Deutsche Geschichte

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Ludwig der Bayer

Im Jah­re 1306 ver­fass­te ein fran­zö­si­scher Schrift­stel­ler na­mens Pier­re Du­bois, Ju­rist und Po­li­ti­ker, ein Buch über die Wie­de­r­er­obe­rung des Hei­li­gen Lan­des. Da­rin sprach er da­von, dass die Be­din­gung die­ses Un­ter­neh­mens der Frie­de in der Chris­ten­heit sei, und wie der­sel­be her­ge­stellt wer­den kön­ne. Das Welt­kai­ser­tum, wie es bis­her be­stan­den habe, sei eine ver­jähr­te Ein­rich­tung und über­haupt ab­zu­leh­nen; da­ge­gen dach­te er an ein in­ter­na­tio­na­les, aus Präla­ten und Fürs­ten be­ste­hen­des Schieds­ge­richt, ein Kon­zil, das auf Wunsch des fran­zö­si­schen Kö­nigs vom Papst ein­be­ru­fen wer­den und auf dem Bo­den Frank­reichs sich ver­sam­meln sol­le. Die das Kon­zil bil­den­den Präla­ten und Fürs­ten soll­ten von der Leh­re des Tho­mas von Aqui­no aus­ge­hen, dass der Krieg nur dann be­rech­tigt sei, wenn er den Frie­den zum Ziel habe, und je­der, der sich dem Frie­den wi­der­set­ze oder den Kämp­fen­den Waf­fen lie­fe­re, sol­le zur Stra­fe sei­nes Ei­gen­tums be­raubt und nach dem Hei­li­gen Lan­de ge­schickt wer­den. War bei die­sem Plan dem Kö­nig von Frank­reich schon eine be­deu­ten­de Rol­le zu­er­teilt, so ver­riet Du­bois in ei­nem fol­gen­den Bu­che, dass er das Im­pe­ri­um auch von ei­ner ganz an­de­ren Sei­te be­trach­ten konn­te: er riet näm­lich dar­in sei­nem Mon­ar­chen, sich selbst vom Papst zum Kai­ser krö­nen zu las­sen und noch dazu die Wür­de in sei­ner Fa­mi­lie erb­lich zu ma­chen. Das also ver­barg sich hin­ter der Ab­leh­nung der mit­tel­al­ter­li­chen Idee des Welt­kai­ser­tums: die ver­derb­li­che Uni­ver­sal­mon­ar­chie wur­de zu ei­ner löb­li­chen Ein­rich­tung, so­wie der Kö­nig von Frank­reich ihr Trä­ger wäre. Die Ei­fer­sucht, dass nicht die West­fran­ken, son­dern die Ost­fran­ken Nach­fol­ger Karls des Gro­ßen ge­wor­den wa­ren, war im­mer eine Trieb­fe­der der fran­zö­si­schen Po­li­tik ge­we­sen; sie wur­de es vollends, als Frank­reich ein ein­heit­li­cher mäch­ti­ger Staat zu wer­den be­gann, wäh­rend das Deut­sche Reich in zahl­lo­se Ein­zel­tei­le aus­ein­an­der­zu­fal­len droh­te. Was den Kö­nig von Frank­reich ver­hin­der­te, die Su­pre­ma­tie über Eu­ro­pa an sich zu rei­ßen, war der Ge­gen­satz zu Eng­land, den die Deut­schen be­nüt­zen konn­ten, was al­ler­dings auch dazu bei­trug, die Spal­tung im Reich of­fen­bar zu ma­chen. Ei­nen be­deu­ten­den Schritt auf der ein­ge­schla­ge­nen Bahn tat der fran­zö­si­sche Kö­nig, in­dem er den Papst sei­nem Ein­fluss un­ter­warf und es so­gar da­hin brach­te, dass der Papst sei­ne Re­si­denz nach Avi­gnon, auf fran­zö­si­schen Bo­den ver­leg­te. Seit die Stau­fer Si­zi­li­en an sich ge­bracht und da­durch die Päps­te des Schut­zes der Nor­man­nen be­raubt hat­ten, such­ten sie Zuf­lucht bei Frank­reich, be­kämpf­ten sie die deut­schen Kai­ser mit fran­zö­si­scher Hil­fe; dass sie in Avi­gnon in gänz­li­che Ab­hän­gig­keit von Frank­reich ge­rie­ten, das be­drück­te sie nicht, weil sie, da­für sorg­te der Kö­nig, Fran­zo­sen wa­ren.

Jo­hann XXII., der im Jah­re 1316 auf Be­trei­ben des Kö­nigs von Frank­reich zum Papst ge­wählt wur­de, war der Sohn ei­nes Schus­ters von Ca­hors, ein nicht ge­wöhn­li­cher Mann. Schon die zähe Le­bens­kraft, die den da­mals 72­jäh­ri­gen zu un­er­müd­li­cher Tä­tig­keit an­sporn­te, war et­was Au­ßer­or­dent­li­ches. Be­son­ders be­schäf­tig­te er sich mit ge­lehr­ten theo­lo­gi­schen Pro­ble­men und mit dem Auf­spü­ren neu­er Ein­nah­me­quel­len. Seit die Päps­te das Kir­chen­we­sen in Rom zen­tra­li­siert, alle Rechts­fra­gen, Be­schwer­den, An­lie­gen der gan­zen Chris­ten­heit an sich ge­zo­gen hat­ten und da­durch ein un­ge­heu­rer ge­schäft­li­cher Ap­pa­rat not­wen­dig ge­wor­den war, brauch­ten sie mehr und mehr Geld, das, da bei der Ab­nei­gung der mit­tel­al­ter­li­chen Men­schen ge­gen re­gel­mä­ßi­ge Steu­ern sol­che nicht zu er­lan­gen wa­ren, auf Um­we­gen bei­ge­bracht wer­den muss­te. Wenn die ver­schie­de­nen Ab­ga­ben, die bei ver­schie­de­ner Ge­le­gen­heit ge­leis­tet wer­den muss­ten, nicht ge­nüg­ten, wur­de für Kreuz­zü­ge ge­sam­melt, die nie­mals statt­fan­den; da­mit war na­ment­lich Jo­hann XXII. er­folg­reich. Nach sei­nem Tode fan­den sich im päpst­li­chen Schatz 18 Mil­lio­nen Gold­gul­den in Mün­zen und 7 Mil­lio­nen in Edel­stei­nen und ed­len Me­tal­len. Eben­sol­che Fort­schrit­te hat­ten die Päps­te in­fol­ge der Nach­gie­big­keit Ru­dolfs von Habs­burg in der Aus­deh­nung ih­rer Herr­schaft über Ita­li­en ge­macht. Cle­mens V. stell­te die Be­haup­tung auf, bei Er­le­di­gung des Kai­ser­tums ste­he die Reichs­re­gie­rung in Ita­li­en den Päps­ten zu; konn­te er es nicht be­wei­sen, so konn­te er doch da­nach han­deln. Dass er Ro­bert von An­jou, einen En­kel je­nes Karl, der den letz­ten Stau­fer hat­te ent­haup­ten las­sen, zum Reichs­statt­hal­ter er­nann­te, kam ei­ner Kriegs­er­klä­rung gleich. Ro­bert von An­jou nahm kei­nen An­stand, of­fen aus­zu­spre­chen, dass das rö­misch-deut­sche Reich durch Ge­walt ent­stan­den sei und dass so Ent­stan­de­nes kei­ne Dau­er ha­ben kön­ne; auch sei­en die Deut­schen mehr Bar­ba­ren als Chris­ten, die mit den Fran­zo­sen nicht über­ein­stim­men und mit den Ita­li­e­nern sich nicht ver­tra­gen könn­ten. Jo­hann XXII. ge­sell­te den Gra­fen Phil­ipp von Va­lois, spä­te­ren Kö­nig von Frank­reich, dem An­jou als Un­ter­reichs­ver­we­ser bei. Als sich die­sen Krea­tu­ren des Paps­tes in Ober­ita­li­en die Ghi­bel­li­nen wi­der­setz­ten, ver­häng­te er über ih­ren Füh­rer, Mat­tes Vis­con­ti, den Bann, er­klär­te ihn als Ket­zer und ließ das Kreuz ge­gen ihn pre­di­gen.

Zwei­mal ka­men in die­ser Zeit Kö­ni­ge zur Re­gie­rung, die fä­hig und wil­lens wa­ren, die Rech­te des Rei­ches ener­gisch zu wah­ren; aber Al­brecht von Habs­burg wur­de im Jah­re 1308 er­mor­det, und Hein­rich VII., ein ge­bo­re­ner Graf von Lu­xem­burg, er­lag nach kur­z­er Re­gie­rung in Ita­li­en ei­ner Krank­heit. Nach sei­nem plötz­li­chen Tode spal­te­ten sich im Reich die Wäh­ler, die einen wähl­ten Fried­rich den Schö­nen, Her­zog von Ös­ter­reich, die an­de­ren den Wit­tels­ba­cher Lud­wig, Sohn Lud­wigs des Stren­gen, bei­de En­kel Ru­dolfs von Habs­burg. Das Äu­ße­re Lud­wigs von Bay­ern ist uns von ei­nem Ita­lie­ner ge­nau be­schrie­ben: er hat­te eine hohe schlan­ke Ge­stalt, röt­lich­blon­des, et­was spär­li­ches Haar, eine ge­bo­ge­ne Nase, schö­ne, glän­zen­de brau­ne Au­gen, leb­haf­te Far­ben, einen ra­schen Gang, und sein Ge­sicht schi­en im­mer zu lä­cheln. So stell­te er wohl einen deut­schen Kai­ser dar, aber doch mit ei­ner leich­ten Ver­zer­rung, wie ja auch das Reich, des­sen Na­men er trug, das­sel­be und doch nicht das­sel­be war. Das Lä­cheln, das auf sei­nem Ge­sicht hei­misch war, drück­te nicht den Stolz des Ed­len aus, der auch dem wid­rigs­ten Schick­sal hei­ter be­geg­net, son­dern die Sorg­lo­sig­keit ei­nes ober­fläch­li­chen Ge­mü­tes, das den Schritt des Schick­sals nicht ver­nimmt. Nicht, dass er sich mit den Flit­tern des Le­bens ver­tän­delt hät­te: er hat­te Lust zu großen Din­gen und schwang sich leicht zu küh­nen Un­ter­neh­mun­gen auf; aber nichts wur­zel­te so tief in sei­ner See­le, dass Trop­fen Blu­tes dar­an hän­gen­ge­blie­ben wä­ren, wenn er es aus­rei­ßen muss­te. Er war lie­bens­wür­dig und le­ben­sprü­hend, wenn er sei­ne Frau um­fass­te und hoch in die Luft schwang oder wenn er ei­nem Herrn von Wes­ter­burg, der ein et­was trot­zi­ges Lie­bes ge­dieht ge­macht hat­te, auf­trug, es der Dame freund­li­cher zu ma­chen und ihn lob­te, als er es »ge­bes­sert« hat­te. Si­cher­lich hat­te er sei­nen Vet­ter und Ge­gen­kö­nig lieb, und es war auf­rich­ti­ge Groß­mut dar­in, als er ihn aus der Ge­fan­gen­schaft entließ, um sei­nen Thron wie ein Bru­der mit ihm zu tei­len; nur war er eben­so be­reit, einen an­de­ren Schach­zug zu tun, als es ihm an­ge­ra­ten wur­de. Er war per­sön­lich tap­fer und voll Schwung in der Schlacht; aber wenn er sieg­te, hat­te er nichts da­von. Er wis­se die Vö­gel zu fan­gen, aber nicht zu rup­fen, sag­te man von ihm. Einst, wäh­rend ei­ner Feh­de mit dem ver­fein­de­ten Bru­der, soll er in ein Dorf ge­sprengt sein, mit ei­ge­ner Hand den Brand hin­ein­ge­wor­fen ha­ben, was ei­gens dazu an­ge­stell­te, so­ge­nann­te Bren­ner zu tun pfleg­ten, und als die Flam­men hoch auf­schlu­gen, laut ge­ju­belt ha­ben. Es war ein präch­ti­ges Bild und ein ganz er­füll­ter Au­gen­blick, den er froh ge­noss. Nach­dem sein Geg­ner in der Schlacht bei Mühl­dorf be­siegt war, zog er über die Al­pen nach Mai­land und emp­fing dort die Kro­ne Ita­li­ens. Nach deut­scher Auf­fas­sung wur­de eine strit­ti­ge Kö­nigs­wahl durch den Sieg des einen der Er­wähl­ten ent­schie­den; in­fol­ge­des­sen durf­te sich Lud­wig als recht­mä­ßi­ger Kö­nig be­trach­ten. Der Papst hin­ge­gen stell­te sich auf den Stand­punkt, dass der Kö­nig nicht Kö­nig sei, bis der Papst ihn be­stä­tigt habe, dass in­fol­ge­des­sen der Thron va­kant sei und, weil wäh­rend ei­ner Va­kanz die Re­gie­rung ihm zu­ste­he, Lud­wig kei­ne Re­gie­rungs­hand­lung aus­üben dür­fe; au­ßer­dem habe Lud­wig kei­ne Ver­bin­dung mit dem ge­bann­ten Vis­con­ti ein­ge­hen dür­fen. Ge­gen den Pro­zess, den der Papst an den Tü­ren des Do­mes von Avi­gnon an­schla­gen ließ, pro­tes­tier­te Lud­wig im De­zem­ber 1323 vor No­tar und Zeu­gen. Er sag­te in dem Pro­test, es sei seit un­denk­ba­ren Zei­ten in Deutsch­land Brauch, dass der von den Kur­fürs­ten oder de­ren Mehr­heit Er­wähl­te und Ge­krön­te eben da­durch rö­mi­scher Kö­nig und auch Kai­ser sei, nur dass er die Kai­ser­kro­ne noch nicht emp­fan­gen habe. Der Papst be­kämp­fe die gött­li­che Ord­nung, wenn er von den zwei Ge­wal­ten, die Gott ein­ge­setzt habe, die eine, näm­lich die welt­li­che, ver­nich­ten wol­le. Schließ­lich be­an­trag­te er den Zu­sam­men­tritt ei­nes all­ge­mei­nen Kon­zils. Des Paps­tes Ant­wort war, dass er am 23. März 1324 über Lud­wig den Kir­chen­bann und über sei­ne Län­der das In­ter­dikt ver­häng­te; ei­ni­ge Mo­na­te spä­ter er­klär­te er ihn der kö­nig­li­chen und kai­ser­li­chen Wür­de ver­lus­tig.

 

Nie war ei­nes ge­bann­ten Kai­sers Lage je so glück­lich ge­we­sen. Von Hein­rich IV. wa­ren auf den Wink des Paps­tes die Fürs­ten ab­ge­fal­len, nur we­nig ge­wich­ti­ge Stim­men wa­ren für ihn ein­ge­tre­ten; jetzt war es an­ders. Der Papst hat­te Frank­reich auf sei­ner Sei­te; aber die be­deu­ten­den, die küh­nen Geis­ter, die, wel­che Zu­kunft in sich tru­gen, ström­ten Lud­wig zu, dräng­ten sich ihm auf, in Ita­li­en er­war­te­te ihn eine mäch­ti­ge Par­tei, und die deut­schen Fürs­ten wank­ten nicht, die Städ­te stan­den un­ent­wegt hilfs­be­reit hin­ter ihm. Man meint, so ge­stützt hät­te er es mit dem 79­jäh­ri­gen Geiz­hals in Avi­gnon auf­neh­men kön­nen. Drei her­vor­ra­gen­de Geg­ner hat­te der Papst, die sich dem Kai­ser zur Ver­fü­gung stell­ten: Mi­cha­el von Ce­se­na, Mar­siglio von Pa­do­va, Wil­helm von Ock­ham. Mi­cha­el von Ce­se­na war im Jah­re 1316, dem­sel­ben in dem Jo­hann von Ca­hors Papst wur­de, zum Ge­ne­ral des Fran­zis­ka­ner­or­dens ge­wählt wor­den, der seit dem Ende des 13. Jahr­hun­derts durch eine ver­schie­de­ne Auf­fas­sung der Leh­re von der Ar­mut ge­spal­ten war. Man hat­te sich dar­auf ge­ei­nigt, dass den Or­dens­leu­ten die Nutz­nie­ßung welt­li­cher Gü­ter ge­stat­tet sei; aber im­mer wie­der wur­de eine Mei­nung laut, die den Fran­zis­ka­nern, ja den Geist­li­chen über­haupt, die ei­gent­li­che, buch­stäb­li­che Ar­mut zur Pf­licht ma­chen woll­te. Die Ver­tre­ter die­ser Mei­nung woll­ten den Or­dens­mit­glie­dern nur den so­ge­nann­ten u­sus te­nu­is im Ge­gen­satz zum u­sus mo­de­ra­tus ge­stat­ten, das heißt die all­er­ge­rings­te Nutz­nie­ßung welt­li­cher Gü­ter, so­dass sie ihr Le­ben durch Bet­tel fris­te­ten. Die stren­ge Rich­tung wur­de von den Päps­ten bald ge­bil­ligt, bald ver­wor­fen, Jo­hann XXII. ver­warf sie und schritt ge­gen ihre Be­ken­ner mit vol­ler Stren­ge ein; in Mar­seil­le wur­den meh­re­re ver­brannt. Bei sei­nem Hang zu ge­lehr­ter Theo­lo­gie konn­te es Jo­hann XXII. nicht un­ter­las­sen, die Streit­fra­ge selbst wis­sen­schaft­lich zu be­gut­ach­ten, und das Er­geb­nis war, dass er die Ar­mut Chris­ti leug­ne­te. Bald dar­auf ließ Mi­cha­el von Ce­se­na in ei­ner Or­dens Ver­samm­lung fest­stel­len, dass die Be­haup­tung, Chris­tus und die Apos­tel hät­ten kein ge­mein­sa­mes Ei­gen­tum ge­habt, nicht hä­re­tisch sei. Als Ge­gen­schlag er­klär­te Jo­hann in der De­kre­ta­le Cum in­ter no­nullos die­se Leh­re für ket­ze­risch, und in der De­kre­ta­le Quia quorund­um, dass den Päps­ten das Recht zu­ste­he, Er­klä­run­gen ih­rer Vor­gän­ger in Glau­bens- und Sit­ten­sa­chen zu wi­der­ru­fen. So be­fan­den sich die Mi­no­ri­ten im of­fe­nen Ge­gen­satz zum Papst. Un­ter ih­nen wa­ren au­ßer Mi­cha­el von Ce­se­na noch meh­re­re geist­vol­le und ent­schlos­se­ne Män­ner, na­ment­lich der Eng­län­der Wil­helm von Ock­ham und der streit­ba­re, un­er­schro­cke­ne Bo­na­gra­tia, ei­gent­lich Bon­cor­te­se, von Ber­ga­mo. Ock­ham, der Doc­tor in­vin­ci­bi­lis, war als scho­las­ti­scher Phi­lo­soph ein Neue­rer; wie ein Löwe, der kei­nen An­griff fürch­tet, sagt der Chro­nist von Win­ter­thur, wi­der­leg­te er in den Dis­pu­ta­tio­nen sei­ne Geg­ner.

Von an­de­rer Sei­te, ob­wohl auch von Ock­ham be­ein­flusst, kam Mar­siglio von Pa­do­va. Man nimmt an, dass er bür­ger­li­cher Her­kunft war, Rai­mon­di­ni hieß und um 1270 ge­bo­ren ist. Er stu­dier­te in Pa­do­va Phi­lo­so­phie und Me­di­zin und scheint Sol­dat ge­we­sen zu sein; dar­aus, dass er im Jah­re 1312 Rek­tor der Pa­ri­ser Uni­ver­si­tät war, ist zu schlie­ßen, dass er Geist­li­cher war, we­nigs­tens die nie­de­ren Wei­hen emp­fan­gen hat­te. Durch An­grif­fe auf das päpst­li­che Sys­tem er­schüt­ter­te er sei­ne Stel­lung, so­dass er Pa­ris ver­las­sen muss­te; in die­ser Be­dräng­nis dach­te er an den Kai­ser und be­gab sich mit sei­nem Ge­fähr­ten Jan­dun nach Nürn­berg, wo Lud­wig da­mals Hof hielt. Eine Stun­de des Schick­sals stieg aus der Tie­fe der Zeit, eine Stun­de, wo alle Strö­mun­gen wun­der­bar zu­sam­men­schie­ßen, dass die große Tat wie eine Blu­me ge­pflückt wer­den kann. Der Name des Kai­sers flamm­te weit ins Land und zog die Schif­fe der Ver­we­ge­nen, die mit den Wel­len kämpf­ten, an. Wie man­cher Im­pe­ra­tor hat­te, ge­hasst und ver­flucht, un­ge­beugt bis zum Tode, mit den rö­mi­schen Ty­ran­nen ge­run­gen, die im gan­zen Abend­lan­de den Geist fes­seln woll­ten! Wer die Ket­ten spren­gen woll­te, schar­te sich nun um den ein­zi­gen, der als eben­bür­ti­ge Macht den Kampf mit dem Papst auf­neh­men konn­te. Mar­siglio war ganz Ita­lie­ner, klar, kühl und glü­hend, un­be­irrt durch Träu­me des Her­zens, wenn er sei­nen Ver­stand brauch­te wie ein ra­sches Schwert. In sei­nem Blick wa­ren Strah­len, die den ma­gi­schen Him­mel über der mit­tel­al­ter­li­chen See­le ver­zehr­ten; er sah die Din­ge als Pro­tes­tant und als bür­ger­li­cher Mensch, der sein ei­ge­nes Ge­wis­sen und sein ei­ge­nes Ur­teil hat, der sich nach al­len Sei­ten rüh­ren und sich nur beu­gen und be­schrän­ken las­sen will, wenn Ein­sicht und Nut­zen es for­dern. Der Kir­che sprach er alle welt­li­che Macht, al­les Recht zur Ein­mi­schung in welt­li­che Din­ge ab. Aber auch der welt­li­che Re­gent, sei er Kai­ser oder Kö­nig, ist nach ihm dem Vol­ke ver­ant­wort­lich; denn das Volk ist der ei­gent­li­che Sou­ve­rän. In Glau­bens­sa­chen hat nicht der Papst, son­dern ein Kon­zil zu ent­schei­den, das den ge­sam­ten Kle­rus, aber auch Lai­en um­fas­sen soll. Die Ge­mein­de wählt den Pries­ter, der Papst hat kei­ne hö­he­re Ge­walt, als an­de­re Pries­ter ha­ben. Die Grund­la­ge des Glau­bens ist die Hei­li­ge Schrift, zum Glau­ben kann nie­mand ge­zwun­gen wer­den: in­fol­ge­des­sen ist nie­mand we­gen Ket­ze­rei zu stra­fen, als wer sich zu­gleich ge­gen welt­li­che Ge­set­ze ver­geht.

Zum Teil wa­ren die­sel­ben und ähn­li­che Ge­dan­ken schon aus­ge­spro­chen: auch Dan­te in sei­ner Mon­ar­chie hat­te den Staat in Be­zug auf Ge­walt über die Kir­che ge­stellt, und ver­schie­dent­lich war der Ver­zicht der Kir­che auf welt­li­che Gü­ter ge­for­dert, Ket­zer stell­ten der Kir­che die Bi­bel als Grund­la­ge des Glau­bens ent­ge­gen; aber noch nie vor­her war ein Welt­bild so ver­schie­den von den herr­schen­den, so zu­sam­men­hän­gend, so in sich ge­schlos­sen ent­wor­fen, und noch nie war sei­ne Ver­wirk­li­chung mit sol­cher Ener­gie und sol­cher Rück­sichts­lo­sig­keit ge­for­dert. Es ist dar­in nichts mehr von dem bom­bas­ti­schen Prunk der Er­las­se, mit de­nen Fried­rich II. und sei­ne päpst­li­chen Geg­ner sich her­aus­for­der­ten, als sie wie Halb­göt­ter zu Häup­ten der Sterb­li­chen ein Wel­ten­schick­sal aus­kämpf­ten. Den Gold­grund der Ge­schich­te wischt Mar­siglio fort. Auch die Hei­li­ge Schrift ist ihm we­ni­ger eine Of­fen­ba­rung der Ge­heim­nis­se Got­tes, als ein Buch, das man le­sen und wie­der zu­klap­pen kann, wenn es etwa un­ge­nieß­bar wer­den soll­te. Mit Stau­nen sprach man in Pa­ris da­von, dass Mar­siglio den De­fen­sor pa­cis, das Buch, in dem er sei­ne An­sich­ten nie­der­leg­te, als Waf­fe des Kai­sers ge­gen den Papst, mit Hil­fe sei­nes Freun­des Jan­dun in zwei Mo­na­ten ge­schrie­ben habe. Die­ser Den­ker, der in ei­ner an­de­ren At­mo­sphä­re zu at­men schi­en als alle an­de­ren Men­schen, die­ser Feld­herr, der eine Ar­mee auf­wog, stell­te sich dem Kai­ser zur Ver­fü­gung.

Die Gunst der Stun­de ent­ging den Ghi­bel­li­nen in Ober­ita­li­en und den Rö­mern nicht, die ih­ren An­spruch auf Wel­t­herr­schaft nie ver­ga­ßen. Im Früh­jahr 1327 ver­trie­ben sie Ro­bert von An­jou, den der Papst zum Reichs­vi­kar ge­macht hat­te, und setz­ten eine re­pu­bli­ka­ni­sche Re­gie­rung ein, an de­ren Spit­ze Sci­ar­ra Co­lon­na trat. Lud­wig, der in Mai­land von zwei ex­kom­mu­ni­zier­ten Bi­schö­fen mit der ita­lie­ni­schen Kro­ne ge­krönt war, zog nach dem stets kai­ser­treu­en Pisa und be­trat am 7. Juni 1328 das ju­beln­de Rom. Nach­dem eine Volks­ver­samm­lung auf dem Ka­pi­tol ihm die Kai­ser­wür­de über­tra­gen hat­te, salb­te ihn ein ex­kom­mu­ni­zier­ter Bi­schof und setz­te Sci­ar­ra Co­lon­na ihm die Kro­ne auf.

Es ist ge­wiss, dass Fried­rich I. und wohl auch Fried­rich II. die Rö­mer hart an­ge­las­sen und Mar­siglio von Pa­do­va dem Papst aus­ge­lie­fert hät­ten. Konn­te ein Kai­ser sich von auf­stän­di­schen Rö­mern krö­nen las­sen und die Grund­sät­ze des Mar­siglio zu den sei­nen ma­chen und Kai­ser blei­ben? Oder hat­te Lud­wig wirk­lich eine Um­wäl­zung, eine groß­ar­ti­ge Sä­ku­la­ri­sa­ti­on im Sin­ne? Oder woll­te er den Papst nie­der­zwin­gen, die Macht an sich brin­gen, und wenn er sie hat­te, sich ih­rer im al­ten Sin­ne be­die­nen? Es scheint, dass Lud­wig nur lä­chel­te und we­nig dach­te. Er tat et­was Un­er­hör­tes ohne das Un­er­hör­te zu wol­len, zu­fäl­lig, ohne Plan, von Er­eig­nis­sen, die er nicht re­gier­te, zur Stel­le ge­trie­ben; er hat­te kein Heer, kein Geld und nicht ein­mal eine Über­zeu­gung. Auf dem Ka­pi­tol, ei­ner mo­nu­men­ta­len Büh­ne, trat er auf wie ein Schau­spie­ler in ei­nem Mum­men­schanz. An geis­ti­gen Waf­fen, zwei­schnei­di­gen, ge­fähr­li­chen, fehl­te es ihm nicht. Wäh­rend er in Ita­li­en war, nahm ein von ihm aus­ge­sand­tes Kriegs­schiff Mi­cha­el von Ce­se­na, Wil­helm von Ock­ham und Bo­na­gra­tia auf, die von Avi­gnon ge­flo­hen und von dem zor­ni­gen Papst ver­folgt wor­den wa­ren. In Pisa wur­den sie fest­lich emp­fan­gen, und der von Lud­wig ein­ge­setz­te Ge­gen­papst er­hob Ce­se­na zum Kar­di­nal von Os­tia, Lud­wig er­nann­te Mar­siglio von Pa­do­va zu sei­nem Leib­arzt und den deut­schen Mi­no­ri­ten Hein­rich von Tal­heim zum Kanz­ler. Wie der Ma­gnet­berg zog der Kai­ser die Pro­tes­tie­ren­den an; aber nur die Kro­ne war ma­gne­tisch, nicht der sie trug; er fiel, als die Er­eig­nis­se ihn nicht mehr fort­weh­ten, in sich zu­sam­men wie ein Se­gel, das der Wind nicht mehr auf­bläht. Da von sei­ner Sei­te nichts Ent­schei­den­des, Wirk­sa­mes ge­sch­ah, han­del­ten die Geg­ner. In Rom über­wan­den die wel­fi­schen Or­si­ni die ghi­bel­li­ni­schen Co­lon­na, eine Volks­ver­samm­lung hob al­les durch Lud­wig und un­ter Lud­wig Ge­sche­he­ne auf. Nur ein großer krie­ge­ri­scher Er­folg hät­te ihn ret­ten kön­nen; da ein sol­cher aus­blei­ben muss­te, ver­ließ der Kai­ser im An­fang des Jah­res 1330, zwei Jah­re nach sei­nem Ein­zug in Rom, Ita­li­en und kehr­te nach Bay­ern zu­rück. Mar­siglio, Ce­se­na, Ock­ham, Bo­na­gra­tia, Tal­heim folg­ten ihm nach Mün­chen und fan­den im dor­ti­gen Fran­zis­ka­ner­klos­ter, das sich in der Nähe der her­zog­li­chen Burg be­fand, da wo heu­te das Thea­ter steht, eine Zuf­lucht.

Wäh­rend die­se tap­fe­ren Män­ner fort­fuh­ren, ihre und des Kai­sers Sa­che in Schrif­ten zu ver­tei­di­gen, ging Lud­wig mit dem Ge­dan­ken um, sie zu ver­ra­ten. Wenn er sich dem Papst ge­gen­über auf den Stand­punkt stell­te, er sei ein ein­fa­cher Kriegs­mann und ver­ste­he nichts von ge­lehr­ten Spitz­fin­dig­kei­ten und sei des­halb nicht ver­ant­wort­lich für das, was die Theo­lo­gen ge­gen den Papst vor­ge­bracht hät­ten, so war das nicht nur eine Aus­flucht. Wahr­schein­lich hat­te er wirk­lich von ih­ren Aus­ein­an­der­set­zun­gen nicht viel ver­stan­den, ob­wohl er sich zu­wei­len aus dem De­fen­sor pa­cis vor­le­sen ließ. Er hat­te im Be­ginn des Kamp­fes wie schon manch­mal einen fröh­li­chen Auf­schwung ge­nom­men; wie da­mals, als er den Brand in das Dorf warf und den auf­schla­gen­den Flam­men zu­ju­bel­te, hat­te die Lust am fa­bel­haf­ten Aben­teu­er ihn hin­ge­ris­sen. Den wach­sen­den Schwie­rig­kei­ten ge­gen­über er­losch sei­ne Tat­kraft; er fühl­te sich wohl im al­ten Ge­lei­se und woll­te gern auf die An­häng­lich­keit der Rö­mer und die Er­ge­ben­heit der geist­volls­ten Män­ner des Abend­lan­des ver­zich­ten, wenn er da­für die Ver­zei­hung des Paps­tes ein­tau­schen könn­te. Zu­nächst be­wahr­te ihn Jo­hann XXII. selbst vor Schmach: sein Starr­sinn, ver­stärkt durch den Ein­fluss des fran­zö­si­schen Kö­nigs, lehn­te alle An­nä­he­rungs­ver­su­che ab trotz der De­mü­ti­gun­gen, die Lud­wig be­reit war auf sich zu neh­men. Da kam ihm noch ein­mal Hil­fe von au­ßen. Von sei­nem pro­fes­so­ra­len Ei­fer an­ge­trie­ben stell­te der Papst einen neu­en theo­lo­gi­schen Lehr­satz auf, der nie­man­den be­frie­dig­te, son­dern je­der­mann un­will­kom­men war. Er be­haup­te­te näm­lich, die See­len der Ver­stor­be­nen kämen nicht eher zur An­schau­ung Got­tes, als bis sie am Jüngs­ten Tage wie­der mit dem Lei­be ver­ei­nigt wä­ren. Mit Stau­nen und Ent­rüs­tung ver­merk­ten die Gläu­bi­gen, dass dem­nach die bis­her als Hei­li­ge ver­ehr­ten und an­de­re teu­re Per­so­nen sich noch in ei­nem man­gel­haf­ten Über­gangs­zu­stan­de be­fän­den, und Wi­der­stand ge­gen eine so über­flüs­si­ge Neue­rung im Be­griff des jen­sei­ti­gen Zu­stan­des er­hob sich. Nicht nur die Mi­no­ri­ten, al­len vor­an Ock­ham, wie­sen in ge­lehr­ten Schrif­ten nach, auf was für ei­nem Irr­weg der Papst sich habe tref­fen las­sen, auch sei­ne bis­he­ri­gen An­hän­ger und Freun­de, die Do­mi­ni­ka­ner, die Kö­ni­ge von Frank­reich und Nea­pel wand­ten sich von ihm ab, er­klär­ten ihn für einen Ket­zer. Die Lo­sung der Zeit, das Kon­zil, wur­de wie­der als Aus­weg ver­kün­det; es soll­te nun vor al­lem die Auf­ga­be ha­ben, den ket­ze­ri­schen Papst ab­zu­set­zen. In­des­sen be­vor der Kai­ser aus der un­ver­hoff­ten Wen­dung Vor­teil für sich ge­zo­gen hat­te, zog der Tod den Neun­zig­jäh­ri­gen aus der Sch­lin­ge. Be­ne­dikt XII., der ihm folg­te, ein Süd­fran­zo­se nied­ri­ger Her­kunft, wur­de durch die Kö­ni­ge von Frank­reich und Nea­pel ver­hin­dert, sich mit Lud­wig zu ver­söh­nen, der zu äu­ßers­ter Nach­gie­big­keit be­reit war.

 

Der po­li­ti­sche Hin­ter­grund im Vor­hal­ten des Paps­tes war so deut­lich ge­wor­den, dass nun­mehr die Reichs­fürs­ten sich ent­schlos­sen, die Wür­de des Rei­ches zu wah­ren, die der Kai­ser preis­ge­ge­ben hat­te. Die­se Her­ren, die einen wil­lens­kräf­ti­gen Kai­ser so oft ver­ra­ten hat­ten, stell­ten sich stolz ne­ben den Schwan­ken­den. Be­stimm­te sie auch we­ni­ger die Treue zum Kai­ser als der Ge­dan­ke, dass sie, die Wäh­ler des Kai­sers, in sei­ner Per­son her­ab­ge­setzt wur­den, so war ihr Auf­tre­ten doch ein Ge­winn und ein sel­te­nes Zeug­nis für die Ein­heit von Kai­ser und Reich. Im März 1338 ver­fass­te die Mehr­zahl der Bi­schö­fe in Spei­er eine Ein­ga­be an den Papst, er möge den Kai­ser in Gna­den auf­neh­men; Bi­schof Ul­rich von Chur und Graf Ger­lach von Nassau brach­ten das Schrei­ben nach Avi­gnon. Nach­dem der Schritt er­folg­los ge­blie­ben war, ver­sam­mel­ten sich am 15. und 16. Juli in Lahn­stein und Ren­se die Kur­fürs­ten mit Aus­nah­me des Kö­nigs Jo­hann von Böh­men, der mit Lud­wig ver­fein­det war, stell­ten die Un­ab­hän­gig­keit des kö­nig­li­chen Re­gie­rungs­rech­tes vom Papst fest und teil­ten dem Papst in ei­nem ge­mein­schaft­li­chen Schrei­ben ihre Ent­schlie­ßung mit. Auf dem Reichs­ta­ge zu Frank­furt, wo Lud­wig per­sön­lich er­schi­en, wur­de die­se ver­fas­sungs­recht­li­che Ent­schei­dung da­durch er­wei­tert, dass auch die Füh­rung des kai­ser­li­chen Ti­tels nur von der Wahl durch die Kur­fürs­ten soll­te ab­hän­gig sein. Die ent­spre­chen­den Er­klä­run­gen wur­den an der Tür des Frank­fur­ter Do­mes an­ge­schla­gen.

Die­ser Auf­schwung des Rei­ches, mein­te man, hät­te Lud­wig stäh­len müs­sen; aber er dach­te nur an Aussöh­nung mit dem Papst.

Cle­mens VI., der im Jah­re 1342 dem ver­schmitz­ten Rie­sen Be­ne­dikt folg­te, war wie je­ner ein Süd­fran­zo­se, aber ganz an­ders ge­ar­tet. Pier­re de Ro­siers, Abt des Klos­ters Fé­camp in der Nor­man­die, der an ein mit al­len An­nehm­lich­kei­ten des Reich­tums und hö­fi­scher Sit­te aus­ge­stat­te­tes Le­ben ge­wöhnt war, stand den geist­li­chen Auf­ga­ben ei­nes Paps­tes ziem­lich fern. Der Zu­fall woll­te, dass der im Kna­ben­al­ter ste­hen­de Sohn des Kö­nigs Jo­hann von Böh­men, Karl, sich in Pa­ris be­fand, als der 27­jäh­ri­ge Abt von Fé­camp eine ge­gen Lud­wig den Bayer ge­rich­te­te Rede hielt, der sich kurz vor­her in Rom von ei­nem ex­kom­mu­ni­zier­ten Bi­schof und ei­nem re­bel­li­schen Ad­li­gen hat­te zum Kai­ser krö­nen las­sen. Es war eine ganz im Sin­ne des fran­zö­si­schen Kö­nigs ge­hal­te­ne Rede, der selbst nach der Kai­ser­wür­de streb­te und es zu­frie­den war, dass der Deut­sche sich als Ket­zer vor der Welt un­mög­lich mach­te. Die­se Pre­digt des re­de­ge­wand­ten ele­gan­ten Ab­tes mach­te auf den jun­gen Karl einen un­ver­ge­ss­li­chen Ein­druck; er such­te sei­ne Freund­schaft und war hoch­be­glückt, dass der Geist­li­che sich her­beiließ, ihn in theo­lo­gi­schen Din­gen zu un­ter­rich­ten. Als nun Karl im Jah­re 1340 in Avi­gnon war, um dem da­ma­li­gen Papst, es war Be­ne­dikt XII., sei­ne Er­ge­ben­heit zu zei­gen, traf er dort den Abt von Fé­camp, der in­zwi­schen Erz­bi­schof von Rou­en ge­wor­den war und sich beim Papst be­dank­te, weil er ihn zum Kar­di­nal­bi­schof er­ho­ben hat­te. Die bei­den Her­ren er­neu­er­ten die frü­he­re Freund­schaft, und ei­nes Ta­ges sag­te der Erz­bi­schof zu Karl: »Du wirst noch Kö­nig der Rö­mer wer­den«, wor­auf Karl ent­geg­ne­te, »und du wirst vor­her Papst sein.« Es wa­ren Weis­sa­gun­gen, de­ren Er­fül­lung die Be­tref­fen­den kaum über­rasch­te. Als der Tod Be­ne­dikts den Herrn von Ro­siers auf den Hei­li­gen Stuhl ge­bracht hat­te, gab er sich Mühe, sei­ne Pro­phe­zei­ung wahr zu ma­chen. Von vorn­her­ein wa­ren Lud­wigs An­nä­he­rungs­ver­su­che aus­sichts­los, Cle­mens VI. war ent­schlos­sen, die Kai­ser­kro­ne sei­nem Schü­ler und Schütz­ling zu­zu­wen­den. Er leg­te Lud­wig 28 Ar­ti­kel vor, die die über­trie­bens­ten An­sprü­che an sei­ne Un­ter­wür­fig­keit stell­ten, in der Mei­nung, dass er sie für un­an­nehm­bar hal­ten wür­de. In­des­sen er hat­te mit der Ge­fü­gig­keit Lud­wigs nicht ge­rech­net, der al­les preis­zu­ge­ben be­reit war, um nur den Frie­den mit der Kir­che zu er­lan­gen. Frei­lich muss man sich be­wusst sein, dass ein Sich­beu­gen des Kai­sers vor dem Paps­te so we­nig als Er­nied­ri­gung an­ge­se­hen wur­de wie sol­ches ei­nes Soh­nes vor dem Va­ter; denn dies war das an­ge­nom­me­ne Ver­hält­nis. Wur­den doch über­haupt Knie­fäl­le, Trä­nen­güs­se, Selb­st­an­kla­gen nicht wie in un­se­rer emp­find­li­chen und dem Ge­fühl und Ge­fühls­aus­druck ab­hol­den Zeit als ent­eh­rend be­trach­tet. Nur wenn die For­de­rung des Paps­tes dem Her­kom­men wi­der­sprach und einen be­denk­li­chen Prä­ze­denz­fall zu schaf­fen schi­en, leg­te schon Bar­ba­ros­sa den Fürs­ten die Fra­ge zur Ent­schei­dung vor, ob die ge­wünsch­te De­mü­ti­gung mit der Ehre des Rei­ches ver­ein­bar sei. Cle­mens war wohl eben­so pein­lich über­rascht durch die De­mut des Kai­sers, wie einst Gre­gor VII. durch die An­kunft Hein­richs IV. auf Ca­nos­sa, mit mehr Grund über­rascht als je­ner, da ja Lud­wigs Stel­lung im Reich viel fes­ter be­grün­det war. Wie die Prin­zes­sin im Mär­chen, die, wenn ein un­er­wünsch­ter Frei­er ihr Rät­sel ge­ra­ten hat, ein noch schwie­ri­ge­res zur Lö­sung stellt, ver­mehr­te Cle­mens sei­ne For­de­run­gen. Da je­doch hielt es Lud­wig mit Rück­sicht auf das Reich für ge­ra­ten, sie zu­rück­zu­wei­sen. Er leg­te sie in Frank­furt ei­nem Reichs­ta­ge vor, der ein­mü­tig er­klär­te, dass sie ab­zu­leh­nen sei­en. Im Na­men der Fürs­ten sag­te der Kanz­ler von Tri­er, dass sie zum Scha­den und Ver­der­ben des Rei­ches füh­ren wür­den, im Na­men der Städ­te gab ein Bür­ger von Mainz eine ent­spre­chen­de Er­klä­rung. Lud­wig fuhr trotz­dem fort, un­ter­der­hand um die Gunst des Paps­tes zu wer­ben, als die­ser plötz­lich im Jah­re 1346 den großen Kir­chen­bann über ihn ver­häng­te mit den alt­ge­hei­lig­ten, donn­er­rol­len­den Ver­flu­chun­gen: »Fle­hent­lich bit­ten wir die gött­li­che Macht, dass sie die Ra­se­rei Lud­wigs zer­schmet­te­re – möge er ei­ner Fall­gru­be be­geg­nen, die er nicht sieht, und hin­ein­stür­zen! Ver­flucht sei sein Ein­tritt, ver­flucht sein Austritt! Der Herr schla­ge ihn mit Wahn­sinn, Blind­heit und Ra­se­rei! Der Him­mel ent­la­de sei­ne Blit­ze über ihm! Der Zorn des all­mäch­ti­gen Got­tes und der hei­li­gen Pe­ter und Paul ent­bren­ne ge­gen ihn in die­sem und dem kom­men­den Le­ben! Der Erd­kreis kämp­fe ge­gen ihn! Die Erde öff­ne sich und ver­schlin­ge ihn le­ben­dig!« Der Papst muss­te sich da­mit be­gnü­gen, dass den Kai­ser im fol­gen­den Jah­re, wäh­rend er auf der Bä­ren­jagd war, un­ver­se­hens der Tod er­eil­te. In­zwi­schen hat­te Cle­mens durch­ge­setzt, nach­dem Karl von Mäh­ren sich al­len den For­de­run­gen un­ter­wor­fen hat­te, die kurz vor­her vom Reichs­ta­ge für un­an­nehm­bar er­klärt wor­den wa­ren, dass die­sem sei­nem Schütz­ling we­nigs­tens von ei­ni­gen Wahl­fürs­ten die Kro­ne über­tra­gen wur­de.

Sie haben die kostenlose Leseprobe beendet. Möchten Sie mehr lesen?