Integrative Medizin und Gesundheit

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1.4 Integrative Medizin – Ansätze zu Definitionen

Der Begriff „Integrative Medizin“ wird im anglo-amerikanischen Sprachraum bereits in den späten 1940er-Jahren verwendet (s. Kap. II.1) und wird ab dem Jahr 1990 zunehmend häufig auch im deutschen Sprachraum verwandt. Dennoch ist der Begriff auch heute noch vielen Ärzten und auch Patienten nicht oder nur unzureichend bekannt.

Eine frühe Definition stammt vom ehemaligen National Center for Complementary and Alternative Medicine (NCCAM), dem heutigen National Center for Complementary and Integrative Health (NCCIH) (s. Tab. 1).

Tab. 1 Wichtige Definitionen von Integrativer Medizin (und Gesundheit)


Author/Institution Year Definition of Integrative Medicine (and Health)
National Center of Complementary and Alternative Medicine at the National Institute of Health um 2000 Integrative medicine combines mainstream medical therapies and CAM therapies for which there is some high-quality scientific evidence of safety and effectiveness.
Jonas WB and Chez RA 2004 Integrative medicine has been defined as the coordinated application of a variety of healing, prevention, and treatment modalities in therapeutic settings. These modalities include those from conventional medicine, complementary and alternative medicine, and traditional and culture-specific practices.
Consortium of Academic Health Centres for Integrative Medicine 2005 Integrative Medicine is the practice of medicine that reaffirms the importance of the relationship between practitioner and patient, focuses on the whole medicine, is informed by evidence, and makes use of all appropriate therapeutic approaches, healthcare professionals and disciplines to achieve optimal health and healing.
Consortium of Academic Health Centres for Integrative Medicine 2015 Integrative Medicine and health reaffirms the importance of the relationship between practitioner and patient, focuses on the whole person, is informed by evidence, and makes use of all appropriate therapeutic and lifestyle approaches, healthcare professionals and disciplines to achieve optimal health and healing.
Brinkhaus B and Esch T, adapted version of the US consortium IM 2020 Integrative Medicine and Health reaffirms the importance of the relationship between practitioner and patient, focuses on the whole person, is informed by evidence, and makes use of all appropriate therapeutic, preventive, health-promoting, and lifestyle approaches, healthcare professionals and disciplines to achieve optimal health and healing, emphasizing the art and science of healing. It is based on a social and democratic as well as natural and healthy environment.


Abb. 2 Integrative Medizin (Willich 2009)


Abb. 3 Integrative Medizin ergänzt durch präventive Medizin und Maßnahme (adaptiert von Brinkhaus B. Plenumsvortrag auf dem 4. ECIM Kongress 2011)

Dieser ursprüngliche Ansatz, der Integrative Medizin als die Kombination von konventioneller Medizin und evidenzbasierten Komplementär- und Alternativmedizin darstellt, kommt auch in der Abbildung 2 zum Ausdruck.

In einer weiteren Definition von Jonas und Chez wird auf den wichtigen Aspekt der Prävention in dem Zusammenhang mit Integrativer Medizin und auf die kulturelle Tradition der meisten Verfahren verwiesen (Jonas u. Chez 2004) (s. Tab. 1). Dieses findet in der Abbildung 3 Berücksichtigung. Im Jahr 2005 stellte das US-amerikanische Consortium of Academic Centers for Integrative Medicine (kurz „US Consortium for IM“) eine umfassende Definition vor, die auf weitere wichtige Aspekte, wie auf die Bedeutung der Arzt-Patienten-Beziehung und auf die ganzheitliche Betrachtung des Gesundheits- und Krankheitszustands, ebenso einschließt wie die Heranziehung von verschiedenen therapeutischen Verfahren, die zumindest evidenzinformiert sein sollten (s. Tab. 1).


Abb. 4 Integrative Medizin und Gesundheit – wichtige Einflüsse (adaptiert von Brinkhaus B. Plenumsvortrag auf dem 4. ECIM Kongress 2011)

Nachdem diese Definition jahrelang die zentrale Definition für IM war, wurde sie vom US Consortium for IM 2014 erweitert zum umfassenderen Begriff „Integrative Medizin und Gesundheit“, bei dem zum einen der Terminus „Gesundheit“ im Sinne einer umfassenden, auch die Salutogenese berücksichtigenden Medizin ergänzt wird und auch die Bedeutung von Lebensstil-Aspekten berücksichtigt wird (s. Tab. 1). In der Abbildung 4 kommt eine umfassende Sicht auf die Integrative Medizin und Gesundheit zum Ausdruck, bei dem auf die neuen Herausforderungen des Patienten (z.B. Selbstverantwortung, Selbstaktivierung und Resilienzsteigerung), des Arztes (z.B. empathisch, partizipativ) und der professionellen Interaktion des Arztes mit dem Patienten als „Kunst der Heilung“ verwiesen wird.

Wichtig sind in diesem Zusammenhang auch die Betonung von Inter- und Multiprofessionalität sowie die Patientenzentrierung geworden. Des Weiteren wird in Abbildung 4 verdeutlicht, dass Integrative Medizin und Gesundheit sich nicht nur zwischen Arzt und Patienten allein abspielen, sondern idealerweise in einer demokratischen und sozialen Gesellschaft, die in einer möglichst natürlichen und gesunden Umwelt begründet ist. Diese umfassende Sicht des Begriffs Integrative Medizin und Gesundheit wird berücksichtigt in unserer Definition, die die bestehende des US Consortiums for IM ergänzt (s. Tab. 1).

1.5 Berlin Agreement – Ansätze zur Erweiterung der Integrativen Medizin

Anlässlich des ersten Weltkongresses zur Integrativen Medizin in Berlin wurde im April 2017 das Berlin Agreement (engl. Titel: The Berlin Agreement: Self-Responsibility And Social Action in Practicing and Fostering Integrative Medicine and Health Globally), das von den Initiatoren des Weltkongresses in Zusammenarbeit mit vielen komplementärmedizinischen und Integrativen Medizin Gesellschaften erstellt wurde, vorgestellt (WCIMH 2017, Volltext s. Anhang). Der Text dieses Berlin Agreements wird im Folgenden zusammenfassend dargestellt:

The Berlin Agreement: Self-Responsibility And Social Action in Practicing and Fostering Integrative Medicine and Health Globally

Auf der Basis der US-Consortiums-Definition von 2014 wurden in diesem Statement wichtige Aspekte und Ziele einer zukünftigen Integrativen Medizin dargestellt, die den kommenden lokalen und globalen Herausforderungen in Bezug auf die Gesundheit und Krankheit der Bürger, auch den Herausforderungen in Bezug auf die Gesundheitswesen weltweit, Rechnung trägt. Das Berlin Agreement geht dabei weitgehend konform mit vorbestehenden Erklärungen zur „Weltgesundheit“, wie z.B. der Alma Ata Konferenz 1978 (WHO 1978), die die Bedeutung der Integration von effektiven traditionellen medizinischen Konzepten bei der Förderung der globalen Gesundheit hervorhebt, sowie Erklärungen der WHO, die in ihrer traditionellen Medizin Strategie (WHO 2014) ebenfalls die Integration von sicheren und effektiven traditionellen und komplementären Verfahren, sowohl in der Prävention als auch in der Therapie, empfiehlt. Im Berlin Agreement wird auch auf die Bedeutung der Deklarationen von Beijing 2008 (WHO 2008) und Stuttgart 2016 (ICIHM 2016) verwiesen, bei denen insbesondere staatliche und nicht-staatliche Institutionen aufgefordert werden, die Entwicklung und Untersuchung von traditionellen und komplementärmedizinischen Verfahren zu fördern, um die Evidenz von Therapieverfahren in Bezug auf Wirksamkeit, Therapiesicherheit und Kosteneffizienz für eine zukünftige Integrative Medizin zu verbessern.

Auf der Basis dieser Verortung des Berlin Agreements wird zu Beginn neben einer professionellen Gesundheitsfürsorge auf die besondere Bedeutung von Selbstverantwortung, Selbstfürsorge und der Stärkung der persönlichen Resilienz hingewiesen. In diesem Sinne entscheidend sind die Förderung eines gesundheitsfördernden Lebensstils sowie die Bedeutung des persönlich-aktiven Managements bei Gesundheits- und Krankheitsprozessen, mit dem Patienten selbst als „Kapitän“ des eigenen Wohlergehens. Im Sinne der Naturheilkunde wird dabei auch auf die gesundheitlich-therapeutische Relevanz der Natur sowie von natürlichen Faktoren hingewiesen, die es aber auch umgekehrt im Sinne einer gesunden Umwelt zu schützen gilt.

 

Im Hinblick auf die Initiierung von präventiven, gesundheitsförderlichen und/oder therapeutischen Prozessen wird im Berlin Agreement auf die Bedeutung einer Interprofessionalisierung und eine Verbesserung von therapeutischen Netzwerken hingewiesen, die den Patienten den raschen Zugang zur optimalen Versorgung unter Einbeziehung von traditionellen und komplementären Versorgungsstrategien garantieren. Dabei wird darauf verwiesen, dass ein substantieller Bestandteil der heutigen Medizin, sowohl der konventionellen als auch der komplementären, noch nicht evidenzbasiert ist, sondern allenfalls evidenz-informiert, und dass große Anstrengungen und ein interprofessioneller Dialog notwendig sind, um die wissenschaftliche Evidenz von vielen medizinischen Verfahren zu verbessern. Bei der wissenschaftlichen Untersuchung sollte besondere Beachtung finden, dass sowohl der Patient in seiner integralen Gesamtheit sowie das zu untersuchende traditionelle oder komplementäre Therapiesystem in seiner Komplexität im Sinne eines „Whole Systems Approaches“ umfassend berücksichtigt werden.

Sowohl bei der Forschung als auch bei den diversen und vielschichtigen Prozessen der Gesundheitsversorgung kommt der Zusammenarbeit von Patientenvertretern, Therapeuten, Pflegekräften, Politikern und Vertretern der Gesundheitswirtschaft im Sinne eines „Stakeholder Prozesses“ zukünftig besondere Bedeutung zu. Gleichsam ist die Interaktion der klinischen Versorgung mit präventiven Verfahren insbesondere bei chronischen Erkrankungen wichtig, hier wird im Berlin Agreement auf die Bedeutung von sozialen, präventiven und weiteren Programmen der Gesundheitsversorgung verwiesen. Eine besondere Berücksichtigung findet auch die Betonung von sozialen, politischen, ökonomischen und Umweltfaktoren für die Gesundheit von individuellen Personen, aber auch von gesellschaftlichen Gruppen. In diesem Zusammenhang bekennen sich die Initiatoren des Berlin Agreements zu Ihrer besonderen Verantwortung, Ungleichheiten dieser Faktoren entschieden entgegenzuwirken und somit auch in politscher und ökologischer Sicht aktiv zu werden.

Ausgehend von der persönlichen und sozialen Verantwortung und unter Berücksichtigung der oben genannten Faktoren sind die Initiatoren der Überzeugung, dass mit der Etablierung der Integrativen Medizin eine messbare Verbesserung der Patientenversorgung erreicht werden kann. Für dieses Ziel kommt zukünftig auch in zunehmendem Maß der sinnvolle Gebrauch moderner Informationstechnologien als Mittel einer patientenzentrierten Versorgung in Betracht – ein Aspekt, der im Berlin Agreement von 2017 noch nicht zentral fokussiert wurde. So ist nun auch die Integrative Medizin im „Innovation Lab“ einer Medizin von morgen angekommen und vereint in besonderer Weise das Heilwissen – von der Antike bis heute – mit einer ganzheitlichen Heilkunst der Zukunft.

1.6 Schlussfolgerung

Die insbesondere auf der Pathogenese basierende konventionelle Medizin wird durch den präventiven und gesundheitsfördernden Ansatz der Integrativen Medizin, unter besonderer Berücksichtigung des Salutogenese-Ansatzes, maßgeblich erweitert. Evidenzinformierte Verfahren der komplementären und traditionellen Medizin können die konventionelle Medizin mitunter sinnvoll ergänzen, wobei dem selbstverantwortlichen und aktiven Patienten sowie dem empathischen und an einem partizipativen Dialog interessierten Arzt, der mit anderen Gesundheitsberufen teambasiert zusammenarbeitet, eine besondere Bedeutung zukommt. Soziale, politische und ökologische Grundbedingungen von Gesundheit und ihre Erhaltung sollten in Zukunft stärker Berücksichtigung finden, hierzu tragen Mitarbeiter aller Gesundheitsprofessionen besondere Verantwortung. Nur wenn es gelingt, die Medizin in Richtung einer Integrativen Medizin zu modernisieren, wird sie den gesundheitspolitischen und epidemiologischen Herausforderungen der Zukunft wirklich gewachsen sein.

Literatur

Antonovsky A (1997) Salutogenese: Zur Entmystifizierung der Gesundheit (Forum für Verhaltenstherapie und psychosoziale Praxis). dgvt-Verlag

Dobos G, Altner N, Lange S, Musial F, Langhorst J, Michalsen A, Paul A (2006). Mind-Body Medicine als Bestandteil der Integrativen Medizin. Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz 49(8): 723–728

Esch T (2002) Gesund im Stress: Der Wandel des Stresskonzeptes und seine Bedeutung für Prävention, Gesundheit und Lebensstil. Gesundheitswesen 64(2): 73–81

Esch T (2017) Die Neurobiologie des Glücks, 3. Aufl. Thieme Stuttgart

Esch T (2018) Der Selbstheilungscode: Die Neurobiologie von Gesundheit und Zufriedenheit. Goldmann Verlag.

Franke A (2012) Modelle von Gesundheit und Krankheit. Hogrefe AG

ICIHM (2016) Abschlusserklärung. URL: http://icihm.damid.de/images/pdf/ABSCHLUSSERKL%C3%84RUNG_STUTTGART_d.pdf. (abgerufen am 03.02.2020)

Jonas WB, Chez RA (2004) Toward optimal healing environments in health care. J Altern Complement Med 10 Suppl 1: S1–6

Ludolph P, Kunzler A, Stoffers-Winterling J, Helmreich I, Lieb K (2019) Interventions to promote resilience in cancer patients. Dtsch Arztebl Int. 116: 865–872

Pschyrembel W (1999) Wörterbuch Naturheilkunde und alternative Heilverfahren. De Gruyter

WCIMH (2017) The Berlin Agreement: Self-Responsibility and Social Action in Practicing and Fostering Integrative Medicine and Health Globally. URL: https://www.ecim-iccmr.org/fileadmin/ecim-iccmr/editors/documents/Berlin_Agreement_on_Self-Responsibility_160417.pdf. (abgerufen am 03.02.2020)

Willich SN (2009) Editorial. European Journal of Integrative Medicine 1, 163–164. 1876-3820/&2009. doi:10.1016/j.eujim.2009.10.001

WHO (1978) Erklärung von Alma Ata. URL: http://www.euro.who.int/de/publications/policy-documents/declaration-of-alma-ata,-1978. (abgerufen am 03.02.2020)

WHO (2006) Constitution of the World Health Organization. URL: https://www.who.int/governance/eb/who_constitution_en.pdf. (abgerufen am 03.02.2020)

WHO (2008) Beijing Declaration. URL: https://www.who.int/medicines/areas/traditional/congress/beijing_declaration/en/. (abgerufen am 03.02.2020)

WHO (2014) Traditional Medicine Strategy 2014–2023. URL: https://apps.who.int/iris/bitstream/handle/10665​/92455/9789241506090_eng.pdf?sequence=1 (abgerufen am 17.02.2020)

© Urban Ruths

Prof. Dr. med. Benno Brinkhaus

Benno Brinkhaus ist Facharzt für Innere Medizin, Zusatzbezeichnung Naturheilverfahren und Akupunktur. Professor für Naturheilkunde, Leitung Projektbereich Komplementäre und Integrative Medizin und Hochschulambulanz für Naturheilkunde am Standort Mitte, stellv. Institutsdirektor am Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie, Charité – Universitätsmedizin Berlin.


Prof. Dr. med. Tobias Esch

Tobias Esch, Facharzt für Allgemeinmedizin, Arzt für Naturheilverfahren, Neuro- und Gesundheitswissenschaftler sowie Experte für Mind-Body-Medizin. An der Universität Witten/Herdecke Institutsleiter und Lehrstuhlinhaber für Integrative Gesundheitsversorgung und Gesundheitsförderung sowie Leiter der dortigen Universitätsambulanz – einem deutschlandweit einzigartigen Pilotprojekt zur Implementierung einer Integrativen Allgemeinmedizin und Naturheilkunde in der Regelversorgung.

2 Die Bedeutung der Selbstregulation in der Integrativen und Mind-Body-Medizin – Ein Überblick

Tobias Esch und Benno Brinkhaus

Zusammenfassung

Die Mind-Body-Medizin (MBM) stellt heute einen wichtigen Teil der Integrativen Medizin dar. Der Begriff stammt ursprünglich aus den USA, wo die MBM mittlerweile auch in der medizinischen Versorgung integriert ist; sie umfasst medizinische Verfahren und Ansätze, welche die Selbsthilfekompetenz stärken und dafür insbesondere mentale und körperliche Techniken nutzen. Neben der Praxis schließt die akademische Verbreitung der MBM gleichfalls eine differenzierte Erforschung ihrer Wirkmechanismen ein – wichtige Arbeiten der Achtsamkeits- und Entspannungsforschung gehören ebenfalls in diesen Bereich. In Deutschland weist die MBM eine enge Beziehung zur Naturheilkunde auf und hier explizit zum Begriff der sogenannten Ordnungstherapie (OT); einige Experten aus dem Bereich der Naturheilkunde in Deutschland setzen MBM mit OT gleich.

Gegenwärtig werden immer mehr Therapieangebote unter dem Oberbegriff der MBM zusammengefasst. Diese werden auch Mind-Body-Interventionen (MBI) genannt. MBI folgen in der Regel den sogenannten BERN-Kriterien (Behavior-Exercise-Relaxation-Nutrition), wobei die Selbstregulation stets im Mittelpunkt steht. Wissenschaftliche Studien weisen darauf hin, dass MBI besonders wirksam im Kontext von Gesundheitsförderung und Prävention sowie bei chronischen, lebensstil- oder stressassoziierten Erkrankungen sind. Paradigmatisch folgen sie dem sogenannten Salutogenese-Ansatz, der auf eine Erkundung und Stärkung von Gesundheitsschutzfaktoren bzw. Widerstandsressourcen abzielt (individuelle Resilienz- und Kohärenzfaktoren) sowie eine Reduktion von Belastungen (vgl. Stress) anstrebt. Neurobiologisch sind MBI eng mit dem Placebo-Effekt, auch Kontext-Effekt genannt, verbunden. Als Aktivator von Potenzialen der Selbstheilung und Gesundheitsfürsorge kann die MBM trainiert und gestärkt werden, wozu häufig „Experten der Gesundheitsförderung“ zum Einsatz kommen. Idealerweise arbeiten jene gemeinsam mit Experten für die konventionell-medizinische Behandlung in einem Team einer Einrichtung zusammen. Hierzu empfiehlt sich das sogenannte „Zweitürenmodell“, welches das integrative Zusammengreifen von Behandlungsmanagement einerseits und Patientenaktivierung andererseits bezeichnet. Einrichtungen, die derart patientenzentriert und teambasiert, multimodal und mit einem kombinierten Salutogenese-Pathogenese-Ansatz arbeiten, finden sich zunehmend auch im Kontext einer Integrativen (Allgemein-)Medizin.

Dieses Kapitel beschreibt die Entstehung der MBM im Kontext historischer Entwicklungen, auch vor dem Hintergrund einer seit den 1970er-Jahren in den USA aufkommenden Meditationsforschung sowie der wissenschaftlichen Untersuchung des Stressphänomens. Bezüge zur Grundlagenforschung inkl. neurobiologischer Belohnungs- und Placebophysiologie werden hergestellt, Abgrenzungen zur Psychotherapie vorgenommen und ein konkretes Handlungskonzept vorgestellt.

Summary

Mind Body Medicine (MBM) is an important part of today’s Integrative Medicine. The term originally comes from the USA, where MBM has now been integrated into general medical care. It includes, in particular, medical procedures and approaches that strengthen self-help skills and use mental and physical techniques. In addition to its practical aspects, the academic dissemination of MBM also includes a differentiated study of its mechanisms of action – important work in mindfulness and relaxation research also belong in this area.

In Germany, MBM has a close relationship to naturopathy, explicitly, to the so-called ‘order therapy’ (Ordnungstherapie – OT). This is why some experts in the field of naturopathy in Germany equate MBM with OT.

 

Currently, a growing number of therapies and interventions have been grouped under the generic term of MBM, also called mind body interventions (MBI). MBIs usually follow the BERN criteria (Behavior-Exercise-Relaxation-Nutrition), whereby the focus in each column always lies on self-regulation.

Scientific studies indicate that MBIs are particularly effective in the context of health promotion and prevention, as well as for chronic, lifestyle, or stress-related diseases. Paradigmatically, they follow the so-called salutogenetic approach, which aims to explore and strengthen health protection factors or resistance resources (individual resilience and coherence factors) as well as to reduce stress. From a neurobiological point of view, MBIs are closely related to the placebo effect, also known as ‘contextual effects’.

As an activator of the potential for self-healing and health care, MBM can be trained and strengthened effectively, for which ‘experts in health promotion’ are often used. Ideally, they work together with experts in conventional medical treatment as part of a team at a single integrated facility. Hence, the so-called ‘two-door model’ is recommended for this purpose – which describes the integrative combination of medical treatment management on the one hand and patient activation (MBM) on the other. Institutions that work in such a patient-centered and team-based, multimodal way together with a combined salutogenesis-pathogenesis approach are increasingly common in the context of integrative (general) medicine.

This chapter describes the development of MBM in the context of historical developments. This context also against the backdrop of meditation research that has been emerging in the US since the 1970s and the scientific investigation of the stress phenomenon. References to basic research, including neurobiological reward, and placebo physiology are included while demarcations to psychotherapy and a concrete action plan are also present.