Jocher wand sich vor Lachen in seinem Stuhle. In den katholischen Ländern, sagte er, herrsche nun einmal mehr Gehorsam, das sei erwiesen. Wo das hinaus wolle, wenn zuletzt ein jeder seine eigene Meinung hätte? Es sei viel besser und einfacher, wenn alle Evangelischen zur alten Kirche zurückkehrten, der Weg zum Stalle zurück sei immer leichter als hinaus. Ob Pfalz nicht den Anfang machen wolle?
Entrüstet sprang Camerarius auf und rief aus, da könne eher der Rhein zurück- und in den Main fließen. Wer einmal die Freiheit geschmeckt habe, begebe sich nicht freiwillig wieder in die Dienstbarkeit.
Ach, sagte Jocher, das sei eine geschwollene Rede. Es sei doch im Grunde einerlei, ob man diesen oder jenen Katechismus1 auswendig lerne. Ein gescheiter Mann denke sich dabei, was er wolle, und inzwischen werde der Pöbel im Zaum gehalten.
»So gemütlich nehmen wir es nicht«, sagte Camerarius ruhiger. »Wenn es sich tun ließe, wäre ich für meine Person es zufrieden; aber es lässt sich nicht tun. Ich fürchte nur, dass wir über diesem Streiten alle in die Servitut Spaniens geraten.«
»Wir nicht«, sagte Jocher breitspurig; sein Herzog hielte die Augen offen. Und wenn er Kaiser würde, täte er es gewiss, um Spanien einen Possen zu spielen.
Im Grunde war es den pfälzischen Räten recht, dass das Projekt an Maximilians Abneigung scheiterte, wenn auch freilich kein anderer Kandidat vorhanden war, zu dem man mehr Vertrauen haben konnte; denn die Bewerbung des Herzogs von Savoyen war vollends eine verfängliche Sache. Als deren Verfechter erschien Graf Mansfeld, vom Turiner Hofe kommend, mit einem gründlichen Memorial, in welchem ausgeführt war, dass das Haus von Savoyen von dem altdeutschen Helden und Fürsten Wittekind abstamme, pures, lauteres deutsches Blut führe und wegen dieser Stammverwandtschaft wohl zur Kaiserwürde im Deutschen Reiche berufen sei; wie er den Katholischen von Haus aus gefällig, auch den Protestanten wegen seiner Feindschaft mit den Jesuiten wert sein müsse, dass er glücklich im Kriege sei und viel Geld habe.
»Ich meine«, sagte Christian von Anhalt, nachdem das Memorial vorgetragen worden war, »wir könnten schließlich auch den Mogul von Persien zum deutschen Kaiser machen. Mir sollte es recht sein, wenn es der Religion und der Freiheit zunutze wäre.« Graf Solms sagte, ein Kaiser deutscher Nation müsse von deutschem Blute sein, und der Herzog von Savoyen sei trotz Wittekind ein Welscher, so gut wie die Habsburger Spanier wären. Camerarius sagte auf Befragen, er halte nicht dafür, dass der Herzog von Savoyen bei der Wahl durchzubringen sei. Er werde den Kurfürsten im Allgemeinen fremd und absonderlich vorkommen. Mansfeld entgegnete ärgerlich, der Herzog sei reich genug, um sich den Kurfürsten vertraut zu machen. Mit Geld, einem Schwert und festem Willen ließe sich leicht ein deutscher Kaiser machen. Freilich müsse man wollen und die Bedenklichkeit fallen lassen. Die Sache blieb aber gleich daran hängen, dass der Herzog ein Land im Reiche zu besitzen wünschte, um etwas Sicheres unter den Füßen zu haben, und dies mit äußerster Vorsicht erwogen werden musste. Man fand, es sei besser, dem Herzog zwar nicht alle Aussicht abzuschneiden, aber auch nichts Bindendes von sich zu geben, sondern ihn mit Verhandlungen hinzuhalten. Wenn man ihn dahin bringen könnte, die gute Sache nur mit Geld zu unterstützen, so wäre das vorzuziehen. Demgemäß wurde wieder eine Gesandtschaft an den Hof von Turin abgeordnet mit dem Auftrage, den Herzog bei guter Gesinnung zu erhalten, ohne aber seinem Ehrgeiz eine Brücke ins Reich zu schlagen.
1 Der Katechismus, Handbuch der Unterweisung in den Grundfragen des christlichen Glaubens. <<<
Um die Gesinnung des Kurfürsten von Sachsen wegen der böhmischen Thronfolge zu erforschen, begab sich Graf Joachim Andreas Schlick, der ein Jugendgespiele Johann Georgs gewesen war, nach Dresden und erlangte auch nach einigen Weiterungen eine Audienz. Der Kurfürst dachte zwar nicht im Ernst daran, die Krone anzunehmen, wollte sie aber auch nicht geradezu ablehnen, einerseits, weil seine Stände größtenteils böhmisch gesinnt waren, sodann, um sich dem Kaiser kostbar zu machen, der in diesem Streite jedenfalls seiner Hilfe bedurfte. Er empfing deshalb den Grafen nicht allzu freundlich, und als dieser sich dreimal bis auf den Boden verneigte und darauf Gott anflehte, einen so großmütigen Herrn wie den Kurfürsten der Welt, dem Reich und der lutherischen Kirche zu erhalten, nickte er nur beiläufig, ohne den Blick von seiner Beschäftigung wegzuwenden. Auf einem vor ihm stehenden Tischlein nämlich lag ein Haufen sauber geputzter Gänseknochen, welche er auseinanderlas, ans Licht hielt und betastete. Nach einer Weile sagte er zu dem bescheiden wartenden Grafen, er gehe damit um, die Gänseknochen zu verwerten, denn bei einem fürstlichen Haushalt, an dem so viele Mäuler zehrten, müsse Sparsamkeit herrschen, davon hänge das Gemeinwohl ab; daran dächten freilich die adligen Herren nicht, die nur daherkämen, um zu fressen und zu saufen, und nicht fragten, woher es komme; ein gewisses Knöchlein, nämlich das Steißbein, werde verpulvert und komme dann in die Apotheke seiner Frau als ein vorzügliches schweißtreibendes Mittel, für die anderen habe er noch keine Verwendung, aber es werde ihm schon etwas einfallen.
Nachdem er die landesväterliche Fürsorge des Kurfürsten gepriesen hatte, sagte Graf Schlick, er habe als Bube auf dem Gänsebrustknochen blasen können, und wenn es der Kurfürst gestatte, wolle er ihm das Stücklein vormachen. »Ei der Tausend«, rief Johann Georg, als Schlick ausgepfiffen hatte, indem er einen erstaunten Blick auf ihn warf, »ich hätte nicht gedacht, dass du ein solcher Teufelskerl wärest«, hieß ihn sich an seine Seite setzen und ihm das Experiment noch einmal gründlich zeigen. Schlick entschuldigte sich errötend, dass er dem Kurfürsten mit einer bescheidenen Kunst aus der Bubenzeit zu dienen sich unterstehe, es würde gar nichts daran sein, wenn der Kurfürst nicht so gnädig und großmütig zuzuhören geruhe. »Ach was, Schlick«, sagte Johann Georg, »eine blinde Henne darf auch einmal ein Körnlein finden, darum bleibt der Gockel doch Gockel«, und lachte über diesen Spaß, dass ihm die Tränen aus den Augen liefen.
Nachdem somit ein vertraulicher Ton angeschlagen war, brachte Schlick das Gespräch auf die Politik, erzählte von den Kriegsvorfällen, was verfehlt und wie es hätte besser gemacht werden können, und dass die Kalviner mit ihrem tollen Dreinfahren den Karren nur immer tiefer in den Dreck zögen. So erlaubten sie jetzt ihren Bauern, ja ermunterten sie noch dazu, das Fest des Hus zu feiern, obwohl es der Kaiser streng untersagt habe, und mit Recht, da es ein offenkundiger Heiligendienst sei. Er selbst habe den Budowec sagen hören, Hus sei ein Heiliger, weil er sie vom päpstlichen Aberglauben befreit habe, außerdem sei es für die Bauern gleich, ob sie diesen oder jenen Götzen anbeteten, wenn sie nur gehorchten; den wahren Gott, der Christen und Heiden miteinander erschaffen habe, könnten sie doch nicht erkennen. Bei diesen Leuten hätte es oft den Anschein, als ob Doktor Luther gar nicht oder umsonst gelebt habe.
Der Kurfürst schüttelte misstrauisch den Kopf und fragte, was es denn mit dem Hus eigentlich für eine Bewandtnis habe. Nachdem er von Kaiser und Papst öffentlich verbrannt worden sei, schicke es sich nicht für einen treuen Reichsstand, einen solchen Malefikanten zu verehren. Ja, sagte Schlick seufzend, es sei eben die Eigenart der Böhmen, immer wider den Stachel zu löcken; wenn der prächtigste Hut vor ihnen läge, nähmen sie ihn nicht an, um lieber mit ihrer eigenen Narrenkappe zu schellklingeln. Aber, setzte er hinzu, sie fühlten jetzt wohl, dass sie sich nicht selbst aus dem Sumpfe reißen könnten, und wenn ein weiser Fürst an ihre Spitze treten wollte, würden sie es ihm kniend danken.
Der Kurfürst überhörte diese Anspielung, war aber während der Tafel, zu welcher Schlick geladen war, sehr aufgeräumt, erzählte von dem Musikinstrument, das er erfunden habe, und warf dem Hofnarren, der hinter ihm am Boden kauerte, einen Gänsebrustknochen zu, indem er sagte, wenn er ihn rein abnage, solle er noch einen Flügel dazu bekommen. »Und wenn ich ihn aus Versehen auffresse?« fragte der Narr. »So bekommst du zwanzig Stockprügel und wirst einen Tag lang zu den Hunden an die Kette gelegt, weil du Knochen frisst wie ein Köter!« rief der Kurfürst unter dem Gelächter der Gäste. Als das Gänsebein blank war, schwenkte der Kurfürst es gegen Schütz, der die Tafelmusik leitete, und rief ihm über den Tisch zu, er habe ein Blasinstrument erdacht, welches besser töne als die Flöte, die sein alter Heidenprinz Apollo geblasen habe; Schütz solle einmal herankommen und ihn, den Kurfürsten, die Notenschrift lehren, so wolle er ihm jedes beliebige Stücklein blasen, dass Schütz sich verwundern solle. Schütz trat in bescheidener Haltung an den Stuhl des Kurfürsten und sagte, die Noten seien zu harte Nüsse, als dass man sie so eins, zwei, drei zum Nachtisch knacken könnte; aber er sei überzeugt, der Kurfürst könne sich auch ohne Noten auf dem Gänseknochen recht hübsch hören lassen. Johann Georg wusste nicht recht, ob er diese Worte als Schmeichelei oder als Kränkung auffassen sollte, hieß Schlick spielen und sagte zu Schütz in verdrießlichem und spöttischem Tone, die Musikanten und die Apotheker bliesen sich gern auf, als ob sie eine geheime Kunst verständen; aber man wisse wohl, dass Mist und Dreck die beste Medizin wäre und dass Frösche und Vögel schon zu Adams Zeiten Konzerte gegeben hätten. Dann erzählte er, was ihn die Kapelle koste, was für liederliche Kerle die Sänger wären, dass sie geschmiert werden wollten wie kreischende Wagenräder, und wie überhaupt die Hofhaltung täglich kostbarer werde. Er lasse sich die Mühe nicht verdrießen, täglich selbst den Küchenzettel nachzusehen, dies und das zu streichen und darauf zu achten, dass die Überbleibsel gut verwendet würden. Auf diese Weise hätte sein Großvater, der weise Kurfürst August, Sachsen mächtig und ansehnlich gemacht, und dieser Tage sei es noch notwendiger, aufzupassen, wo das neumodische französische Wesen einzureißen anfange. Da kämen schon seine kleinen Söhne, wollten seidene Strümpfe und wohlriechende Handschuhe und wohl gar französische Hofmeister haben und würden Schutz und Förderung bei ihrer Mutter finden, wenn er nicht allen miteinander dann und wann auf die Finger klopfte.
Graf Schlick, der dem Kurfürsten häufig mit dem Becher Bescheid tun musste, brachte seine Gesundheit aus und rief laut, er fordere jeden vor sein Schwert, der behaupten wolle, es gebe einen weiseren, edleren und tapfereren Fürsten als Johann Georg und ein glückseligeres Land als das Kurfürstentum Sachsen, wobei ihm die Tränen über die Backen liefen.
Gegen das Ende des Gastmahls saß Schlick, den Kopf in beide Hände gestützt, und weinte geradeheraus. Ein solcher Fürst, schluchzte er, sei wie ein Leuchtturm am Meere; wenn es brauste und wütete, lasse er beständiges Licht aus und weise den Schiffbrüchigen das rettende Ufer. Wenn nur seinem Vaterlande in diesen bösen Zeiten ein solches fürstliches Licht erstrahlte, so brauchten sie nicht länger wie Waisenkinder ratlos von den wilden Wassern verschlagen zu werden.
Auch dem Kurfürsten fingen die Augen an überzulaufen, und er brüllte, wer von ihm sage, dass er seine Glaubensgenossen verlasse, der sei ein Hundsfott, seinem Jugendgespielen Schlick könne er nichts versagen, er habe ein Herz für alle seine Untertanen, nur die Kalviner wolle er ausrotten, denn sie seien Schelme und vom Teufel gesätes Unkraut.
Nachdem Graf Schlick noch eine Denkschrift eingereicht hatte, in welcher dem Kurfürsten, für den Fall, dass er die böhmische Krone annähme, der Besitz der benachbarten Lausitz angepriesen wurde, auf welche er längst ein Auge geworfen hatte, begab er sich wieder nach Prag, um vom Erfolge seiner Reise Bericht zu erstatten. Im Hause des Grafen Wilhelm von Lobkowitz fand er auch den Grafen Thurn, der vom Kriegsschauplatz hereingekommen war, um Geld zur Bezahlung der unzufriedenen Söldner aufzutreiben. Lobkowitz blätterte mit niedergeschlagener Miene in dem neuen Kalender für das Jahr 1620, welcher kürzlich ausgegeben worden war und in welchem eine böse Aussicht für die nächste Zukunft eröffnet wurde. Was ihn anbelange, sagte Schlick, so bringe er günstigen Bericht. Er sei vom Kurfürsten in langer Audienz empfangen worden und habe gute Vertröstung von ihm erhalten. Ein bestimmtes Versprechen habe der Kurfürst zwar nicht von sich geben wollen, habe aber fest zugesagt, dass er seine Glaubensgenossen nicht im Stiche lassen werde, desgleichen hätten ihm viele Standespersonen und gute Freunde versichert, sie hielten es mit den Lutherischen und nicht mit den Päpstlichen.
Ob es denn nicht an dem sei, fragte Thurn, dass der Hofprediger Hoë eine goldene Gnadenkette vom Kaiser erhalten habe und dass der erste Rat Kaspar von Schönberg im vertraulichen Gespräch gesagt habe, der Kaiser könne wegen des Kurfürsten unbesorgt sein, ihm schmecke ein Täublein, das der Kaiser ihm verehre, besser als ein Huhn, das er ihm aus dem Stall gestohlen habe.
Das sei nur ein Geschwätz, sagte Schlick, sie möchten es wohl mit dem Kaiser nicht verderben, aber sie hätten es ihm gegenüber an freundlichen Bezeigungen nicht fehlen lassen.
Lobkowitz schüttelte den Kopf und sagte, das möchte wohl gut sein, wenn nur der Kalender nicht wäre. Es wäre für Böhmen großes Blutvergießen geweissagt, sowohl der Herren wie der Untertanen, weil man sich die Warnung Gottes durch den Kometen nicht zu Gemüt gezogen habe, sondern in den alten Sünden dahingefahren sei.
Der Komet habe doch nicht über Böhmen allein gestanden, sagte Thurn, die Schultern zuckend; in den sächsischen und österreichischen Ländern habe man ihn auch gesehen, so viel er wisse. Wenn Gott ihren Untergang beschlossen habe, so sei dagegen nichts auszurichten; einstweilen halte er es aber für das beste, sich zu wehren und sich durch böse Zeichen nur desto mehr anspornen zu lassen.
Man könne doch aber auch in sich gehen und sich bedenken, meinte Lobkowitz. Vielleicht sei ihre Rebellion doch Sünde gewesen, und es sei ja noch Zeit, umzukehren.
Wie? rief Thurn aus, umkehren? Den Majestätsbrief und den Glauben und alle teuer erkauften Freiheiten preisgeben? Blut sei einmal geflossen, jetzt gelte es zu siegen, er für sein Teil wolle sich lieber in die Schlacht wagen als in die Hände der rachsüchtigen Jesuiten fallen.
Auch Schlick war der Meinung, man sei zu weit gegangen, um noch zurück zu können, und wenn sie nur erst ein richtiges Haupt hätten, besonders wenn es der Kurfürst von Sachsen wäre, könne noch alles gut werden. Das große Blutvergießen angehend, könne ja auch das Blut ihrer Feinde damit gemeint sein, und obwohl er für seine Person nicht blutdürstig sei, müsse man doch Gott schalten lassen und ihm Beifall geben.
Diese Aussicht ermunterte Wilhelm von Lobkowitz wieder, und die Verhandlungen nahmen ihren Fortgang, wobei freilich die Aussicht, den Kurfürsten von Sachsen zu gewinnen, bald schwand; denn da der Kaiser ihm für seinen Beistand, ebenso wie die Böhmen, den Besitz der Lausitz versprach, fiel auch diese noch in die Waagschale der altbewährten Politik, und über einige von seiner Frau angeregte Gewissensbedenken half ihm der Hofprediger Hoë hinweg, indem er ihm erklärte, ein guter altdeutscher patriotischer Reichsfürst müsse selbst diese zuweilen dem Reichsoberhaupt zum Opfer bringen.
Während der junge Kurfürst von der Pfalz in seine Frau noch immer sehr verliebt war, erregte sie oft den Unwillen seiner Räte und Geistlichen durch ihr undeutsches und unbedachtsames Betragen. Sie bediente sich nur der französischen Sprache, zeigte auch keine Lust, das Deutsche zu lernen, was vielen, trotz der Vorliebe für französisches Wesen, einer deutschen Fürstin doch nicht ganz anständig schien. In der Bibel wollte sie nicht lesen, denn die kenne sie nun, begnügte sich auch nicht mit Virgil oder Horaz, sondern unterhielt sich mit französischen Romanen. Besonderen Anstoß erregte es, dass sie einmal während des Gottesdienstes spazieren gefahren war, ja man erzählte sich, sie habe einmal, als ihr der Finger geblutet habe, einen Wachsfinger in eine katholische Kirche geopfert, um zu versuchen, ob es helfe. Der Kurfürst ermannte sich nicht dazu, ihr deswegen Vorhalte zu machen, ja er ließ sich selbst, vorzüglich auf Reisen, mancherlei Mutwillen und Exzeß entschlüpfen. Als er bei Gelegenheit eines Unionstages in Nürnberg war, nahm er mit der Kurfürstin an einer Geschlechterhochzeit teil, und da er beim Dunkelwerden gerade mit der Braut tanzte, sagte er ihr, sie wollten miteinander um die Kirche tanzen, das sei pfälzische Sitte, und führte sie wirklich tanzend um die Lorenzkirche herum, nicht ohne einige Eifersucht des Bräutigams und der Kurfürstin.
In Nürnberg befand sich damals in einer angesehenen Familie ein weißer singender Fink, der als eine Rarität in der Stadt berühmt war, und da Elisabeth neugierig war, ihn zu sehen, und ihn zu besitzen wünschte, erhandelte ihn Friedrich. Sie wurde seiner bald überdrüssig, er hingegen brachte viele Stunden damit zu, ihn zu necken oder ihn pfeifen zu lassen, trug ihn auf der Hand oder Schulter mit sich herum und war untröstlich, als er starb. Sein Zimmer sei ihm ohne den Vogel verödet, sagte er, es sei ihm recht, wenn es nach Prag ginge, damit er eine andere Welt sähe.
Seine Mutter tadelte ihn, er könne wohl einen anderen Vogel bekommen, nicht aber ein anderes Fürstentum, wenn er das seine verließe.
Er bekomme ja im Gegenteil ein neues, meinte Friedrich, und als verlautete, der Herzog von Savoyen gehe ernstlich damit um, die böhmische Wahl anzunehmen, kam es ihm vor, als habe er sich etwas Kostbares aus der Hand gehen lassen. Der Herzog von Savoyen hatte ein ansehnliches Projekt über die österreichischen Erblande, die nach erfolgter Abschaffung der Habsburger verteilt werden sollten, und zwar so, dass das Elsaß und die österreichischen Vorlande, nämlich der Breisgau, an Pfalz kämen; aber während die pfälzischen Räte diesen Zuwachs viel wünschenswerter fanden als das entlegene Böhmen, verdross Friedrich das Anerbieten, das doch nur eine Lockspeise sei, um ihn von dem weit wichtigeren Böhmen abzulenken. Er wollte, dass die Böhmen vor dem unzuverlässigen, falschen und aufschneiderischen Savoyer gewarnt und ihnen hingegen die Vorzüge der pfälzischen Wahl eindringlich vorgestellt würden.
Er und Elisabeth ließen sich oft von Anhalt die Herrlichkeiten Prags schildern, namentlich was er von der berühmten Kunstkammer Kaiser Rudolfs, seinen Kleinodien und Juwelen gehört und gesehen hatte. Dazu drängen, sagten sie beide, wollten sie sich nicht; aber wenn die Wahl Friedrich träfe, wollten sie es als einen Fingerzeig Gottes ansehen und ihm folgen.
Die verwandten und verbündeten Fürsten, bei denen unter der Hand angefragt wurde, rieten ab und warnten, sogar Moritz von Hessen, welcher als einziger für die Annahme der böhmischen Krone stimmte, sprach sich nachdrücklich dahin aus, es könne nur geschehen, bevor Ferdinand von Österreich Kaiser sei, Friedrich müsse also zunächst dazutun, dass die Kaiserwahl verschoben werde oder, falls dies nicht möglich sei, dass Ferdinand nicht gewählt werde. Der Augenblick, sich der Habsburger zu entledigen, sei jetzt da, nie würde er vielleicht wiederkehren, die ihn jetzt nicht benützten, würden die Folgen zu tragen haben.
Unterdessen tat auch Ferdinand das Seinige, um zum Ziele zu kommen. Sowie Matthias im März, mitten aus den vergeblichen Versöhnungsversuchen mit den Böhmen heraus, gestorben war, schickte er einen seiner vertrautesten Diener, den Liechtenstein, nach Bayern und an die geistlichen Höfe, um für ihn zu werben. Der Gesandte führte eine Schrift mit, in der Ferdinands besondere Tauglichkeit zu einem römischen König und deutschen Kaiser auseinandergesetzt war, wie er nämlich vor allen anderen Fürsten mit den Tugenden der Sanftmütigkeit, Aufrichtigkeit, Holdseligkeit, Ehrbarkeit, Arbeitsamkeit, Erfahrenheit in Sprachen, Dexterität in Ratschlägen, Fazilität in Audienzen und vielen anderen ausgestattet sei. Dazu kamen mündliche Versprechungen, welche namentlich auf den Erzbischof von Trier, Lothar von Metternich, und seinen Familienanhang großen Eindruck machten, sodass dieser Fürst mit allem Nachdruck für die habsburgische Wahl eintrat. Viel schwieriger war es für Ferdinand, den Vetter von Bayern auf seine Seite zu bringen, der sogar, wenn er wollte, als ein Nebenbuhler und Mitbewerber auftreten konnte; denn diesem konnte er nicht, wie dem Metternich, ein halbes Hunderttausend Gulden oder ein Gütlein anbieten, sondern musste um vieles tiefer in die Tasche greifen, die noch dazu leer war. Mit einem guten Einfall trug sich Ferdinand schon seit längerer Zeit: dass er nämlich das schöne, einträgliche Land Oberösterreich an Maximilian, der schon ein Auge darauf geworfen hatte, verpfänden könne, indem er sich damit zugleich, da es wegen der Religion in vollem Aufruhr war, einer Sorge und Arbeit entledigte. Wenn er dann später mit Maximilians Hilfe Kaiser geworden wäre und Böhmen wieder unterworfen hätte, würde es ihm nicht an Mitteln fehlen, das Pfand wieder einzulösen, indem die Konfiskationen der Rebellengüter seine Kasse reichlich füllen würden. Dies Projekt musste allerdings in großer Heimlichkeit betrieben werden, denn die oberösterreichischen Stände, die nichts von der bayrischen Herrschaft wissen wollten, hätten es gegen ihn ausnützen können, wenn sie vor der Zeit davon erführen. Auf einen eigenhändigen Brief Ferdinands, in dem er Maximilian an ihre alte Freundschaft mahnte und ihn aufforderte, den Bund der Jugend neuerdings zu gegenseitigem Flor und Prosperieren zu bekräftigen, antwortete dieser, er wolle zunächst Oberösterreich als Pfand annehmen, sei auch bereit, Ferdinand in der böhmischen Sache zu helfen, wenn er sich dadurch auch Feinde im Reich machte, es müssten aber zuvor noch einige Punkte festgesetzt werden, über die er sich schriftlich nicht auslassen könne. Was die Kaiserwahl anbelange, so wolle er, Maximilian, sich ihm darin nicht in den Weg stellen.
Den in Heilbronn tagenden Abgeordneten der Union redete Pfalz zu, dass die Kaiserwahl, wenn denn schon die Habsburger in diesem Turnier wieder siegen sollten, wenigstens verschoben werden sollte, damit das Vikariat länger dauerte und der böhmische Streit vorher zur Entscheidung käme. Indessen namentlich die Städte äußerten sich dahin, dass sie eine längere Vakanz nicht gern sähen und dass, wenn denn an einen evangelischen Freier für die Krone nicht zu denken wäre, das Haus Habsburg sich immerhin durch die lange Gewohnheit empföhle. Auch eine Unterstützung von Kurpfalz in der böhmischen Sache lehnten die Städte ab, weil sie sich in die Fürstenhändel nicht mischen wollten, bei denen sie doch nur um das Ihrige kämen. Bei diesem üblen Stande der Dinge wurde durch den Herzog von Zweibrücken, dessen Bruder im Dienste des schwedischen Königs stand, auf diesen als auf einen heroischen jungen Fürsten hingewiesen, der, wenn er in den Bund einträte, wohl in der Lage wäre, die evangelische Sache tüchtig zu sekundieren. Derselbe habe im Kampfe mit den Moskowitern und Polen ausnehmenden Kriegsverstand und Tapferkeit gezeigt, dabei auch jene Mäßigung an den Tag gelegt, die die Größe des wahren Staatsmannes ausmache. Er, der Herzog, habe kürzlich in einem Flugblatt gelesen, wie eine Weissagung des berühmten kaiserlichen Astronomen Tycho de Brahe, die derselbe beim Erscheinen des Kometen im Jahre 1572 von sich gegeben habe, auf den König Gustav Adolf bezogen werde, dass nämlich, um die in jenem Jahre verübten Gräuel der Bartholomäusnacht zu rächen, ein Held im Norden erscheinen und nach zweimal dreißig Jahren untergehen werde.
Des weiteren erzählte der Herzog von Zweibrücken, dass ihm soeben Bericht von einer wunderbaren Begebenheit aus Schweden gekommen sei: Der junge König habe sich mit seinem Kanzler, dem durch seine Weisheit und Gelehrsamkeit bekannten Grafen Oxenstierna, in einem königlichen Schlosse aufgehalten, als am späten Abend Feuer ausgebrochen sei und nach Art dieses höllischen Elementes rasch um sich gegriffen habe, sodass alsbald das ganze Gebäude lichterloh gebrannt habe. Die beiden Herren hätten miteinander bei der Arbeit gesessen und der König daneben auf der Laute geklimpert, sie hätten keinen unzeitigen Schrecken gespürt, sondern sich schnurstracks aus dem Fenster geschwungen, wobei der König seinem Kanzler noch hilfreich beigestanden hätte. Nachdem sie so dem Feuer entronnen wären, hätten sie noch durch den Burggraben waten müssen, der voll Schmutz und Wasser gewesen sei, sodass es ihnen fast an den Hals gestiegen wäre, und als sie drüben angekommen wären, hätte der König auf sich selbst gescholten, weil er die Laute, die er bei der Flucht unwillkürlich in der Hand behalten, über sich zu heben vergessen hätte und sie nun durch die Nässe verdorben sei. Der Kanzler hätte einen Schnupfen davongetragen, der König aber sei ganz unversehrt geblieben, worüber die Prediger in Schweden viel gepredigt hätten, und auch sein, des Herzogs von Zweibrücken, Hofprediger hätte sich fein auf der Kanzel ausgelassen, wie der protestantische Held nunmehr durch Feuer und Wasser gegangen sei, um erprobt und geläutert, gleichsam als ein Erzengel, den abgöttischen katholischen Drachen zu zertreten.
Trotz des großen Eindrucks, den diese Berichte von dem jungen Schwedenkönig machten, fehlte es nicht an Bedenken gegen ein etwaiges Bündnis: so wollten die Städte gehört haben, dass der König statt mit gutem gemünztem Gelde mit Kupfer zu zahlen pflege, weil dies schlechte Metall in den schwedischen Bergen überflüssig zu finden sei; bemerkten auch, dass Bündnisse mit auswärtigen Potentaten nach der Goldenen Bulle verboten seien und also zwiespältig und skrupulös zu unternehmen wären. Die Fürsten wollten sich darauf weniger einlassen, deuteten aber an, dass der König von Schweden zurzeit noch mit Moskowitern und Polen engagiert sei, auch mit dem König von Dänemark überquer stehen solle, mit dem man es, als mit einem schwerreichen, gewalttätigen Monarchen, der mit vielen Reichsfürsten verschwägert und selbst Reichsglied sei, nicht verderben dürfe. Inzwischen wollte man den jungen Herrn von Schweden nicht aus den Augen lassen und empfahl dem Herzog von Zweibrücken wie auch dem Landgrafen Moritz von Hessen, welche beide zu seiner Verwandtschaft gehörten, ein gutes Vernehmen mit ihm zu erhalten.
Ungehindert wurde nun die Kaiserwahl ausgeschrieben, und Ferdinand begab sich, nachdem er mit vieler Mühe und nachdrücklichen Pressuren das nötige Geld zusammengeborgt hatte, prächtig ausgerüstet nach Frankfurt. Gleichzeitig schleppte sich über die nach Frankfurt führende Landstraße ein schwerer, mit vier Pferden bespannter und von vielen Bewaffneten geleiteter Wagen, in welchem sich nebst zwei Offizieren und zwei Ratspersonen eine auf 140.000 Gulden geschätzte Krone befand. Diesen bedeutungsvollen vergoldeten Wagen zu sehen, war überall ein großes Zusammenlaufen des Volkes, und in Rotenburg, wo die Kutsche bei einbrechender Dunkelheit einzog, fiel es müßigen Leuten ein, zu ihrer festlichen Begrüßung Raketen abzubrennen, welche gerade vor den Füßen der Pferde platzten und zischend in die Luft fuhren. Die erschrockenen Tiere scheuten und bäumten sich, worüber die Kutsche auf die Seite fiel, der Schlag sich öffnete und die Krone in einen neben der Straße hinlaufenden Graben sprang, ohne dass die selbst übereinandergeworfenen Beisitzer es hindern konnten; freilich konnte dieser Vorgang nicht deutlich wahrgenommen werden, weil die Eskorte sich sofort mit gezogener Waffe zum Schutze um das so elend entblößte und ausgesäte Reichskleinod aufstellte.