Unterrichtsmanagement

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Aus der Reihe: Kompendium DaF/DaZ #6
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1.1.4 Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen: Deskriptoren

Abgesehen von den Sprachkompetenzniveaus sind die wahrscheinlich bekanntesten Teile des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens die anschaulichen Skalen mit den Kann-Beschreibungen für bestimmte verbale Sprachaktivitäten und -strategien, die gemäß den sechs allgemeinen Kompetenzniveaus des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens unterteilt sind. In der nachfolgenden Tabelle erhalten Sie einen Überblick über die Aktivitäten und Strategien, die zu den Subskalen des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens gehören.


Kommunikative Fähigkeiten Untergeordnete Sprachlernaktivitäten Untergeordnete Sprachlernstrategien
Produktiv Sprechen Mündliche Produktion allgemein Zusammenhängendes monologisches Sprechen: Erfahrungen beschreiben Zusammenhängendes monologisches Sprechen: Argumentieren (z.B. in einer Debatte) Öffentliche Ankündigungen/Durchsagen machen Vor Publikum sprechen Planung Kompensation Planung und Reparaturhandlungen
Schreiben Schriftliche Produktion allgemein Kreatives Schreiben Berichte und Aufsätze schreiben
Rezeptiv Hören Hörverstehen allgemein Gespräche zwischen Muttersprachlern verstehen Als Zuschauer/Zuhörer im Publikum verstehen Ankündigungen, Durchsagen und Anweisungen verstehen Radiosendungen und Tonaufnahmen verstehen Absichten verstehen und Schlussfolgerungen ziehen
Lesen Leseverstehen allgemein Korrespondenz lesen und verstehen Zur Orientierung lesen Information und Argumentation verstehen Anleitungen lesen
Audiovisuelle Rezeption Filme und Fernsehsendungen ansehen
Interaktiv Gesprochen Mündliche Interaktion allgemein Muttersprachliche Gesprächspartner verstehen Konversation Informelle Diskussion (unter Freunden) Formelle Diskussion und Besprechungen Zielorientierte Kooperation Transaktionen: Dienstleistungsgespräche Informationsaustausch Interviewgespräche Das Wort ergreifen Kooperieren Um Klärung bitten
Geschrieben Schriftliche Interaktion allgemein Schriftverkehr Notizen, Nachrichten und Formulare
Sprachmittlung Mündlich Zum Beispiel Simultandolmetschen Zum Beispiel Verfeinern durch Heranziehen von Wörterbüchern
Schriftlich Zum Beispiel literarische Übersetzung

Tabelle 1.4: Überblick über Sprachlernaktivitäten und -strategien in Anlehnung an den Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen (Europarat 2001, Kapitel 4)

Für textbezogene Aktivitäten wurden zwei zusätzliche Skalen entwickelt: der schriftliche Output als Gegenstück zum mündlichen und schriftlichen Input; das heißt, sich Notizen zu machen (in Vorlesungen, Seminaren) und Texte zu verarbeiten. Kann-Beschreibungen können auch produktiv im Unterricht verwendet werden. Bitte beachten Sie, dass diese Deskriptoren allgemein gehalten sind und sich hauptsächlich auf Erwachsene als Zielgruppe beziehen; das heißt, dass Sprachenlehrer und -lehrerinnen diese Deskriptoren an die Bedürfnisse und Merkmale ihrer Lerner in Bezug auf das Niveau, Alter, die Interessen und Ziele anpassen müssen.

1.1.5 Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen: Curriculum-Design

Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen steht für einen curricularen Ansatz auf Basis des Plurilingualismus und des Plurikulturalismus als zentrale Grundlagen. Dabei ist es nicht nur wichtig, dass jede Sprache in Zusammenhang mit den anderen gelehrten Sprachen unterrichtet wird, sondern dass Sprachwissen, Fähigkeiten und das Lernvermögen gleichermaßen als transversal und als zwischen ihnen übertragbar verstanden werden. Über das tatsächliche Curriculum hinaus sollten Lerner außerdem die Kategorien von Kompetenzen kennen, ihre dynamische Wechselbeziehung und den theoretischen Ansatz des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens. Da das Sprachenlernen auch außerhalb der Schulstunde oder sogar außerhalb des Schulunterrichts insgesamt stattfindet, müssen die Curricula die Lerner auf die Sprachentwicklung außerhalb des Unterrichts vorbereiten. Curriculum-Designer und Sprachenlehrer und -lehrerinnen sind daher dafür verantwortlich, (1) den plurilingualen und plurikulturellen Kontext während des gesamten Lehr-/Lernprozesses zu wahren; und (2) bei den Lernern ein Bewusstsein für und ein Vertrauen in ihre Kompetenzen und Ressourcen zu schaffen. Der Ansatz des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens hat sich stark auf die nationale Sprachenpolitik ausgewirkt: Seine Prinzipien wurden in Struktur und Inhalte der Curricula integriert; und die Anforderungen an den Output wurden gemäß des Stufensystems des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens angepasst, sowohl in Bezug auf die Planung als auch die Beurteilung der Sprachkompetenz.

1.1.6 Das Europäische Sprachenportfolio

Ein wichtiges Werkzeug zur Einführung des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens im Unterricht ist das Europäische SprachenportfolioDas Europäische Sprachenportfolio. Es umfasst eine Sammlung der formalen und informellen Sprachlernerfahrungen des Einzelnen mit drei Hauptkomponenten: (1) Sprachenpass: ein Überblick zur Sprachkompetenz (Fähigkeiten, formale Qualifikationen, Beurteilung), (2) Sprachenbiographie: die Reflexion und Bewertung des Sprachlernprozesses und der Erfahrungen durch den Lerner; (3) Dossier: Aufzeichnungen zur Dokumentation der Erfolge und Erfahrungen aus (1) und (2). Das Europäische Sprachenportfolio wurde zu mehreren Versionen für die unterschiedlichen Altersgruppen der Sprachenlerner weiterentwickelt: für junge Lerner, Schulkinder und Erwachsene. Es dient zwei Zwecken: Einerseits soll es den Lernern dazu verhelfen, den eigenen Sprachlernhintergrund zu dokumentieren, und andererseits die Sprachreflexion und -bewusstheit und damit auch die Verantwortung und das Engagement des Lerners für die eigene Sprachentwicklung zu steigern. Das Europäische Sprachenportfolio nutzt die Niveaustufen und die deskriptiven Skalen des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens. Lehrkräfte können das Europäische Sprachenportfolio im Unterricht verwenden, da die Vorstellungen, Ansichten und Ziele in diesen Dokumenten klar beschrieben sind und diese Daten eine mehr auf die Lernerbedürfnisse zugeschnittene Planung des Prozesses ermöglichen. Die Portfolios wurden in den verschiedenen Ländern auf Basis der allgemeinen Struktur entwickelt, die vom Europarat festgelegt wurde; Anleitungsdokumente unterstützen ihre Nutzung. Das European Centre for Modern Languages (ECML) hat eine spezielle Seite für Lehrkräfte veröffentlicht, die diese Stufen erklärt.

1.1.8 Zusammenfassung

 Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen ist ein wichtiges Sprachplanungsdokument zur Unterstützung der Richtlinien im Sprachenunterricht auf nationaler Ebene. Die Zielsetzung, der Ansatz und die wichtigsten Merkmale des Dokuments bilden eine solide theoretische Basis für sprachliche Vielfalt.

 Die sechs Kompetenzniveaus des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens verbessern die Transparenz bei der Bewertung der Sprachkompetenz. Die Skalentabellen mit den anschaulichen Deskriptoren bieten dafür zusätzliche Unterstützung.

 Einen weiteren wichtigen Beitrag leistet der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen durch die Differenzierung nach kommunikativen Sprachaktivitäten und -strategien, Sprachnutzungskontexten, Kommunikationsthemen und kommunikativen Aufgaben und Prozessen.

 Die europäischen Ansätze zum Sprachenunterricht sowie die Lehrpraxis wurden auf der Basis und unter Berücksichtigung des Europäischen Sprachenportfolios und der Selbsteinschätzung entwickelt.

 

 All diese Maßnahmen stellen Orientierungshilfen für die entsprechenden Unterrichtsmaßnahmen dar.

1.1.9 Aufgaben zur Wissenskontrolle

1 Nennen Sie fünf Eigenschaften, die den Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen charakterisieren und erklären Sie diese.

2 Fassen Sie den handlungsorientierten Ansatz des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens zusammen.

3 Skizzieren Sie das Kompetenzniveau-System des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens einschließlich der Einsatzmöglichkeiten, für die es angewandt werden kann.

4 Nennen Sie je drei Sprachlernaktivitäten für alle Fähigkeiten.

5 Stellen Sie kurz das Europäische Sprachenportfolio vor.

1.2 Die Anwendung des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen

Diese Lerneinheit baut auf den theoretischen Erkenntnissen über den Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen auf, die Sie in der vorherigen Einheit gewonnen haben, und dient mit einer ausführlichen Einführung in das Kompetenzmodell für Lerner des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens der weiteren Vertiefung. Wir befassen uns mit der Rolle und den Vorteilen des Dokuments für die Sprachausbildung im Allgemeinen und im Speziellen für den Sprachenunterricht. Diese Einheit verfolgt einen praxisorientierten, direkten Ansatz zum Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen sowie zu seiner Anwendung auf den Sprachenunterricht. Interkulturelles Bewusstsein, aufgabenbasiertes Unterrichten und Bewerten werden erläutert, um die Verbindung zwischen dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen und dem Unterricht zu verstärken. Diese Einheit bildet die Grundlage für die nachfolgende Einheit, in der die Sprachplanung stärker in den Fokus rückt.

Lernziele

In dieser Lerneinheit möchten wir erreichen, dass Sie

 das Kompetenzmodell des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens sowie seine Einzelkomponenten erläutern können;

 die Relevanz und das Auftreten dieser Kompetenzen im Sprachenunterricht erkennen können;

 diejenigen Aspekte des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens verstehen können, die auf den Fremdsprachenunterricht direkt angewandt werden können;

 bei der Anwendung der unterrichtsbezogenen Bereiche des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens die Entwicklung eines interkulturellen Bewusstseins, das aufgabenbasierte Unterrichten und die damit verbundenen Rahmenbedingungen sowie die Kriterien der Leistungsmessung angemessen berücksichtigen können.

1.2.1 Lernerkompetenzen im Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen

Das Modell des Sprachverwenders und der Sprachverwenderin (Sprachverwender/Lerner-ModellSprachverwender/Lerner-Modell des GER) im Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen umfasst zwei große Kompetenzbereiche: (1) allgemeine und (2) kommunikative Sprachkompetenzen. Die zweite Kategorie ist in drei Untergruppen aufgeteilt: (1) linguistische, (2) soziolinguistische und (3) pragmatische Kompetenzen, die wiederum weiter in Teilkompetenzen aufgegliedert sind. Sprachverwender und -verwenderinnen rufen diese Kompetenzen zwecks der Teilnahme an kommunikativen Situation ab, was wiederum zur Verbesserung der Kompetenzen führt. Das Modell des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens verfolgt einen komplexen Ansatz der kommunikativen Kompetenz, das heißt, es berücksichtigt alle menschlichen Fähigkeiten, nicht nur die notwendigen sprachlichen Kompetenzen. Die Klassifikation ist in der nachfolgenden Tabelle 1.5 abgebildet und ihre Beschreibung erfolgt über Deskriptorenskalen im Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen. In unserem Text konzentrieren wir uns auf die kommunikativen Sprachkompetenzen. Bitte beachten Sie, dass die verschiedenen Komponenten im Dokument klar getrennt sind (Grammatik versus Semantik oder Diskurs versus Höflichkeitskonventionen). Das ist zwar hilfreich für das Verständnis, spiegelt aber eine nicht integrative und daher weniger passende Perspektive auf den Sprachenunterricht wider.


Kompetenzen des Sprachverwenders im GER Allgemein Deklaratives Wissen (savoir) Weltwissen
Soziokulturelles Wissen: das tägliche Leben, Lebensbedingungen, interpersonale Beziehungen, Werte, Überzeugungen und Einstellungen, Körpersprache, soziale Konventionen, rituelles Verhalten
Interkulturelles Bewusstsein
Fertigkeiten und prozedurales Wissen (savoir-faire) Praktisch: soziale, alltägliche, berufliche, freizeitbezogene Fertigkeiten
Interkulturelle Fertigkeiten
Persönlichkeitsbezogen (savoir-être) Einstellungen, Motivationen, Wertvorstellungen, Überzeugungen, kognitiver Stil, Persönlichkeitsfaktoren
Lernfähigkeit (savoir-apprendre) Sprach- und Kommunikationsbewusstsein
Allgemeines phonetisches Bewusstsein und phonetische Fertigkeiten
Lerntechniken
Heuristische Fertigkeiten
Kommunikative Sprachkompetenzen Linguistisch Lexikalisch Grammatisch Semantisch Phonologisch Orthografisch Orthoepisch
Soziolinguistisch Sprachliche Kennzeichnung sozialer Beziehungen Höflichkeitskonventionen Redewendungen, Aussprüche, Zitate und sprichwörtliche Redensarten Registerunterschiede Varietäten
Pragmatisch Diskurs Funktional Schema

Tabelle 1.5: Kompetenzsystem im Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen (basiert auf Europarat 2001: 103ff)

Gemäß den Kompetenzniveaus aus dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen umfasst die kommunikative Sprachkompetenz die folgenden Teilkompetenzen: linguistische Kompetenzen (zum Beispiel allgemeine sprachliche Reichweite, Vokabular, grammatikalische Fehlerfreiheit); soziolinguistische Kompetenz (zum Beispiel soziolinguistische Angemessenheit); pragmatische Kompetenzen (zum Beispiel Flexibilität, Sprecherwechsel, Themaentwicklung).

1.2.2 Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen im Unterricht und im Lehrberuf

Zahlreiche Aspekte des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens können direkt im Sprachenunterricht angewandt werden. Der Rahmen dient als Orientierungshilfe für die Kompetenzen, die Fertigkeiten und die Strategien, die Sprachenlerner erlernen oder erwerben sollen. Die Anforderungen wurden entsprechend den aufeinanderfolgenden Kompetenzniveaus skaliert. Somit können Lehrkräfte den Fortschritt des Lerners in den jeweiligen Bereichen mit konstruktivem Feedback begleiten und beurteilen. Die Skalen sehen auch die Integration und Anwendung von Selbsteinschätzung im Sprachenunterricht vor. Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen hat Plurilingualismus und plurilinguale Kompetenzen in den Vordergrund gerückt und damit das vormals übliche Konzept des Multilingualismus erweitert. Auch der handlungs- und kompetenzorientierte Ansatz wurde in den Sprachenunterricht integriert. Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen geht davon aus, dass Sprachenlehrer und -lehrerinnen eine entscheidende Rolle für den Sprachentwicklungserfolg der Lerner spielen: Lehrer sind Vorbilder, deren Handlungen und Einstellungen die Sprachlernumgebung entscheidend beeinflussen. Die wichtigsten werden in den nachfolgenden Abschnitten zusammengefasst.

Interkulturelles und plurikulturelles BewusstseinInterkulturelles und plurikulturelles Bewusstsein meint das Verständnis für Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen der eigenen Welt des Lerners und den Zielkulturen, ohne dass diese auf potenzielle Stereotype nationaler Identitäten reduziert werden. Wenn Sprachverwender und -verwenderinnen kommunizieren, haben sie bei der Übertragung von Informationen ein Bild der sozialen und kulturellen Identität des Gesprächspartners im Kopf. Deshalb müssen Sprachverwender und -verwenderinnen andere Kulturen mit ihren einzigartigen Merkmalen verstehen und akzeptieren und die Interaktion als eine bereichernde Erfahrung für die persönliche Entwicklung ansehen. Sprachenunterricht mit einem interkulturellen Fokus ermöglicht es den Lernern, die linguistischen Kompetenzen für die orale oder schriftliche Kommunikation zu erwerben; und gleichzeitig wird dabei die interkulturelle Kompetenz gefördert: die Fähigkeit der Lerner, Verständnis für Menschen mit unterschiedlichen sozialen Identitäten zu entwickeln, und ihre Fähigkeit, mit Menschen aus anderen Kulturen zu interagieren.

Es liegt in der Verantwortung des Fremdsprachenlehrers oder der Fremdsprachenlehrerin, das Wissen der Lerner über die Fertigkeiten, Haltungen und Werte der Adressaten zu verbessern. Zur interkulturellen Kompetenz gehören (1) Haltungen: Neugier, Offenheit und die Bereitschaft, die eigenen Werte aus der Perspektive von anderen zu sehen; (2) Wissen: Praktiken, allgemeine Prozesse gesellschaftlicher und individueller Interaktion; (3) die Fähigkeit zur Interpretation und zur Bezugnahme: zum Beispiel ein Dokument oder ein Ereignis vor dem eigenen kulturellen Hintergrund; (4) die Fähigkeit zur Entdeckung und Interaktion: die Fähigkeit, relevantes neues Wissen zu erwerben und es in der Kommunikationspraxis anzuwenden; (5) kritisches kulturelles Bewusstsein: die Bewertung von Handlungen und Prozessen in der eigenen und in der Zielkultur. Insgesamt besteht die Rolle des Sprachenlehrers oder der Sprachlehrerin darin, die Entwicklung der oben genannten Elemente zu unterstützen: Fertigkeiten, Haltungen und das Bewusstsein für die Werte und das Wissen über eine bestimmte Kultur oder ein bestimmtes Land.

Wichtig ist auch, dass eine Lehrperson kein Experte für die Kultur des Ziellandes sein muss oder die Sprache des Ziellandes auch nicht unbedingt seine Erstsprache sein muss; viel wichtiger sind Offenheit und die Möglichkeit, sich in die Materie einzuarbeiten. Eine Lehrkraft kann (1) Aktivitäten in den Unterricht einbinden, die es Lernern ermöglichen, ihre eigenen Erfahrungen mit der Zielkultur zu diskutieren; (2) faktische Informationen zu den damit zusammenhängenden Problemen liefern; (3) stets zum Vergleich zwischen den behandelten Kulturen ermutigen (Byram, Gribovka & Starkey 2002). Weitere Aspekte wie die Mediation zwischen Kulturen können aufgegriffen werden. Als methodologische Werkzeuge können Präsentationen, Projektarbeit, Rollenspiele oder Simulationen verwendet werden. Alle Themen eignen sich für Diskussionen aus einer interkulturellen Perspektive und dieser Ansatz kann für den Unterricht zur Förderung aller kommunikativen Fähigkeiten verwendet werden. Die verwendeten Texte sollten authentisch sein (zum Beispiel Karten, Cartoons, Fotografien), wobei ihr Kontext und ihre Absicht eindeutig angegeben sein sollten; und die Aktivitäten können alle Fertigkeiten abdecken (Lesen, Schreiben, Hörverstehen und so weiter). Der Ansatz ist nicht autoritativ, denn die Lerner sollen dazu ermutigt werden, Sichtweisen zu analysieren und zu kontrastieren. Das Internet ist eine ergiebige Materialquelle dafür, aber die Arbeit mit den eigenen Erfahrungen, Souvenirs oder Realien der Lehrkraft und der Lerner ist ebenfalls möglich.

 

Auch die Art und Weise, wie die Lehrperson den Begriff Aufgabe auffasst und diese letzendlich im Unterricht umsetzt, beeinflusst die Sprachentwicklung der Lerner. Im Kontext des GER werden Aufgaben als wesentliche Bestandteile unseres Lebens beschrieben, deren Erfüllung durch die absichtsvolle Aktivierung der notwendigen Kompetenzen in Übereinstimmung mit ihrer Domäne, ihrem Ziel und Ergebnis erfolgt. Dazu können unterschiedliche Sprachaktivitäten gehören. Kommunikation ist immer essenziell, wenn wir an Rezeption, Produktion, Interaktion oder Mediation teilnehmen. Demzufolge sind Aufgaben wesentliche Elemente im Unterricht. Aufgaben im Unterricht können (1) realitätsnah sein, indem sie die tatsächlichen Bedürfnisse und Ziele der Lerner abbilden und (2) pädagogisch sein: Aufgaben in der Unterrichtssituation für die Entwicklung sinnvoller Kommunikation, die nur indirekt reale Aufgaben abbilden (Nunan 1991a). Bei allen Aufgaben im Unterricht wird erwartet, dass die Lerner Bedeutung verstehen, aushandeln und ausdrücken, um ein kommunikatives Ziel zu erreichen beziehungsweise die Aufgabe erfolgreich zu erfüllen. Die Lehrkräfte dürfen jedoch nicht ignorieren, wie Bedeutung kommuniziert wird, das heißt, in der Abfolge der Aktivitäten muss eine Balance zwischen Bedeutung und Form gewährleistet werden. Die erfolgreiche Durchführung von Aufgaben kann mit entsprechender Vorbereitung deutlich verbessert werden, indem die passenden Schritte des Lernprozesses dafür mit einbezogen werden. Zuerst können die Kompetenzen und Fertigkeiten der Lerner aktiviert werden (zum Beispiel Vorwissen der notwendigen sprachlichen Elemente abrufen). Darüber hinaus können aufgabenbezogene Anpassungen vorgenommen werden (zum Beispiel kann derselbe Input zu verschiedenen Ergebnissen oder Antworten der Lerner führen, oder der Input kann verschiedene Informationsmengen oder Hilfestellungen zur Erfüllung der Aufgaben umfassen). Ein prinzipientreuer und kohärenter Ansatz zur Auswahl und Abfolge von Aufgaben sollte die Kompetenzen, Merkmale, Absichten und den Lernstil der Lerner berücksichtigen.

Das letzte Kapitel des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens fokussiert die Beurteilung der Kenntnisse des Sprachverwenders beziehungsweise der Sprachverwenderin mit zwei Zielen: Es möchte als eine Orientierungshilfe für die (1) Auswahl und die (2) Entwicklung angemessener Testmethoden dienen, wobei beide Aspekte für praktizierende Sprachenlehrer und -lehrerinnen von großer Bedeutung sind. Alle Sprachentests beurteilen die Kenntnisse, aber es gibt andere Formen der Beurteilung (zum Beispiel die Wahrnehmung der Lehrer, Selbsteinschätzung). Auch wenn sie keine schwerwiegenden Konsequenzen herbeiführen und eventuell einen informellen Charakter haben, ist die Qualität der Tests ausschlaggebend für deren Aussagekraft in Bezug auf die Fähigkeiten des Lerners. Die entsprechenden grundlegenden Konzepte werden ausführlich in Kapitel 3 besprochen.

Ziel der Skalen aus dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen ist es, die Beschreibung der Kompetenzniveaustufen zu vereinfachen, die bereits als Qualifikationen erworben wurden und die Vergleichbarkeit zwischen den Systemen zu verbessern. Lernleistungen werden so transparent, was zu einer besseren Vereinbarkeit nationaler und institutioneller Rahmen beiträgt. Durch den Bezug auf die Kategorien und Kompetenzniveaus des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens lassen sich die Ziele verschiedener Prüfungen und Kurse zudem klar abbilden. Die Konstruktion eines Tests hängt primär von seinem Zweck ab, bei dessen initialer Bestimmung der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen auch klare Leitlinien festsetzt. Diese ermöglichen es Sprachenlehrkräften, informelle formative Beurteilungen mit klar vorformulierten und kommunizierten Kriterien zu erstellen und zu regulieren. Beachten Sie jedoch, dass die direkte Anwendung der Testkonstruktion des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens nur eingeschränkt möglich ist. Die Empfehlungen wurden zum Beispiel für erwachsene Lerner formuliert und müssen deshalb angepasst werden, um den Anforderungen des tatsächlichen Prüfungskontextes zu entsprechen.