Große Briefe der Freundschaft

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Das »Pflegkind« Maria Theresia an Gräfin Rosalie von Edling

Maria Theresia (1717–1780) war Erzherzogin von Österreich, Königin von Böhmen und Ungarn und in gewisser Weise ungekrönte Kaiserin. Im Jahre 1745 erreichte die Erbtochter Kaiser Karls VI. nämlich die Wahl und Krönung ihres Ehemannes Franz I. zum deutschen Kaiser; die Regierungsgeschäfte führte aber allein Maria Theresia. Sie war Mutter von sechzehn Kindern, unter ihnen die beiden künftigen Kaiser Josef II. und Leopold II. Marie Antoinette, die unglückselige französische Königin, die ihr Leben im Zuge der Französischen Revolution verlor, war eine Tochter der österreichischen Machtpolitikerin. Maria Theresia war ihren Kindern zwar oft liebevollste Mutter, aber ihrer ambitionierten Heiratspolitik entkam nur die Tochter Marie Christine, die als Einzige den Mann heiraten durfte, den sie liebte.

Dieser auf der einen Seite warmherzigen, auf der anderen oft kalt kalkulierenden ungekrönten Kaiserin war die Gräfin Rosalie von Edling (1695–1779) eine geradezu mütterliche Freundin. Von Jugend an hing Marie Theresia mit kindlich-freundschaftlicher Liebe an Rosalie und suchte gerade in schweren Zeiten, wie etwa dem Tod eines Kindes oder auch ihres geschätzten Mannes Franz Stefan, Trost bei der alten, vertrauten Freundin. Briefe an Gräfin Rosalie von Edling

[Januar 1761]

Liebste Salerl. In meiner großen Betrübnis, einen so lieben Sohn, als wie der Karl war, verloren zu haben, habe [ich] keine andere Konsolation, als meiner alten, guten Freunde mich zu erinnern, wo Du eine der Ersten bist, und niemals genug Dir meine Erkenntlichkeit bezeigen kann für alles Gute, was ich Dir schuldig bin. Es ist hier ein sehr habiler Oculist, Wenzel genannt, der sehr vielen völlig geholfen […]. Er operiert viel geschwinder, weniger schmerzlich, und [es] kann der Star niemals mehr zurückkommen, weil er ihn nicht sticht, sondern herausnimmt, und die ganze Operation eine und eine halbe Minute dauert und nicht mehr Schmerzen als ein Aderlass macht. Wenn Du Dich resolvieren könntest, ihn zu sehen, so will ich Dir ihn schicken; Du dürftest Dich um nichts sorgen, da ich mich von allem chargiere; es soll Dir auch nichts kosten als das Logement. Ich erwarte also Deine Antwort und wäre wohl vergnügt, wenn ich Dir zu etwas nützlich sein könnte. Bete für mich, da ich es in allem nötig habe, denn Gott hat mir viel auferlegt. Ich verdiene es nur allzu wohl, verlange nichts anderes als zu seiner Ehre und zum Nutzen der Länder und Heile meiner Kinder, solang Gott es noch will, mein Leben anzuwenden, so traurig es auch jetzt und künftig noch zu sein scheint. Seine Gnade aber ist mir dazu höchst nötig, denn ohne selbe ist der Mensch nichts und ich noch weniger als ein anderer.

Liebste Salerl, ich wünsche, statt dieses [Briefes] mit Dir reden zu können, und bleibe allzeit Deine gewiss treue, alte Freundin

Maria Theresia

Den 21. Februar 1766

Liebste, beste und älteste Freundin, wer hätte es jemals gemeint, dass Du mich als Witwe sehen sollst! Gott hat dieses schwere Schicksal über mich verhängt; seine Gnade, sein Wille ist es allein, der mir helfen kann, es zu ertragen. Den vollkommensten, den liebenswürdigsten Herrn habe ich verloren; seit dreiundvierzig Jahren war mein Herz ihm allein ganz angetan; er war mein Trost in allem, in meinem harten Lebenslaufe, jetzt ist nichts mehr für mich. Wie glücklich fände ich mich, wenn ich bei Dir meine letzten traurigen Tage und in der Stille mein Seelenheil beschließen könnte! Auch diesen Trost habe ich nicht und [muss] wegen so vieler Kinder, die, vorhin mein Vergnügen, jetzt mir große Sorgen und Kummer machen, noch in dem Getümmel der Welt bleiben, welche mir schier unerträglich scheint.

[…] Bete für mich, liebste Salerl, dass Gott mich erleuchte und stärke, solang ich noch in dieser Welt herumkugeln soll, und sei versichert von meiner wahren Freundschaft.

Maria Theresia

Ich schicke Dir hier eine traurige Denkmünze, die aber jetzt mein einziger Trost ist.

Den 30. August [1766]

Liebste Salerl. Nach der Gewohnheit von etlichen und fünfzig Jahren [kommt] in fünf Tagen Dein Ehrentag, den ich niemals vergesse bei der heiligen Messe. Unser wertester Erzbischof kommt wieder zu Dir. Ich bin ihm und Dir neidisch, denn gern und nötig für mein Seelenheil wäre, in Ruhe und Stille meine alten schweren Tage zu endigen.

Ich schicke Dir spanischen Tabak; wenn Du ihn gut findest oder Dein Herr, so kann [ich] Dich öfter bedienen, und schicke Dir eine Dose wie einen Stammbaum, wo der jetzige Kaiser und ich sind, der König und die Königin von Frankreich und Heinrich IV. oben. Sie ist mir aus Paris geschickt worden, eine rechte Kinderei. Deiner treuen Sekretärin Esther schicke ich die andere Kleinigkeit, und sei persuadiert von meiner alten Freundschaft, Liebe, Hochschätzung und Dankbarkeit.

Maria Theresia, Dein Pflegkind

Die Familie Klopstock und »Vater Gleim«

Friedrich Gottlieb Klopstock (1724–1804) war einer der bedeutendsten Dichter des 18. Jahrhunderts. Er befreite die deutsche Lyrik von der Regelstarre der vorhergehenden Jahrzehnte, verlieh ihr neuen Schwung und kann so als Wegbereiter der großen Dichter des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts gesehen werden. Dem Primat der Vernunft, das die frühen Aufklärer vertraten, setzte Klopstock das Gefühl entgegen und wurde so zu einem der wichtigsten Vertreter der sogenannten »Empfindsamkeit«.

Ähnliches gilt für Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719 –1803), ebenfalls empfindsamer Dichter, dessen Nachruhm als Poet zwar nicht mit dem Klopstocks zu vergleichen ist, der aber die Ideale der Empfindsamkeit wohl konsequenter lebte als irgendein anderer. Im Zentrum dieser Bewegung standen die Freundschaftsbünde – Männer und Frauen, Dichter und Denker liebten sich von Herzen und ohne Zurückhaltung als wahre, treue Freunde, überschütteten sich mit Zuneigung und hielten emotional nichts zurück. Das macht die Briefe von Gleim und der Familie Klopstock bis heute so rührend zu lesen; sie geben uns Einblick in eine Zeit, in der man weniger reserviert war, sich weder seiner Tränen noch seiner Freude noch seiner Liebe schämte und in der Freundschaft das höchste Gut auf Erden sah.

Gleim lebte dieses Ideal bis zur letzten Konsequenz. Er war mit fast allen poetischen und geistigen Größen seiner Zeit befreundet. Sein Wohnhaus in Halberstadt, das heutige Gleimhaus, machte er gegen Ende seines Lebens zu einem »Freundschaftstempel«. Aus seinen Briefen an Klopstock oder auch dessen Bruder Karl Christian (Klopstock hatte insgesamt 16 Geschwister), die Gleim um die Mitte seines Lebens schrieb, wird deutlich, wie sehr es ihm zu schaffen machte, dass kaum einer seiner Mistreiter den Freundschaftsidealen der Jugend mit der gleichen Treue anhing wie er selbst.

Nichtsdestotrotz dauerte die »Blutsfreundschaft« zwischen Gleim und Klopstock von früher Jugend bis in den Tod. Gerade im Alter näherten sich die beiden wieder an, und die späten Briefe sprechen von einer ähnlichen, wenn auch vielleicht weniger hitzigen Innigkeit wie die frühen.

Ein Merkmal der Freundschaftsbünde der Empfindsamkeit ist ihr umfassender Charakter. Sie beschränkten sich nie auf nur zwei Freunde, sondern schlossen alle, die sie liebten, mit ein. Ein Beispiel ist die Beziehung zwischen Meta Moller (1728–1758), Klopstocks großer Liebe und späterer Frau, und Gleim. Fröhlich nennt Meta, auch »Klärchen« genannt, Gleim ihren »Nebenbuhler«, will es nicht hören, dass Klopstock sie möglicherweise mehr lieben könnte als seinen Freund, und bietet Gleim ihre freundschaftliche Liebe schon allein deshalb an, weil er eben Klopstocks Freund ist.

Ähnliches wiederholte sich über vierzig Jahre später mit Johanna Elisabeth von Winthem (1747–1821), Metas Nichte, die Klopstock in hohem Alter ehelichte (Meta war nur vier Jahre nach der Eheschließung im Kindbett gestorben, und Klopstock betrauerte sie im Grunde sein Leben lang). Johanna, genannt Windheme, wurde ebenso in den »Freundschaftsbund der alten Männer« einbezogen wie Elisa, Gleims Nichte, die den »Vater Gleim« umsorgte (deswegen der Spitzname »Tante Nichte«). So gewann Gleim im Alter einen Abglanz des jugendlichen Freundschaftsbundes zurück, dessen Abklingen ihn oft so geschmerzt hatte.

Klopstock an Gleim

Quedlinburg, den 30sten Juli 1752

Wenn es möglich wäre, dass ich mit Ihnen böse werden könnte, mein lieber Gleim, so würde ich es werden, dass Sie weder kommen noch schreiben, warum Sie nicht kommen. Ich denke doch nicht, dass unser lieber Ramler auch etwas Schuld mit hat? Das wäre ein bisschen gar zu früh in der ersten Woche nach der Hochzeit. Doch ich halte ihn für unschuldig, und Gleim, Gleim, der böse, der geliebte Gleim allein hat die Schuld. Ihm, diesem bösen Manne, befehle ich hiermit, dass er morgen früh um 8 Uhr in Quedlinburg sei; Ramler und Sucro bitt’ ich aufs Freundschaftlichste darum.

Klopstock an Gleim und Ramler

(Die Anspielung auf »Fanny« und »Klärchen« bezieht sich darauf, dass Klopstock durch die liebreiche Begegnung mit Meta Moller endlich seine unglücklich erste Liebe zu Maria-Sophia Schmidt, genannt Fanny, überwunden hatte.)

Quedlinburg, den 31sten Juli 1752

Wenn Sie wüssten, was mir Ihre Terminstage für Unruhe machen! Die kurze Zeit, da ich noch hier sein kann! Mein Verlangen, diese mit meinen Eltern und Ihnen zuzubringen! – Ach! Gleim! Kommen Sie zu mir, wenn es Ihnen irgend möglich ist! Ich muss die Zeit meines Hierseins gewiss länger als nur Einen Tag Sie genießen, ob Sie gleich so gleichgültig gegen die weltlichen Dinge sind, dass Sie nur Einen fordern. Gehört denn die Freundschaft, gehört unsere Freundschaft auch mit den weltlichen Dingen? Wie sehr, sehr gern möchte ich bei Ihnen sein! Aber meine Eltern lassen mich noch nicht fort. Schreiben Sie mir wenigstens. –

 

Und Sie, mein lieber Ramler, Sie müssen wissen, dass ich gewiss schon von Ihnen geträumt [hätte], wenn ich nicht immer von einem Mädchen, das Klärchen und nicht Fanny heißt, träumte. Und dann, mein lieber Herr Bräutigam, müssen Sie auch wissen, dass Ihre arme Braut von Ihrer zärtlichen Gewissenhaftigkeit gegen Ihre Freunde zum Mindesten auch ein kleines Teilchen haben will, nämlich, dass Sie alles, alles anwenden, mit unserm Gleim zu kommen. Mit aller Jungferlichkeit einer sittsamen Braut biete ich Ihnen dafür einen Kuss an, wenn Sie kommen; da es hingegen bei Ihnen drüben zu nichts weiter kommen wird, als dass Sie mir die Hand küssen dürfen!

Ich bin, meine liebsten Freunde,

Ihr etc.

Meta Moller an Gleim

Hamburg, den 3ten November 1752

Sie haben wohl gedacht, dass ich gar nicht an Sie schreiben würde? – Aber Klopstocks Gegenwart und hauptsächlich meine Krankheit ist ja wohl Entschuldigung genug. Jetzt aber sollen Sie auch einen langen, langen Brief haben, der ganz von Klopstock voll ist; und wenn er dieses nicht sein sollte, so würde ich es doch wohl nicht anders können. Wie glücklich, wie unaussprechlich glücklich bin ich, Klopstock liebt mich! – Ja, nun habe ich weiter keine Ausdrücke. Nun bleibt mir nur die ganze Empfindung meiner Glückseligkeit und meiner Liebe, und wie wollte ich zu diesen Empfindungen Ausdrücke haben. Ich hatte sie ja nicht in Klopstocks Armen. – Klopstock selbst hat sie nicht.

Ich bin jetzt freilich nicht so glücklich, als ich vor einigen Wochen war, da ich meinen Klopstock immer bei mir hatte; aber ich ertrage seine Entfernung doch noch ziemlich gut. Sie können [sich] denken, mein Freund, dass ich, was es hieße, Klopstock nicht haben, dass ich das in einem hohen Grade fühlen muss, weil ich gefühlt habe, was es hieß, ihn [zu] haben. […] Er ist gottlob immer so wohl und so munter, und er schreibt so fleißig. – Ein Brief ist zwar ein Brief, aber wenn man sich nicht selbst haben kann, so ist er schon viel.

Wollen Sie mir nicht auch bald einen Brief schreiben, Herr Gleim! Worin Sie so von einem Mädchen schwatzen wie ich von Klopstock? Oder hängen Sie noch immer den Gedanken nach: Ob denn auch für Sie so wohl ein Mädchen geschaffen wäre als für Klopstock? – Allerdings; Sie werden es finden. Seitdem Klopstock und ich uns gefunden haben, seitdem glaube ich ganz gewiss, dass sich alle die finden, die sich zugehören. Das sage ich zu meinen Freundinnen auch, die, seitdem sie Klopstock kennen, verzweifeln wollten, dass sie einen solchen finden werden. […] – Wie würde ich mich freuen, wenn ich einmal mit Klopstock zu Ihnen käme, und Sie würden geliebt! –

Wissen Sie wohl, dass ich Ihnen noch halb böse bin, dass Sie nicht mit Klopstock nach Hamburg gekommen sind? Dann hätte ich doch Klopstocks Gleim, den er vielleicht fast so lieb hat wie sein Klärchen, gekannt. […]

Sie sind zu sehr Klopstocks Freund und daher auch der meine, als dass ich mich nicht so unterschreiben sollte, als ich gegen Klopstock tue; nämlich im Voraus schon

Klärchen Klopstock

Klopstock an Gleim

Lingbyn, den 14ten August 1753

Ich habe Ihnen bisher nicht schreiben mögen, mein lieber Gleim, weil ich Sie und mich nicht gern daran erinnern wollte, dass Ihre Liebe, worüber ich mich so freute, aufgehört hat. Sie werden aber gleichwohl nicht loskommen, mir künftig einmal umständlich davon schreiben zu müssen. Jetzt bitte ich Sie, ob ich es gleich gern so bald wissen möchte, noch nicht darum, weil Ihre Wunde noch so frisch ist. Eins befürchte ich nur (aber überzeugen Sie mich ja bald, dass ich dies nicht zu fürchten habe), nämlich, dass Sie auf das Künftige zu sehr abgeschreckt sein möchten. Denn ich muss meinen lieben Gleim noch durch die Liebe glücklich sehen, das muss ich! Hören Sie, das leid’ ich nicht anders. Und wenn ich nach Deutschland komme und Sie haben keine Frau, so komm’ ich nicht nach Halberstadt! Merken Sie sich das! Auf den Grenzen können wir wohl zusammenkommen, aber nach Halberstadt komm’ ich nicht; das ist gewiss. –

[…] Meine Moller wird alle Tage runder. Sie hat sogar Grübchen an den Händen bekommen, und die Taille (ganz unparteiisch würde ich sagen, dass es die schönste ist, die ich gesehen habe), diese süße Taille hat nichts bei dem Rundwerden verloren. O, es ist kaum auszustehen, dass das süßeste unter den Mädchen noch nicht mein kleines Weibchen ist. – Merken Sie sich das. Ich wiederhol’ es. Sie müssen eins haben, wenn ich zu Ihnen kommen soll.

Meta Klopstock an Gleim

Quedlinburg, den 30sten Juli 1754

Ich habe mit Fleiß nicht eher als heute schreiben wollen, weil ich Ihnen heute erst sagen kann, dass das böse Fieber meinen Klopstock endlich verlassen hat. Wie sehr freue ich mich! Und Sie – – – ja, Sie freuen sich ebenso sehr, denn Sie lieben Klopstock ebenso sehr als ich – – – Nun, nun, ich will nicht mehr mit Ihnen hierüber schmälen, denn Sie haben doch in Ihren Briefen so getan, als wenn Sie mir einen Vorzug einräumten. Aber ich will mit meiner Liebe zu Klopstock auch nicht einen gar zu großen Vorzug vor Ihnen haben, und das müssen Sie dadurch beweisen, dass Sie bald, bald kommen und meinen lieben, süßen Mann, der nun wieder anfängt, heiter zu werden, besuchen. Sie sollen auch auf meinem Stuhle bei ihm sitzen und seine eine Hand haben. – – Aber ich sollte bald darüber zur Schwätzerin werden und jetzt, da mein Klopstock wieder besser wird, bin ich das wohl am besten gegen ihn; vor allem, da Sie, mein Herr Nebenbuhler, nicht zugegen sind. Aber kommen Sie, kommen Sie nur bald. Klopstock sagt mir noch einmal, dass ich Sie recht darum bitten soll und Herrn Sucro auch; ich bin sehr seine Freundin geworden, denn ich verstehe mich so ein bisschen auf sanfte Mienen.

Soll ich Ihnen jetzt danken oder soll ich mit Ihnen schmälen? – Ich danke Ihnen allerdings recht sehr sowohl für das Verzehrbare als für das Unverzehrbare; aber ich schmäle gleichwohl mit Ihnen, dass Sie immer Ihre Briefe auf die Art begleiten. Brauch ich denn noch mehr als wobei ich sagen kann: Das ist von Gleim! – Hab’ ich nicht Briefe von Ihnen? Und sind mir die nicht lieber als Bücher von andern? Ja, wenn Sie uns noch von Ihren neuen Oden nur zum Lesen geschickt hätten! – Warten Sie nur, ich weiß wohl, was ich Ihnen für einen Streich spielen will! Ich will Sie dann und wann bitten, mir einige vorzusagen, und dann: habe ich ein gutes Gedächtnis, und dann behalte ich sie.

Auf den Montag kommt Giseke hier an, um hier zu bleiben; und den Donnerstag über acht Tage kommen Gärtner und seine Frau. Sehen Sie, welch’ eine Versammlung von Freunden; aber Gleim, der Klärchens Nebenbuhler, der Klostocks Liebling ist, wann kommt der? –

Gleim an Klopstock

Halberstadt, den 6ten Februar 1764

Mit nichts, mein lieber Freund, mit nichts lässt sich Ihr Stillschweigen entschuldigen. Nicht mit der Faulheit des Postmeisters, nicht mit Ihrer Lust zu arbeiten, nicht mit der Hoffnung, mich bei sich zu sehen, nicht mit dem Vorsatz, zu mir zu kommen, kurz mit nichts. Es ist, als wenn Ihr, meine Freunde, Euch das Wort gegeben hättet, mich zum Tode zu ärgern. Zu allen sagt’ ich, dass mich nach ihren Briefen dürstet. Keiner löscht diesen freundschaftlichen Durst mit einem Trunke Wasser. O, die bösen Menschen! Selbst die Klopstocks taugen nicht viel. Mit dem Cato möchte’ ich sagen: »Die Welt ist mein nicht wert!« Und selbst Klopstock macht, dass ich es mit Recht sagen könnte. Wie lange werden Sie noch bei uns sein? Hernach werden Sie kaum an mich denken: Schreiben werden Sie gewiss nicht. Macht es euch übrigen Menschen denn gar kein Vergnügen, Briefe von euren Freunden zu bekommen? Oder ist es für euch große Geister zu klein? Vor zehn Jahren waren Sie ein viel andrer Klopstock! Ich könnte das Alter meiner Freunde aus ihren Briefen wissen. Es ist kläglich! Zehn Jahre jünger waren sie alle lebhafter, offenherziger; sie waren ganz Herz. Nach zehn Jahren werden sie alle ganz Verstand, ganz kalter, trockener Verstand sein. O, dieser fatale Verstand ist mir zuwider, mein lieber Klopstock! […] Gewiss ist, dass kein Mensch auf der Welt so sehr Ihr Freund und so bös’ auf Sie ist als

Gleim.

Klopstock an Gleim

Hamburg, den 25sten Februar 1773

– – – Ihr rotes Buch hat mir keine kleine Freude gemacht. Es hat sehr viel Neues in Sache und Ausführung; nur etliche lyrische Wiederholungen wünschte ich heraus, und hier und da eine kleine Härte. – – –

Sie mögen nichts davon schreiben, was Ihnen böse Leute getan haben? Wissen Sie denn nicht, dass man sich, bei Anlass eines solchen halb gesagten Worts, noch mehr betrüben kann, als wenn man weiß, worin die Sache eigentlich besteht? –

Ich umarme Sie mit meiner alten Freundschaft. –

Gleim an Klopstock

Halberstadt, den 13. April 1777

Bei den Freuden unsrer Jugend, mein bester, teuerster, liebster Freund und Gönner! Bei jenen unschuldigen Freuden! Die Ursache des Aufschubs meiner Beantwortung Ihres ersten Schreibens war der äußerste Mangel an Zeit. Ich wollte das liebe Schreiben, das, ich habe Zeugen, meinem Herzen so große Freude machte, nicht in einer dieser elenden, kalten Stunden beantworten, in welcher aller Geist und alles Leben von dem in Urteil und Rügen begrabenen, geschäftigen Mann gewichen ist, in diesen elenden Stunden der Lohnarbeit wollte ich so ein Schreiben, mitten aus dem Herz heraus geschrieben, nicht beantworten; ich wollte Muße haben, zu Geistes- und Herzenskraft mich erst zu erholen. –

Aber das zweite Schreiben, mein teurer Lieber! [Es] riss mich weg von Urteil und Rügen – da bin ich, schlage in Ihre Freundeshand und sage, dass ich von Jahr zu Jahr den Vorsatz hatte, die Freundschaft unsrer Jugend zu erneuern; sage, dass ich den deutschen Mann, den ich als Jüngling liebte, von Angesicht zu Angesicht betrachten, zu dem Ende nach Hamburg hinüberfliegen und bei seinen Musen ihn überfallen wollte. Der Himmel ist zuwider gewesen. […] Dieses Jahr ist’s wieder nicht möglich; übers Jahr aber, wenn Gott noch Leben gibt, umarme ich meinen alten, lieben Freund, mit diesem warmen Herzen, mit welchem ich immer der Ihrige geblieben bin.

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