Digitalisierung im Krankenhaus

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Die Digitalstrategie für das Krankenhaus

Ecky Oesterhoff und Henning Schneider

Braucht das Krankenhaus eine Digitalstrategie? Was ist überhaupt eine Digitalstrategie? Wird die nicht von der IT gemacht? Wir haben doch bei uns eine Medizinstrategie, der sollte doch die IT als Unterstützer folgen, oder?

Wenn wir davon ausgehen, dass es in 5–10 Jahren spürbar weniger Krankenhäuser gibt als im Jahr 2021 und wir wissen, dass wir uns gerade in diesen Jahren in einem disruptiven Prozess des Gesundheitswesens befinden, dann scheint es logisch, dass der Umgang mit dem Thema „Digitalisierung“ und der Fortbestand eines Krankenhauses eng miteinander verwoben sind. Oder um es noch klarer zu formulieren:


Ein Krankenhaus, das heute nicht zumindest einen zielorientierten Strategieprozess angestoßen hat, wird in existenzielle Nöte geraten. Die Frage ist lediglich, wann.

Die Digitalisierung wird oft mit der Erfindung der Dampfmaschine und der Industrialisierung verglichen. Auch hier entstanden neue Berufsbilder, andere verschwanden oder haben sich massiv verändert. Zudem waren die Prozesse von einer euphorischen Aufbruchstimmung, aber auch von großen Ängsten geprägt.

Die Besonderheit in der Digitalisierung der Krankenhäuser besteht darin, dass wir uns im Grunde nur umschauen müssen. Es gibt einen großen Bruch zwischen dem privaten Erleben der digitalen Welt und dem, was uns als Patientin und Patient oder als Mitarbeiterin und Mitarbeiter in deutschen Krankenhäusern begegnet. Wer heute Kolleginnen und Kollegen für Berufe in der Pflege rekrutieren möchte, der trifft auf Menschen, die in aller Regel keine Überweisungsträger mehr zur Bank gebracht haben und denen die Karten-App deutlich vertrauter ist als die papierene Straßenkarte. Login funktioniert per Gesichtserkennung, und alle Daten sind im Zugriff, wenn sie benötigt werden.

Die meisten Krankenhäuser haben viele kleine Inseln von teilweise herausragender IT-Ausstattung. Sie haben aktuellste diagnostische Großgeräte und den neuesten Hybrid-OP im Umkreis, in dem sogar ein OP-Roboter betrieben wird. In aller Regel sind dies aber digitale Teilprozesse, die einen einzelnen Use Case oder Diagnose-, Therapie- oder Prozessschritt unterstützen. Dies hilft aber nicht gegen die fortwährenden Medienbrüche, die Zeit, Geld und Behandlungsqualität kosten. Und es hilft auch nicht, die immer komplexer werdenden Kommunikationsbeziehungen zu den Partnern außerhalb des Hauses abzubilden. Parallele Dokumentation auf Papier und am Computer ist der Alltag und führt dazu, dass IT nicht als eine Verbesserung der Arbeit wahrgenommen werden kann.


Die Welt um die Krankenhäuser herum beschäftigt sich mit KI, Big Data und Evidence based Medicine, die Krankenhäuser beschäftigen sich mit dem Faxversand der Papierakte.

Dem ist nur mit einer tragfähigen Digitalisierungsstrategie zu begegnen, die die Abläufe und Prozesse und deren disruptive Veränderung durch Einsatz von IT im Fokus hat.

Wir wissen aus Branchenumfragen, dass je nach Art der Frage oder des Fragenden etwa nur 50–70% der deutschen Krankenhäuser eine IT-Strategie haben. An dieser Stelle sei erwähnt, dass ein vermeintlich auskömmliches IT-Budget nicht mit einer Digitalisierungsstrategie gleichzusetzen ist. Hierfür gibt es zahlreiche Gründe: Die Budgets der IT-Abteilungen sind in aller Regel völlig insuffizient, um von einer Elektrifizierung zu einer Digitalisierung zu kommen. Noch wichtiger als die finanziellen Mittel ist aber die notwendige Überzeugung der Entscheider:innen eines Krankenhauses zur Umsetzung einer Digitalisierungsstrategie. Einige innovative Häuser sind den Weg gegangen, eine verantwortliche Person als Digitalisierer: in auf Geschäftsleitungsebene zu installieren („CDO“ oder „CIO“). Noch wichtiger ist aber, dass die gesamte Führung eines Hauses die Digitalisierung als dauerhafte und nachhaltige Motivation verstanden hat und vorleben kann. Dabei geht es nicht nur um die Einführung eines IT-Systems, sondern vielmehr darum, die Kultur, Organisation und Arbeitsabläufe so zu führen und anzupassen, dass diese überhaupt mit großen Veränderungsprozessen, neuen Technologien und auch deren Problemen und Fehlern umgehen kann. IT-Abteilungen leiden oftmals unter dem Druck, eher als Kostentreiber denn als Innovationsmotor einer Einrichtung zu gelten. Auch deshalb sollte eine Digitalstrategie nicht der IT allein überlassen sein, sondern vielmehr die Menschen einbinden, die schließlich mit den Ergebnissen arbeiten werden. Wir haben in der Fläche viel zu wenig medizinisches Personal, das sich mit Digitalisierung auseinandersetzen kann oder darf. Und vice versa auch zu wenig medizinisches Wissen in den IT-Abteilungen. In der Vergangenheit wurden möglichst kurz und möglichst spät Ärzt:innen, Pfleger:innen und Therapeut:innen in IT-Projekte eingebunden, weil deren Ressourcen ebenfalls knapp waren.


„Key User“ für IT-Projekte werden oft diejenigen, deren Fehlen im Fachbereich am wenigsten bemerkt wird.

Wünschenswert ist hier ein komplettes Umdenken hin zu digitalaffinem medizinischem Personal, das sich in Vollzeit um die Digitalstrategie des Hauses gemeinsam mit der IT kümmern kann. Die IT sollte als Werkzeug des medizinischen Personals verstanden werden, das geformt und erlernt werden muss.

Die Digitalstrategie eines Krankenhauses wird niemals „fertig“ oder „komplett umgesetzt“ sein. Diese Pläne entstehen in einem technologisch, politisch und kulturell sehr dynamischen Umfeld. Vielmehr handelt es sich um einen kontinuierlichen Prozess, der iterativ den sich verändernden Rahmenparametern angepasst werden muss. Dennoch entstehen die Strategien in einem stark regulierten Markt, der mehr als alle anderen Branchen der regulativen Aufsicht und auch der Steuerung und den Berichtspflichten durch die Selbstverwaltung unterliegt.

Schon heute sind zu kleine und oft wenig akademisierte IT-Abteilungen viel zu wenig mit Prozessen beschäftigt, die unmittelbaren Einfluss auf die Patientenbehandlung haben. Sie stellen Rechner und Drucker auf, sie konfigurieren Netzwerke, sie administrieren Firewalls und Intrusion-Prevention-Systeme (wenn sie denn bereits eines im Einsatz haben), sie bedienen unzählige Schnittstellen zu diversen medizinischen Registern und Qualitätsdatenbanken, kümmern sich um Telefonie- und Videosysteme, verantworten das Lizenzmanagement etc. Kurzum: Das IT-Department ist komplett mit der täglichen Aufrechterhaltung des infrastrukturellen Status beschäftigt. Und dies unter stark steigenden Anforderungen bezüglich Cyber-Crime und Datenschutz:

Große Häuser (>30.000 stationäre Fälle p.a.) werden vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnologie („BSI“) als KRITIS, d.h. kritische Infrastrukturen betrachtet, also zu Recht wie Kraftwerke oder Banken. Und auch kleinere Häuser werden zukünftig ab 2022 den sog. „B3S“ anwenden müssen – ein Branchenstandard, der von der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) in Abstimmung mit dem BSI erarbeitet wurde und sich an die KRITIS-Verordnung anlehnt.


Der Umgang mit der Informationssicherheit ist dabei genauso wenig ein IT-Thema wie die Entwicklung der Digitalisierungsstrategie. Beides gehört in die Verantwortung der Unternehmens- und Geschäftsführung und wird Grundlage und ein wichtiger Erfolgsfaktur zukünftiger Krankenhäuser sein.

3.1 Die ePA als Blaupause

Aber neben solchen Sicherheitsthemen bestimmen auch die Inhalte der intersektoralen Versorgung das Tun in den Häusern: Das Jahr 2021 wird davon geprägt sein, die Einrichtungen für die Teilnahme an der elektronischen Patientenakte (ePA) fit zu machen. Dieser Prozess hat im ambulanten Bereich Jahre gedauert, und die stationäre Welt soll nun zügig nachziehen. Die ePA ist ein hervorragendes Beispiel für die Details einer Digitalstrategie. Sie ist weder ein reines Thema der Hardware-Aufstellung oder von Softwareprogrammen noch ist dem Prozess allein durch das inhaltliche Befüllen durch das medizinische Personal zu begegnen. Und sie wird sich über die nächsten Jahre noch erheblich weiterentwickeln.

Der Umgang mit der ePA beginnt bereits bei der Patientenaufnahme. Die IT, aber auch die Organisation des Hauses muss so strukturiert werden, dass sie die kommenden digitalen Inhalte, die die Patientin oder der Patient mit der ePA mitbringt, auch direkt in die Kernsysteme des Hauses integrieren, verarbeiten und für den weiteren Aufenthalt nutzen kann. Nur so profitieren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der administrativen, pflegerischen und ärztlichen Aufnahme und Anamnese. Wenn dies gelingt, dann erreichen sie einen gewaltigen Hub im Ressourceneinsatz und der Behandlungsqualität. Sie steigern die Mitarbeiter- und Patientenzufriedenheit. Sie unterstützen Apothekenprozesse, digitalisieren die Pflege und beginnen quasi schon in der Aufnahme mit einem strukturierten Entlassprozess. Hierzu benötigen sie selbstverständlich eine immense Anzahl von Kartenlesegeräten, ID-Verfahren, Hardware-Komponenten zur Kommunikation mit der ePA und ein komplexes und kostenintensives Projekt mit ihren wesentlichen Lieferanten. Der anspruchsvollere Teil wird aber sein, die etablierten Prozesse und mühsam erarbeiteten Routinen des Hauses infrage zu stellen und neu zu gestalten und die unterschiedlichsten Interessen und Hierarchien zusammenzubringen. An diesem Beispiel erkennt man eindrucksvoll die Herausforderungen und Chancen.

 

Gelingt Ihnen diese Führungsaufgabe, dann haben Sie ein Stück relevanter Digitalisierung auf den Weg gebracht. Die Selbstverwaltung gibt Ihnen vor, dass Sie das Haus an die ePA anschließen müssen. Wie Sie das tun und ob Sie dies in eine größere Strategie einfügen können, das macht den Unterschied zwischen einem nur leidlich funktionierenden und einem digital starken Krankenhaus aus.


Leider erkennt man heute in vielen Krankenhäusern eher nur den Ansatz, lediglich die minimal notwendigen Installationen vorzunehmen, um den gesetzlichen Anforderungen zu genügen, und nicht, dies als Startschuss einer Digitalisierungsinitiative zu sehen.

3.2 Wie weit bestimmt der Gesetzgeber die Digitalstrategie eines Krankenhauses?

Der Anschluss an die ePA ist gesetzlich verankert. Einrichtungen müssen dies schon allein deshalb realisieren, um Strafen zu umgehen. Das im Jahr 2020 verabschiedete KHZG (Krankenhauszukunftsgesetz) enthält darüber hinaus diverse Punkte, die auf der einen Seite mit förderungsfähig sind, andererseits aber auch mit Abschlägen versehen sind, wenn sie binnen 5 Jahren nicht umgesetzt werden. Es erscheint also mehr als sinnvoll, die Gesamtstrategie des eigenen Hauses vor diesem Hintergrund erneut zu betrachten.

Das KHZG stellt innerhalb der nächsten Jahre bundesweit in Summe 4,3 Mrd. Euro allein für die Digitalisierung der Krankenhäuser zur Verfügung. Es besteht aus Kernthemen, die sich dadurch auszeichnen, dass sie bis Ende 2024 ungesetzt sein müssen. Geschieht das nicht, dann sind Abschläge von bis zu 2% auf jede Patientenrechnung möglich. Diese Themen sollten also unbedingt ein wesentlicher Teil der Strategie sein – falls sie nicht ohnehin schon in Ihrer Einrichtung in Umsetzung sind. Es handelt sich um die Förderthemen 2–6 des § 19 KHZG: digitale Patientenportale, elektronische (sprachbasierte) medizinische Dokumentation, automatisierte Entscheidungsunterstützung, digitales Medikationsmanagement und elektronisches Leistungsmanagement.

3.3 Faktor Zeit

Natürlich gibt es keine pauschale Antwort auf die Frage, wie lange es dauert, eine Digitalisierungsstrategie für ein Krankenhaus zu entwickeln. Noch anspruchsvoller ist die Frage nach der Umsetzungsdauer. Auch hier kann ein Beispiel eines ohnehin schon vorgegebenen Themas aus dem KHZG zur Veranschaulichung dienen: Das digitale Medikationsmanagement. Wollen Sie diesen Teilaspekt in die Gesamtstrategie einbetten, bedarf es einer engen Abstimmung mit den unterschiedlichsten Stellen im Haus: die Apotheke, der mit der Medikation betraute ärztliche und pflegerische Dienst, die Leitung Finanzen, die Informationstechnologie, die Mitarbeitervertretung, ggf. das (Multi-)Projektmanagement und Juristen. Sie müssen klären, wie Ihre digitale und prozessuale Absprungbasis ist und welchen Grad der Digitalisierung Sie auf dieser Basis als sinnvoll und erreichbar ansehen. Und, Sie ahnen es, all das muss mit den weiteren Projekten des Hauses in Beziehung gesetzt werden.

Auch hier ein Beispiel: Neben der Medikation ist auch die Dokumentation medizinischer Leistungen Teil der Förderung durch das KHZG. Ihr Strategieprozess sollte nun differenzieren, ob sie die Medikation komplett digital abbilden möchten („closed loop medication“), was dann aber auch die digitale Dokumentation der Medikationsgabe am Bett einschließt. Gegebenenfalls hat Ihr Haus die Pflege schon digitalisiert, sodass Sie hier auf hohem Niveau ansetzen können. Oder aber Sie arbeiten in der Pflegedokumentation noch papierbasiert und sollten nun entscheiden, ob Sie in Ihrem Haus zunächst diesen Prozess angehen, da eine digitale Pflege die Basis für viele weitere digitale Vorhaben darstellt.

Der Markt der Healthcare-IT in Deutschland ist so dynamisch wie nie in den letzten Jahrzehnten, nicht zuletzt durch die Anreize des KHZG. Das ist gut so, bedeutet aber auch, dass sich Kund:innen, Hersteller:innen und Berater:innen neu zusammenfinden müssen. Sicherlich gibt es Beratungsunternehmen unterschiedlichster Qualität im Markt, und es kann sehr sinnvoll sein, sich von außen Hilfe bei der Erstellung einer Digitalstrategie zu holen. Aber unabhängig von der Art der Entstehung sind einige Zielfragen zu beachten.


Zielfragen

Hat das Haus eine digitale Kultur in der Führung und an der Basis?

Wie ist der Grad der digitalen Reife des Hauses zum aktuellen Zeitpunkt – wie kann das Zielbild sein?

Welche der ab 2025 mit Strafen belegten „Must-Haves“ aus dem KHZG habe ich bereits/kann ich bis dahin umsetzen?

Wie kann das Thema IT-Sicherheit und Datenschutz verantwortlich und sinnvoll im Unternehmen verankert werden?

Was ist darüber hinaus der Organisation noch zuzumuten?

Wer sorgt für einheitliche Prozesse? Kann die Einrichtung diesen Prozess allein steuern, oder benötigt Sie externe Unterstützung?

Wie kann eine Organisation gestaltet werden, damit die Veränderungen durch Digitalisierung mitgetragen und gefördert werden?

3.4 Fazit

Vergessen Sie auf dem Weg nicht die einmaligen Chancen der Digitalisierung. Einmalig, weil dieser disruptive Prozess sich nur einmal in dieser Dekade vollzieht und es nicht verziehen wird, wenn Sie ihn verschlafen. Diese Lehre aus vielen anderen Branchen, die mit Blick auf die Aktienmärkte leicht zu identifizieren sind, sollten allen Entscheidern klar vor Augen führen, dass nur noch jetzt die Zeit zum Handeln ist.

In den nächsten Jahren werden die Mitarbeiter:innen aber auch die Patient:innen mit den Füßen über den Erfolg des Krankenhauses abstimmen, und beide Gruppen werden ein rückständiges Haus meiden. Ergo ist es alternativlos, eine Digitalstrategie zu haben – und diese auch zu leben. Größer als der Druck sind aber die Chancen. Sie können sich vom Wettbewerb differenzieren, das Haus kann zum digitalen Leuchtturm werden, einem Magneten für medizinische Expertise, der Personal wie Patient:innen gleichermaßen an die Einrichtung bindet. Sie haben ein Werkzeug, um dem Fachkräftemangel aktiv etwas Wirksames entgegenzusetzen. Das benötigen Sie schon allein deshalb, weil auch die Menschen in der IT-Abteilung schwer in den Tarifen des öffentlichen Dienstes für die Aufgaben zu halten oder zu finden sind. Und schlussendlich verbessern Sie neben der medizinischen Qualität und der Zufriedenheit der Mitarbeiter: innen auch noch das finanzielle Ergebnis.

Die Finanzierung der IT und der Fachkräfte, die die Digitalisierung umsetzen, ist und bleibt eine Herausforderung der Krankenhausführung. Das KHZG ist eine Chance, ganz wesentliche Impulse durch eine Förderung setzen zu können, und die Themen des Gesetzes werden ohnehin die Inhalte des Healthcare-Marktes für viele Jahre prägen. Wenn Ihr Haus aktuell keine Strategie dazu hat, dann kann die dringende Empfehlung nur heißen, mit allen verfügbaren Mitteln diesen Zustand zu ändern. Haben sie bereits eine Digitalisierungsstrategie, dann muss diese jetzt mit den im KHZG beschriebenen Kann- und Muss-Kriterien abgeglichen werden.

Ich wiederhole mich am Schluss bewusst: Ihr Haus wird nicht digitalisiert.


Das Haus muss sich aktiv und überzeugt auf den Weg begeben und verstanden haben, dass Digitalisierung den Patient:innen, den Mitarbeiter:innen und dem Management gleichermaßen hilft. Hierzu bedarf es des Mutes und der Weitsicht, heute die richtigen Entscheidungen zu treffen.

III
Das Krankenhauszukunftsgesetz


1
Krankenhauszukunftsfonds – Digitales Upgrade für die deutsche Kliniklandschaft

Stephan Krumm, Daniel Petros und Thomas Süptitz

Der vorliegende Beitrag spiegelt ausschließlich die persönliche Meinung der Autoren wider.

1.1 Die Geburtsstunde des Krankenhauszukunftsfonds

In nationalen und internationalen Rankings landet Deutschland im Bereich der digitalen Infrastruktur im Gesundheitswesen, vor allem derjenigen von Krankenhäusern, regelmäßig im hinteren Feld. Dies gilt insbesondere auch für den Digital Economy and Society Index (DESI) der Europäischen Kommission. Ziel von DESI ist es, verschiedene Indikatoren zusammenzubringen, um die digitale Performance der EU-Mitgliedstaaten zu bewerten. Dafür werden 30 Indikatoren aus 5 Dimensionen betrachtet. Im Bereich des öffentlichen Digitalservice, zu dem auch das Thema E-Health zählt, kommt Deutschland im aktuellen Ranking nur auf Platz 21. Ein ähnliches Ergebnis ergibt sich bei einer Betrachtung des EMRAM-Modells der HIMSS (Krankenhaus-Report 2019).

Solche Benchmarks können ganz grundsätzlich kritisch betrachtet werden. So berichtet Bannister (2004) von einem früheren Regierungsmitglied eines europäischen Staates, das sich darüber beklagt, dass entsprechende Rankings und Benchmarks nicht die wahren Anstrengungen eines Landes berücksichtigen würden. Bannister erläutert im selben Beitrag den Grund für diese Kritik: Allein die Frage, welchen Bereich ein Benchmark abbildet, ist kaum abgrenzbar. In anderen Worten: Konzentriert sich ein Benchmark beispielsweise nur auf das Vorhandensein einer digitalen Infrastruktur oder auch auf die administrativen Prozesse dahinter oder auch auf die Arbeitsabläufe der Nutzer:innen?

Ungeachtet dieser fundamentalen Kritik gegenüber Benchmarks werden diese von Entscheidungsträger:innen aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung aufmerksam betrachtet – nicht zuletzt aus Gründen der Governance (Schellong 2010).


Daher beeinflussen Benchmarks und deren Ergebnisse die öffentliche Wahrnehmung und Debatte und werden sehr häufig als Ausgangsbasis für Planungs- und Entscheidungsprozesse genutzt (Berntzen u. Olsen 2009).

Betrachtet man die Rankings der letzten Jahre, zeigen sich im zeitlichen Verlauf zwar Fortschritte bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens. Dennoch wird gerade im internationalen Vergleich ein Nachholbedarf überdeutlich. Damit geht auch die Gefahr einher, dass die Chancen und Potenziale einer Digitalisierung im Gesundheitswesen verpasst werden.

Eine wesentliche Ursache für den Nachholbedarf liegt in den historisch gewachsenen IT-Strukturen. In vielen Branchen – und dabei stellt das Gesundheitswesen keine Ausnahme dar – werden IT-Systeme seit Jahren oder gar Jahrzehnten eingesetzt. Dies hat dazu geführt, dass Daten – quasi siloartig – häufig redundant gespeichert und verarbeitet werden und ein Datenaustausch zwischen den Systemen – wenn überhaupt – nur in einem zu geringen Umfang erfolgen kann.

 

Gerade die COVID-19-Pandemie hat unterstrichen, dass die Krankenhausversorgung ein zentraler Bestandteil des Gesundheitswesens ist. Gerade durch stetig komplexer werdende Behandlungsmaßnahmen zeigt sich, dass Akteur:innen verschiedener Fachrichtungen interdisziplinär zusammenfinden und zusammenarbeiten und dadurch an vielen verschiedenen Stellen Daten anfallen. Gerade aus einem Zusammenführen dieser Daten und einem interoperablen Datenaustausch ergeben sich erhebliche Potenziale.

Um Modernisierungsimpulse auf diese gewachsenen IT-Strukturen zu setzen, hat das Bundesministerium für Gesundheit bereits zu Beginn der Legislaturperiode 2017–2021 ein Modell entwickelt. Dieses sieht im Kern vor, nach außen hin erkennbare Digitalservices zu beschreiben und zu fördern, die in ihrem Zusammenspiel dazu führen sollen, eine Digitalisierung nach innen – d.h. interorganisatorisch – auszulösen. Das soll vor dem Hintergrund geschehen, dass die Erfahrungen zeigen, dass eine Binnendigitalisierung nur schwerlich durch Maßnahmen auf „mikroorganisatorischer“ Ebene ausgelöst werden kann.

Dies zeigt sich vor allem am Fördertatbestand 2 (Patientenportale) des Krankenhauszukunftsfonds (KHZF). Dieser beschreibt den Behandlungsprozess aus einer Außensicht und definiert verschiedene digitale Dienste aus der Perspektive der Patient:innen. Diese digitalen Dienste erstrecken sich über den gesamten Behandlungspfad, angefangen von der Aufnahme über die eigentliche Behandlung bis hin zur Entlassung. Die in dieser Prozesskette zu erfassenden und anfallenden Daten sollen dabei zusammengefasst und auch gegenüber den Patient: innen transparent gemacht werden. Hinzu kommt, dass durch den Fördertatbestand auch deutlich wird, dass sich die Prozessdigitalisierung nicht allein auf die Krankenhäuser beschränkt, sondern ebenso auf weitere Akteure im Behandlungsprozess, insbesondere Leistungserbringer.

Da mit der Umsetzung solcher digitalen Dienste (Services) auch erhebliche Investitionsbedarfe einhergehen, wurde deutlich, dass eine entsprechende Förderung notwendig werden würde. Dies muss nicht zuletzt vor dem Hintergrund betrachtet werden, dass Investitionen in die Krankenhäuser, die im Rahmen der dualen Krankenhausfinanzierung in Deutschland (Finanzierung der Betriebskosten durch die Kostenträger einerseits und Investitionskostenfinanzierung durch die Bundesländer andererseits) in die Verantwortlichkeit der Bundesländer fallen, in den zurückliegenden Jahren nicht in hinreichendem Maße getätigt wurden. Somit wurden auch Investitionen in die digitale Infrastruktur nur unzureichend vorgenommen oder sind gar unterblieben.

Wenngleich die COVID-19-Pandemie zu enormen negativen gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen geführt hat und führt, wurde es durch das Investitionsprogramm der Bundesregierung möglich, das skizzierte Modell auch mithilfe eines Konjunkturpakets mit den notwendigen finanziellen Mitteln zu unterlegen.