Medien in Deutschland

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1.3 Eigengesetzlichkeiten der Medien

Die klassischen Massenmedien zeichnen sich durch weitgehend technisch bedingte Eigengesetzlichkeiten aus, die sowohl für die Kommunikatoren (bei der Produktion der Medieninhalte) wie auch für die Rezipienten (bei der Rezeption dieser Inhalte) von Bedeutung sind.

Die Kommunikatoren, also die Medienschaffenden, müssen diese Eigenarten, die Möglichkeiten und Grenzen der einzelnen Medien, kennen, weil die Auswahl der Inhalte und die Art und Weise ihrer Aufbereitung und Präsentation von den Eigengesetzlichkeiten des jeweiligen Mediums abhängig sind. Das visuelle Medium Zeitung verlangt nach einer anderen »Dramaturgie« bei der Aufbereitung der Medieninhalte als etwa das auditive Medium Hörfunk, dieses wieder andere als das audiovisuelle Medium Fernsehen (Pürer 1996c, S. 224). Der Computer wieder integriert auf Grund seiner Möglichkeiten der Multimedialität Eigenschaften der Zeitung, des Hörfunks und des Fernsehens, also Text, Bild (bzw. Video), Ton (bzw. Sound), Grafik und Animation.

Für die Rezipienten als Mediennutzer und -konsumenten werden Art und Weise der Wahrnehmung (visuell, auditiv, audiovisuell, multimedial) von den Eigengesetzlichkeiten der Medien geleitet. Hinzu kommen Momente der Verhaltensfreiheit bzw. der Verhaltensbindung bei der Nutzung: Die Zeitung und andere Druckmedien z. B. kann man lesen wann und wo man will – man spricht daher auch von einem disponiblen, ja mobilem Medium. Anders ist dies bei Hörfunk und Fernsehen: Deren klassische Nutzung mit Hörfunk- und TV-Empfangsgeräten ist für die Hörer und Zuschauer durch Programmstruktur und -ablauf vorgegeben. Auch die räumliche (z. B. gewohnte häusliche Umgebung, Büro, speziell eingerichteter Raum, Fahrt zum Arbeitsplatz in privatem oder öffentlichem Verkehrsmittel etc.) und die familiäre Situation (einzeln oder im Verband der Familie, im Freundeskreis oder in einem Kollektiv) können trotz neuer digitaler, individualisierter Zugriffs- und Nutzungsmöglichkeiten für die Art und Weise der Rezeption von Relevanz sein. Im Folgenden sollen daher die wichtigsten, weitgehend technisch bedingten Eigengesetzlichkeiten der Massenmedien aufgezeigt werden (vgl. Kaupp 1980, S. 118ff).

Die Zeitung und die anderen gedruckten Medien sind sog. statische Medien. Der Text richtet sich an das Auge, spricht also (nur) den visuellen Kanal an. Der Leser hat die Möglichkeit, das Tempo der Informationsaufnahme selbst zu bestimmen. Auch hat der Leser einen ständigen Überblick über den Text und seine formale Gestaltung; optische Hilfen im Text, die Interpunktion, erleichtern ihm die Lektüre. Bei den Printmedien hat der Leser außerdem die Möglichkeit, nachzulesen, zurück-, vor- und überzublättern. Insgesamt ist der Nutzer gedruckter Medien also sehr autonom (vgl. Kaupp 1980, S. 121f; Pürer 1996c, S. 224ff). Druckmedien sind stets verfügbare Informationsspeicher von hoher Disponibilität und können sehr individuell genutzt werden (sie waren de facto die ersten mobilen Medien). Die Dimension des Gedruckten ist der Raum, und im Raum Mitgeteiltes lässt sich nicht nur systematisch ordnen; es kann durch Größe und Kraft der Schrifttypen sowie mithilfe zahlreicher anderer grafischer Elemente gestaltet und gewichtet werden. Druckmedien können den Leser besser in Beziehung setzen, zu Erklärung und Verständnis beitragen, Orientierungshilfen bieten sowie durch Hintergrundberichterstattung Sinnzusammenhänge besser herstellen als die flüchtigen Funkmedien. Die schnelleren Funkmedien geben Themen oftmals vor, die langsameren Druckmedien füllen sie mit tiefer gehenden Informationen aus (vgl. Bausch 1978; Pürer 1982, S. 55ff).

Das Radio, der Hörfunk, ist in seiner klassischen Form ein sehr flüchtiges Medium, nicht zuletzt, weil es oftmals nur als Hintergrundmedium bei Inhouse- und Outdoor-Aktivitäten genutzt wird. Der Text bzw. Ton richtet sich an das Ohr; das Tempo der Informationsaufnahme wird durch das Medium bzw. Programm vorgegeben. Der Hörer hat bei klassischer Radionutzung in aller Regel keine Möglichkeit, ›zurückzublättern‹ bzw. etwas zu wiederholen, um es dem besseren Verständnis zu erschließen. Auch hat er keinen Überblick über den Text und keine optischen Hilfen, der Hörer ist an das Programm bzw. seine Text-Abfolge gebunden (vgl. Kaupp 1980, S. 122f; LaRoche/Buchholz 1993, S. 226; Pürer 1996c, S. 224ff).

Auch das Fernsehen in seiner klassischen Form ist ein flüchtiges Medium, zumal das Tempo der Informationsaufnahme durch die Programmabfolge vorgegeben ist, der Zuschauer keinen Überblick über den Text bzw. die unmittelbare Abfolge des Programms und auch nicht die Möglichkeit hat, zurück-, vor- oder überzublättern. Die Informationsaufnahme beansprucht Auge und Ohr, ist also zweikanalig; optische Hilfen werden durch Bildmaterial wie Fotos, Filme, Inserts, Grafiken etc. angeboten. Bild und Ton zusammen verleihen dem Medium Fernsehen hohe Glaubwürdigkeit – in aktuellen Nachrichtensendungen z. B. hat der Zuschauer das Gefühl, als Augenzeuge dabei zu sein. Bisweilen ist auch von der ›Suggestivkraft‹ des Fernsehens die Rede (vgl. Kaupp 1980, S. 123f; Pürer 1996c, S. 224ff; Wember 1983; Stuiber 1998).

Was das publizistische Wettbewerbsverhältnis der Massenmedien betrifft, so sind die Funkmedien (Radio, Fernsehen) schneller und aktueller sowie mit einem hohen Maß an Bequemlichkeit zu nutzen. Die immer wieder faszinierende Wirkung des Fernsehens beruht auf dem (scheinbaren) Miterleben des Gezeigten bzw. Dargestellten. Der bei klassischer Nutzung zeitlich unveränderbare Ablauf von Hörfunk und Fernsehen, v. a. auch was die Informationsprogramme betrifft, bedingt jedoch Flüchtigkeit. Radio- und Fernsehprogramme (im klassischen Sinn) sind nicht beliebig nutzbar, sondern zwingen die Hörer oder Zuschauer, zu einer bestimmten Zeit für die Aufnahme der Botschaften präsent zu sein (vgl. Bausch 1978; Pürer 1982, S. 55ff). Selbst Kassettengeräte, Video- und DVD-Rekorder, mit deren Hilfe es möglich ist, Radio- bzw. TV-Programme aufzuzeichnen, können nur bedingt Abhilfe schaffen. Möglichkeiten der digitalen Speicherung und des individuellen Abrufs von digitalisierten Hörfunk- und Fernsehprogrammen mittels Computer und ähnlicher Geräte führen hier seit einigen Jahren zu erheblichen Veränderungen, sodass Radio- und TV-Sendungen auch nach ihrer Ausstrahlung (teils zeitlich befristet) online abrufbar sind.

Wie erwähnt, integriert der Computer – und nun sind Onlinemedien angesprochen – als Medium elektronisch vermittelter Kommunikation die weitgehend technisch bedingten Möglichkeiten von Print, Radio und Fernsehen. Onlinemedien können sehr individuell genutzt werden, ein einschränkender Faktor ist aber in den Begrenzungen der Bildschirmseite zu sehen, deren Gestaltungsmöglichkeiten und -zwänge auf Anbieter wie Nutzer zurückwirken. Dies ist insbesondere bei Kleincomputern wie Handys, Smartphones und auch bei iPads (sowie bei ähnlichen Lesegeräten) der Fall. Der Onlinenutzer hat nur einen begrenzten Überblick über den Text bzw. das Programm, er kann mittels Maus oder Touch-Funktion vor- und (über die Back-Funktion) auch zurückblättern. Vor allem Smartphones weisen eine einfach zu bedienende Benutzeroberfläche auf und damit auch eine recht bequeme Handhabung der Geräte. Im Unterschied zu den klassischen Medien, die durch die Festlegung der Abfolge der Inhalte sog. lineare Medien sind, sind Onlinemedien v. a. durch die Möglichkeiten der Verlinkung nicht lineare Medien. Dem User sollte von den Anbietern das Surfen bzw. Navigieren durch ein Onlineangebot daher so leicht wie möglich gemacht werden (vgl. Meier 1998), damit er im Cyberspace nicht verloren geht. Insbesondere Applikationen für mobile Endgeräte tragen dieser Forderung Rechnung.

Onlinemedien integrieren nicht nur Eigenschaften der Print- und Funkmedien, sie generieren neue hinzu. Gegenüber den klassischen Medien zeichnen sie sich (prinzipiell) aus durch 1) Aktualität: Die angebotenen Inhalte, welcher Art auch immer, können grundsätzlich jederzeit aktualisiert werden, es gibt keinen Redaktionsschluss; 2) Globalität: Onlineangebote können von jedem Ort der Welt aus erstellt und abgerufen werden; 3) Multimedialität: Onlineangebote können Text, Bild, Ton, Grafik und Datenbanken integrieren; 4) Hypertextualität: Onlineangebote können mit zahlreichen anderen Onlineangeboten verlinkt werden; 5) Interaktivität: Onlineangebote eröffnen dem User direkte und rasche Feedback-Möglichkeiten (vgl. Meier 1998). Social-Media-Anwendungen wie etwa Facebook und Twitter oder auch Nutzerkommentare in Onlinemedien beschleunigen Anschlusskommunikation in hohem Maße. Viele digital gespeicherte Programmangebote des Fernsehens können auch noch nach deren Ausstrahlung mittels Computer, iPhone, Smartphone, i-Pad etc. online abgerufen werden.

Joachim R. Höflich weist darauf hin, dass technische Medien und damit auch die über Massenmedien vermittelten Botschaften sich dadurch unterscheiden, »inwiefern sie die verbalen und auch die nonverbalen Ausdrucksmöglichkeiten, auf die in der direkten Kommunikation von Angesicht zu Angesicht gegenseitig Bezug genommen wird, begrenzen, wenn nicht sogar gänzlich ausblenden« (Höflich 1995, S. 527). Wenn man davon ausgeht, dass in der zwischenmenschlichen Kommunikation interpretationsfördernde metakommunikative sowie die Beziehung der Kommunikationspartner anzeigende Hinweise nicht immer verbal, sondern v. a. nonverbal (wie Mimik, Gestik etc.) ausgedrückt werden, ist dies von Bedeutung. Je stärker nämlich »ein Medium die verbalen und nonverbalen kommunikativen Codierungsmöglichkeiten begrenzt, umso mehr müssen [in der computervermittelten Kommunikation – Ergänzung H. P.] fehlende interpretationsfördernde und beziehungsanzeigende Hinweise i. S. eines […] et cetera-Prinzips […] ergänzt werden« (Höflich 1995, S. 527f). Diese vom Kommunikator beim Verschlüsseln der Botschaft (Encodieren) zu berücksichtigenden und vom Rezipienten beim Entschlüsseln (Decodieren) teils imaginativ zu leistenden Ergänzungen unterscheiden sich je nach eingesetztem Medium. Dies ist auch der Grund dafür, weswegen Zeitung, Radio, Fernsehen und der Computer (im Kontext von Onlinekommunikation) je eigene Dramaturgien bzw. Erzählstrukturen erfordern (vgl. Höflich ebd.).

 

1.4 Organisationsformen der Massenmedien

Massenmedien sind in unterschiedlichen politischen Systemen auf unterschiedliche Weise in diese Systeme integriert. In pluralistischen Systemen, in den westlichen Demokratien also, in denen die Staatsmacht von demokratisch legitimierten Funktionsträgern ausgeübt wird, sind die Massenmedien idealiter in das System der Gewaltenteilung eingebunden, ohne (!) allerdings – neben Legislative, Exekutive und Judikative – selbst eine eigene (Staats-)Gewalt darzustellen (›Publikative‹). Vielmehr sollen die Massenmedien (aus einer normativ begründeten, demokratietheoretischen Sicht) eine öffentliche Aufgabe erfüllen. Diese besteht darin, unbeeinflusst und unabhängig von staatlicher Macht in vielfältiger Weise Öffentlichkeit über relevante Vorgänge in Politik, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft herzustellen und Gesetzgebung (Legislative), Gesetzesvollzug (Exekutive) sowie Rechtsprechung (Judikative) kritisch und kontrollierend zu beobachten (vgl. Löffler 1984; Bergsdorf 1980).

In den meisten westlichen Demokratien sind im Wesentlichen zwei Organisationsmodelle bzw. -formen von Massenmedien vorzufinden: privatwirtschaftlich verfasste sowie öffentlich-rechtlich organisierte Massenmedien. (Daneben gibt es Misch- und Sonderformen). Kepplinger spricht vom »wirtschaftlichen Konkurrenzmodell«, wenn er privatwirtschaftliche Medien meint. Im Unterschied dazu ist bei öffentlich-rechtlichen Medien vom »administrativen Kooperationsmodell« die Rede (vgl. Kepplinger 1997, S. 119f):

 Privatwirtschaftlich verfasste Medien agieren und funktionieren ähnlich wie andere kommerziell geführte Unternehmen. Der Markt, also Angebot und Nachfrage, entscheidet über Erfolg oder Misserfolg. Privatwirtschaftlich organisierte Medien operier(t)en lange Zeit auf zwei Märkten, nämlich: auf dem Markt des Publikums sowie auf dem Markt der Werbewirtschaft. Aus beiden Märkten resultier(t)en die Erlöse privatwirtschaftlich organisierter Medien: Bei den privaten Printmedien (sofern diese nicht kostenlos verbreitet werden wie etwa Gratistageszeitungen, Anzeigen- und Offertenblätter) sind dies in aller Regel Vertriebs- (Abonnement, Einzelverkauf) und Anzeigenerlöse. Durch neue Angebote vieler Printmedien im Onlinebereich kommen z. B. Gebühren für den Abruf von Inhalten wie etwa Applikationen für mobile Endgeräte oder auch durch sog. Zusatzprodukte hinzu. Bei den privaten Funkmedien sind es entweder Werbe- oder Gebührenerlöse (Pay-TV, auch Bezahlfernsehen). Bezüglich des Bezahlfernsehens ist wieder zu unterscheiden zwischen Gebühren für den Bezug eines gesamten Programmpaketes (Pay-TV), eines einzelnen Kanals (Pay per Channel) oder nur einer einzelnen Sendung (Pay per view). Auch Mischfinanzierungsformen aus Werbung und Abonnementgebühren kommen vor. Entgelte fallen – teils zumindest – auch für Dienste sog. Plattformbetreiber an, die über Kabelnetze Programme in die Haushalte liefern. Die redaktionelle Linie (Zeitung) bzw. die inhaltliche Ausrichtung des Programms (Hörfunk, Fernsehen) wird vom Medieninhaber festgelegt; die gesellschaftsrechtliche Kontrolle privatwirtschaftlich organisierter Medien erfolgt in aller Regel durch Aufsichtsräte, Vorstände, Präsidenten etc. Privatwirtschaftlich organisierte Medien tendieren auf Grund des Wettbewerbs und einer zunehmend globalisierten Welt zur Medienkonzentration. Sie können Einflussversuchen der werbungtreibenden Wirtschaft ausgesetzt sein. Um wirtschaftlichen Erfolg zu erzielen, orientieren sich viele privatwirtschaftlich orientierte Medien am Massengeschmack. Der wirtschaftliche Erfolg privat-kommerzieller Medien ist eng mit hohen Auflagen und Reichweiten verbunden, zumal die Preise für Werbung und Anzeigen nicht zuletzt von der Größe des jeweils angepeilten bzw. richtiger: des erreichten Publikums abhängig sind. Die Reichweiten der Massenmedien oder auch einzelner Angebote werden regelmäßig über Reichweiten- und andere Mediennutzungsstudien ermittelt. Bei den privatwirtschaftlich verfassten Medien wird von der quantitativen Vielzahl der Medien und Anbieter auch auf Inhalts-, Programm- und Meinungsvielfalt geschlossen (sog. außenplurales Modell), was allerdings nicht unumstritten ist.

 Öffentlich-rechtlich organisierte Medien werden in aller Regel zwar vom Staat konstituiert, nicht jedoch staatlich kontrolliert. Vielmehr unterliegen sie der Kontrolle durch die Gesellschaft. Kontrollorgane sind in Verwaltungs- und Rundfunk- bzw. Medienräten zu sehen, in denen gesellschaftlich relevante Gruppen wie politische Parteien und gesellschaftliche Organisationen und Institutionen vertreten sind. Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten haben festgelegte Programmaufträge mit besonders ausgewiesenen Informations-, Kultur- und Bildungsaufgaben. In ihren Programmen sind die relevanten gesellschaftlichen Gruppen angemessen zu berücksichtigen. Öffentlich-rechtliche Medien sind zu politischer Ausgewogenheit und damit zu Binnenpluralismus verpflichtet. Die pluralistisch zusammengesetzten Kontrollgremien wachen über die Einhaltung der Programmaufträge. Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten werden in aller Regel von einem Intendanten geleitet, dem andere Funktionsträger (wie Chefredakteur, Programmdirektor, technischer Direktor, kaufmännischer Direktor, Onlinedirektor etc.) zur Seite stehen. Die Finanzierung öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten erfolgt meist gemischt aus Teilnehmerentgelten und Werbeerlösen, deren Stellenwert jedoch zunehmend geringer wird. Nicht selten sind öffentlichrechtliche Rundfunkanstalten über ihre Kontrollorgane parteipolitischen Einflussversuchen ausgeliefert, wodurch staatliche Nähe gegeben sein kann (vgl. etwa auch Donsbach/Wilke 2009, S. 606–614).

 Neben privatwirtschaftlich verfassten und öffentlich-rechtlichen Medien gibt es in geringer Zahl des Weiteren sog. »freie Medien«. Es sind dies meist alternative oder auch sog. autonome Medien, die frei von politischen und ökonomischen Zwängen sein wollen und sich auch selbst verwalten. Sie versuchen, sich vorwiegend aus Mitgliedsbeiträgen, Spenden, Abonnements, Veranstaltungen etc. zu finanzieren und rufen mitunter auch nach Unterstützung durch die öffentliche Hand. Werbung spielt, wenn überhaupt, für ihre Finanzierung nur eine untergeordnete Rolle. Die technischen und journalistischen Standards sind nicht selten gering, da die Programme weitgehend von Laien gestaltet und produziert werden.

Massenmedien wie Zeitung, Radio und Fernsehen in ihren klassischen Erscheinungsformen können in aller Regel den hier dargelegten Organisationsformen problemlos zugeordnet werden. Bei den Onlinemedien ist dies nicht so einfach möglich, zumal sich zahlreiche Onlineanbieter des WWW nur als technischer Plattform bedienen, um ihre Angebote im Web kostenlos auszustellen oder Onlinezugänge bzw. -angebote mit einer Gebühr zu verbinden (z. B. für den Abruf von Applikationen für mobile Endgeräte). Traditionelle Klassifikationsschemata versagen im WWW nicht zuletzt auch deshalb, weil im Web auch neue Wege der Finanzierung der Onlineangebote etwa durch Paid Content, Content Syndication, E-Commerce, Service-Providing, Content-Providing etc. beschritten werden.

2 Medienstrukturen in Deutschland

Medienstrukturen nationaler Mediensysteme sind das Resultat des Handelns kommunikations- und medienpolitischer Akteure nationaler, internationaler und supranationaler Art. Es ist nicht möglich, sie alle hier aufzuzählen, exemplarisch seien aber einige genannt. Für Deutschland sind dies, ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit, u. a. beispielsweise der Bund (z. B. Informations-, Meinungs- und Pressefreiheit in Art. 5 des Grundgesetzes, Kartellrecht/Pressefusionskontrolle, Telemediengesetz TMG), vor allem aber die Bundesländer, bei denen von wenigen Ausnahmen abgesehen die Mediengesetzgebungskompetenz liegt (wie etwa Landespressegesetze, Landesrundfunkgesetze, Landesmediengesetze), ebenso Staatsverträge der Länder in Rundfunkangelegenheiten, das Bundesverfassungsgericht (etwa in strittigen Angelegenheiten für den Rundfunk), oder etwa auch kollektive, pluralistisch zusammengesetzte Kontroll- und Aufsichtsorgane wie etwa Rundfunkräte, Verwaltungsräte, Medienräte und Kommissionen etc. Im Weiteren können dies internationale Akteure sein, wie etwa die Europäische Union (z. B. Richtlinie für audiovisuelle Mediendienste), supranationale Akteure (International Telecommunication Union ITU) und andere mehr. Auch politische Parteien und Gruppierungen, Kirchen und Gewerkschaften, Medienverbände und andere Interessensgruppen können solche Akteure sein, indem sie versuchen, auf die Gestaltung der Mediengesetzgebung und Medienordnungen Einfluss zu nehmen. Beispielsweise ist aber auch darauf hinzuweisen, dass nach dem Zweiten Weltkrieg die Besatzungsmächte beim Wiederaufbau des deutschen Medienwesens prägende Kräfte waren (siehe S. 50f, 109f). Im Rahmen der nachfolgenden Ausführungen werden viele dieser Akteure im jeweiligen Kontext genannt (vgl. dazu auch Pürer 2014, S. 417–421; sowie umfassend Tonnemacher 2003; Thomaß 2013; Puppis 2010).

Gegenstand der nachfolgenden Ausführungen ist die Entwicklung des Medienwesens in Deutschland von 1945 bis zur unmittelbaren Gegenwart. Es handelt sich um einen kompakt gehaltenen, kurzen Überblick, der für das Pressewesen mit dem Jahr 1945 startet und für den Rundfunk die Zeit zwischen 1923 (Gründung) und 1945 (Ende des Nationalsozialismus und des von ihm entfachten Zweiten Weltkrieges) kurz mit einbezieht. Im Bereich der Printmedien liegt der Schwerpunkt der Ausführungen auf dem Gebiet der Tagespresse. Ein eigener Abschnitt ist auch den Onlinemedien gewidmet. Auf andere Medien wie Zeitschriften, Buch, Film, Video und »neue Medien« wird weitgehend lediglich über Literaturhinweise verwiesen. Über die Entwicklung des Pressewesens in der Bundesrepublik Deutschland liegt von Heinz Pürer und Johannes Raabe ein detaillierter Überblick vor (vgl. Pürer/Raabe 2007), über das Rundfunkwesen (bis 1998) jener von Heinz-Werner Stuiber (1998). Zahlreiche Einzelbeiträge zur »Mediengeschichte der Bundesrepublik Deutschland« enthält schließlich der gleichlautende, von Jürgen Wilke herausgegebene Sammelband (vgl. Wilke 1999). Überblickbeiträge über Presse, Rundfunk und Onlinemedien enthält auch das zuletzt 2009 in aktualisierter Auflage erschienene Fischer-Lexikon Publizistik/Massenkommunikation (vgl. Noelle-Neumann et al. 2009). Zum »Mediensystem Deutschlands«, seinen Strukturen, Märkten und seiner Regulierung, hat Klaus Beck 2012 ein Überblickswerk vorgelegt (Beck 2012); ebenfalls 2012 wurde der Klassiker »Massenmedien in Deutschland« in 4., völlig überarbeiteter Auflage neu vorgelegt (Meyn/Tonnemacher 2012). Mit »Medienregulierung in Deutschland«, mit Zielen, Konzepten und Maßnahmen, befassen sich Wolfgang Seufert und Hardy Gundlach (Seufert/Gundlach 2012). In den nachfolgenden Ausführungen wird der Versuch unternommen, das bundesdeutsche Mediensystem in seinen Strukturen zu beschreiben und dabei auch Kontexte seines Entstehens mit einzubeziehen (wie dies teils bereits in den historischen Abschnitten erfolgte).

Das deutsche Medienwesen hat sich nicht erst seit 1945 entwickelt. Vielmehr reicht seine äußerst wechselhafte Geschichte bis an den Beginn des 17. Jahrhunderts zurück (vgl. Wilke 2008; Stöber 2005): Zeitungen (im heutigen Sinne) gibt es in Deutschland seit 1605, Tageszeitungen seit 1650, Zeitschriften seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Die Aufhebung der Zensur 1848 hatte – neben anderen Faktoren – die rasche Ausdifferenzierung des Zeitungs- und Zeitschriftenwesens stark begünstigt (vgl. Pürer/Raabe 2007). Gegen Ende des 19. Jahrhunderts entstand die Massenpresse. 1895 kam das Medium Film hinzu (vgl. Gregor/Patalas 1962; Pflaum/Prinzler 1992; Jacobsen/Kaes/Prinzler 1993), der Rundfunk (im Sinne von Hörfunk) 1923 (vgl. Lerg 1965ff; Stuiber 1998) und das Fernsehen 1935 (vgl. Longolius 1967; Stuiber 1998). Vor der nationalsozialistischen Machtergreifung bestand in Deutschland ein vielfältig ausgeprägtes Medienwesen, Deutschland war das zeitungsreichste Land Europas. Durch den Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg erlitt das deutsche Medienwesen jedoch eine tiefe Zäsur: Die Zeitungen und Zeitschriften der politischen Parteien wurden ausgeschaltet, die unabhängige Presse weitgehend mit der NS-Presse gleichgeschaltet, der Rundfunk (und auch der Film) ausschließlich in den Dienst des Nationalsozialismus, seiner Ideologie und Propaganda gestellt. Schließlich stand am Ende des Zweiten Weltkrieges auch das Ende des damaligen Medienwesens (vgl. dazu Überblicke bei Pürer/Raabe 2007 sowie Stuiber 1998).

 

Es ist nur allzu gut zu verstehen, dass die Besatzungsmächte beim Wiederaufbau des Medienwesens im Nachkriegsdeutschland nicht dort anschließen wollten und durften, wohin die Nationalsozialisten es geführt hatten. Daher hatte das neu errichtete Presse- und Rundfunkwesen auch keine unmittelbaren Anknüpfungspunkte, auch nicht an die Zeit vor der nationalsozialistischen Machtergreifung. Damals – 1932 – hatte es in Deutschland ein vielfältig ausgeprägtes Pressewesen mit über 4.000 Titeln an Tagesund Wochenzeitungen gegeben (vgl. Koszyk 1972). Der Rundfunk (Hörfunk) war unter dem Dach der Reichsrundfunkgesellschaft dezentral organisiert und auf Grund von Beteiligungen der Post an den Landesrundfunkgesellschaften staatsnahe (vgl. Bausch 1965; Stuiber 1998). Der Film war in privater Hand, wobei die in Alfred Hugenbergs Eigentum befindliche, nationalistisch ausgerichtete Ufa eine Monopolstellung innehatte und später im nationalsozialistischen Medienwesen aufging (vgl. Gregor/Patalas 1962).

2.1 Presse in Deutschland

2.1.1 Presse in der Bundesrepublik 1945–1989

Die Entwicklung des Zeitungswesens seit 1945, bzw. die der Tagespresse, lässt sich in mehrere Phasen gliedern, nämlich (vgl. Pürer/Raabe 1996a, 1996b, 2007): in die Phase des Wiederaufbaus, die Phase der Pressekonzentration, die Phase der Konsolidierung, die Phase zwischen Wende und Wiedervereinigung, die Phase nach der Wiedervereinigung sowie die Phase neuer Herausforderungen v. a. durch das Internet ab etwa 1995. Um die Phase zwischen Wende und Wiedervereinigung zu verstehen, ist es notwendig, auch auf die Strukturen des Pressewesens in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) einzugehen (vgl. Pürer/Raabe 1996a und 2007). Ein Abschnitt über die gegenwärtige Lage des Pressewesens rundet die Ausführungen ab. Dazu im Einzelnen:

Die Phase des Wiederaufbaus (1945–1954)

Das Ende des Zweiten Weltkrieges bedeutete auch die »Stunde Null« des deutschen Pressewesens (vgl. Hurwitz 1972). Nach der Kapitulation Hitler-Deutschlands Anfang Mai 1945 übernahmen die alliierten Besatzungsmächte (die USA, Großbritannien, Frankreich und die Sowjetunion) die Herrschaft über Deutschland. Alle bestehenden Druckereien wurden geschlossen, alle Redaktionen aufgelöst. Die Herausgabe von Zeitungen war vorübergehend verboten, an ihre Stelle traten zunächst Heeresgruppenzeitungen der Besatzungsmächte. Es folgte die Vergabe von Lizenzen für die Herausgabe von Zeitungen an nationalsozialistisch nicht vorbelastete Personen, wobei von den Besatzungsmächten unterschiedliche Praktiken angewendet wurden: Die Amerikaner vergaben primär sog. Gruppenlizenzen (an mehrere politisch unterschiedlichen Richtungen nahe stehende Personen) für die Herausgabe unabhängiger Zeitungen und Zeitschriften, erst ab 1948 auch für Parteizeitungen. Die Briten lizenzierten primär Parteirichtungszeitungen, später auch überparteiliche Blätter. Die Franzosen praktizierten ein gemischtes System, vergaben Lizenzen für Parteirichtungszeitungen und unabhängige Blätter. Die Sowjets erteilten Lizenzen für die Herausgabe von Zeitungen nur an politische Parteien, wobei die KPD und später die SED bevorzugt wurden, sodass in der Sowjetisch Besetzten Zone (SBZ) eine vorwiegend sozialistische Presse entstand. Bis 1948 wurden insgesamt 178 Tageszeitungen, die in 753 Ausgaben erschienen, lizenziert (vgl. Koszyk 1986, 1988, 1999).

Abb. 2: Anzahl der bis 1948 lizenzierten Zeitungen


1949 erfolgte schließlich die Erteilung der Generallizenz. Damit durften auch die »Altverleger« wieder Zeitungen herausgeben. Es waren dies Personen, die vor 1938 bzw. 1945 Zeitungen herausgaben. Bis Ende 1950 gab es Hunderte neue Titel. Die Folge war ein scharfer Konkurrenzkampf der Lizenzzeitungen mit jenen der Altverleger. 1954 wurde der größte Zeitungsgesamtbestand der Bundesrepublik gezählt: Es gab 225 redaktionell selbstständige Tageszeitungen (sog. publizistische Einheiten), die in 1.500 Ausgaben erschienen und zusammen von 624 Verlagen herausgegeben wurden (vgl. Schütz 1956). Eine so große Zahl von redaktionell selbstständigen Tageszeitungen (225) wurde in Deutschland nie wieder erreicht, auch nicht nach der Wiedervereinigung. Die Phase des Wiederaufbaus in Deutschland-West kann 1954 als abgeschlossen betrachtet werden, obwohl es danach noch weitere Zeitungsgründungen gab. Nur wenige von ihnen existieren noch heute (vgl. Pürer/Raabe 1996a; vgl. Wilke 1997; Schütz 1999). Mit dem Jahr 1954 setzte auch die pressestatistische Erfassung des Tageszeitungswesens nach Walter J. Schütz ein. Auf ihn geht die (bisweilen kritisierte, im Allgemeinen aber doch anerkannte) Differenzierung nach »publizistischen Einheiten«, »(redaktionellen) Ausgaben«, »Verlagen als Herausgeber« und »Verlagen als wirtschaftliche Einheiten« zurück (vgl. Schütz 1956, 2001a, 2005a, 2012a):

 Tageszeitungen sind für Schütz alle Periodika, »die mindestens zweimal wöchentlich erscheinen und einen aktuellen politischen Teil mit inhaltlich unbegrenzter (universeller) Nachrichtenvermittlung enthalten« (Schütz 2012a, S. 570).

 Publizistische Einheiten sind redaktionell selbstständige Tageszeitungen. In dieser »übergeordneten Kategorie sind alle ›Verlage als Herausgeber‹ mit den jeweiligen ›Ausgaben‹ eingeordnet, deren Mantel – im Regelfall die Seiten eins und zwei mit aktuellen politischen Nachrichten – vollständig oder (bei Übernahme von Seitenteilen) in wesentlichen Teilen übereinstimmt« (ebd.). Folglich ist es durchaus möglich, dass eine publizistische Einheit von mehreren Verlagen zusammen herausgegeben wird. Solche publizistische Einheiten geben in ihrem gesamten Verbreitungsgebiet in aller Regel (Lokal-) Ausgaben heraus, die den »Zeitungsmantel« (meist den Politik- und Wirtschaftsteil) vom Stammblatt übernehmen – womit sich der folgende Begriff erklärt:

 (Redaktionelle) Ausgaben sind folglich Tageszeitungen, die »durch variierende inhaltliche Gestaltung (z. B. Regionalseiten, lokaler Text- und Anzeigenteil)« in ihrer Berichterstattung auf ihr vorwiegendes (lokales) Verbreitungsgebiet »abgestimmt« sind (ebd.), aber redaktionelle Teile wie den Politik-, Kultur- und Wirtschaftsteil etc. (also den sog. »Zeitungsmantel«) aus einer Vollredaktion (auch »Mutterblatt«) übernehmen. Gelegentlich findet man für den Terminus »Ausgabe« auch noch die Bezeichnung »Mutation« oder »Kopfblatt« vor.

 Unter der pressestatistischen Kategorie Verlage als Herausgeber lassen sich alle (redaktionellen) »Ausgaben eines Unternehmens zusammenfassen, bei denen im Impressum der gleiche Herausgeber und/oder Verlag genannt sind« (ebd.). Zahlreiche Zeitungen werden in Deutschland nämlich nicht nur von einem Verlag, sondern von mehreren Verlagen gemeinsam herausgegeben.

 Die Kategorie Verlage als wirtschaftliche Einheiten umfasst alle Verlage als Herausgeber, die »in bestimmten Bereichen der Zeitungswirtschaft kooperieren (z. B. Druck, Vertrieb, Anzeigenverbund), wenn diese Zusammenarbeit über die Zugehörigkeit zu Anzeigenringen und Anzeigengemeinschaften hinausgeht« (ebd.).

Dazu ein aktuelles Beispiel (2012): Die Augsburger Allgemeine, eine der größten Regionalzeitungen Bayerns, erscheint in 29 Ausgaben (vgl. Schütz 2012b, S. 596), darunter z. B. das Lokalblatt Mindelheimer Zeitung. Deren Berichterstattung nimmt vorwiegend Bezug auf ihr lokales Verbreitungsgebiet Mindelheim und Umgebung. Den Zeitungsmantel – den politischen Teil – übernimmt die Ausgabe (weitgehend) von der Augsburger Allgemeinen. Diese stellt die publizistische Einheit dar, die Mindelheimer Zeitung die (lokale) Ausgabe. Die Augsburger Allgemeine erscheint in der Presse-Druck- und Verlags-GmbH Augsburg.

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