Kontrastive Pragmatik in Forschung und Vermittlung

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

3.2. Der Konditional im Spanischen



Aus morphologischer Sicht ist der Konditional im Spanischen identisch zum Futur des Indikativs, nur mit den Endungen -

ía

, -

ías

, -

ía

, -

íamos

, -

íais

, -

ían

, die bei regelmäßigen Verben an den Infinitivstamm angehängt werden. Graphematisch unterscheidet sich der Konditional vom Portugiesischen lediglich durch den Akzent auf dem <i>, den im Portugiesischen nur die erste und zweite Person Plural aufweisen, wobei Letztere jedoch mit <e> und nicht mit <a> gebildet wird:

-íeis

 (vgl. de Bruyne 2002: 376 und Cunha/ Cintra 1999: 391). Auch das Spanische kennt neben dem synthetischen Konditional einen analytischen Konditional II, gebildet aus dem

condicional

 von

haber

1 und dem Perfektpartizip des Hauptverbs (

habría cantado

) (vgl. de Bruyne 2002: 380). Semantisch gesehen verortet der Konditional wie auch das Futur ein Ereignis aus temporaler Sicht in der Nachzeitigkeit, nur dass es Bedingungen gibt, die die Erfüllung des Verbalereignisses erschweren, bedingen, konditionieren (RAE 2010: 449).



Im Spanischen hat der Konditional ebenso wie im Portugiesischen eine temporale und eine modale Semantik. In seiner temporalen Bedeutung (

futuro del pasado

) verortet er Ereignisse nach einer Referenzzeit, aber vorzeitig zur Sprechzeit (23) und stellt diese als abgeschlossen dar (vgl. Alcina/ Blecua 1994: 805).



(23) Dijo que

asistiría

 a la reunión.



(RAE 1991: 472)



Semantisch gesehen ähnelt der Konditional dem Futur in seiner Vagheit und seinem gewissermaßen hypothetischen bzw. ungewissen Charakter (RAE 1991: 472). Aus diesem Grund und analog zum Futur und wie im Portugiesischen kann der Konditional in seiner modalen Lesart Möglichkeiten, Wahrscheinlichkeiten oder Vermutungen ausdrücken (24 & 25) und wird in Bedingungssätzen gebraucht, in denen in der Protasis das Verbalereignis im Imperfekt des Subjunktiv steht (26). Auch im Deutschen wird in diesem Fall ein Konditional verwendet. In der Protasis selbst von Konditionalsätzen kann der Konditional im Spanischen wie im Portugiesischen nicht vorkommen (vgl. RAE 2010: 449).2



(24)

Serían

 las dos cuando me acosté.





(25)

Tendría

 mucha educación, pero no lo demostraba.



(Porto Dapena 1989: 58)





(26) Si tuviese dinero,

compraría

 esta casa.



(de Bruyner 2002: 438)



In (24) spricht man auch von einem Wahrscheinlichkeitskonditional oder einem konjekturalen Konditional. Er ist durch das Imperfekt ersetzbar. Der konjekturale Konditional kann in Adversativsätzen mit konzessiver Bedeutung verwendet (27) mit Wahrscheinlichkeitsadverbien verbunden (28) oder durch ein Vermutungsverb regiert werden (29) (RAE 2010: 450).



(27) Muy bondoso

sería

, pero bien podía ser absolutamente imaginário.



(Collyer,

Pájaros

)





(28) Seguramente

estaría

 cansado.





(29) Me imaginé que

tendría

 las manos con un cigarillo del que no tragaría el humo.



(Marías, J.,

Corazón

)



(Beispiele 27-29 aus/ RAE 2010: 450)



Wie im Deutschen und im Portugiesischen dient der Konditional im Spanischen auch dazu, Bescheidenheit (30) oder Höflichkeit (31) auszudrücken (RAE 1991: 474; RAE 2010: 450-451). Allerdings wird dafür im europäischen Portugiesisch fast ausschließlich das Imperfekt und im brasilianischen Portugiesisch – in der gesprochenen Sprache – meistens das Präsens mit

por favor

 ‘bitte’ verwendet.



(30) Me

atrevería

 a asegurar que lo vi ayer.



(Dapena 1989: 59)





(31)

Querría

 información sobre posibles vuelos a Nueva York.



(vgl. Dapena 1989: 59)



Durch den versprachlichten hypothetischen Charakter der Verbalhandlung und die versprachlichte Distanzierung des Sprechers gegenüber dem Gesagten drücken diese Formen durch Reanalyse Höflichkeit aus. Besonders

querer

,

desear

 und

poder

 alternieren in der Höflichkeitsform mit dem

imperfecto de cortesía

 (RAE 2010: 445).



(32) Le quería/

querría

 pedir un favor



(RAE 2010: 445)



Der analytische Konditional kann als Futur der Vergangenheit verwendet werden (33), wird ähnlich wie der synthetische Konditional in der Apodosis von Konditionalsätzen verwendet, ist aber in der Protasis ausgeschlossen (34) und kann Höflichkeit (35) und Wahrscheinlichkeit (36) versprachlichen. Er kann ebenso verwendet werden, um anzugeben, dass die Quelle der Information ein Dritter ist (37), also als Evidentialis.



(33) Todos suponían que cuando llegase el invierno la guerra

habría terminado

.



(RAE 1991: 474)





(34) Si solo hubiéramos llegado a Veracruz... la figura del héroe no se

habría destruido

.



(F. Benítez,

El Rey Viejo: El Amanecer apud

RAE 1991: 474)





(35)

Habría querido

 hablar con usted un momento.



(RAE 1991: 475)





(36) Mario...

habría pasado

 mucho con lo de tus hermanos.



(M. Delibes,

Cinco horas con Mario

, cap. XIV

apud

 RAE 1991: 475)





(37) Un periódico cuenta ayer de una operación en la que

habrían muerto

 



(RAE 2010: 453)



Ähnlich wie im Portugiesischen besteht im Spanischen die Tendenz, den Konditional in der gesprochenen Sprache durch das Imperfekt zu ersetzen (de Bruyne 2002: 440; RAE 2010: 451). Dies wird besonders durch die Tatsache begünstigt, dass beide Tempora eine Perspektivierung der Verbalereignisse versprachlichen, ohne diese direkt gegenüber der Sprechzeit zu verorten, sondern auf einen temporalen Anker oder eine Referenzzeit verweisen (vgl. RAE 2010: 451). Strukturell sind diesbezüglich beide Tempora sehr ähnlich, da beide relative Tempora sind (vgl. RAE 2010: 451). Semantisch gesehen sind beide Tempora der Vorzeitigkeit (vgl. RAE 2010: 451).



Auch der analytische Konditional verliert stark an Vitalität in der gesprochenen Sprache und wird durch das Imperfekt bzw. das analytische Plusquamperfekt ersetzt (Cartagena 1999: 2964).



(38) Y si nosotros lo hubiéramos querido, lo habíamos dado, ¿eh?



(Esgueva y Cantero 1981: 429

apud

 Bosque/Demonte 1999: 2964)



Das Beispiel stammt aus der

habla culta

 von Madrid. In hypothetischen Kontexten erfolgt eine Ersetzung durch das Plusquamperfekt des Subjunktivs (39) oder das Imperfekt (40), besonders auffällig in der gesprochenen Sprache (Cartagena 1999: 2964).



(39) Yo, desde luego, en el Bachillerato nunca hubiera separado Ciencias y Letras.



(Esgueva y Cantero 1981: 302

apud

 Cartagena 1999: 2964)





(40) Si se hubieran venido todavía hace diez años atrás, sí, no había problema.



(Cartagena 1999: 2965)



Insgesamt kann festgehalten werden, dass der spanische Konditional ebenso wie der portugiesische in seiner modalen Semantik deutlich produktiver ist als in seiner temporalen.





3.3. Zwischenfazit: der Konditional im Spanischen und im Portugiesischen im Sprachvergleich



Betrachtet man das Portugiesische und das Spanische bezüglich der Verwendung des Konditionals im Vergleich, fällt das Eindringen des Imperfekts in die funktionale Domäne des Konditionals auf. Der Konditional ist im Wesentlichen nur noch in seiner modalen Semantik produktiv. Während sich im Portugiesischen in allen nähesprachlichen kommunikativen Kontexten das Imperfekt sukzessive durchsetzt, ist im Spanischen diese Tendenz deutlich punktueller und auf gewisse kommunikative Kontexte beschränkt und weist zusätzlich diatopische Variation auf (vgl. Schäfer-Prieß/ Schöntag 2012: 138). Im Fall des Portugiesischen sind Unterschiede innerhalb der verschiedenen Standardvarietäten auffällig, wobei das europäische Portugiesisch eine deutlich allgemeinere Tendenz zur Ersetzung aufweist als das brasilianische Portugiesisch.



Im folgenden Abschnitt wird nun der Gebrauch des Konditionals im Deutschen betrachtet, um diesen mit der Verwendung im Portugiesischen und im Spanischen zu kontrastieren.







4 Gibt es einen Konditional im Deutschen? Konditional oder Futur Präteritum?



Im Deutschen wird der Konditional mit den Formen des Konjunktivs II (Konjunktiv Präteritum) von

werden

 + Infinitiv gebildet. Dieser Verbalkomplex wird in der Fachliteratur mit unterschiedlichen Termini aufgeführt:

Konditional

,

Futur Präteritum

 oder würde-

Periphrase

 (Dudenredaktion 2005: 474). Auch im Deutschen befindet sich die Form folglich im Spannungsfeld zwischen Temporalität und Modalität, wie bereits die Terminologieproblematik verdeutlicht.



Im Deutschen kommt die Polyfunktionalität der

würde

-Form erschwerend hinzu, die Konjunktiv Präsens, Präteritum und Futur ersetzt, wenn sie morphologisch mit den indikativischen Formen zusammenfallen und keine anderen sprachlichen Mittel die durch die Konjunktivformen ausgedrückten Funktionen kennzeichnen (Helbig/ Buscha 2001: 172).



(41.a) Sie hat mir erzählt, seine Eltern leben auf dem Land.





(41.b) Sie hat mir erzählt, seine Eltern

würden

 auf dem Land

leben

.



(Helbig/ Buscha 2001: 172)



Als Futur Präteritum versprachlicht die Verbalperiphrase ähnlich wie in den romanischen Sprachen ein Verbalereignis, das nachzeitig zu einer Referenzzeit in der Vorzeitigkeit ist, wobei Referenz- und Ereigniszeit vorzeitig zur Sprechzeit sind.

 



(42) Kolumbus entdeckte

PRÄT

 1492 Amerika. Er

würde

 lange Zeit

denken

, dass er einen neuen Seeweg nach Indien entdeckt habe.



Im Beispiel (42) wird der Betrachter in das Jahr 1492 versetzt und blickt in die Zukunft bezüglich Kolumbus’ Überzeugung. Der Sprechzeitpunkt liegt nach dem temporalen Anker, an dem der Betrachter verortet ist, und ist in einer Zeit verortet, wo man bereits weiß, dass Kolumbus Amerika und nicht Indien auf dem Seeweg erreichte. Aus temporaler Sicht unterscheidet man im Deutschen noch zwischen Konditional I (

würde

-Form (Aktiv)) (43) und II (

würde

-Form Perfekt (Aktiv)) (44) (Dudenredaktion 2005: 437):



(43) Sie

würde

 dir meine Adresse nicht

geben

.





(44) Dann

würde

 man Ihnen die Adresse

gegeben haben

.



(Dudenredaktion 2005: 437)



Die Verbalperiphrase erweist sich besonders dann produktiv, wenn „die uneingeleitete indirekte Rede (mit Konjunktiv Präs.) nicht von der direkten Rede mit Indikativ Präs. zu unterscheiden ist“ (Helbig/ Buscha 2001: 172). Ebenfalls wird die Form herangezogen, um die präteritalen Formen der unregelmäßigen Verben zu ersetzen, deren Verwendung diastratisch und diaphasisch als hoch markiert erscheint1 (45). Ein weiteres Vorkommen ist im Konditionalsatz, um potenzielle Bedingungen in der Vergangenheit (46) oder eine hypothetische Bedingung in der Gegenwart (47) zu versprachlichen.



(45) Wenn ich Zeit hätte,

würde

 ich dir

helfen

. (vs.

hülfe

 ich dir.)



(Helbig/ Buscha 2001: 172)





(46) Wenn er regelmäßig gelernt hätte,

würde

 er bessere Noten im Zeugnis

haben

.





(47) Wenn ich mehr Geld hätte,

würde

 ich viel

reisen

.



In der gesprochenen Sprache ist eine Tendenz zu beobachten, dass die

würde

-Periphrase generell bevorzugt wird und auch die regulären Konjunktivformen der gesprochenen Sprache, mit Ausnahme des Konjunktiv Präteritums, immer stärker ersetzt (Helbig/ Buscha 2001: 172).



(48) An deiner Stelle

würde

 ich ihn

gefragt haben

.2



Ähnlich wie im Spanischen und Portugiesischen kann der Konditional im Deutschen Höflichkeit ausdrücken und ersetzt in diesem Fall den Konjunktiv.



(49)

Würden

 Sie mir (bitte) die Butter

reichen

?



Durch den abschwächenden Charakter des Konditionals ist die Höflichkeitspartikel

bitte

 redundant (49), kann jedoch als Steigerung der Höflichkeit verwendet werden.





4.1. Konditional und der inklusive Ansatz von Leichter Sprache im Deutschen



Im Rahmen von inklusiven Ansätzen, die Menschen mit eingeschränkter Lesefähigkeit die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen sollen, wird für das Deutsche in der

Verordnung zur Schaffung barrierefreier Informationstechnik nach dem Behindertengleichstellungsgesetz

 aus dem Jahr 2011 (BITV 2.0) empfohlen, die Verwendung des Konjunktivs, aber auch der

würde

-Periphrase zu vermeiden (Bredel/ Maaß 2016a: 318)1. Im Fall des Potenzialis (50a) kann die Erfüllungsbedingung in Leichter Sprache durch eine Modalverbkonstruktion ausgedrückt werden, die zu erreichende Verbalhandlung kann als Folge der Erfüllungsbedingung mit angeschlossen werden (50.b) (Bredel/ Maaß 2016a: 320).



(50.a) Wenn Robert sein Abitur

bestehen würde

, bekäme er eine Lehrstelle.





(50.b) Robert muss sein Abitur bestehen. Dann bekommt er eine Lehrstelle.



(Bredel/Maaß 2016a: 319-320)



Außerdem wird empfohlen, den präteritalen Konjunktiv und die

würde

-Periphrase zum Ausdruck von Höflichkeit durch die Einfügung von

bitte

 zu kompensieren.



(51.a) Könnten/

Würden

 Sie mir bitte das Salz

reichen

?





(51.b) Können Sie mir bitte das Salz reichen?





(51.c) Geben Sie mir

bitte

 das Salz?



(Bredel/ Maaß 2016a: 320-321)



Die Fragen nach der Implementierung der Leichten Sprache und deren breiteren Auswirkung sind derzeit noch weitestgehend offen. Eine explizite Vermittlung alternativer Konstruktionen kann natürlich den verzeichneten Rückgang der Konditionalform zusätzlich beschleunigen. Die Berücksichtigung der Leichten Sprache ist vor allem wichtig wegen der starken Orientierung an der konzeptionellen Mündlichkeit und dem zugrundeliegenden Versuch, erkennbare Tendenzen als allgemein gültige Regeln zu formulieren.





4.2. Zwischenfazit: Konditional romanisch-germanisch kontrastiv



Im Vergleich zu den romanischen Sprachen weist der deutsche Konditional ein wesentlich breiteres Verwendungsspektrum auf: die Ersetzung der Konjunktivformen der geschriebenen Sprache durch die

würde

-Periphrase in der gesprochenen Sprache mit Tendenz zur Paraphrasierung, wie die Leichte Sprache verdeutlicht. Auch im Deutschen erfüllt die morphologische Form des Konditionals temporale und modale Aufgaben.






5 Zusammenfassung der Ergebnisse und Ausblick: Der Konditional an der Schnittstelle von Tempus und Modus im Spannungsfeld von Mündlichkeit und Schriftlichkeit



Die kontrastive Betrachtung des Konditionals hat gezeigt, dass die morphologische Form in allen drei Sprachen polyfunktional ist, obwohl es durchaus große Unterschiede in der Verwendung gibt. So hat der Konditional im Spanischen, im Portugiesischen und sogar im Deutschen ähnliche modale Lesarten, in seiner temporalen Lesart ist er jedoch von größerer Relevanz in den beiden romanischen Sprachen. Dies gilt trotz der rückläufigen Tendenz zur Verwendung im temporalen Sinn, vor allem in der gesprochenen Sprache, die sich mittel- bis langfristig auch auf die geschriebene Sprache auswirken wird. Die vergleichsweise zum Konditional geringere morphologisch Komplexität des Imperfekts mag diesen Rückgang – auch im seiner modalen Funktion – im Spanischen und Portugiesischen erklären, wobei im europäischen Portugiesisch die morphosyntaktische Komplexität im Fall des synthetischen Konditionals in Kombination mit Klitika den Rückgang möglicherweise zusätzlich begünstigt. Dafür spricht eine stärkere Stabilität in der Verwendung des Konditionals mit modaler Lesart im brasilianischen Portugiesisch, eine Varietät, die die Mesoklise nicht verwendet.



Zur Versprachlichung von Höflichkeit wird der Konditional in allen drei Sprachen massiv verdrängt – am stärksten im Portugiesischen und hier in seiner europäischen Varietät. Interessant ist es hier, die Unterschiede zu beobachten: Im europäischen Portugiesisch setzt sich das Höflichkeitsimperfekt durch, eine kommunikative Strategie, die auch im Spanischen verwendet wird. Im brasilianischen Portugiesisch findet man die Ersetzung des Konditionals durch Präsens mit der Höflichkeitspartikel. Im Deutschen wiederum werden Modalverben eingesetzt, die ein eigenständiges Paradigma aufweisen und anders als im Portugiesischen oder im Spanischen hochgradig grammatikalisiert sind (siehe hierzu: Meisnitzer 2012).



Im Spanischen und im Portugiesischen kann der Konditional von durativen Verben bei einer von einem Verb in der Vergangenheit eingeleiteten Referenzzeit einen modalen epistemischen Wert aufweisen und Unsicherheit oder ungewisse Wahrscheinlichkeit versprachlichen. Und die präskriptive Grammatik sieht einen Konditional vor, wenn in der Protasis ein Imperfekt Konjunktiv im Portugiesischen oder ein Imperfekt Subjunktiv im Spanischen steht, obwohl in der gesprochenen Sprache im (europäischen) Portugiesisch der Konditional häufig durch ein Imperfekt ersetzt wird. Aus semantischer Sicht wird der Konditional in seiner modalen Lesart eingesetzt, um eine Überzeugung zu versprachlichen, wobei sich der Sprecher vom Wahrheitsgehalt der Aussage distanziert, und um Aussagen gemäß des Sprechers als wahr darzustellen, jedoch in einem hypothetischen Kontext, der von der Realität divergieren kann.



Im Deutschen zeigt der Konditional eine Tendenz, die Konjunktivformen der geschriebenen Sprache in einer Breite zu ersetzen, die im Spanischen und im Portugiesischen von dieser Verbalkategorie nicht geleistet werden kann. Gleichzeitig ist jedoch festzuhalten, dass das Deutsche nur über die

würde

-Periphrase verfügt, um Konditional zu versprachlichen, während im Portugiesischen und im Spanischen dem synthetischen Konditional eine analytische Form gegenübersteht. Eine funktionale Überlappung der Semantik des Konditionals wie mit dem Imperfekt im Spanischen und im Portugiesischen weist keine Form im Deutschen auf. Allerdings verfügt das Deutsche auch über kein vergleichbares relatives Tempus zur Versprachlichung von Ereignissen in der Vorzeitigkeit zur Sprechzeit. Auch im Deutschen wird die

würde

-Konstruktion in der gesprochenen Sprache teilweise paraphrasiert und in der Leichten Sprache gilt es, die Form zu vermeiden und zu umschreiben.



Der Konditional in seiner gegenwärtigen Entwicklung und unter Berücksichtigung der Tendenz, seine temporale Lesart aufzugeben, spricht für die zu Beginn des Artikels vorgeschlagene (mögliche) Unidirektionalität der Entwicklungslogik der Kategorien innerhalb des TMA-Komplexes: Aspekt > Tempus > Modus, die auch durch die Reihenfolge im Spracherwerb bei Kindern, durch die Beobachtung sprachgeschichtlicher Entwicklungen und durch das Studium der Genese von Kreolsprachen belegt wird. Die beobachteten Diskrepanzen zwischen gesprochener und geschriebener Sprache bezeugen möglicherweise den schnelleren Wandel in der gesprochenen Sprache und deren stärkere Permeabilität für Sprachwandel und Innovationen.



Ein Forschungsdesiderat wären systematische breit angelegte Studien zur Verwendung des Konditionals in der gesprochenen Sprache im Portugiesischen, Spanischen und Deutschen, deren Ergebnisse ebenfalls kontrastiert werden könnten.





Literatur



Alcina, Juan/ Blecua, José Manuel (

9

1994):

Gramática Española

. Barcelona: Ariel.



Bagno, Marcos (2016):

Gramática Pedagógica do Português Brasileiro

. S. Paulo: Parábola.



Brauer-Figueiredo, Maria de Fátima (1999):

Gesprochenes Portugiesisch

. Frankfurt am Main: TFM.



Bredel, Ursula/ Maaß, Christiane (2016a):

Duden. Ratgeber Leichte Sprache. Die wichtigsten Regeln und Empfehlungen für die Praxis.

Berlin: Dudenverlag.



Bredel, Ursula/ Maaß, Christiane (2016b):

Duden. Leichte Sprache. Theoretische Grundlagen. Orientierung für die Praxis.

 Berlin: Dudenverlag.



Cartagena, Nelson (1999): „El tiempo verbal. Los tiempos compuestos del modo indicativo“, in: Bosque, Ignácio/ Demonte, Violeta (Hrsg.):

Gramática Descriptiva de la Lengua Española

. Band 2. Madrid: Espasa Calpe. 2935-2975.



Côroa, Maria Luiza Monteiro Sales (2005):

O tempo nos verbos do Português

. S. Paulo: Parábola.



Cunha, Celso/Cintra, Lindley (

15

1999):

Nova Gramática do Português Contemporâneo

. Lisboa: Sá da Costa.



de Bruyne, Jacques (

2

2002):

Spanische Grammatik

. Übersetzt von Dirko-J. Gütschow. Tübingen: Niemeyer.



Dudenredaktion (

7

2006):

Duden. Die Grammatik. Unentbehrlich für richtiges Deutsch

. Mannheim, Leipzig, Wien, Zürich: Dudenverlag.



Esgueva, Manuel/ Cantarero, Margarita (1981):

El habla de la ciudad de Madrid. Materiales para su estudio.

 Madrid. C.S.I.C..



Gärtner, Eberhard (1998):

Grammatik der Portugiesischen Sprache

. Tübingen: Niemeyer.



Helbig, Gerhard/ Buscha, Joachim (

3

2001):

Deutsche Grammatik. Ein Handbuch für den Ausländerunterricht.

Berlin, München: Langenscheidt.



Hundertmark-Santos Martins, Maria Teresa (1982):

Portugiesische Grammatik

. Tübingen: Niemeyer.



Kaiser, Georg (2014):

Romanische Sprachgeschichte

. Paderborn: Fink.



Koch, Peter/ Oesterreicher, Wulf (

2

2011):

Gesprochene Sprache in der Romania. Französisch, Italienisch, Spanisch.

Berlin, New York: de Gruyter (Romanistische Arbeitshefte; 31).



Lausberg, Heinrich (

2

1972):

Romanische Sprachwissenschaft. III. Formenlehre

. Berlin: de Gruyter.



Marques, Rui (2013): „Modo“ in: Raposo, Eduardo Buzaglo Paiva

et al.

 (Hrsg.):

Gramática do Português

. Band I. Lisboa: Fundação Calouste Gulbenkian. 671-693.



Mateus, Maria Helena Mira/Brito, Ana Maria

et al.

 (1989) (Hrsg.):

Gramática da Língua Portuguesa.

 Lisboa: Caminho.

 



Meisnitzer, Benjamin (2012): „Modality in the Romance Languages: Modal verbs and modal particles“, in: Abraham, Werner/ Leiss, Elisabeth (Hrsg.):

Modality and Theory of Mind Elements across Languages.

 Berlin, Boston, de Gruyter (Trends in Linguistics. Studies and Monographs; 243). 335-359.



Meisnitzer, Benjamin (2016):

Das Präsens als Erzähltempus im Roman. Eine gedruckte Antwort auf den Film.

 Tübingen: Narr, Francke, Attempto (Orbis Romanicus; 2).



Oliveira, Fátima (2013): „Tempo verbal“, in: Raposo, Eduardo Buzaglo Paiva

et al.

 (Hrsg.):

Gramática do Português

. Band I. Lisboa: Fundação Calouste Gulbenkian. 507-553.



Pérez Pascual, José Ignacio (2001):

Gramática Histórica del Español

. Barcelona: Ari