Schroeders Turm

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Kapitel 8

Orion und Fritsche hatten sich ausgerüstet. Sie trugen Headlights, Bergsteigergeschirr und hatten Seile mit. Es war gar nicht einfach gewesen, sich das ganze Zeug zu besorgen. Im Turm brauchte man so was ja eigentlich nicht. In einem Freizeitcenter mit Kletterwand waren sie endlich fündig geworden.

„Wohin wollen wir zuerst, Fritsche?“, fragte Schroeder.

„Ich würde die Generatorhalle nehmen, Chef. Das ist der höchste Punkt auf unserer Suche und so weit nach oben geht es dann auch nicht mehr. Ich sehe auf dem Bauplan, dass der Turm dann noch zirka 350 Meter weitergeht.“

„Na, dann lass uns mal los!“

Orion und Fritsche machten sich auf den langen Weg in die Generatorhalle und stiegen dort in die Klimaanlage. Wieder krochen sie durch die Gänge, bis sie zur Markierung kamen, die das Ende der Spur von Melany Mandel bezeichnete.

„So, Fritsche. Jetzt wird sich zeigen, ob wir auf der richtigen Spur sind. Hände in die Höhe und die Decke absuchen.“

Sie setzten sich neben die Markierung, streckten ihre Handflächen nach oben und betasteten die Tunneldecke rings herum. Es dauerte nur wenige Minuten, bis sie das Klicken vernahmen. Ein Teil der Wand verschob sich schmatzend und öffnete ein geheimes Stück Tunnel. Schroeder kroch voran, Hyroniemus folgte ihm auf dem Fuße. Nach einigen Metern endete auch dieser Tunnel an einem senkrechten Schacht. Orion setzte seinen Scanner in Gang und suchte die Wände des Kamins ab.

„Oben ist nichts, Fritsche. Die Spur führt nach unten, da sind Spuren an den Wänden. Wahrscheinlich ist die Mandel da dran gekommen und hat sich etwas abgeschürft oder ein paar Haare sind hängengeblieben. Wir sollten jetzt nach unten in die Wäscherei, um zu schauen, ob wir dort auch was finden und ob die Spur nach unten geht.“

„Das will ich doch hoffen, Chef! Wenn die Spur in der Wäscherei nur nach oben geht, haben wir ein Problem. Wir müssten dann den senkrechten Schacht nach noch verborgenen Abzweigungen absuchen, um die Spur weiter verfolgen zu können. Das könnte ewig dauern. Wenn ich mich recht erinnere, liegen zwischen Trainings- und Generatorhalle knapp anderthalb Kilometer. Das würde echt hart werden.“

„Na, dann wollen wir mal das Beste hoffen!“

So begaben sich Schroeder und Fritsche in die Wäscherei, krabbelten in den Klimaschacht, krochen bis zur Markierung und veranstalteten ihr Spiel mit den Handflächen, bis das erlösende Klicken ertönte. Mit aktivierten Scannern suchten sie das Stück Tunnel und dann den senkrechten Schacht ab.

„Wir haben wohl Glück, Fritsche. Die Spuren gehen nach unten weiter und wir können wohl davon ausgehen, dass unsere vier Vermissten sich nach unten begeben haben. Oder verfrachtet wurden, je nachdem.“

„Dann führt uns unser Weg wohl tief in den Turm. Die Wäscherei liegt unten im Servicebereich und darunter kommen nur noch die Fabriken, die Wasseraufbereitung, das Biorecycling und die gesperrte Etage der Sator’ri.“

„Tja, wo sind dann wohl unsere Vermissten abgeblieben? Wir werden diesen Kamin mal genauer unter die Lupe nehmen. Lass uns im Bauplan nachschauen, welche unmittelbaren Bereiche dieser Schacht berührt. Vielleicht können wir unsere Suche etwas eingrenzen und müssen nicht die ganzen Etagen absuchen, das würde uns Wochen kosten.“

Also begaben sich Schroeder und Fritsche ins Büro, setzten sich vor den Computer und beschäftigten sich intensiv mit dem Plan von Turm 17.

„Wenn wir von der Wäscherei aus tiefer gehen, müssen wir nach horizontalen Schächten suchen, die in der Nähe des senkrechten Kamins liegen. Dort müsste es dann wieder versteckte Zugänge geben.“

Etage für Etage arbeiteten sie sich durch den Bauplan und überprüften die Klimaschächte sehr genau. Eine Berührung fanden sie in der Biorecyclinganlage. Sie markierten sich den Schacht, um dort nach einem versteckten Zugang zu suchen.

Weiter ging es bei ihrer Suche. Sie kamen tiefer und tiefer. Ein Stockwerk folgte dem anderen. Aber sie fanden keine Übereinstimmung mehr. Die Etage der Sator’ri war allerdings nicht im Bauplan verzeichnet, jedenfalls gab es keine Daten über die Klimaanlage, die durch diese Etage führte. Als sie in der letzten Etage angekommen waren, hatten sie immer noch nur diese eine Spur in die Bioanlage, der sie folgen konnten. Aber das war besser als gar nichts.

„Okay, Fritsche. Dann geht’s wohl abwärts in die Biorecyclinganlage. Da wollte ich schon immer mal hin. Ich glaube aber, wir sollten uns gut für diese Suche ausrüsten, wer weiß, was uns da unten erwartet. Lass uns unsere Vorbereitungen treffen und dann legen wir los.“

Kapitel 9

Nachdem Schroeder und Fritsche sich ihre Waffen und einen mobilen Computer geholt hatten, informierten sie zunächst ihren Chef Wolf über ihre Entdeckungen und erklärten ihm, was sie im Weiteren vorhatten. Sie versprachen ihm auch, dass sie auf jeden Fall permanent mit der Zentrale des Sicherheitsdienstes verbunden sein würden, um notfalls Hilfe anfordern zu können. Als nächstes überprüften sie ein letztes Mal den Funkkanal zur Zentrale und machten sie dann auf den Weg, um die Tiefen des Turmes zu ergründen. Sie bestiegen den Lift und fuhren in die Etage mit der Biorecyclinganlage, wo alle biologischen Abfälle, die es im Turm gab, aufbereitet und zu Nahrungsmitteln weiterverarbeitet wurden, denn Rohstoffe waren sehr knapp in dieser Zeit.

Dort suchten sie sich mit Hilfe des mobilen Computers den Weg zur Klimaanlage und einen Einstieg, der möglichst nah an dem senkrechten Schacht lag. Sie fanden eine Öffnung in der Nähe der imaginären senkrechten Linie, die durch den Turm führte, und entriegelten diese. Sie stiegen ein und krochen den Schacht immer weiter, bis ihnen der mobile Computer mitteilte, dass sie die größtmögliche Annäherung an den senkrechten Kamin erreicht hatten.

Nun machten sich Schroeder und Fritsche ans Werk und krabbelten wie Ameisen durch die engen Gänge, um auf Spuren zu stoßen. „Vielleicht sollten wir unsere Scanner benutzen, Chef.“

„Ist eine gute Idee, obwohl ja in dieser Etage niemand verschwunden ist. Aber wir können es ja versuchen!“

Sie schalteten ihre Scanner ein und fanden seltsamerweise auch hier Spuren menschlicher DNA.

„Seltsam, oder? Da müsste ja schon mal ein Mensch durch diesen Gang gekrochen sein, aber eigentlich hält sich doch keiner in den Klimaschächten auf. Oder was meinst du, Fritsche?“

„Ist schon etwas sonderbar, aber solange es uns die Suche erleichtert, was soll’s!“

Also folgten sie dieser unerwarteten Spur, bis auch diese irgendwann zu Ende war. Nun war wieder – im wahrsten Sinne des Wortes – Handarbeit gefragt. Sie tasteten Stück für Stück die Decke des Schachtes ab.

Als es endlich klickte und ein Teil der Schachtwand sanft zur Seite fuhr, waren die Beiden schon fast am Ende ihrer Kräfte und ihrer Nerven.

„Ah, endlich! Langsam hab ich doch die Geduld verloren.“

„Ich fing auch schon an zu zweifeln, Chef.“

„Na, dann wollen wir mal unseren Schacht suchen und schauen, was er für uns bereit hält.“

Sie folgten dem geheimen Gang, bis dieser wieder an dem senkrechten Kamin endete. Orion tastete mit dem Scanner die Schachtwände ab und fand mehrere Spuren über und unter dem Einstieg.

„Das bedeutet wohl, dass wir tiefer müssen, Fritsche!“

„Jo, Chef!“

„Wenn ich mich nicht irre, muss irgendwo da unten ein Ausstieg aus diesem Schacht sein, und ich bin verdammt gespannt, wo der ist!“

Schroeder und Hyroniemus legten ihre Bergsteigergeschirre an, setzen ihre Headlights auf und überprüften noch mal die Waffen.

„Lass uns die Zentrale anfunken, Fritsche! Damit die wissen, wo wir sind.“

„Jawohl, Chef! Hallo, Zentrale, könnt ihr mich hören? Hier ist Fritsche.“

„Hallo, Fritsche. Hier ist die Zentrale. Van der Linden am Gerät. Ich höre dich laut und deutlich!“

„Hallo, Willem. Wir haben in der Biorecyclinganlage eine Spur nach unten gefunden und wollen uns jetzt an den Abstieg durch den Kamin machen. Kannst du Wolf informieren? Wir melden uns in regelmäßigen Abständen. Fritsche, Ende und Aus!“

„Hier Zentrale. Haben verstanden. Zentrale, Ende und Aus!“

„Okay, Chef. Zentrale ist informiert und wir können dann wohl los.“

„Dann ab in die Tiefe, Fritsche!“

Orion kletterte als erster in den Kamin, suchte sich Halt auf den Sprossen der Leiter, die durch den Schacht führte, und hakte sich an der Führungsstange neben der Leiter ein. Er begann langsam mit dem Abstieg und Fritsche folgte ihm. Meter um Meter stiegen sie hinab in die Tiefen des Turmes, ihre Lampen spendeten nur wenig Helligkeit in dieser Finsternis. Unablässig scannten sie den Schacht ab, um die Spur der DNS nicht zu verlieren. Und diese Spur führte immer weiter nach unten.

Langsam wurden ihnen die Arme schwer, sie mussten öfters eine Pause einlegen. Zwischendurch hielt Fritsche Kontakt mit der Zentrale und informierte diese über ihren Standort.

Mittlerweile waren sie in den Etagen mit den Fabriken angekommen, wie ihnen der mobile Computer verriet, hatten aber noch immer keinen Ausgang aus dem Schacht gefunden. Der anstrengende Abstieg zerrte ganz schön an ihren Nerven und verlangte ihnen alles an körperlicher Kondition ab, über was sie verfügten.

Tiefer und tiefer kletterten sie die Leiter hinab, machten ab und zu eine Rast, um wieder zu Kräften zu kommen.

„Chef, ich habe plötzlich keine Standortanzeige mehr auf dem Computer. Irgendwas stört die Verbindung zum Computernetz.“

 

„Mist, funk doch mal die Zentrale an. Vielleicht können die uns mittels der ID-Marken orten.“

„Hallo, Zentrale. Hier Fritsche, bitte melden.“

Ein Rauschen war zu hören, dann knackte es.

„ … lo, hi … t die … tra … Frit … ann … di … kau … ver … ehe“, kam es abgehakt aus dem Empfänger.

„Hallo, Zentrale. Hier Fritsche!“, wiederholte Hyroniemus.

Aber nun war außer dem steten Rauschen gar nichts mehr zu Hören. „Kruzitürken! Chef, wir haben die Verbindung zur Zentrale verloren. Und der Computer spinnt auch und zeigt nichts mehr an.“

„Verdammt, jetzt sind wir auf uns allein gestellt. Normalerweise funktioniert doch der Funk im ganzen Turm. Oder will jemand nicht, dass hier eine Funkverbindung besteht und das Netz funktioniert?“

„Keine Ahnung, Chef! Aber mein Gefühl sagt mir, dass wir uns langsam der gesperrten Etage der Sator’ri nähern müssten.“

„Ja, das könnte sein. Bis zu den Fabriken hat ja alles noch funktioniert. Komm, lass uns weiter und endlich einen Ausstieg finden, sonst fallen mir noch die Arme ab!“

Schroeder und Fritsche machten sich wieder auf ihren Weg nach unten. Sie stiegen Stufe für Stufe hinab. Der Scanner zeigte immer noch Biodaten unter ihnen an. Dann, endlich, schälte sich ein fahles Viereck aus der Dunkelheit.

„Bingo, wir haben’s geschafft. Da ist ein Ausstieg, Fritsche!“

„Endlich, ich kann mich kaum noch halten. Werde wohl nach dieser Geschichte mal wieder was für meine Kondition machen.“

Erleichtert krochen Orion und Hyroniemus in den waagerechten Schacht und setzten sich erstmal hin, um zu verschnaufen. Als Schroeder wieder einigermaßen zu Luft gekommen war, sagte er:

„Ich guck mir mal den Kamin an, ob weiter unten noch DNA-Spuren sind.“

Schroeder kroch zum Ausstieg zurück und scannte die Schachtwände ab, aber er fand nichts. Erleichtert krabbelte er zu Fritsche zurück.

„Wir haben Glück, weiter runter geht die Spur nicht!“

Er richtete den Scanner ein Stück in den Tunnel und studierte die Anzeige.

„Aber nach vorn, da ist die Spur sehr deutlich zu erkennen.“

„Dann ist die Richtung ja klar, oder?“

„Ja, Fritsche, dann mal los!“

So machten sie sich auf in die Richtung, die ihnen die Spur vorgab und kamen bald an eine Schachtabdeckung. Die ließ sich leicht öffnen und sie verließen den Tunnel. Nun befanden sie sich in einem dunklen, kahlen Raum. Dort legten sie ihre Bergsteigerutensilien ab und nahmen ihre Waffen zur Hand.

„Fritsche, probiere noch mal die Verbindung zur Zentrale!“

Hyroniemus schaltete das Funkgerät ein, aber außer einem Rauschen war nichts zu hören.

„Nichts, Chef!“

„Mist! Na egal, lass uns weitersuchen!“

Schroeder und Fritsche entdeckten eine Öffnung und verließen durch sie den Raum. Sie kamen in einen düsteren Korridor, an dessen Ende sich ein weiterer Zugang befand. Vorsichtig durchquerten sie den Gang und öffneten die Tür. Sie landeten mitten in einem Alptraum …

Kapitel 10

Der Wächter der „Halle der Träume“ stutzte. Ein grelles Warnsignal leuchtete plötzlich auf seinem Armband auf. Also hatte ein Sensor Meldung gegeben, dass sich jemand Fremdes in der Etage aufhielt. Wie konnte das denn passieren, sie hatten doch sämtliche Spuren verwischt, damit kein Uneingeweihter diesen Ort findet?

Er rief seine Wächterkollegen zur Hilfe, um gemeinsam der Sache auf den Grund zu gehen. Sie sahen sich zunächst in der Halle um.

Dort war alles ruhig, die Träumer lagen auf ihren Gestellen und gaben sich ihren Fantasien hin.

Hoffentlich finden die Eindringlinge nicht die Spender!

Ein Wächter blieb in der Halle zurück, die anderen machten sich auf zu den Spendern.

Orion betrat einen Raum, in dem nur hinten an der Wand kleine Lichter blinkten, die aber kaum Helligkeit spendeten. Fritsche drückte sich hinter Schroeder hinein und blieb an der Wand neben der Tür stehen. Die Lichtkegel ihrer Headlights rissen schmale Kegel aus der Dunkelheit. Ein stetiges Summen durchflutete der Raum, es schien von der Wand zu kommen, an der die winzigen Lichter glimmten. Orion ging weiter in den Raum hinein – und erstarrte plötzlich. Seltsame Gestelle standen da, auf zweien von ihnen schien jemand zu sitzen. Oder zu hängen. Fritsche und Schroeder näherten sich langsam den Sitzen. Tatsächlich, zwei dieser merkwürdigen Sitzgestelle waren belegt. Es waren die blassen ausgemergelten Körper von Frauen, die nach vorn geneigt in diesen Gerüsten hingen. Ihre Köpfe steckten in einer Art Helm, der den Schädel fast umschloss und nur Augen und Nase frei ließ, und an dem unzählige Schläuche hingen. Die Arme waren auf seitlichen Ablagen fixiert. In die Hände führten ebenfalls Schläuche. In eine Art Rüstung waren auch ihre Unterleiber eingeschlossen, die ebenfalls mit Leitungen bespickt waren. Doch am schlimmsten sahen die Brüste der Frauen aus, die grauenhaft angeschwollen waren. An ihren Warzen schienen Pumpen angedockt zu sein, die einen stetigen Strom einer weißlichen Flüssigkeit durch die Leitungen in eine der summenden Maschinen transportierten.

„Was bei allen Teufeln ist das denn hier?!“, fluchte Orion.

Fritsche trat näher an die Kreaturen heran und beugte sich dann über den mobilen Computer. Er tippte etwas ein und nickte beifällig.

„Hab den Netzhautabgleich gemacht, Chef, das hier ist Allysia Lehmann und das dort Martha Blumenzweig! Aber wo sind Maibach und Mandel?“

„Mist, verdammter! Ich hab keine Ahnung, wo die anderen sind. Wir müssen erst mal die zwei armen Geschöpfe hier aus diesen Dingern befreien!“

Orion trat auf das Gestell zu, in dem Martha hing. Er umrundete es und untersuchte die Anschlüsse an ihrem Helm und dem Unterleib.

„Fritsche, ich hab keinen Schimmer, wie wir diese Dinger von ihnen runterkriegen, aber trotzdem, lass es uns versuchen“

„Vielleicht sollten wir mit dem Kopf beginnen, dann kann sie uns möglicherweise sagen, was hier los ist!“

„Ja, das ist eine Idee. Na los!“

Schroeder und Fritsche schauten sich den Helm genau an.

„Hier hinten sind Verschlüsse, Chef!“

„Ja, sieht so aus. Lass uns die mal aufmachen.“

Orion öffnete die zwei Klammern am Hinterkopf und der Helm von Martha klappte auseinander. Fritsche hielt ihn vorne fest.

„Jetzt zieh ihn langsam ab. Aber vorsichtig, damit wir sie nicht noch verletzen.“

Hyroniemus zog behutsam den Helm von Marthas Gesicht. Ein Stöhnen erklang. Orion stützte Marthas Kopf unter dem Kinn, während Fritsche weiter zog. Nach und nach löste der Helm sich vom Kopf. Zwei Schläuche, die mit dem Helm verbunden waren, steckten in ihrem Mund. Vorsichtig zog Fritsche den Helm vom Kopf, derweil Schroeder sachte die Schläuche hielt, bis die sich aus Marthas Mund mit einem Schmatzen lösten und von ihr abfielen.

„Was ist das denn für eine verdammte …“, fluchte Schroeder fassungslos.

„Das war wohl für Nahrung und Beatmung gedacht“, meinte Fritsche.

„Dann sind die Leitungen hier unten wohl für die Ausscheidungen? Das ist doch pervers!“

Fritsche warf angewidert den Helm zur Seite und sah sich die Hände von Martha Blumenzweig an.

„Die haben wohl Narkose- und Schmerzmittel in Martha reingepumpt.“

„Wir sollten das entfernen, dann kommt sie hoffentlich wieder zu Bewusstsein.“

„Ja, Chef, und wir müssen diese pervertierten Dinger von ihren Brüsten entfernen, sonst saugen sie Martha noch völlig leer.“

Schroeder zog sanft die Kanülen aus Marthas Händen, aus deren Spitzen eine übelriechende Flüssigkeit tropfte. Währenddessen versuchte Fritsche, die Sauger von den Brüsten zu entfernen, aber die saßen fest. Kurz entschlossen zog Hyroniemus ein Messer aus der Hosentasche und schnitt die Schläuche durch. Übergangslos fielen die zwei Saugstutzen zu Boden. Orion hatte mittlerweile zwei Streifen Stoff aus seinem Unterhemd gerissen und damit die Wunden an Marthas Händen verbunden. Betroffen standen nun die zwei da und sahen sich ratlos an.

„Fritsche, hier läuft eine ganz gewaltige Kacke und ich hab keine Ahnung, wozu das alles gut sein soll.“

„Mir ist das auch schleierhaft. Wer entführt Frauen, hält sie gefangen und pumpt ihre Brüste leer? Müssten die Frauen denn nicht erst mal ein Kind geboren haben, bevor sie Muttermilch produzieren?“

„Ja, zum Teufel! Aber die waren doch alle Singles und nicht schwanger, das wäre doch in den Dossiers vermerkt gewesen!“

Orion hielt plötzlich den Atem an, seine Augen wurden ganz groß, er rief:

„Fritsche, das ist es! Drei Frauen und ein Mann! Eizellen und Sperma! Die haben die Frauen als Geburtsmaschinen benutzt und Maibach als Samenspender. Aber wo sind dann die Kinder? Außerdem sind die Vier doch erst vor ein paar Monaten verschwunden, die können doch unmöglich schon entbunden haben!“

„Ja, und wo sind Melany Mandel und Sören Maibach? Hier sind nur zwei der komischen Gestelle belegt.“

„Das ist die Frage. Komm, wir müssen Martha noch befreien!“

Doch bevor sie sich an deren Unterleibsrüstung zu schaffen machen konnten, öffnete sich plötzlich eine Seitentür.

Kapitel 11

Wächter stürmten in den Raum mit den zwei letzten Spendern. Zwei Menschen waren hier eingedrungen und hatten einer Spenderin bereits die Versorgungseinheit und ihre Medikamentenleitungen entfernt. Mit Schrecken stellten sie fest, dass sogar die Sammelsauger entfernt worden waren. Der Körper war nur noch mit dem Entsorgungsmodul am Unterleib verbunden. Die Wächter hockten sich neben die Tür, zogen ihre Waffen und eröffneten das Feuer auf die Einbrecher. Die beiden Attackierten verbargen sich notdürftig hinter den Gestellen und begannen ebenfalls mit ihren Waffen zu schießen. Wo ihre Kugeln einschlugen, breitete sich spinnennetzartig Elektrizität aus.

Die Geschosse flogen hin und her, ohne dass einer der Beteiligten getroffen wurde, und obwohl die Sator’ri wie die Wilden ballerten, konnten sie die Eindringlinge nicht treffen.

„Fritsche, du musst Hilfe holen. Klettere ein Stück hoch, bis du wieder Empfang hast, und hole alle Männer des Sicherheitsdienstes hier runter – bewaffnet. Und sie sollen Ärzte schicken. Und sich irgendwie zur Sator’ri-Etage durchsprengen oder -bohren. Los, ich gebe dir Deckung!“, und Schroeder verstärkte seinen Beschuss.

„Okay, Chef. Bin dann mal weg!“

Hyroniemus sprang auf und rannte zur Tür, durch die sie diesen schrecklichen Ort betreten hatten. Er hastete den Korridor entlang bis in den kahlen düsteren Raum zurück, in dem sich der Schacht befand, durch den sie hierher gelangt waren. Ohne sein Geschirr anzulegen, kroch Fritsche in den Tunnel und begann nach oben zu klettern. Er versuchte immer wieder die Zentrale zu erreichen, während er sich weiter nach oben bewegte.

„Zentrale, hier Fritsche. Könnt ihr mich hören?“

Es knackte im Empfänger, plötzlich war eine Stimme zu hören.

„Fritsche, verdammt, was ist los? Versuche euch schon die ganze Zeit zu erreichen. Hier ist Willem. Die Verbindung zu euch war plötzlich weg.“

„Gott sei Dank, Willem! Hör zu, wir stecken mächtig in der Bredouille. Schick alle Sicherheitsleute über die Biorecyclinganlage nach unten. Nehmt eure Waffen mit und folgt unseren Markierungen. Die Verschollenen sind in der Etage der Sator’ri gefangen. Wir werden von denen beschossen, weil wir versucht haben, sie zu befreien. Ihr müsst euch irgendwie zu den Sator’ri durchsprengen oder mit Laserbohrern in die Etage kommen. Hast du alles verstanden? Beeilt euch, verdammt noch mal. Ich muss zurück zu Orion, wer weiß, wie lange er noch gegen die Aliens bestehen kann.“

„In Ordnung, hab alles verstanden! Hilfe ist unterwegs! Viel Glück, Fritsche! Zentrale, Ende und Aus!“

Hyroniemus atmete erleichtert auf und machte sich auf den Rückweg zu Schroeder. Er kletterte fix die Leiter hinab, kroch durch den Schacht, jagte durch den kahlen Raum und den trostlosen Gang. Vorsichtig spähte er in den Raum mit den Verschwundenen. Orion war immer noch hinter den Gestellen in Deckung und feuerte auf die Aliens. Fritsche schaute in ihre Richtung und sah einen der Sator’ri, der ein gutes Ziel bot. Er legte an, zielte und schoss auf den Alien. Er traf ihn mit seiner Taserkugel am Kopf. Sie drang in ein Auge ein und setzte dort ihre elektrische Energie frei. Der Alien schien mitten in der Bewegung zu erstarren, fing dann an zu zucken und kippte steif zur Seite weg.

 

Die beiden anderen wendeten erstaunt ihre Blicke zur Tür, entdeckten Fritsche und gaben mehrere Schüsse auf ihn ab. Fritsche zog sich hastig zurück, um nicht getroffen zu werden. Orion nutzte diese Chance und setzte den zweiten Alien außer Gefecht. Auch dieser fiel zuckend zu Boden. Der verbleibende Sator’ri zog sich, wild um sich schießend, zur Seitentür zurück, um mit einem Satz durch diese zu verschwinden.

Er musste die Träumer wecken.

Alles brach zusammen. Man war auf ihre Spur gestoßen und, was noch schlimmer war, hatte auch das Böse entdeckt, das sie getan hatten. Die Strafe der Alten würde hart und gnadenlos sein. Aber auch sie hatten die Essenz durch ihr Essen aufgenommen. Jedoch wussten nur wenige von deren Wirkung – alle schrieben ihr langes Leben den Bestandteilen in der Atmosphäre dieses verdammten Planeten zu. Doch es waren einige der Enzyme des Nährsaftes, den die Weibchen produzierten, der ihr Leben verlängerte.

Ein bestimmtes Enzym in die Blutbahn der Sator’ri injiziert, ließ sie wieder fliegen.

Er hastete in die Halle der Träumer. Ungefähr 25 Liegen waren belegt, auf denen sich die Träumer ihren Fantasien hingaben. Aber er musste sie wecken, sie mussten hier raus, und er musste so viele Spuren wie möglich verwischen. Er betrat den Nebenraum, in dem die Injektoren standen, und startete die Erweckungssequenz.

Zwischenspiel

Er flog wieder.

Quer durch die Unendlichkeit.

Sein Körper badete in einem Meer aus Farben.

Eine fremdartige Pflanze streckte ihre Zweige nach ihm aus. Umfing ihn und webte einen Kokon aus Blättern um ihn.

Der Kokon zerplatzte mit einem lauten Knall, er wurde herausgeschleudert.

Hinein in die Unendlichkeit.

Fliegende bunte Kugeln zogen an ihm vorbei.

Er surfte auf einem Strom aus Sternen.

Hinein, mitten in eine Sonne.

Die in einem so schönen Grün strahlte.

Er durchquerte den wohltuenden Körper der Sonne …

… und fiel in Dunkelheit.

Vor ihm ward ein neues Sonnensystem geboren. Zwei gigantische grüne Sonnen formten sich aus Nichts und wurden zu einem Gesicht.

Zwei große grüne Augen blickten ihn an und eine Stimme sprach zu ihm:

„Wach auf und verschwinde von hier!“

Weitere Bücher von diesem Autor