Vollweib

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So bereitete ich ihm große Freude, indem ich als kleines Mädchen recht schnell und auch besonders gut das Schifahren erlernte. Hier hatte ich sogar gegenüber meinen gleichaltrigen männlichen Mitstreitern meistens die Nase vorn, und fuhr ihnen als Mädchen sogar auf und davon. Und das schon im frühen Alter von drei Jahren. Wohl auch in Unwissenheit der damit verbundenen Gefahren. Ich hatte sehr lange einfach das sprichwörtliche Glück des Anfängers und die übertrieben ehrgeizigen Ziele meines Erziehers blieben deshalb ohne negativen Beigeschmack. Bis eines Tages ein fünffacher Salto Mortale, nach einer für mein Alter von vier Jahren viel zu langen und zu steilen Schussfahrt, diese Euphorie etwas trübte.

»Sag es bloß nicht Mama !«, waren die Worte meines Vaters.

Brauchte ich gar nicht, denn nach diesem Kapitalsturz wurde ich für eine Woche ohnehin zum Gesprächsthema des ganzen Dorfes. Meine Leidenschaft für Schnee und Skifahren konnte dadurch aber nicht getrübt werden und das sollte sich noch als gewaltiger Vorteil erweisen. Schwimmen lernte ich noch schneller. Sogar innerhalb von wenigen Sekunden. Nach einigen anfänglichen Fehlversuchen meinerseits, lockte mich mein Vater einfach auf den Sprungturm und stieß mich mit den Worten: »Schau mal, ein großer Fisch«, einfach vom Springturm des Badesees. Ich kann mich heute noch an meinen ersten unfreiwilligen Tauchversuch erinnern, an das einzigartige Rauschen, die vielen Sauerstoffbläschen und das ungewohnte Gefühl der Schwerelosigkeit. Ich bin dann doch wieder aufgetaucht und damit war meine erste Schwimmlektion beendet.

°

Im Moment steckte ich schon wieder unfreiwillig in so einer nassen, kalten Hölle, und erst am nächsten Morgen würde es, wenn überhaupt, eine Möglichkeit geben, ihr zu entkommen. Wann würde man ein Flugzeug losschicken, um nach mir Ausschau zu halten?

°

Obwohl mein Vater als Schuldirektor nachmittags sozusagen vom Dienst befreit war, hatte er wahrscheinlich Nerven für alle Bereiche, nur nicht für seine Kinder zu Hause. So war nicht nur er mit mir als burschikosem Mädchen, meinen sechs weiteren Geschwistern, und all dem damit verbundenen finanziellen Desaster überfordert, sondern, wie man sich denken kann, vor allem meine Mutter. Und ausgerechnet ich – man stelle sich das vor – sollte immer wieder den Part des Aufpassers für meine Brüder übernehmen. Ausgerechnet ICH … sollte das mangelnde Durchsetzungsvermögen meiner Mutter ersetzen, ihre Nerven schonen, und einen Sack voll Flöhe hüten. Ich stand also zwischen meinen Geschwistern und den Eltern auf verlorenem Posten. Von den Brüdern verhauen, von den Schwestern gemieden, wenn ich Erzieher spielen sollte. Von den Eltern gescholten, weil ich offensichtlich unfähig war, für Ordnung zu sorgen. Und wenn dann alles in ein Chaos ausartete, wurden wir von unserer Mutter, ja auch ich, obwohl ich selten etwas dafür konnte, regelrecht verprügelt. Manchmal ging dabei sogar der Holzstock kaputt, so heftig waren diese Übergriffe auf unsere Hinterteile!

Unmittelbar vor meiner Geburt fingen auch die gesundheitlichen Probleme meines Vaters an, die unser Familiendasein noch über Jahrzehnte belasten sollten. Nach meiner Geburt legte uns der Storch noch sechs weitere Kinder ins Nest, und wir wechselten drei Mal in fünf Jahren die Wohnung. Da kam meinem Vater die glorreiche Idee, dem Grailtal mit seinen sturen und eigensinnigen Weibern den Rücken zu kehren. Wir übersiedelten ins gelobte Inntal. Und das, obwohl genau zu diesem Zeitpunkt Vaters kultureller Wert für meinen Geburtsort am höchsten war, man uns sogar ein Haus schenken wollte, nur damit er der Gemeinde erhalten bliebe. Stur und eigensinnig nenne ich die Weiber deshalb, weil sie mit ihrem herrschsüchtigen und zickigen Gehabe den jungen und zugezogenen Schuldirektor des Öfteren bis zur Weißglut geärgert und gestresst hatten, und damit wohl auch zu seiner, uns später so belastenden Krankheit, beigetragen hatten.

Obwohl mein Erzeuger zu diesem Zeitpunkt im Grailtal sozusagen in den Himmel gehoben wurde, kehrten wir meinem Geburtsort den Rücken zu und zogen in das Elternhaus meines Vaters in Reutling ein. Das heißt, weg von meinem geliebten Großvater mütterlicherseits, zu der von uns Kindern nach Kräften gemiedenen Mutter meines Vaters. Nicht nur ich, sondern auch meine jüngeren Brüder erinnern sich noch heute nur mit Zorn an die wohl arbeitsscheueste, egoistischste und selbstsüchtigste Frau, die ich bis heute kennen gelernt habe. Ihre Kochkünste sollten uns Kindern kulinarische Erlebnisse voller Pein und Schrecken bereiten. Wenn sie für uns kochte, wagte sie es doch tatsächlich, uns mit Abfällen aus ihrem Haushalt zu versorgen. Dazu gehörte auch der Kragen des Sonntagshuhns, um den wir uns dann auch noch rauften. Ich bin mir nicht sicher, ob dem normal Bürger bewusst ist, wie viel Fleisch an so einem Hühnerkragen … NICHT dran ist. Wenn mein Bruder Werner mal zu viel Bier getrunken hat, heult er heute noch und meint:

»Ich würde ihr eigenhändig den Kragen, sprich Hals umdrehen, wäre sie noch unter den Lebenden.«

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»Hm ja, apropos Essen, ob ich jetzt schon einen der sieben Müsli Riegel genießen sollte, den mein Notfallkoffer beinhaltet?« Ich hatte im Dingi bei solchen Überseefahrten immer eine Notausrüstung festgezurrt. Mein winziges Schlauchboot erklomm gerade einen Wellenberg, und da sah ich es plötzlich. Es war ein weißer Lichtfleck, der sich im starken Seegang mit den Wellen hob und senkte. Ich versuchte, das schwache Licht nicht aus den Augen zu verlieren, während das kleine Dingi in ein Wellental hinunter sank. War das ein Fischerboot, das sich hier durch den Sturm kämpfte? Egal, was auch immer, Hauptsache ein Schiff. „Die werden mich nicht sehen, wie sollten sie auch.“ Wie zur Bestätigung verschwand ich mitsamt dem Dingi wieder in einer Wasserschlucht. Es gelang mir, auf dem Rücken liegend, trotz des heftigen Seegangs den Notfallkoffer zu öffnen. Vorsichtig versuche ich, ihn waagrecht zu halten, um ja nicht den kostbaren Inhalt an das Meer zu verlieren. Ich hatte den Koffer mit einer Leine an meiner Schwimmweste befestigt. Jetzt entnahm ich ihm eine der Rettungsraketen und verschloss ihn sofort wieder, bevor er sich mit Wasser füllen konnte. Dann zerbiss ich die Plastikfolie, welche die Rakete vor Feuchtigkeit schützen sollte.

»So … mit einer Hand halten, mit der anderen am Seil ziehen. Verdammt, verdammt, Scheiße!«

Wir hatten das zwar in der Segelschule und vor meiner ersten Atlantiküberquerung dutzende Male geübt, mir war richtig langweilig dabei geworden.

»Was soll das, ist doch Kinderkram«, hatte ich damal gedacht.

Und jetzt hatte ich mich, wohl vor Aufregung, beinahe selbst erschossen und samt Schwimmweste versenkt. Soviel zu Theorie und Praxis.

»Tief durchatmen, tief atmen «, redete ich mir selbst gut zu. Ich hatte nicht so viele Raketen und war noch zu lebenshungrig, um mich selbst zu erschießen. Also versuchte ich, mich zu konzentrieren, diesmal mit Erfolg. Die nächste Rakete stieg zischend und heulend gegen den Himmel.

»Na ja, zumindest sollte man bemerken, dass hier noch ein Mensch lebt. Falls die überhaupt in Sichtweite sind.« Ich verschwand mitsamt dem Schlauchboot schon wieder in einem Wellental.

„Verdammt noch mal!“, entfuhr es mir. Als ich nach einer Ewigkeit wieder hoch kam, war das schwache Licht ganz verschwunden. Meine Euphorie schwand augenblicklich und die Stimmung fiel ins Bodenlose. So bodenlos, wie die See unter mir. Es war unschwer, sich klarzumachen, wie meine Situation in Wirklichkeit ausschaute. In dieser beängstigenden Dunkelheit konnten die mich sogar überfahren, ohne etwas von mir zu bemerken. Die Wellen waren inzwischen so unvorstellbar riesig und brachen sich zudem ständig über mir. Es schien mir deshalb zu riskant, den Koffer noch einmal zu öffnen. Womöglich würde ich noch den ganzen Inhalt in der nächsten Minute ans Meer verlieren, sowohl Notfallraketen, als auch Müsli Riegel. Ich musste wohl noch länger durchhalten und zuerst den Sturm abwettern. Ich verwarf daher den Gedanken an weitere Signalraketen sofort wieder. Und jetzt schon meine Energiereserven anzugreifen wäre sicher gedankenlose Verschwendung gewesen. Auch die zwei Dosen Energy Drink wollte ich so lange wie möglich aufbewahren. Vielleicht verliehen sie ja wirklich Flügel, sollte keine andere Hilfe auftauchen. Träumen darf man ja. Hätte ich bloß als Kind schon so eine Dose gehabt.

°

Ich wollte schon damals in meinen Tagträumen immer zur Kirchendecke hoch fliegen und Wunder nicht nur Jesus überlassen. An einen Ort fliegen, der weit entfernt wäre von meiner verrückten Kindheit. Einen Ort, an dem es nur mein wahres, kindliches Selbst gäbe, wo mein inneres Licht herausfinden konnte, wer ich wirklich war. Damals war ich von diesem Traum sehr weit entfernt, und im Moment wohl auch.

Die täglichen Kirchenbesuche, zu denen wir Kinder gezwungen wurden, werden uns wohl diese Institution für immer vermiest haben. Meine Oma sang, wie so viele Verwandte auch, fast täglich im Kirchenchor. Ein Grund mehr, davon zu fliegen. Wir mussten sie jedes Mal begleiten, in die Kirche, nicht beim Singen.

Zwei meiner Brüder waren ja auch noch zu Ministranten ausgebildet worden. Das war damals eine sehr wichtige Funktion für Burschen in diesem Alter und von einer gewissen Bedeutsamkeit.

An mir ging dieser Kelch leider vorüber. Mädchen wurden damals in dieser patriarchalischen Welt noch nicht geduldet, auch wenn sie noch so burschikos waren wie ich. Ich schmollte, wollte ich doch lieber in der Sakristei mit den Burschen albern, als brav mit meinen Artgenossinnen in der Kirchenbank sitzen.

So nebenbei wurden mir durch den Umzug nach Reutling, und dem damit verbundenen Kulturschock, gleich einige weitere Tiefschläge versetzt. Dazu zählten neben dem sprachlichen Schock eines für Reutlinger fast unverständlichen Grailtaler Dialekts, der kulturelle, kulinarische und auch finanzielle Schock. Wir waren aufgrund der Übersiedelung und dem Bau eines Hauses wirklich arm wie Kirchenmäuse geworden. Vom gesicherten Nest waren wir sozusagen in die Slums abgerutscht. Wie auch die gesamte Hausmauer, die während der Umbauten am großelterlichen Hexenhaus, sprich der umgebauten Waschküche des Bauernhofes meiner Urgroßeltern, während des Kartoffelsiedens an meiner Mutter und mir vorbei in das Kellerloch rutschte bzw. stürzte.

 

Um Geld und Zeit zu sparen hatte mein Onkel, als verantwortlicher Baumeister, die Wand des alten Hauses einfach nicht entsprechend abgestützt und gesichert. Heute würden wir mit dieser Aktion sicher auf der Titelseite einer Tageszeitung stehen. Und das ist ja inzwischen gar nicht mehr so einfach – zumindest nicht mit etwas Positivem. Damit hatte ich schon wieder eine ›Beinahe-Katastrophe‹ überlebt. Während wir Kinder – ich wiederhole Kinder – mit den Aufräumungsarbeiten beschäftigt waren, musste mein Vater mit unserer Großmutter, wie des Öfteren, wenn Arbeit angesagt war, Karten spielen. Meine Mutter hat, so glaube ich, badewannenweise Tränen wegen dieser greisen Tyrannin vergossen. Sehr lange war deshalb das Grailtal für mich die idyllische Heimat, die man mir genommen hatte. Meine Grailtaler Großmutter wusste diese Vorliebe von mir auch bei jedem meiner Besuche ganz gewaltig zu unterstützen. Mein Vater hatte es gewagt, ihr die Tochter, damit die Familie und auch die Enkel zu nehmen. Jetzt musste ich herhalten. Um Jo und Werner war sie ja nie sehr bemüht, die waren zu wild und rüpelhaft, aber ich hatte es ihr als Mädchen unter einer Horde von Wilden angetan. Hier gab ich mir ausnahmsweise Mühe und hielt die Hexe in mir versteckt. ›Verräterin‹ wurde ich dafür von meinen Brüdern genannt.

Bei meinen Aufenthalten im Grailtal musste ich immer wahre Schimpforgien auf meinen Vater, der ja Talflucht begannen hatte, über mich ergehen lassen. Ich kann ihn inzwischen voll und ganz verstehen und es akzeptieren. Aber was hätte ich damals als 8-jährige schon verstehen sollen? Ich erinnere mich noch genau an einen Besuch zwischen Weihnachten und Neujahr. Wir sollten ganze zwei Wochen, bis nach Dreikönig, bleiben. Meine Großmutter war glücklich und führte Regiment. Mein Vater ging mit uns Schifahren, um ihr auszuweichen. Es kam, dass mein Bruder Werner sich den Fuß brach. Wir mussten deshalb unseren Urlaub abbrechen. Da lernte auch ich meine bisher geliebte Großmutter so richtig kennen. Werner mit seinen sieben Jahren wurde von ihr regelrecht in der Luft zerrissen. Und das, obwohl er mit einem frischen Beinbruch und den damit verbundenen gewaltigen Schmerzen in der Bauernstube lag.

Leicht abgeschwächt klang das in etwa so: »Muss sich der saublöde Bua a no den Fuaß brechn. Du depperta Bua, iatz miaßn alle wegn dia hoam forn. I kennat di glei no derschlagn, so was bledes.« Und damit verbannte sie den 7-Jährigen trotz seines Schocks und starker Schmerzen zur Strafe auch noch in die Speisekammer.

Ich bin danach weniger gerne in den Ferien zur Grailtaler Oma gefahren. Das war nämlich bis dato mein Privileg gewesen. Inzwischen weiß ich auch, warum mein Großvater, der mich wirklich sehr gerne mochte, meine Besuche gar nicht so sehr schätzte. Meine Großmutter wollte nämlich immer, dass ich im gemeinsamen Schlafzimmer schlafen sollte.

»Das arme Mädchen hat ja so Angst, alleine in einem anderen Raum.«

Ich konnte mich zwar nicht daran erinnern, vor etwas Angst gehabt zu haben, getraute mich aber nicht, dem Hausdrachen zu widersprechen. Ich habe es dann irgendwann einmal geschnallt. So brauchte der frigide Hausbesen wenigstens für zwei bis drei Wochen keine Angst vor sexuellen Übergriffen ihres Ehemannes zu haben. Sex war ja ab einem bestimmten Alter – ich glaube auch schon früher – ohnehin nur zum Kinder machen gut.

„Auf diese 6 närrischen Minuten kann ich gerne verzichten“, bekam ich immer wieder einmal zu hören, und das nicht nur von meiner Oma.

Die einzige Aktion im gemeinsamen Schlafzimmer war also, wenn die Hühner im Stall wild gackerten, Opa mit Schlafrock und Zipfelmütze – ja tatsächlich – und der Pistole aus dem Nachttisch, aus dem Schlafzimmer hinausstürzte, um den Fuchs zu erwischen. Es ist ihm nie gelungen. Wir Kinder folgten dann am nächsten Tag anhand der Federn, die das Huhn verloren hatte, den Spuren des Fuchses. Und wieder gab´s ein Suppenhuhn weniger. Was dem Huhn wohl lieber gewesen wäre, hätte es die Wahl gehabt?

Man kann sich vorstellen, dass das aktuelle Anschauungsmaterial – ich meine die Grailtaler Frauenwelt – nicht gerade geeignet war, einem Mädchen als Vorbild für eine moderne, offene und ausgereifte Beziehung zu dienen. Außerdem wurde mein erotisches Empfinden, meine Venus, in dieser Umgebung sicher nicht geweckt.

Aber es gab für mich in diesen Jahren auch noch andere, tiefgreifende Erlebnisse. An einem dieser Tage hatte mein Onkel Franz eine Bergtour mit zwei deutschen Urlaubern geplant. Um dem Gegacker der Tanten zu entfliehen, bettelte ich einen Tag lang, dass sie mich mitnehmen sollten. Meine Hartnäckigkeit wurde belohnt. Ich durfte mit auf die Bergtour.

Dafür musste ich, wie so oft, Zigaretten besorgen gehen. Jeden Tag einmal in die benachbarte Bar. Ich weiß noch die Sorte, „H.B.“! Die Männer fanden es lustig „ Hänge-Busen“ daraus zu machen. Ich wurde damals noch rot bei dem Gedanken. Aber um der Großmutter für einige Zeit zu entfliehen, nahm ich das gerne auf mich.

Wir fuhren, soweit die Straße damals ausgebaut war, ins Tal hinein. Von dort ging es zu Fuß über zwei Pässe auf einen wunderschönen Aussichtsberg, das Schönbachler Horn. Obwohl knapp 3000 Meter hoch, konnte man diese Bergspitze mit normalen Bergschuhen erreichen, also ohne die sonst übliche Ausrüstung mit Seil, Pickel und Steigeisen.

Die Aussicht war faszinierend, ja überwältigend. Rundherum waren Gletscherflanken und riesige Eisfelder. Ich war fasziniert von den vielen Spalten im Eis. Die letzte halbe Stunde unseres Abstiegs zogen immer mehr schwarze, düstere Wolken auf. Die Bergspitzen wurden von Nebel eingehüllt und wir fingen an, den Rest des Weges zu laufen. In den Bergen aufgewachsen, ist man es ja gewohnt, wie eine Gemse über Steine und Felsen zu springen. Mir kam es dennoch endlos vor. Endlich beim Auto angelangt, schlief ich, kaum dass ich am Rücksitz Platz genommen hatte, auch sofort ein. Die Männer erzählten sich Blondinenwitze, und da konnte ich ohnehin in meinem Alter nichts dazu beitragen. Außerdem fehlte mir oft das Verständnis dafür, was daran so lustig sein sollte.

Ich wurde von einem ohrenbetäubenden Krach geweckt. „Jetzt ist der besoffene Kerl mit dem Auto in die Schlucht gefahren“, war mein erster Gedanke. „Ich lebe noch!“, mein zweiter. Obwohl meine Augen geschlossen waren, war ich geblendet von dem grellen Licht, das den Krach begleitet hatte. Das Auto stank nach Schwefel. Unser Fahrer hatte es mit Mühe zum Stillstand gebracht. Jetzt bemerkte ich den wolkenbruchartigen Regen und die Blitze um uns herum. „OOOhhh Sch… wir sind vom Blitz getroffen worden. Das Auto ist einen halben Meter in die Luft gesprungen“, schrie einer der Männer. Es dauerte Minuten, bis jemand darauf antwortete. Mir hatte es ohnehin die Sprache verschlagen. Aus dem Schlaf gerissen, zitterte ich wie Espenlaub. Der Motor des Autos lief sogar noch. Damals hatten die Autos noch keine Elektronik wie heutzutage, wir konnten daher unsere Fahrt ungehindert fortsetzen. Unser Fahrer fuhr den Rest der Strecke sehr langsam. Außerdem war meinen Begleitern das Witzeerzählen vergangen. „Das kommt davon, man lästert nicht über Frauen“, hatte ich mir damals gedacht. Dieses Erlebnis sollte mich, so wie die Frauen in meiner familiären Umgebung, noch länger bei meinem Verhalten dem männlichen Geschlecht gegenüber beeinflussen.

Man lästert nicht über Frauen und lässt ihnen ihre Meinung, war für mich damals die Konsequenz und Botschaft daraus.

Die Männer begossen, wieder zu Hause angekommen, unser Überleben mit viel Bier und Schnaps in der Bar um die Ecke. Die mit den „Hängebusen Zigaretten“. „Erzähl nichts davon den Weibern“, hatte man mir vorher noch eingetrichtert.

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Aber zurück ins Inntal, in das vom Vater gelobte Reutling mit ähnlichen Hexen. Mein erstes Erlebnis mit gleichaltrigen männlichen Wesen muss mein Unterbewusstsein nachhaltig und auf Dauer beeinflusst haben. Vor allen Dingen was den Umgang mit dem anderen Geschlecht und die Handhabung von Karriere und Erfolg betrifft.

Meine erste kindliche Verliebtheit und der erste unglaubliche Ausbruch meiner kaum zu bändigen Wildheit, der in einem Heiratsantrag an meinen gleichaltrigen Nachbarn gipfelte (wir waren beide ca. 7 Jahre alt) wurde mit den Worten abgeschmettert:

»Dich würde ich nie heiraten, du bist nämlich nur die Tochter eines armen Schuldirektors und mein Vater ist der Dorfrichter. Ich heirate einmal nur eine „Studierte“.«

Was bin ich heute froh darüber, dass dieser Kelch an mir vorüber ging. Mein Kindheitsschwarm hat sich zu einem riesigen Arschloch entwickelt. Trotzdem, das saß und es tat weh. Noch dazu, weil man zu Hause ja nichts erzählen konnte, um die Eltern zu schonen.

Mein Selbstbewusstsein war auf den absoluten Tiefpunkt gesunken. Das alles hat sich auch in meinen schulischen Leistungen bemerkbar gemacht. Obwohl, dumm war ich nie gewesen. Ich kann mich sogar daran erinnern, dass ich mich immer gewundert hatte, warum der Lehrer etwas fünfmal erklärte, wenn es ohnehin schon alle begriffen hatten, oder eben doch nicht alle? Dass man Verstandenes auch verinnerlichen muss, nämlich wiederholen und damit lernen, hat mir damals keiner erklärt. Deshalb habe ich, so glaube ich inzwischen, zwei Drittel meiner Schulzeit verschlafen. Das andere Drittel raufte, kratzte und biss ich mich mit den gleichaltrigen Burschen. Und so fehlte mir die Konzentration, mein Wissen an den Lehrer zu bringen.

Anfangs hatte ich ja noch eine sehr nette Lehrerin. Sie akzeptierte und beschützte das ungewöhnliche Mädchen. Sie nahm mein wildes Wesen, die Hexe, in Kauf, und sie setzte sich fürsorglich für mich ein. Ich liebte sie dafür. Besonders praktisch war der gemeinsame Schulweg. Heute würde man sie in dieser Funktion Bodyguard nennen. Ich hing beim Nachhauseweg immer an ihrem Rock oder an ihrer Hand, um vor Übergriffen meiner Mitschüler sicher zu sein. Von meinen zickigen Freundinnen hatte ich ja keine Hilfe zu erwarten und gegen die Übermacht der Burschen war selbst ich Wildfang machtlos.

Die ersten 3 Jahre der Schulzeit waren deshalb noch einigermaßen erträglich. Dann bekamen wir Husti, auch Smokie genannt, als Lehrer. Ein in der Klasse kettenrauchender und andauernd von Husten – nein, Erstickungsanfällen - gepeinigter Riese, der sich ein Drittel einer Unterrichtsstunde vorm Ersticken retten musste und die anderen zwei Drittel rauchte. Husti war dabei als Lehrer so fehl am Platze, wie ein Delphin in der Wüste. Auch meinen Schutzengel auf dem Nachhauseweg hatte ich durch diesen Lehrerwechsel verloren. Immerhin fand Husti heraus, dass ich Legasthenikerin war, also in Rechtschreiben eine absolute Null. Viel mehr wusste man darüber damals nicht. Das einzig Positive aus dieser Schulzeit war folgender Ausspruch von Husti: »Ihre Aufsätze sind sensationell, die wird noch einmal Schriftstellerin, aber sie braucht eine Sekretärin mit guten Rechtschreibkenntnissen.«

Tja, wenn der gewusst hätte, dass man dazu inzwischen nur einen guten Laptop und das entsprechende Programm mit Korrekturmodus braucht. Damit wäre mir damals einiges Leid erspart geblieben. So kam es denn auch, dass ich zwar als recht intelligente Schülerin eingestuft wurde, aber:

„Mit diesen Rechtschreibproblemen kann man sie beim besten Willen nicht aufs Gymnasium schicken.“ Ich konnte meinem Vater die Enttäuschung anmerken. Mein ganzes Leben hatte ich später davon geträumt, Bücher zu schreiben, mit meinen eigenen Texten über die wahre Liebe und Leidenschaft und den von mir selbst erlebten und gelebten Lebensweisheiten.

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Wird wohl nichts mehr daraus werden, dachte ich, von den Wellen hin und her geschleudert, während der Sturm um mich herum sein Bestes gab. Ich war so entsetzlich müde, und wollte schlafen, hatte aber Angst, nicht mehr aufzuwachen, wenn ich es zuließ, dass ich eindöste.

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Während meiner Schulzeit war mir das ziemlich egal gewesen. Ich verschlief den Großteil der Schulstunden, sie waren mir einfach zu langweilig. Dies wurde auch zähneknirschend von den Eltern hingenommen, denn vorerst hatten sie ohnehin nicht das Geld, um zwei der sieben Kinder auf eine höhere Schule zu schicken. Meine Schulprobleme waren also eine willkommene Ausrede. Ich gab auf, tat nur mehr das Allernotwendigste und nicht einmal mehr das. Man kann sich vorstellen, dass das trotz der Umstände für eine Direktorentochter ein Desaster bedeutete. Vom Vater wurde ich als Tochter fallengelassen, von der Mutter verhätschelt. Eine Superkonstellation, wie man sich vorstellen kann. Von den Mitschülern wegen meiner schlechten Noten immer mehr gehänselt, so konnte man den Schulfrust ja wenigstens am Kind des Lehrers und Direktors auslassen. Und für mich galt für viele Jahre der Spruch: „Wenn das Selbstvertrauen schon auf dem Nullpunkt ist, tut die Umgebung das Übrige dazu.“

 

Ich kann mich erinnern, dass ich nach einem Unterschenkelbruch, damals fuhr man noch mit Riemenbindungen aus Metallspiralen, immer wieder Schmerzen vorgetäuscht hatte. Meine uralten Skier mit flachen bzw. kaum gerundeten Spitzen und diesen museumsreifen Bindungen waren mir zum Verhängnis geworden. Ich hatte wieder einmal einen Kapitalsturz gerissen, und dafür war diese Ausrüstung einfach nicht geeignet. Ich trug danach die übliche Zeit lang einen Gips, fand aber heraus, dass ich in dieser Zeit mehr Zuwendung bekam, und von Brüdern und Mitschülern umsorgt wurde. Mein Gips war übersät mit Autogrammen von männlichen Fans. Meine Mutter und damit auch der Arzt mussten auf meine vorgetäuschten Schmerzen reagieren. Mit dem Resultat, dass ich in der Wachstumsphase acht Wochen Gips trug. Ein verkürzter Unterschenkel und eine gekrümmte Wirbelsäule geben heute Zeugnis von der medizinischen Unwissenheit unseres damaligen Hausarztes. Ich war wohl selbst daran schuld, oder doch nicht? Gab es so etwas wie ein Schicksal? Wozu war das wieder gut gewesen?

Inzwischen hielt mich meine Mutter auch erfolgreich von allen pubertären, männlichen Aktivitäten, die ich selbst als Mädchen ja so sehr liebte, fern. Ich durfte weder mit den Gleichaltrigen Fußball spielen, noch der Alpenvereinsjugend beitreten. Ein vermeintlicher Herzfehler diente ihr als Erklärung – genetisch war ich ja ihre Tochter. Trotzdem hatte ich bis zu meinem 10. Lebensjahr beim Skifahren alles geschlagen, was später sogar im österreichischen Nationalteam Rang und Namen hatte. Man wollte mich, die Raubkatze, und meine Brüder sogar in einem Team fördern und finanziell sponsern, denn unsere Familie hätte ja für diese Extraausgaben kein Geld gehabt. Meine Mutter jagte jedoch eine dörfliche Abordnung, die mit einem diesbezüglichen Angebot zu uns gekommen war, mehrmals aus dem Haus. Im Nachhinein trotz allem irgendwie verständlich, war doch mein Vater als Rennfahrer mit dem Motorrad an einen Baum gefahren. Man bedenke, dass es damals nur Lederhelme gab. Er lag danach mit einem Schädelbasisbruch bewusstlos im angrenzenden Feld und ein Freund rettete ihm schon an Ort und Stelle das Leben, indem er all das gestockte Blut mit bloßen Fingern aus seinem Rachen holte. Mein Vater wäre sonst an seinem eigenen Blut erstickt! Endlich im Krankenhaus angelangt, zu dieser Zeit gab es noch kein Rettungssystem, lag er zehn Tage im Koma und war mehr tot als lebendig. Das ganze Tal und besonders auch die Ärzte, bezeichneten es als medizinisches Wunder, dass er diesen Unfall überlebte. Wenn man bedenkt, wie viel Glück man selbst heute, sechzig Jahre danach, in einem solchen Fall braucht, war es damals wirklich das sprichwörtliche Wunder gewesen, dass unser Vater danach überhaupt wieder das Krankenhaus auf eigenen Füßen verlassen konnte. Selbst Jahrzehnte danach sterben genug Spitzensportler an solchen Unfällen. Dennoch, unsere Familie, aber besonders wir Kinder, litten dafür an den Spätfolgen dieses Unfalls noch Jahrzehnte. Selbst positive Erlebnisse wie das Skifahren, das ich wirklich beherrschte, versagte mir meine Mutter deshalb aufgrund dieser Erfahrungen. Man kann ja auch mit Skiern gegen den Baum fahren, nicht nur mit dem Motorrad.

Mit Erfolg verhinderte meine Mutter dann auch noch meine Teilnahme an allen außerschulischen Veranstaltungen wie Skischul-, Landwoche oder andere diverse Ausflüge, die für das Erlernen von gesellschaftlichen Prozessen notwendig gewesen wären. So wurde ich auch nicht an den pubertären sexuellen Lernprozessen beteiligt bzw. dazu eingeladen. Ich war ja in den geeigneten Momenten aufgrund meiner gluckenhaften Mutter verhindert. Man machte also die ersten Erfahrungen mit Masturbieren und anderen erotischen Spielen ohne Rebecca. Ich wusste, man hörte ja so einiges nach der Schulskiwoche auf der Alm oder der Wienwoche im Jugendheim, dass da fast jede Göre bei einer Freundin ihre Hand zwischen die Beine legte, harmlose Mädchenspiele eben. Da ich nie bei diesen Spielen dabei war, man aber doch neugierig war, ob die da überhaupt ein Mädchen oder vielleicht doch ein Bursche war, passten mich einmal vier Mitschülerinnen in der Gerätekammer ab, und unten war mein Rock.

Ich kann mich noch erinnern, dass ich zwischen Entrüstung und Weinen, Frechheit und man interessiert sich ja doch, Aufbegehren und einem gewissen sexuellen Empfinden geschwankt bin.

Als vermeintlich braves Direktoren-Töchterchen musste ich Entrüstung vortäuschen und hätte es doch nicht ungern gesehen, wenn auch bei mir eine Mitschülerin ihre Finger, oder gar ihre Zunge, in meine Möse gesteckt hätte. Wie man sich das eben in der Klasse so gegenseitig vergönnte. Also hielt sich meine Gegenwehr in Grenzen. Und als im Eifer des Scheingefechts die für mich netteste der Mitschülerinnen ihre Finger zwischen meinen heißen Schenkeln versenkte, war es mit meiner Zurückhaltung vorbei.

»Aaah« … tat irgendwie gut, im Kreise der Feministinen aufgenommen zu sein. Schockiert, lieber Leserin? Das war bei Mädchen damals ganz normal und eigentlich harmlos. Verhielt sich bei Buben wohl ähnlich. Ich hatte des Öfteren meine Brüder heimlich beobachtet, wie sie gegenseitig Hand anlegten und an ihren Schwänzen rieben, bis da etwas herausspritzte. Für mich war es besonders interessant, wenn meine Brüder das Motto ausgaben: „Wer spritzt am weitesten!“ Immer wieder schlich ich mich an sie heran, um diese männlichen Ergüsse zu beobachten. Auch aus diversen Klosterschulen und Internaten hatte man ja immer die tollsten Geschichten zu solchen erotischen Spielen vernommen, und nicht nur in entsprechenden Filmen. Zu Hause und an den Nachmittagen wurde die Schwester dann mit den Jahren stolz den Freunden präsentiert. Altersbedingt hatte ich ja schon recht frauliche Rundungen an den entsprechenden Stellen.

lang=DE style='color:black'>Das galt in der Runde dieser um ca. 2 - 3 Jahre jüngeren Clique als Sensation. Mädchen, die mit den Jungs ohne Hemmungen und Scheu herumspielten, waren nicht alltäglich. Und dass da ein Loch unter der bereits sprießenden Schambehaarung war, statt eines Schwanzes, machte mich für einige Wochen, Monate ja sogar Jahre interessant. Später erfanden die Jungs ein Spiel, bei welchem sie sich mit mir und zwei meiner weniger zickigen Cousinen im Kreis aufstellten. Der Anführer gab die Kommandos: „Eins, zwei, drei, Hosen runter … eins, zwei, drei Hand angelegt … eins, zwei, drei losgewichst.“ Wir Mädchen hatte nichts zum Handanlegen in diesem Sinne, also konnte wir nur die Finger in unsere Mösen stecken und die Hand wie die Jungs vor und zurück bewegen. Weil das damals irgendwie langweiliger war, als so einen Schwanz in der Hand zu halten, bettelten wir sogar darum, es den Jungs zu besorgen. Nach einiger Zeit war ich so in die Gruppe integriert, dass ich immer öfter den Schwanz eines der Jungen massieren durfte. Eines meiner täglichen Highlights in dieser Zeit. Erst viel später fand ich es auch geil, sich von einem der Jungs da eine Rübe, Banane, Gurke oder etwas Ähnliches hineinstecken zu lassen, mehr getrauten wir uns dann doch nicht, und ich hatte täglich mindestens einmal Lust darauf.