mund und Agneta lächelte sanft. „Das werdet ihr noch finden. Ihr beide ward so jung, als ihr zusammen gekommen seid und ihr seid es immer noch. So was braucht Zeit.“ „Und wenn wir es nicht finden?“ Sie stellte ihre Tasse auf den Couchtisch. „So wie du und Fader?“ „Dann hoffe ich, dass ihr klug genug seid, es rechtzeitig zu beenden.“ Linnea senkte den Blick. Es war das erste Mal, dass jemand ihr für ihre Beziehung eine andere Option geboten hatte. Und dafür war sie ihrer Mutter irgendwie dankbar, weil sie sich endlich einmal verstanden fühlte.

„Übrigens habe ich etwas, dass dich vielleicht ein bisschen aufheitern könnte.“ Agneta nahm sich einen Keks. „Deine Tante Edda hat letzte Woche angerufen und sie hat mich und dich wieder einmal nach Kanada eingeladen.“ „Wieso tut sie das nur jedes Jahr?“, seufzte Linnea, die noch nicht ganz bereit dafür war, das Thema zu wechseln. „Sie weiß doch, dass wir es wieder nicht schaffen werden.“ „Das hab ich ihr auch gesagt“, fuhr Agneta fort. Sie war versessen darauf, ihre Tochter abzulenken, weil sie sich in ihren Augen ein bisschen lächerlich benahm. Immerhin war das doch wieder nur eine Kleinigkeit und alle wussten das. Albin und Linnea brachte nichts auseinander. Aber sie wusste auch, dass sie Verständnis zeigen musste, weil auch sie das selbst gerne gehabt hätte, als die Probleme mit ihrem Mann anfingen. Und vielleicht war die Idee letztendlich gar nicht so schlecht und genau das, was die beiden brauchten, um ihre Beziehung endlich ein für alle Mal abzuklären. „Ich hab gesagt, dass ich zu viel Arbeit habe und du und Albin in Lappland sein werdet.“ „Eigentlich schade...“, seufzte Linnea wieder. Sie war traurig und wütend, zu seufzen erschien ihr die einzige richtige Reaktion zu allem. Außerdem hatte sie im Moment keinen größeren Wunsch, als endlich diesem ganzen Chaos zu entkommen, um sich wieder über alles klar werden zu können. Nur: So genau würde sie das nicht aussprechen, weil sie glaubte, Agnetas Reaktion darauf zu kennen. Und darauf konnte sie im Moment gut verzichten. „Ich würde gern einmal sehen, wo sie wohnt und meine Cousine und meinen Cousin kennen lernen.“ „Das hat sie auch gesagt“, tat Agneta begeistert und Linnea wusste sofort, dass sie da bereits irgendwas ausgeheckt hatte. „Und dann hab ich mir gestern gedacht...“ Sie stand auf und ging in den Flur hinaus. „Da du ja nun nicht nach Lappland fährst und ich dich hier nicht Trübsal blasend gebrauchen kann...“ Sie hielt Linnea ein Kuvert hin, das diese etwas verwundert annahm. „Sieh es als mein Weihnachtsgeschenk – du hast es verdient.“

 

Es war ein Ticket nach Halifax, Kanada. Linnea sah auf. „Mamma...?“ „Ich denke“, erwiderte ihre Mutter, „was du jetzt am Dringendsten brauchst ist ein bisschen Abstand. Von Albin und von dir hier in Stockholm. Edda freut sich schon riesig auf dich und wie ich meine Schwester kenne, hat sie ein nonstop Urlaubsprogramm. Das bringt dich auf andere Gedanken und gibt euch beiden Zeit abzukühlen.“ „Ich weiß nicht, was ich sagen soll...“ Das war bei weitem das Liebste, was ihre Mutter seit langem für jemand anderen als sich selbst getan hatte. „Sag einfach danke.“ Es war eigentlich genau das, was Linnea jetzt brauchte: Zeit für sich. „Tack, Mamma.“

18

„Alle mal herhören!“ Haydn rappelte sich hoch, kletterte auf die Bank und schlug mit dem Feuerzeug gegen seine Bierflasche. „Hey!“ Er musste schreien, um die Musik zu übertönen. Da sie aber nicht hören wollten, pfiff er einmal laut durch die Finger. „Ah, verdammt!“, stöhnte Ian, der direkt unter ihm saß. „Sorry, hon! - Also, ich... wollte eigentlich nur sagen...“ „Dass du stockbetrunken bist?“ „Ja, das auch.“ Er schwankte und Ian packte ihn um den Knöchel – was ihn nicht daran gehindert hätte, von der Bank zu fallen. „Aber vor allem wollte ich sagen, dass... ich heilfroh bin, dass wir diese Tour endlich hinter uns haben... und ganze vier Wochen lang normale Menschen sein können.“ Allgemeines Gröhlen. „Thanks to our dearest Freddy and Anthony, who licked some butts to get us that long a holiday!“ Dabei prostete er seinen Managern zu, die ihm daraufhin den Mittelfinger zeigten. „Später, Boys“, winkte Haydn grinsend ab. „Wenn die anderen weg sind. – Jedenfalls: Ich... freu mich, dass ihr heute Abend alle hier seid und wünsche... euch gleich mal frohe Feiertage und dass ich keinen von euch vor dem neuen Jahr wiedersehen muss!“ „Hear hear!“ Man hob Gläser und Flaschen und prostete sich zu. Haydn ließ sich wieder ächzend auf die Bank fallen und legte seinen Kopf in den Schoß eines Mädchens namens Madison – Amerikanerin, brünette Locken, sexy tiefe Stimme, großer Fan. „Wenn du mir mein sauteures Kleid voll kotzt“, protestierte diese und schubste ihn von sich, „wirst du dein Gesicht nie mehr auf Werbekampagnen zeigen können!“ Haydn grinste und trank seine Flasche leer. „Keine Sorge, ich werde bald nach Hause gehen. Es ist immer schöner, in seine eigene Toilette zu kotzen.“ Dann zündete er sich eine Zigarette an, packte Jean-Marie an der Hand und zog ihn auf die Tanzfläche. „Beweg deinen süßen kleinen Arsch, Baby!“

Während die beiden ihre kleine Show abzogen, war der Rest der Gesellschaft auch nicht untätig. Da es ja nur der halbe Spaß war unter sich zu feiern – das hatten sie während der Tour oft genug getan – hatten sie nur eine Ecke des Clubs reservieren lassen und erfreuten sich nun am restlichen Publikum, vor allem wenn es weiblich war. Es war düster und verraucht, gedimmte Lampen warfen ihre Schatten und die Musik war zeitweise so laut, als wolle man nicht, dass sich jemand unterhalten könnte. Haydn hatte sich mittlerweile Madison – in hautengem Leder und Mörderheels - gekrallt und wenn man Sex haben konnte, ohne tatsächlich Sex zu haben, dann gaben die beiden gerade eine beeindruckende Vorstellung davon. Jeder war noch aufgeputscht von der Müdigkeit und genauso high von den letzten Wochen und Monaten und man vermisste einerseits den Rush, auf Tour zu sein, war andererseits aber froh, endlich wieder zu Hause zu sein.

Es war nach Mitternacht und alle lagen schon mehr übereinander, als dass sie saßen. Es wurde gelacht und blöd gescherzt und vor allem die Roadies hatten schon den einen oder anderen Zacken in der Krone und knutschten ausgiebig mit unterschiedlichen Mädchen. Haydn und Lafayette saßen in einer Ecke, die Beine auf dem Tisch, die Köpfe aneinander gelegt und sangen „Stairway to Heaven“, was in diesem Moment nicht deplatzierter hätte sein können und Madison und Layla trugen Weihnachtsmannmützen und tanzten auf dem Tisch. Auf der Tanzfläche waren bereits mehr nackte Oberkörper als Hemden auf dem Boden lagen und auf den Stiegenaufgängen durfte man nicht mehr allzu prüde sein, um sich zu den Toiletten durchzuzwängen – nur um dort keine freie Kabine mehr zu finden.

„Manchmal habe ich Angst, dass mich so ein Typ beim Sex zerdrücken könnte“, bemerkte Haydn und zeigte einem jungen Mann nach, der gefährlich nahe an ihm und Lafayette vorbeikam und sie dabei unverhohlen musterte. „Solche Typen suchen sich meist auch nur Typen die so aussehen wie sie“, warf Lafayette ein und stürzte ein Glas Vodka hinunter. „Hast du eine Ahnung“, bemühte sich Haydn nicht zu lallen, aber sein Körper transportierte Alkohol viel zu schnell ins Blut. „Die stehen auf die kleinen Schmächtigen!“ „Na, dann fällst du ja wieder raus, Teddy! Du bist zu groß“, stieß sein bester Freund ihn an und sie kicherten.

Nach einer Weile zeigte Lafayette auf Madison, die sich eines der Mädchen aus dem Haufen gegriffen hatte und wie wild mit diesem auf Körperkontakt ging. „Ha-ha, wie’s scheint, wirst du heute alleine nach Hause gehen“, grinste er und winkte einem der halbnackten Kellner. „Solltest du nicht ein Radar für so etwas haben?“ „Hey, Cav!“, beugte sich nun auch Ian zu ihnen. Allen, die gerade nicht anderweitig beschäftigt waren, war der Partnerwechsel mittlerweile aufgefallen und sie begannen herumzufeixen. Haydn Cavendish für eine Frau verlassen… „Dein Betthäschen scheint die Gegenwart von Brüsten dir vorzuziehen. That’s a first!“ „Was hast du denn hier drin erwartet?“ Damit wollte Barclay seinem Bandleader zuprosten, doch dieser stand einfach auf und ging – als hätte er nicht einen Tropfen getrunken – zu den beiden Mädchen hinüber. Die Runde folgte ihm mit den Augen, konnte jedoch nicht mit den Ohren nachkommen, da es immer noch zu laut war. Haydn legte seinen Arm um Madison und flüsterte ihr etwas zu, woraufhin sie dem Mädchen einfach an die Brüste fasste und ihr ihre Zunge in den Hals steckte. Die Jungs pfiffen lauthals, doch Haydn brachte sie alle mit einer einzigen Handbewegung zum Schweigen und flüsterte nun dem anderen Mädchen etwas zu.

Etwa eine halbe Minute später kam er wieder zu den Jungs zurück und nahm seine Zigaretten vom Tisch. „Okay, Jungs, ich sehe euch dann im nächsten Jahr“, winkte er nur und legte seine Arme um die beiden Mädchen, um sie zum Ausgang zu führen. „Ich halt’s nicht aus“, stöhnte Bobby und ließ von dem Mädchen neben ihm ab. „Geht er jetzt wieder mit beiden nach Hause?“ „Einmal“, meldete sich einer der Roadies, „zumindest einmal möchte ich in seinem Körper stecken.“ „Hmmm“, kratzte sich Lafayette an seinem imaginären Bart. „Das sollte sich arrangieren lassen. Aber ich glaube, meistens ist er oben.“

19

Von Stockholm nach London war es ein Katzensprung. Sie hatte es sich kaum bequem gemacht, da musste sie auch schon wieder umsteigen. Von London gab es einen Direktflug nach Halifax, wo sie ihre Tante abholen würde. Da sie sich der Zeitverschiebung bewusst war, versuchte Linnea im Flugzeug etwas Schlaf zu kriegen. Sonst würde sie beim Abendessen Gesicht voran in die Suppe kippen. Außerdem war das Wetter meistens schlecht, weshalb es sowieso nichts zu sehen gab. Kopfhörer in den Ohren rückte sie sich in ihrem Sitz zurecht und schloss die Augen. Sie war selbst überrascht, wie schnell sie einschlief. Sie träumte irgendetwas von Rentieren und Elfen – vielleicht hätte sie zum Frühstück doch nicht den Kinderkanal schauen sollen.

Die Stewardess weckte sie erst, als das Flugzeug zur Landung ansetzte. Auf einem einzigen Transatlantikflug hatte sie den Schlafverlust einer ganzen Woche aufgeholt. Sie streckte sich, gähnte und trank eilig ihre Limonade aus, bevor ihr der Becher weggenommen wurde. Dann packte sie ihren Discman weg und schnallte sich an. Irgendwie war sie schon ein bisschen aufgeregt. Immerhin würde sie bald zum ersten Mal den nordamerikanischen Kontinent betreten – die Heimat ihren vielen verehrten Musiker. Ein bisschen wollte sie sich allerdings schon dafür in den Hintern treten, dass sie diesen Flug praktisch verschlafen hatte. Sie flog nie irgendwo hin, hätte es da nicht etwas Besonderes sein sollen?

Da die anschließende Autofahrt sich noch etwas länger gestalten würde, hatte Linnea sich erlaubt, es sich auf dem Rücksitz etwas bequemer zu machen. Nahm man es in Amerika so genau mit dem Anschnallen? Tante Edda und Onkel Jasper schienen jedenfalls vollstes Verständnis für ihre Erschöpfung zu haben. Außerdem konnte sie auch so die Landschaft vorbeiziehen sehen – die jener Schwedens irgendwie verblüffend ähnlich war. Und es dämmerte bald, da konnte sie sowieso nicht mehr viel sehen.

„Das Gästezimmer ist oben“, trug Jasper ihren Koffer in den Flur, wo Linnea gerade ihren Schal an einen Haken neben dem Garberobenspiegel hängte. „Du kannst es dir entweder gleich ein bisschen gemütlich machen, oder Edda zeigt dir erst einmal das Haus, während ich die Kinder hole.“ „Oh...“, zog sie ihre Jacke aus. „Erm, ich denke, dass ich genug ausgeruht bin. Aber ich kann meine Sachen schon selber hochtragen, und wir fangen dann einfach oben mit der Tour an.“ „Okay, sehr gut... Dann hol ich jetzt Clarissa und Thomas. – Bis später, Schatz.“ Die waren ja noch netter als die Addams Family. Linnea erinnerte sich noch vage daran, dass ihre Tante früher mit ihrer Schwester nach deren Scheidung durch unzählige Clubs gezogen war und junge Männer aufgerissen hatte. Bevor sie den situierten kanadischen Bankier Jasper Leery kennen lernte, der sich auf Urlaub in Stockholm befunden hatte und schließlich mit mehr als nur Souvenirs für seine Eltern nach Hause kam.

Das Haus war sehr modern eingerichtet, alles war sehr hell, aber auch ein bisschen steril. Ihr Zimmer hatte Blick auf den Garten und weiter hinten sogar das Meer und Linnea wusste gleich, dass sie es hier schon eine Zeit lang aushalten würde. Bestimmt würde sie aber nicht ihre ganze Zeit in der heilen Welt dieser Familie verbringen können. Das war zu sehr Bilderbuch hier, das konnte nicht normal sein. Linnea empfand sich selbst als relativ normal, da sollte man nichts riskieren.

Ihre Cousine und ihr Cousin waren die artigen Kinder, die sie nach der Hausführung erwartet hatte. Aber dafür würden sie sie vielleicht auch nicht jeden Morgen schon um sechs aus dem Bett brüllen. Denn wenn sie die Zeit hier für etwas anderes nutzen wollte, als nur um auf andere Gedanken zu kommen, dann um zu schlafen. Wozu hatte man sonst Urlaub? Und sie hatte noch dazu ganze zwei Wochen rausschlagen können.

Aber Agneta hatte sich nicht in ihrer Schwester getäuscht: Diese hatte ein volles Programm für ihre einzige Nichte vorbereitet. Was Linnea nicht wusste: Agneta hatte das veranlasst, besorgt, ihre Tochter könnte sich zu sehr in ihrem Selbstmitleid vergraben.

Zuerst zeigten Clarissa und Thomas ihrer Cousine die Umgebung, den Strand, das Meer, den Wald..., dann fuhren Edda und Jasper mit ihr nach Halifax, um die letzten Weihnachtseinkäufe zu erledigen. Einen Baum gab es bereits, er füllte fast ein Viertel des Wohnzimmers aus und das Haus war innen und außen festlich dekoriert worden. Jetzt galt es, einen Braten zu kaufen und passende Servietten zum Tischtuch, etc. Linnea langweilte sich bald und entschuldigte sich in ein Buchgeschäft.

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