Seitenblicke auf die französische Sprachgeschichte

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Literatur

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Grammatikalisierung in der neueren französischen Sprachgeschichte: die Entstehung von Modalpartikeln

Benjamin Meisnitzer / Bénédict Wocker

L’existence de particules modales dans la langue française ainsi que dans toutes les langues romanes fait l’objet de controverses parmi les chercheurs. Le but de cette contribution est de montrer qu’il n’existe pas de paradigme de particules modales comme en allemand mais qu’il existe certains lexèmes comme quand même, bien et donc qui ont connu un processus de grammaticalisation au cours des 19e et 20e siècles et qui sont clairement devenus des particules modales du point de vue fonctionnel/pragmatique et sémantique. Cette grammaticalisation s’est accompagnée de changements formels au niveau morphosyntaxique et phonologique.

1 Gibt es Modalpartikeln im Französischen? – Stand der Forschung

Modalpartikeln, häufig auch als Abtönungspartikel bezeichnet, sind ein nähesprachliches Phänomen (cf. Koch/Oesterreicher 1985). Umstritten aber ist, ob Modalpartikeln auch außerhalb der germanischen Sprachen beziehungsweise des Deutschen existieren. Insbesondere für die romanischen Sprachen verneinen dies diverse Autoren (cf. u.a. Waltereit 2006:2). Als Argumente werden dabei in der Regel syntaktische Unterschiede, wie das (durchaus diskussionswürdige) Fehlen eines Mittelfelds/Mittelfeldäquivalents, also des prototypischen Orts der Okkurrenz deutscher Modalpartikeln (cf. Abraham 1988; Coniglio 2011; Thurmair 1989; Waltereit 2006), herangezogen. Dennoch kennt z.B. das Französische einige Lexeme, bei denen auch Kritiker Parallelen zu den deutschen Modalpartikeln nicht von der Hand weisen können: So stellt Waltereit (2006:76–78) trotz seiner Positionierung pragmatische Ähnlichkeiten einiger französischer Lexeme mit deutschen Modalpartikeln fest und auch bei Weydt (1969) finden sich bereits ähnliche Aussagen. Aber erst neuere Arbeiten erkennen vollumfänglich an, dass es auch im Französischen Elemente gibt, die als Modalpartikelnangesehen werden müssen. Einer jener Befürworter der jüngsten Zeit ist Schoonjans (2013; 2014; 2015), der im Rahmen seiner Forschung zu französischen Modalpartikeln mehrere potenzielle Kandidaten durch korpusbasierte Übersetzungen ausmachen konnte. Zwar basiert seine Argumentation in erster Linie auf der pragmatisch-funktionalen Äquivalenz der in den Übersetzungen verwendeten Lexeme, doch postuliert er in Schoonjans (2015) zudem die Existenz eines Mittelfelds auch im Französischen. Nichtsdestotrotz sind Schlussfolgerungen, die weitgehend auf Basis von Übersetzbarkeit entstehen, problematisch. Aufbauend auf Meisnitzer (2012) warben wir deshalb an anderer Stelle (cf. Gerards/Meisnitzer 2017) dafür, romanische Lexeme nach einem festen Kriterienkatalog dahingehend zu bewerten, ob sie als Modalpartikeln zu klassifizieren sind oder nicht. Jener Kriterienkatalog ist kontrastiv und wurde in Anlehnung an die formalen und funktionalen Definitionskriterien von deutschen Modalpartikeln entwickelt. Das Deutsche ist und bleibt die prototypische Modalpartikelsprache, da es – im Gegensatz zu den romanischen Sprachen – ein Modalpartikelparadigma besitzt.

Um die Grammatikalisierung von Modalpartikeln im Französischen nachzuzeichnen, werden wir zunächst in Kapitel 2 die definitorischen Kriterien für Modalpartikeln auf den unterschiedlichen sprachlichen Ebenen darstellen, um dann in Kapitel 3 die Herausbildung der französischen Modalpartikeln quand même, donc und bien korpusbasiert zu beschreiben. Darauf folgen Ausführungen zu den Fragen, ob es sich bei der Entstehung um einen Grammatikalisierungs- oder einen Pragmatikalisierungsprozess handelt (Kapitel 4) und ob die semantische Relation zwischen dem Quelllexem und der Modalpartikel Homonymie oder Polysemie ist (Kapitel 5). Abschließend werden wir in einem Ausblick auf die Notwendigkeit der Berücksichtigung von Modalpartikeln in einer deskriptiven Grammatik des Französischen eingehen.

2 Kriterien zur Definition von Modalpartikeln

Um Grammatikalisierungsprozesse von Modalpartikeln betrachten zu können, muss vorab definiert werden, durch welche Eigenschaften sich Modalpartikeln von anderen Wortarten unterscheiden. Auch muss geklärt werden, ob und welche Modalpartikeln im Französischen überhaupt existieren, da hinsichtlich dieser Thematik in der Fachliteratur keine Einigkeit herrscht. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, sich noch vor einer diachronen Betrachtung den neueren Erkenntnissen der (gallo-)romanistischen Modalpartikelforschung zuzuwenden. Schoonjans (u.a. 2014; 2015) nennt eine verhältnismäßig große Zahl an französischen Lexemen, welche er als Modalpartikeln klassifiziert. Es handelt sich dabei um bonnement, donc, encore, quand même, seulement, simplement, tout de même und un peu. Schoonjans (2014; 2015) begründet sein Postulat hauptsächlich mit der Existenz eines Mittelfelds im Französischen sowie der Übersetzbarkeit der deutschen Modalpartikeln mit den jeweiligen Lexemen. Insbesondere für quand même konstatierte auch bereits Waltereit (2004; 2006) eine Eigenschaft, die sich von der des Ursprungslexems, dem konzessiven Adverb, unterscheidet: Das Adverb quand même dient dazu, eine konzessive Kookkurrenz zu markieren (cf. Waltereit 2006:76). Im Gegensatz dazu existieren Fälle, bei denen ein Widerspruch, wie dies eine solche Kookkurrenz darstellen würde, nicht möglich ist. Waltereit (2006) distanziert sich jedoch von der Aussage, dass es sich um Modalpartikeln handele. Seine Ansicht begründet er damit, dass es im Französischen kein Mittelfeld gebe, welches aber die notwendige syntaktische Position für diese Wortart sei.

 

Im Gegensatz zu seinen Vorgängern untersucht Meisnitzer (2012) einige Lexeme, die als Modalpartikeln bezeichnet werden könnten, unter Berücksichtigung der funktional-kognitiven Komponente der deutschen Modalpartikeln. In Anlehnung an Leiss (2009) übernimmt er dabei das Konzept des Fremdbewusstseinsabgleichs, im Sinne einer Assertion über die Annahme des Adressaten bezüglich des Inhalts der Proposition. Dies ähnelt in gewissem Maße der Annahme Coniglios (2006:57–58), der die kognitive Funktion der Modalpartikeln in einer Kodierung der Meinung des Sprechers gegenüber dem Gesagten ausmacht. Jedoch trifft dies auch für Modaladverbien und epistemische Modalverben zu.

 (1) Hans: Max ist wahrscheinlich / vermutlich Mod. Adv. krank gewesen.[+ Sprechereinschätzung von p]

 (2) Hans: Max soll / dürfte EMV krank gewesen sein.[+ Sprechereinschätzung von p; + Quelle der Information]

Wie die Beispiele (1) und (2) verdeutlichen, können nicht nur Modalpartikeln die Sprechereinschätzung/-meinung beziehungsweise Haltung des Sprechers gegenüber dem Gesagten kodieren. Deshalb ermöglicht eine Unterscheidung anhand dieser von Coniglio (2006) beschriebenen pragmatischen Funktion nur bedingt eine Abgrenzung von Modalpartikeln.1 Vergleicht man (1) und (2), fällt als Unterscheidungskriterium zwischen Modaladverbien und Modalverben die Berücksichtigung der Quelle der Information der Proposition auf, die bei Modaladverbien im Gegensatz zu Modalverben nicht berücksichtigt wird. In (2) gibt es Indizien, Evidenzen oder Aussagen, die dafür sprechen, dass Max krank war. In (1) hingegen liegt lediglich eine Einschätzung beziehungsweise Vermutung des Sprechers vor. Eine Abgrenzung der Modalpartikeln gegenüber Modaladverbien und Modalverben ist ebenfalls unter Berücksichtigung der sprachlichen Handlung, die dem Sprechakt zugrunde liegt, und dessen, was im Sprecher beim Formulieren seiner Proposition auf kognitiver Ebene geschieht, möglich.

 (3) Hans: Max ist doch / ja Modalpartikel krank gewesen.[+ Sprechereinschätzung von p; + Quelle der Information; + Fremdbewusstseinsabgleich]

Zwar wird durch die Modalpartikel weiterhin sowohl die Meinung des Sprechers als auch die Quelle der Information kodiert, jedoch tätigt der Sprecher zusätzlich eine Einschätzung über den Kenntnisstand des Adressaten. Gleichzeitig wird es dem Gesprächspartner implizit ermöglicht, ja er wird geradezu dazu aufgefordert, auf die vom Sprecher getätigte Einschätzung Bezug zu nehmen (cf. Abraham 2011:14). Dies bezeichnet Abraham (2009) als Fremdbewusstseinsabgleich: Der Hörer kann die Einschätzung des Sprechers über den Kenntnisstand des Adressaten ohne einen Gesichtsverlust (face keeping strategy) bestätigen oder korrigieren. In (3) gibt Hans dem Hörer zu verstehen, dass diesem der Inhalt der Proposition bekannt sein müsste, sei es, weil er ihm die Information bereits mitgeteilt hat oder sei es durch eine andere Quelle. Eine Auslassung der Modalpartikel würde zwar keine Veränderung der Proposition und deren Wahrheitswerts bewirken, jedoch hätte dies Auswirkungen auf illokutionärer Ebene. Eine Verneinung der Kenntnis des Inhalts der Proposition durch den Adressaten wäre nicht ohne einen Gesichtsverlust möglich.

Ungeachtet der jeweils betrachteten Sprache reichen pragmatisch-kognitive Kriterien allein jedoch nicht aus, um Modalpartikeln zu identifizieren. Aufbauend auf Meisnitzer (2012) kombinieren Gerards/Meisnitzer (2017) aus diesem Grund den oben dargelegten pragmatisch-kognitiven Ansatz mit phonologischen und morphosyntaktischen Kriterien, welche aus zahlreichen anderen Studien vor allem in der deutschen Modalpartikelforschung exzerpiert wurden. Dies sind die folgenden Kriterien:

 MP besitzen homophone Lexeme mit lexikalischer Semantik (Abraham 2011:129).

 MP haben metakommunikative, illokutionäre Kraft = Sprechaktmodifizierung; Skopus über gesamten Satz (cf. Coniglio 2011:138; Waltereit 2006:1; Wegener 1998:43).

 MP sind fakultativ, meist unbetont und nicht flektierbar (cf. Waltereit 2006:1).

 MP haben gegenüber ihrem Quelllexem an syntaktischer Mobilität verloren (= stärkere Grammatikalisierung); Dt.: im Satzmittelfeld (cf. Abraham 1988:457).

 MP sind im Wesentlichen ein root-Phänomen (cf. Thurmair 1989:44–45).

 MP können nicht alleine auftreten, nicht alleine als Antwort auf eine Frage fungieren und sind nicht erfragbar (cf. Waltereit 2006:1).

 MP sind miteinander kombinierbar, unterliegen hierbei jedoch Restriktionen. Sie sind nicht koordinierbar (cf. Waltereit 2006:1).

 MP sind nicht modifizier- oder erweiterbar (cf. Waltereit 2006:1).

 MP sind nicht negierbar (cf. Waltereit 2006:1).

 MP haben keinen Konstituentenstatus und sind nicht satzwertig (cf. Schoonjans 2013:135).

 MP sind syntaktisch und prosodisch (und deshalb auch grafisch) in den Satz integriert (cf. Schoonjans 2013:135).

Eine derartige kontrastive Herangehensweise bezüglich der definitorischen Kriterien von Modalpartikeln bietet sich angesichts der offenen Frage nach deren Existenz in den romanischen Sprachen an. Von Übersetzungsvergleichen wurde in der vorliegenden Studie, ebenso wie in Vorgängerarbeiten (cf. Meisnitzer/Gerards 2016 und Gerards/Meisnitzer 2017), abgesehen. Wir sind der Überzeugung, dass Übersetzungen sowohl zu einer forcierten Verwendung von Lexemen zwecks (vermeintlich) detailgetreuer inhaltlicher Wiedergabe als auch zur Auslassung potenziell verfügbarer Modalpartikeln führen können. Mit anderen Worten: Übersetzungsvergleiche können sowohl zu einer fälschlichen Konstatierung der Nichtexistenz von Modalpartikeln als auch zu einer irrigen Klassifizierung von Lexemen als Modalpartikeln führen. Übersetzungen alleine geben zudem per se keinerlei Auskunft über die Idiomatizität der verwendeten sprachlichen Mittel.

Unter Berücksichtigung des genannten Kriterienkatalogs plädiert Meisnitzer (2012:345–347) dafür, die französischen Lexeme bien, quand même und donc als Modalpartikeln zu klassifizieren. Aus sprachhistorischer Sicht stellt sich nun allerdings die Frage, wie es zur Genese dieser Modalpartikeln kam. Sprachkontakt als flächendeckender Erklärungsansatz scheidet angesichts der punktuellen Existenz von Modalpartikeln in nahezu allen romanischen Sprachen, die zudem auf verschiedenste Quelllexeme zurückgehen, aus. Dies invalidiert nicht die Annahme, dass Sprachkontakt den Wandel einzelner Lexeme beziehungsweise spezifische Modalpartikel-Verwendungsweisen begünstigt haben kann, wie im Fall von ya und pues im Spanischen im Kontakt mit dem Baskischen (cf. Meisnitzer/Gerards 2016:140, 144).

Eine Schwierigkeit bei der Erforschung der Diachronie von Modalpartikeln stellt die Tatsache dar, dass diese charakteristisch für nähesprachliche Kontexte sind und selbige in diachronen Korpora unterrepräsentiert sind. Zudem verfügen wir erst in neuerer Zeit über die Möglichkeit der Speicherung von und somit des Zugriffs auf gesprochene Sprache, die prozentual gesehen häufiger nähesprachlich konzipiert ist als schriftliche Textproduktionen.

Bei der Grammatikalisierung von Modalpartikeln handelt es sich um Sprachwandelphänomene der neueren französischen Sprachgeschichte. Erste mögliche Belege finden sich im 19. Jahrhundert und erst im 20. Jahrhundert sind in den Korpora Okkurrenzen auffindbar, die gemäß der phonologischen, morphosyntaktischen, semantischen und pragmatisch-funktionalen Kriterien eindeutig als Modalpartikeln einzuordnen sind. Zudem handelt es sich dabei um eine gewissermaßen „marginale“ (oder besser „marginalisierte“) Erscheinung, denn die französische Sprache verfügt nicht über ein eigenes Modalpartikelparadigma. Dies erklärt auch, weshalb die Kategorie in der präskriptiv-normativen Grammatikschreibung keine Erwähnung findet. Im Rahmen einer deskriptiven Grammatikforschung darf die Existenz von Modalpartikeln im Französischen jedoch keinesfalls a priori ausgeschlossen werden, da eine Kategorisierung als Adverb (bien, donc) oder Konjunktion (quand même) aus funktionaler Sicht falsch wäre.

3 Herausbildung und diachrone Entwicklung der Modalpartikeln im Französischen

In einer an Meisnitzer (2012) anschließenden empirischen Korpusstudie konnten Meisnitzer/Wocker (2017) zeigen, dass quand même, bien und donc die einzigen Lexeme sind, welche bereits die oben genannten definitorischen Kriterien von Modalpartikeln erfüllen. Weitere Lexeme befinden sich zum Teil in mitten des Grammatikalisierungsprozesses, können aber noch nicht als vollwertige Modalpartikeln bezeichnet werden. Wie bereits einleitend festgestellt, existiert bisher keine Forschung zur Herausbildung der Modalpartikeln im Französischen – ganz im Gegensatz zum Deutschen, wo diese bereits sehr gut erforscht wurden (cf. u.a. Wegener 1998; Autenrieth 2002). Wie bei der Ermittlung der Modalpartikeln in der Synchronie (cf. Meisnitzer/Wocker 2017) soll auch die vorliegende diachrone Untersuchung und Überprüfung der Modalpartikeln im Französischen kontrastiv zu den prototypischen Beispielen im Deutschen erfolgen. Um diesem Desiderat gerecht zu werden, wird in der vorliegenden Studie anhand des FRANTEXT-Korpus1 der Verschiebungsprozess vom Ursprungslexem hin zur Modalpartikel beschrieben. Die Wahl des Korpus musste dabei mit einem erheblichen Kompromiss einhergehen, da kein Korpus existiert, welches gesprochene Sprache in ausreichendem Maße wiedergibt und gleichzeitig eine diachrone Betrachtung bis zurück in das 18. Jahrhundert ermöglicht. Die Größe sowie die Binnendifferenzierung des FRANTEXT-Korpus in verschiedene Textgattung erlauben es jedoch, der gesprochenen Sprache in begrenztem Maße „auf die Spur zu kommen“. Bei der Auswertung wurde in diesem Sinne eine Beschränkung auf Texte des Genres théatre vorgenommen, da dieses einen überdurchschnittlich hohen Grad an fingierter Mündlichkeit (im Sinne von Goetsch 1985) aufweist: Theaterstücke bedienen sich häufig prototypisch nähesprachlicher Elemente, um ein hohes Maß an Authentizität zu erreichen. Dennoch bleibt das Dilemma bestehen, dass zur diachronen Analyse lediglich geschriebene Sprache zur Verfügung steht.

Wegener (1998) fasst die Grammatikalisierung der deutschen Modalpartikeln in drei Hauptphasen zusammen:

 (1) Verlust an phonologischer Substanz,

 (2) Verlust an semantischer Substanz und

 (3) Verlust an syntaktischer Freiheit.

Dieses Ergebnis spiegelt dabei sowohl typische Parameter von Grammatikalisierungsprozessen im Sinne von Lehmann (2002) als auch die definitorischen Kriterien der Modalpartikeln, die in diesem Aufsatz bereits aufgezeigt wurden, wider. Der Verlust der phonologischen Substanz führt dazu, dass das Lexem, welches als Quelllexem durchaus betont sein kann (cf. Adverbien), nach seinem Wandel zur Modalpartikel nicht mehr betonbar ist. Dies gilt sowohl für die Quelllexeme der Modalpartikeln im Deutschen als auch im Französischen. Im Französischen zeichnete sich – wohl auch durch die syntaktische Verschiebung ausgelöst – dieselbe Tendenz wie im Deutschen ab. Während „j’ai dormi quand même“ eindeutig ein Adverb beinhaltet, welches durch den französischen Phrasenakzent betont ist, zeichnet sich die Modalpartikel in „j’ai quand même dormi“ durch Unbetontheit aus. Ob eine Verringerung der Silbenzahl des Lexems wie im Deutschen konstatiert werden kann (cf. Wegener 1998:39), kann in unserer Studie für das Französische nicht überprüft werden, da in den herangezogenen Korpora nur die schriftsprachliche Notation erfasst wird und die Reduktion der phonologischen Substanz gegebenenfalls noch keine Auswirkungen auf graphematischer Ebene hatte (anders als beim italienischen pur und ben; cf. Meisnitzer 2012:348–349).

 

Der Verlust an semantischer Substanz (cf. Wegener 1998:40), auch semantic bleaching genannt, ist hingegen auch nachträglich nachweisbar. Das Resultat dieses Verlustprozesses erlaubt die Weglassbarkeit der Modalpartikel und lässt die Verwendung in syntaktischen Kontexten zu, wo das Quelllexem undenkbar wäre, wie wir zeigen werden. So kann eine Modalpartikel im Gegensatz zum Adverb weggelassen werden, ohne dass der propositionale Wahrheitswertverändert werden würde. Eine solche Verschiebung muss im Lauf der Grammatikalisierung vollzogen werden, wobei fraglich ist, ob sich dies im Nachhinein anhand der Korpusbeispiele chronologisch korrekt einordnen lässt. Der Prozess des Verlustes der syntaktischen Mobilität (cf. Wegener 1998:41) ist ebenso in der Diachronie beobachtbar. So ist eine variable Einsetzbarkeit der Ursprungslexeme hin zu einer festen Mittelfeldposition im Deutschen und zu einer festen syntaktischen Position im Französischen durch die Korpusbeispiele belegbar.

Im Französischen fällt die vergleichsweise hohe Zahl an Okkurrenzen innerhalb der Verbalklammer auf, welche eine gewisse Ähnlichkeit zur syntaktischen Struktur des deutschen Mittelfelds aufweist. Zwar wird auch eine zunehmend stärkere Restriktion der Kombinationsmöglichkeiten im Fortlauf des Grammatikalisierungsprozesses beschrieben (cf. Wegener 1998:41). Da es sich im Französischen um rezente Erscheinungen handelt und sich die Lexeme noch in ihrem Grammatikalisierungsprozess befinden, konnte jedoch kein Beleg für eine Kombination französischer Modalpartikeln nachgewiesen werden. Dies ist sicherlich auch durch die im Verhältnis zum Deutschen deutlich geringere Zahl an Modalpartikeln bedingt. Während im Deutschen Modalpartikeln existieren, die ähnliche beziehungsweise sich nicht gegenseitig ausschließende pragmatisch-semantische Merkmale aufweisen, sind die französischen (semantisch vollwertigen) Pendants zu heterogen und die Ziellexeme noch zu „schwach“ grammatikalisiert, als dass eine Kombination möglich wäre. Der Ansatz von Detges und Waltereit (2016) ist weitestgehend mit dem soeben beschriebenen Prozess deckungsgleich, wobei der Aspekt der zunehmenden pragmatischen Funktion noch stärker in den Fokus gerückt wird. Während die Ausgangslexeme die Proposition nur mit eingeschränktem Skopus beeinflussen, geht diese Fähigkeit verloren. Modalpartikeln haben Skopus über den gesamten Satz, da sie sich auf die Illokution auswirken (cf. Detges/Waltereit 2016). Diese Zunahme der illokutionären Kraft beschreibt bereits Abraham (1991). Sowohl Abraham (1991) als auch Detges und Waltereit (2016) definieren die Grammatikalisierung einer Modalpartikel als einen Prozess, bei dem das Lexem eine Veränderung von einem lexikalischen hin zu einem grammatikalischen beziehungsweise stärker grammatikalisierten Element erfährt (cf. Abraham 1991; Detges/Waltereit 2016:635).

Das Alter der deutschen Modalpartikeln scheint bisher nicht geklärt zu sein. Dagegen datiert Waltereit (2006:89) für das Französische erste Tendenzen der Grammatikalisierung hin zum Lexem, welches als Modalpartikel zu bezeichnen ist, auf das Ende des 19. Jahrhunderts.2