4 Auswertende Zusammenfassung
Es gibt im Untersuchungsgebiet weit über hundert neue FlurnamenFlurname, die neu sind in dem Sinne, dass sie innerhalb der letzten 200 Jahre entstanden (bei 110 von 755 Kernflurnamen ist es sicher – meist geprüft anhand der namengebenden Motive). Die wenigsten basieren allerdings auf neuen Wörtern im hier definierten Verständnis. Selbst viele Flurnamen mit neu anmutenden Bestandteilen, wie
Hinner de Schossee
oder
Trapez
, gehen auf Wörter zurück, die schon früher als 1800 im DeutschenDeutsch belegt sind. Insgesamt 88 der 442 untersuchten FlurnamentypenFlurnamentyp liegen ohnehin Namen anderer Namenklassen zu Grunde. Sie wurden also von vornherein nicht berücksichtigt, weil es sich um propriales Ausgangsmaterial handelt. Sicher bzw. wahrscheinlich sicher festgestellt wurden 13–18 neue Namentypen. Darunter ist nur ein knappes Dutzend durch Mehrfachnennung oder Mehrfachfrequenz von Namen gut belegt. Es handelt sich hierbei um die Flurnamentypen
Bahnhof
m.,
Dschungel
m.,
Grillhütte f./Grillplatz
m.,
Klärwerk
n.,
Neubaugebiet
n.,
Ranch
f.,
S-Kurve
f.,
Sportplatz
m.,
Wasserbasseng
m. und
Wasserhochbehälter
m. In den im Literaturverzeichnis genannten hessischen Flurnamenlexika, -atlanten und -datenbanken sind von diesen bisher sechs unbeschrieben. Mit vier neuen Namentypen im Untersuchungsgebiet fußt ein gutes Drittel der sicher erhobenen Neuerungen auf Lehnwörtern aus dem Englischen. Außersprachliche Innovationen der Moderne hatten am Entstehen dieses kleinen Bestandes neuer Namentypen großen Anteil. Die Namenbelege von sieben der zuletzt genannten Typen sind unmittelbar durch technische oder administrative Neuerungen der letzten 150 Jahre motiviert.
Die aktuelle Flurnamengenese im Untersuchungsgebiet bedient sich, gemessen an ihrer Produktivität und Vielfalt (allein 355 Namentypen gehen auf Appellative zurück), nur spärlich an neuem Wortschatz. Dass im Zuge des agrarischen Wandels der letzten Jahrzehnte eine besonders große Zahl neuer Wörter zur Bildung von FlurnamenFlurname verwendet wurde, ist nach Auswertung des hier vorliegenden Materials zu verneinen.
Die jüngeren massiven landwirtschaftsstrukturellen Umbrüche auf dem mittelhessischen Land haben die Verständigung mittels FlurnamenFlurname in vielerlei Hinsicht stark verändert.1Flurname Jedoch nicht so sehr auf der Ebene des den Flurnamen zugrundeliegenden Wortschatzes. Die bereits vorneuzeitlich gebrauchten Flurnamenbestandteile
Acker
,
alt
,
Berg
,
Bette
,
Born
,
Burg
,
Driesch
,
Ecke
,
Feld
,
Garten
,
Graben
,
groß
,
Hart
,
Hecke
,
Hof
,
Hute
,
Kopf
,
Köppel
,
Loh
(‚Hain‘),
Mühle
,
Rod
,
Seite
,
Strut
,
Tal
,
Wald
,
Weg
,
Weide
und
Wiese
überwiegen weiterhin.
5 Abschließende Kritik
In dieser Untersuchung ist mit der Beschränkung, dass ein
neues Wort
vor 1800 im Deutschen nicht schriftlich erwähnt sein darf, der Materialrahmen eng bemessen worden. Wenn irgendwo im deutschsprachigen Raum ein Wort vor 1800 schriftlich erscheint und dies bis heute festgehalten ist, heißt das noch lange nicht, dass es im mittleren Hessen zu dieser Zeit schon allgemein geläufig war und für die Flurnamenbildung taugte. Es geht im oben Ausgeführten nicht zuerst darum, wann der eigentliche FlurnamentypFlurnamentyp entstand, sondern welches Alter das zugrundeliegende Wort hat. Dies sei in Anbetracht des hier eingeführten Begriffs
neuer Flurnamentyp
stets ins Bewusstsein gerufen. So hat es beispielsweise vor dem Bau der ersten längeren Eisenbahnstrecken im 19. Jahrhundert sehr wahrscheinlich keine FlurnamenFlurname vom Typ
Eisenbahn
f. in Mittelhessen gegeben. Der im Untersuchungsgebiet für Damm durch zwei Flurnamen mit Frequenz 3 belegte Flurnamentyp fällt hier dennoch heraus. Das Wort
Eisenbahn
f. tritt nämlich schon im 18. Jahrhundert im Zusammenhang mit Förderbahnen im Bergbau auf (vgl. Kluge/Seebold 2002: 236). Auf der hessischen Verbreitungskarte des Flurnamentyps, die die hier angeführten Belege nicht zeigt, sind in den mittelhessischen Hauptbergbaugebieten keine der 30 dort erfassten Flurnamen kartiert (vgl. Hessische Flurnamen, Verbreitungskarte
Eisenbahn
).
Das konzeptionelle Hauptproblem der Untersuchung ist allerdings nicht die (keineswegs willkürlich gewählte) Namentypauswahlbeschränkung, sondern die geringe Größe des Untersuchungsgebietes von knapp 31 km
2
. Die sechs untersuchten Dörfer stehen zwar nicht nur für sich selbst, allerdings auch nicht für das kommunalpolitisch und (sprach)historisch vielseitige
Gladenbacher Bergland
. Wahrscheinlich gibt es einige neue FlurnamentypenFlurnamentyp, die in ganz Mittelhessen nur wenige Male vorkommen; so wie auch bestimmte alte Namentypen dort vergleichsweise selten sind (vgl. z.B.
Bracht
f. im HFA, 139). Vieles ist hier sicher durch Zufall angetroffen worden. Aber dieses ist eben auch gerade aufgrund der extrem aufwendigen Erhebungsmethode jetzt sichtbar, die die Erhebung neuerer Erscheinungen beförderte. Ihrerseits hat sie jedoch zu der Beschränkung auf den kleinen Untersuchungsraum geführt.
Großflächiger angelegte Untersuchungen könnten vielleicht sogar Aufschluss über mögliche räumliche Verbreitungsschwerpunkte neuer FlurnamentypenFlurnamentyp geben. So wäre es z.B. interessant, ob der für die nordwestliche Bundesrepublik ab und an beschriebene neue Flurnamentyp
Transformator
m. (vgl. Scheuermann 1987: 213; Vogelfänger 2010: 21) im mittleren und südlichen Hessen vielleicht nachweislich weniger stark verbreitet ist.
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Anhang: hier behandelte Flurnamen, deren Dorfzugehörigkeiten, Typisierungen, mündliche Nennungsfrequenzen und Sachbezeichnungen
Flurname
Ort
Namentyp/en (neu oder alt?)
Frequ.
Sachbezeichnung (Was für eine Art von Fläche bezeichnet der Name?)
alten Deponie, zur
SE
alt/Deponie f. (alt/neu)
1/6
mit Bäumen bestandene Wiese
alte Ranch, die
Wi
alt/Ranch f. (alt/neu)
2/6
Wiese, Weide in leichter Hanglage
Aussiedlerhof
Wi
Aussiedlerhof m. (neu)
0/6
Acker, Wiese, Hoffläche
Ballenlager
SE
(Rund-)Ballenlager n. (vielleicht neu)
1/6
Wiese, Lagerplatz für Strohballen
Bahnhoop
DA
Bahnhof m. (neu)
5/6
Acker, Wiese, verbuschtes Gelände
Boanhoop
RO
(hierher?) Bahnhof m. (neu)
1/6
Wald
Broodweiher
MU
Brandweiher m. (vielleicht neu)
1/6
Wiese, besiedelte Fläche
dick Aich, bei de
MU
dick/Eiche f. (alt/alt)
1/6
Wiese
dicke Eiche, die
SE
dick/Eiche f. (alt/alt)
4/6
Wiese (mit alter Eiche)
dicke Eich, vor de
Wi
dick/Eiche f. (alt/alt)
2/6
vor allem Wiese, Wald (große Eiche)
Dschungel, de
RO
Dschungel m. (neu)
2/6
mit Gestrüpp bewachsenes Gebiet
Eichborn
DA
Eiche f./Born m. (alt/alt)
0/6
(selbe Fläche wie
S-Kurve
)
Eiche, oh de
RO
Eiche f. (alt)
2/6
Acker, Wiese (bei einigen Eichen)
Eichen Strut
RL
Eiche f./Strut f. (alt/alt)
0/6
Wald
Eiseboo, inner de
DA
Eisenbahn f. (alt)
3/6
Acker
Eiseboo, iwwer de
DA
Eisenbahn f. (alt)
3/6
Acker
Gestrout
SE
(hierher?) Ger m./Strut f. (alt/alt)
6/6
unbesiedeltes Bachtal, meist Wiese, aber auch Äcker und etwas Wald
Gestrout, die
SE
(hierher ?) Ger m./Strut f. (alt/alt)
1/6
Acker im oben genannten Tal
Gestrut, zur
SE
(hierher?) Ger m./Strut f. (alt/alt)
1/6
Wiese
Grillhütt, bei de
MU
Grillhütte f. (neu)
1/6
Wald (bei einer Grillhütte)
Grillplatz, de
Wi
Grillplatz m. (neu)
1/6
Wiese (bei einer Grillhütte)
Hochbehälter, am
RO
Wasserhochbehälter m. (neu)
1/6
Wald um einen Wasserhochbehälter
Jungholz
DA
jung/Holz n. (alt/alt)
5/6
Obstbaumwiese, Acker, Wald
Jägerkriem
RO
Jäger m./Kriem m. (alt/viell. neu)
1/6
Acker, Wiese
Klärwerk, am
DA
Klärwerk n. (neu)
2/6
Acker, Wiese (nördlich der Kläranlage)
Klee Wällje
DA
klein/(hierher?) Walger m. (alt/alt)
1/6
Wald im Bereich des Wasserhoch-behälters
Klee Wällje, vierem
DA
klein/(hierher?) Walger m. (alt/alt)
1/6
mit Gestrüpp bewachsene Fläche
Krumbachs Oma
Wi
Krumbach SN/Oma f. (alt/neu)
1/6
Wiese
Naturschutzgebiet
MU
Naturschutzgebiet n. (neu)
1/6
extensive Weide mit Gebüsch, Seeufer
Neubaugebiet
MU
Neubaugebiet n. (wohl neu)
1/6
Wiese (innerhalb des Neubaugebiets)
Neubaugebiet, im
SE
Neubaugebiet n. (wohl neu)
1/6
Wiese (nahe einiger Neubauten)
neue Ranch, die
Wi
neu/Ranch f. (alt/neu)
2/6
Wiese (um Stallungen)
obere Lichtung, die
SE
Lichtung f. (neu)
1/6
Wiese, Acker
Obstbaumwiese
Wi
Obstbaum m./Wiese f. (alt/alt)
1/6
Wiese mit Obstbäumen
Pumpstation
MU
Pumpstation f. (wohl neu)
1/6
Wald unweit des Wasserhochbehälters (siehe auch
Grillhütt, bei de
)
Schutzhütt, die
RO
Schutzhütte f. (vielleicht neu)
4/6
Wiese (um eine Schutzhütte)
Schutzhütte, die
RL
Schutzhütte f. (vielleicht neu)
1/6
Acker, Wiese (in der Nähe einer Sch.)
schutzin hutten, by der
-
(hierher?) Schutz FN/Hütte f. (alt/alt)
0/6
? (Fläche liegt weit außerhalb des Untersuchungsgebietes)
Schossee, hinner de
Wi
Chaussee f. (alt)
1/6
Wald (an einer Landstraße gelegen)
Schwimmboed, des
RL
Schwimmbad n. (wohl neu)
1/6
Wiese
S-Kurve
DA
S-Kurve f. (wohl neu)
3/6
Wiese (bei einer S-Kurve)
Sportplatz
DA
Sportplatz m. (neu)
6/6
Acker, Wiese
Sportplatz
RL
Sportplatz m. (neu)
4/6
Wald, Wiese, Tennisplätze (verfallen)
Sportplatz
SE
Sportplatz m. (neu)
1/6
(heißt auch
Ballenlager
– s.o.)
Sportplatz
Wi
Sportplatz m. (neu)
1/6
Wiese (u.a. Bolzplatz für Kinder)
Sportplatz, zum
MU
Sportplatz m. (neu)
1/6
Rangierfläche vor einem Autohaus
Staatswald
DA
Staatswald m. (vielleicht neu)
2/6
Wald (im Besitz des Landes Hessen)
Steinbruch
RO
Steinbruch m. (alt)
2/6
Ausbuchtung an Hangfuß mit S., Wald
Streuobstwiesen
DA
Streuobst-(wiese) f. (neu-(alt))
1/6
Wiese mit Obst- und Beerenkulturen
-
-
Transformator m. (neu)
0/6
(keine zugehörigen Fluren im Gebiet)
Trapez
DA
Trapez n. (alt)
1/6
Acker
Waldrand, owe am
RO
Waldrand m. (vielleicht neu)
1/6
Wiese vor dem Wald
Wasserbasseng
DA
Wasserbasseng m. (wohl neu)
3/6
Wald und Wasserhochbehälter
Wasserbasseng
RL
Wasserbasseng m. (wohl neu)
1/6
Wald
Wasserbasseng, beim
SE
Wasserbasseng m. (wohl neu)
1/6
Aufforstung, Wald, Wiese (um einen Wasserhochbehälter)
Wasserhäusche
RO
Wasserhaus n. (alt)
1/6
Wiese (um einen Tiefbrunnen)
Wasserhäusche, am
MU
Wasserhaus n. (alt)
3/6
Wiese (um ein altes Pumpwerk)
Wasserhäus