Die Geschichte des Dorfes Wyhlert

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Die Glockenweihe von Stephan Hurst

Die Glockenweihe

VON STEPHAN HURST

Nur etwas mehr als vier Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges fand in Kippenheimweiler ein erstes großes Fest statt, welches wie kaum ein anderes die Gemeinde geprägt hat. Die Wylerter waren noch erschöpft durch den Krieg, viele Angehörige wurden immer noch vermisst oder waren in Gefangenschaft und die Häuser waren teilweise noch zerstört. Die Menschen sehnten sich nach Frieden und einem normalen Alltag.

Bereits 1940 waren die beiden 1924 neu angeschafften Glocken wieder beschlagnahmt worden. Die Gemeinde sollte sie nie wiedersehen. Die dritte, verbliebene Glocke war gesprungen, sodass nach dem Krieg alle drei Glocken in Auftrag gegeben wurden.

„Die Glocken standen in der Scheune meines Vaters (Ludwig Fleig, Anm. d. Red.) vom 16.10.–21.10.1949, daselbst war die Einführung und Abholung beim Dorf“, so hielt es Maria Katharina Beinroth geb. Fleig fest. Die Einholung der Glocken fand am Freitag, dem 21. Oktober 1949, um 16 Uhr statt.

Der Festumzug ist den damals Beteiligten noch heute in lebhafter Erinnerung. Das ganze Dorf war auf den Beinen und nahm rege teil.


Die Glocken wurden feierlich mit dem Wagen und den Festjungfern durch das Dorf zur Kirche gefahren. V. l. n. r.: Emil Frenk, Ludwig Fleig, Christel Stark geb. Zipf, Hanni Siefert, Else Gänshirt geb. Siefert, Gretel Siefert, Dorle Siefert, Dora Plogstedt geb. Siefert, Mathilde Siefert und Renate Zipf


Der Tross mit den Wagen von Gemeinderat und Bürgermeister sowie dem Kirchengemeinderat vor der Kapelle


Das ganze Dorf war beim Umzug dabei.


Pfarrer Erich Henschke am Rednerpult vor dem geschmückten Kriegerdenkmal und den Honoratioren der Gemeinde sowie der Bevölkerung


Eine besonders schöne und interessante Aufnahme zeigt den damaligen Pfarrgemeinderat. V. r. n. l.: Jakob Siefert („s’Rasierers“), Julius Zipf („Hirschwirts Jülli“), Karl Kuhn, August Weinacker (Wagnermeister, „s’Krummholze“), Georg Zipf („s’Melene Schakobe“), Johann Georg Hertenstein (im Volksmund „Luftschutzminister“ genannt), Pfarrer Kaiser. Hinter den Abgebildeten steht der Wagen mit den Glocken.


Der Umzug näherte sich über die Wylerter Hauptstraße der evangelischen Kirche. Im Hintergrund das im Krieg schwer beschädigte Wohnhaus Julius Zipf (heute: Haus Krampfert)


Neben dem Singen eines gemeinsamen Liedes, einem Lied des MGV Sängerrunde, der Ansprache des Pfarrers Henschke, den Glockensprüchen der Festjungfern, dem Lied des Kirchenchors und dem gemeinsamen Gebet hielt Helga Fleig den Prolog. Die weiteren Personen dahinter sind v. l. n. r.: Friedrich Fleig (Bürgermeister), Rudolf Stubanus (Friseur), Julius Siefert (Kirchendiener), Wilhelm Schmidt („Schmidt Jerge“)


Eine der wenigen Aufnahmen vom Hochziehen und Einholen der Glocken in den Kirchturm. Die Glockenweihe selbst war zwei Tage nach dem Festumzug. Am Sonntag, dem 23.Oktober 1949, fand der Festgottesdienst um 14 Uhr in der Kirche statt. Die feierliche Glockenweihe nahm der Dekan vor. Bis heute sind die drei Glocken noch in Gebrauch: Mögen sie noch lange als Botschafter des Friedens dienen!

Die drei Glocken

Die große Glocke Inschrift: Gloria in excelsis! Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen! Ton: fis’ Gewicht: 660 kg

Die mittlere Glocke: Inschrift: Rogate! Bittet, so werdet ihr nehmen, daß eure Freude vollkommen sei! Ton: a’ Gewicht: 390 kg

Die kleine Glocke: Inschrift: Jubilate! Jauchzet Gott, alle Lande! Ton: h’ Gewicht: 280 kg

Die Landwirtschaft von Stephan Hurst

Die Landwirtschaft

VON STEPHAN HURST

Sich ein Bild von der Landwirtschaft zu machen, ist auf verschiedene Arten möglich. Zum einen im wörtlichen Sinn: Es gibt kaum ein Thema des ländlichen Lebens, das fotografisch so detailliert dokumentiert wurde wie das der täglichen Arbeit auf Hof und Feld. Ein weiteres Bild geben uns all die Erinnerungen und Berichte der Zeitzeugen, der Landwirte und Landwirtsfrauen. Zudem gibt es statistische Angaben und Zahlen zur landwirtschaftlichen Produktion in Hülle und Fülle. Vielerlei Berufsgruppen wie Agrarwissenschaftler, Politiker, Historiker und Soziologen beschäftigen sich außerdem mit dem Thema „Landwirtschaft“ und berichten darüber.

Kippenheimweiler war viele Jahrhunderte ein reines Bauerndorf. Die Landwirtschaft, das Bewirtschaften des Bodens und die Haltung von Vieh und Hausnutztieren bestimmten den Jahresablauf. Die Feld- und Hofarbeit prägte das Zusammenleben der Menschen im Dorf. Zu den Landwirten kamen in den vergangenen Jahrhunderten nach und nach die Handwerker hinzu, welche gerade im landwirtschaftlichen Bereich benötigt wurden und sich spezialisierten: Zimmerleute, Schmiede, Wagner, Küfer und Weber. Mit ihnen zog die Arbeitsteilung ein, und sie fertigten die für die Betriebe notwendigen Gerätschaften wie Pflüge, Wagen, Eisenbeschläge und bearbeiteten das Holz für den Haus- und Schopfbau. Später ergänzten Metzger, Bäcker, Schneider, Schuhmacher und Schreiner die Berufsbilder des Dorfes. So waren auch in Kippenheimweiler alle notwendigen „Dienstleister“ vorhanden und übten nebeneinander her ihre Berufe aus. Das Gros des Dorfes jedoch war immer noch Landwirt, Knecht oder Magd. Die größeren und wohlhabenderen Bauern hatten im Ort auch im öffentlichen Leben ihre Stellung und ihren Einfluss. Die weniger wohlhabenden Bauern hatten ein weitaus schwierigeres Einkommen, und die besitzlosen, ärmeren Familien verdingten sich oft als Tagelöhner, Knecht oder Magd bei den großen Landwirten.

Die Bauern erzeugten vor allen Dingen das, was sie selbst brauchten. Recht wenig wurde verkauft, das Allermeiste wurde für den eigenen Bedarf behalten. Die Dreifelderwirtschaft gab die Bebauung des Bannes mit Sommerfrucht, Winterfrucht und Brache vor. Diese wechselten regelmäßig und gesamtheitlich, die Fruchtfolge musste vom ganzen Ort streng eingehalten werden. Ende des 18. Jahrhunderts kam eine große Änderung mit dem Wegfall des Flurzwanges, welcher die Bauern unter Strafe zur Einhaltung der Bewirtschaftung verpflichtete. Mit dem Anbau neuer Nutzpflanzen wie Tabak änderte sich die Bewirtschaftung ebenso wie mit der Einführung der Stallviehhaltung. Die Intensivierung der Landwirtschaft nahm zudem auch vor allem durch das Entstehen der künstlichen Düngung im 19. Jahrhundert und den Beginn des Maschinenzeitalters zu.

Der Tabakanbau hatte gerade im 19. Jahrhundert seine Blütezeit. Er ist sehr arbeitsintensiv und prägte über viele Jahrzehnte das Bild um Kippenheimweiler. Die klimatischen Verhältnisse gerade in der Oberrheinebene sind wie geschaffen für den Anbau von Tabak, so wie es bis etwa 1900 auch für den Hanf und den Flachs gegolten hatte (siehe Kapitel „Die Hanfrözi“).

Das Bevölkerungswachstum im 19. Jahrhundert veränderte auch die Landwirtschaft. Viele Arbeitskräfte, die zuvor in der von Handarbeit geprägten Landwirtschaft tätig waren, wanderten in die Fabriken ab. Die Tabakindustrie und die fortschreitende Industrialisierung in Lahr und Dinglingen schöpften viele der zuvor im landwirtschaftlichen Sektor Tätigen ab.


Einwohnerstatistik von 1818 bis 1951
1818 360
1823 416 (243 ev., 173 kath.)
1825 430 (277 ev., 153 kath.)
1830 470 (99 Familien)
1852 547 (365 ev., 182 kath., 107 Familien, 88 Bürger, 18 Bürgerwitwen, 36 Dienstboten)
1855 505 (341 ev., 164 kath., 96 Familien)
1858 509 (358 ev., 151 kath., 96 Familien, 35 Dienstboten)
1861 525 (357 ev., 168 kath., 104 Familien, 44 Dienstboten)
1875 560 (404 ev., 156 kath.)
1900 609 (482 ev., 127 kath.)
1910 594 (467 ev., 127 kath., 126 Haushalte)
1925 598 (476 ev., 122 kath.)
1933 621
1939 621
1946 594 (452 ev., 127 kath., 14 andere Christen, 1 andere, 146 Haushalte)
1948 629
1951 725

Gleichzeitig war die Nähe vor allem zu Lahr und Dinglingen und den dortigen Industrieunternehmen von großer Wichtigkeit: Dadurch blieben die meisten der Pendler/-innen im Dorf wohnen. Viele von ihnen betrieben die Landwirtschaft im Nebenerwerb weiter.

 

Erst nach dem Zweiten Weltkrieg kamen die ersten Traktoren in das Dorf. Durch die rasch zunehmende Technisierung änderte sich in der deutschen Landwirtschaft und damit auch in Kippenheimweiler mehr als in den 1.000 Jahren zuvor. Gab es 1949 in Deutschland noch 4.819.000 Erwerbstätige in der Landwirtschaft, so waren es bis vor wenigen Jahren nur noch rund 800.000. Hatte 1949 ein Landwirt noch zehn Menschen ernährt, so waren es 2006 134 Menschen. Immer weniger Landwirte bewirtschaften mit immer größeren Maschinen immer größere Flächen, gleichzeitig liefern die Pflanzen immer höhere Erträge. Auch die Tiere geben mehr Milch oder erreichen ihr Schlachtgewicht schneller. Die Computertechnik hat in die heutige Landwirtschaft Einzug gehalten und ist bei der Überwachung von Fütterungsprogrammen oder bei der Erstellung von Anträgen immer wichtiger.

Bis heute ist Kippenheimweiler noch landwirtschaftlich geprägt. Ein Gang durch das Dorf zeigt viele Scheunen und landwirtschaftliche Gebäude, die jedoch längst nicht mehr alle als solche genutzt werden.

Gab es in Kippenheimweiler 1957 noch 106 bäuerliche Betriebe, davon 16 mit mehr als 5 Hektar Bewirtschaftungsfläche, so sind es heute mit den Familien Hannes Fleig und Klaus Dorner nur noch zwei Vollerwerbslandwirte im Dorf. Hannes Fleig stützt sich beispielsweise auf den Anbau von Spargel und den Weinbau, während Klaus und Martina Dorner die Schweinezucht und den Maisanbau sowie ebenfalls den Weinbau in den Vordergrund gestellt haben. Gleichzeitig gibt es noch etliche Landwirte, die die Landwirtschaft im Nebenerwerb betreiben.


Eine Viehzählung von 1896
Pferde 15
Schweine 141
Ziegen 19
Kühe 370
Farren 3
Ziegenbock 2
Gänse 176
Enten 27
Tauben 32
Hühner 1.444
Hunde Rüden 7
Hündinnen 1
Bienenvölker 49

Der landwirtschaftliche Nebenerwerbsbetrieb von Gerhard Fäßler

Der landwirtschaftliche Betrieb wurde, wie viele andere in Wylert, schon immer als Nebenerwerbsbetrieb geführt. 1952 verstarb Gerhard Fäßlers Vater bei einem tragischen Unfall auf der Dreschmaschine. Im Alter von 12 Jahren wurde zusammen mit der Mutter und seinen Brüdern der Betrieb unter schwierigsten Bedingungen weitergeführt. Angebaut wurde alles, was zur Ernährung der Familie und des Viehs notwendig war. So wurde unter anderem auch Zichorie angebaut. Die Zichoriewurzeln wurden nach Lahr-Dinglingen in die Zichoriefabrik geliefert. Daraus wurde sogenannter Ersatzkaffee gewonnen, auch „Muckefuck“ genannt. Die Kuh war zugleich Zugtier und Milchlieferant, entsprechend mager war deren Milchleistung. Für schwere Ackerarbeiten wurde oft in der Nachbarschaft ein Pferd ausgeliehen. Innerhalb der Dorfgemeinschaft half man sich gegenseitig. Später machte Gerhard Fäßler auf der sogenannten Winterschule (da war Zeit zum Lernen) seine Ausbildung zum Landwirt. Neben der Arbeit auf dem Bau oder auch im Wald wurde der landwirtschaftliche Betrieb ausgebaut und in den 1960er-Jahren auch ein Traktor angeschafft.

Bis zum heutigen Tag werden diese traditionellen Strukturen der landwirtschaftlichen Vielfalt, neben dem Wein- und Maisanbau als Schwerpunkt, aufrechterhalten. Zusammen mit seinem Sohn Martin bewirtschaftet Gerhard Fäßler im Nebenerwerb eine vielfältige Landwirtschaft. Neben Heu und Weizen wurden bis vor wenigen Jahren noch Rüben angebaut. Auch stehen immer noch einige Schweine im Stall. Gedüngt wird mit Mist und Jauche. Regelmäßig gibt es Hausschlachtungen.


Gerhard Fäßler mit Sohn Martin und Enkel Leon beim Melken

Stolz kann Gerhard Fäßler sagen, dass er der letzte Bauer in Kippenheimweiler ist, der noch einen Milchviehbestand in seinem Stall hat. Gerne zeigt Gerhard Fäßler zum Beispiel den Kindergartenkindern seinen Hof und bringt die Kinder mit seinen Kühen, Schweinen, Hühnern und Stallhasen zum Staunen.

Exemplarisch beleuchten wir auch die beiden Familien Dorner und Fleig, die ihre Höfe im Vollerwerb bewirtschaften und von der Landwirtschaft leben.

Wie begannen beide, was bewog sie, diesen Schritt zu gehen, und wie arbeiten sie heute unter sich immer wieder verändernden Rahmenbedingungen?

Familie Klaus und Martina Dorner

Die Eltern von Klaus Dorner, Hubert und Zita Dorner, führten ihre Landwirtschaft in der Wylerter Hauptstraße. Hubert Dorner (*1927, †2004) arbeitete als Maurer bei der Firma Kromer in Mahlberg. Zudem war er in den Wintermonaten Waldarbeiter im Staatswald (Kaiserswald) sowie bei der Warengenossenschaft und Milchzentrale in Kippenheimweiler angestellt. Zita Dorner (*1927, †2013) kümmerte sich zu Hause um die Familie und den Hof.

Der jüngste Sohn Klaus (*1968) besuchte die Schulen in Kippenheimweiler und Sulz bis 1984. Nach dem Besuch der Landwirtschaftlichen Schule in Offenburg von 1984 bis 1987 machte Klaus Dorner die Ausbildung zum Landwirt und besuchte dann die Fachschule für Landwirtschaft in Oberkirch bis 1989. Er schloss diese als staatlich geprüfter Wirtschafter für Landbau ab. Seit 1993 ist er zudem Landwirtschaftsmeister.

Das mitten im Dorf gelegene elterliche Anwesen war auf Dauer zu beengt. Deshalb entschloss sich Klaus Dorner, im Gewann Herrot mit dem Bau eines großen Maschinenschuppens und eines Foliengewächshauses für Tabak zu beginnen. 1987 wurde mit dem Tabakanbau als Sonderkultur begonnen. Bis 1995 kamen noch weitere vier Tabakschöpfe hinzu. 1989 übernahm er den Nebenerwerbsbetrieb seiner Eltern mit 12 Hektar Ackerbau, 8 Hektar Grünland und 0,2 Hektar Reben. Die Milchkuhhaltung, die 1989 noch mit sechs Kühen betrieben wurde, endete bei Dorners 1995. Zwei Jahre später wurde die Haltung der Mastbullen (1989: 20 Stück) inklusive Jungvieh aufgegeben. Dafür wurde die Zucht von Mastschweinen (1989: 10 Stück) in den Folgejahren stark ausgebaut. 1995 war die Hochzeit mit Frau Martina, von 1995 bis 2010 wurden der Familie sechs Kinder geschenkt. 1998 wurde das Wohnhaus als Aussiedlerhof im Herrot erbaut. Zur Tabaksorte Geudertheimer kam zusätzlich die Sorte Virgin hinzu. 2006 wurde im Gewann Wolfsloch der Bau eines Schweinemaststalles mit Auslauf für 350 Schweine sowie der Bau eines Nebengebäudes mit zwei Futtersilos, Schlacht- und Zerlegeraum begonnen. Von 2007 bis 2013 wurden Photovoltaikanlagen mit einer Leistung von insgesamt 350 kWp auf den landwirtschaftlichen Gebäuden angebracht. Zudem begann 2013 Sohn Michael Dorner mit der Lehre als Landwirt. Er tritt in die Fußstapfen der Eltern.

Ein großer Brand im Oktober 2013 zerstörte zwei Tabakschöpfe mit den darauf befindlichen Photovoltaikanlagen. Nachdem von 1987 bis 2010 Tabak als Sonderkultur angebaut wurde, beendete die Familie Dorner die arbeitsaufwendige Tabakanpflanzung und begann dafür die Saatmais- und Rapsvermehrung. Kamen bis vor wenigen Jahren in der Hauptsaison die meisten Erntearbeiter aus Polen, so werden heute zahlreiche Arbeitskräfte aus Südosteuropa, vorrangig Rumänien und Kroatien, eingesetzt.


Familie Dorner mit ihren Kindern (v. l. n. r.): Klaus, Martina, Lukas, Verena, Andreas, Stefanie, Michael, mit der Sonnenblume: Jan

Aktuelle Betriebsdaten 2014:

–155 ha betriebliche Fläche

–22 ha Winterweizen und Winterroggen (wird als Schweinefutter behalten)

–65 ha Körnermais

–15 ha Saatmaisvermehrung

–32 ha Winterraps zur Saatgutvermehrung

–12 ha Reben zur Vollablieferung an die Genossenschaft

–5 ha Wiese

–Streuobstwiesen

–5 ha Fläche ohne Produktion (Bienenwiese als ökologische Ausgleichsfläche)

Zum Hof gehören auch zwei Obstabfindungsbrennereien sowie etwa 350 Mastschweine. Diese werden von Klaus Dorner geschlachtet und an Metzger, Selbstvermarkter sowie bei Bedarf an den Schlachthof Offenburg verkauft. Zudem wird über den Winter der Verkauf des weit über die Dorfgrenzen bekannten Feldsalats betrieben.

Familie Hannes und Stephanie Fleig

Hofname: „s’Ludwige“

Der landwirtschaftliche Betrieb mit dieser Adresse war seit jeher ein Haupterwerbsbetrieb, zunächst für die Erzeugung von Lebensmitteln für den eigenen Bedarf. Das Haus in der Wylerter Hauptstraße 41 wurde 1858 durch Andreas Fleig und seine Frau Maria Magdalena geb. Zipf erbaut. Andreas Fleig übergab seinem Sohn Ludwig den Betrieb, und danach übernahm ihn dessen Sohn Ludwig. Ludwig war verheiratet mit Magdalena Weis, sie waren die Eltern von Paul Fleig, geboren 1921.

Paul Fleig hatte 13 Geschwister. Die Mutter verstarb im Alter von 43 Jahren, das jüngste Kind war gerade zwei Jahre alt. Vier seiner Geschwister fielen im Krieg oder starben an seinerzeit unheilbaren Krankheiten. Paul Fleig kam 1947 aus der Kriegsgefangenschaft zurück. Im Haus lebten zu der Zeit noch sein Vater und die Geschwister, teilweise mit Familien. Er heiratete 1951 Else Frenk, übernahm das Anwesen 1957 und baute Wohnhaus und Stallgebäude um, so wie sie heute noch vorhanden sind. Die Familie hatte fünf Kinder, ein Sohn verunglückte tödlich im Alter von 21 Jahren. Die drei Schwestern sind nach ihrer Heirat jeweils aus Kippenheimweiler weggezogen. Sohn Herbert erlernte den Beruf des Landwirtes und arbeitete im elterlichen Betrieb mit.

Paul Fleig hatte Schweinezucht, Rinderzucht, Milcherzeugung, baute Tabak und Getreide als Marktfrüchte an und betrieb Weinbau in Zusammenarbeit mit der Winzergenossenschaft Kippenheim. Die Großväter Ludwig Fleig und Emil Frenk waren zusätzlich noch Holzfuhrwerker mit Pferden. Im Mai 1989 starb Paul Fleig, woraufhin der Betrieb von seinem ältesten Sohn Herbert übernommen wurde. Im Haus wohnte weiterhin Else Fleig, sie verstarb am 22. Januar 2011.

Betriebsinhaber Herbert Fleig heiratete 1976 und wohnt seither mit seiner Frau Sigrid in Nonnenweier. Zur Familie gehören drei Kinder: Eva, Hannes und Alice. Ende der 1980er-Jahre wurde die Tierhaltung aufgegeben und der Tabakanbau eingestellt.

 

Seit 2004 wohnt Sohn Hannes Fleig im Haus, seit 2009 mit seiner Frau Stephanie. Seit 2006 ist Hannes Fleig Winzermeister und seit 2011 der Betriebsleiter der H. Fleig GbR. Heute bewirtschaftet der Betrieb H. Fleig GbR schwerpunktmäßig Wein- und Ackerbau mit der Sonderkultur Spargel. Die erzeugten Trauben werden an zwei Weingüter, die Villa Heynburg in Kappelrodeck und das Weingut Siegbert Bimmerle in Renchen-Erlach, verkauft. Der Spargel wird direkt vermarktet. Der Partner für die Vermarktung von Weizen, Mais und Soja ist die ZG Raiffeisen mit dem Standort Lahr.


Familie Fleig im Hof ihres Anwesens in der Wylerter Hauptstraße im September 2014 (v. l. n. r.): Hannes, Stephanie, Sigrid und Herbert Fleig

Bilder der Landwirtschaft

Die Motive der folgenden Fotografien, überwiegend in den 1930er- bis 1950er-Jahren gefertigt, zeigen eine Welt, die es so heute nicht mehr gibt, zumindest nicht in Kippenheimweiler: Landwirte beim Pflügen, bei der Ernte, beim Heurechen, bei der Heimfahrt vom Feld, beim Kartoffelauflesen. Nur selten sind Maschinen zu sehen. Kühe und Pferde ziehen die Wagen.

Auf all den Bildern sind die arbeitenden Menschen zu sehen, die Hilfsmittel, die Arbeitsgeräte, die Arbeitsvorgänge, die Arbeitstiere. Fast immer arbeiten die Bauern in Gruppen: als Familie, als Nachbarn, als größere Gruppen. Des Öfteren sind mehrere Generationen zu sehen. Auch sind oft Kinder mit dabei, die größeren zum Helfen und Mitarbeiten. Kleinere wurden wohl eher nebenbei beaufsichtigt. Die Kleinkinder im Kinderwagen wurden meist in den Schatten unter einen Baum gestellt.

Die Zeitzeugen Martin Schmidt und Renate Weis-Schiff erinnern sich:

Martin Schmidt: Wenn mir sie mitgnumme hänn, hesch sie under dr Nussbaum gschdellt und wenn dr am ander Ende warsch, hesch gluegt, ha, d’Scheß wackelt nonit. Wenn d’Scheß wackelt, no sinn sie wach. Renate Weis-Schiff: Wenn mir im Düwak gsieh sinn, hesch d’Gummihändschig anghan, dass wenn dr an d’Scheß hesch miän.


Ernte der Familie Reinhard Weis: Harte körperliche Arbeit, und der Blick nach oben. Wird das Wetter halten?

Die Anstrengungen der Abgebildeten können auf den Fotografien erahnt werden: schwere körperliche Belastungen, sich wiederholende Bewegungsvorgänge, einfachere Arbeiten, die über Stunden andauern. Die Arbeitenden strahlen im Moment der Aufnahmen trotz der Arbeit auch eine gewisse Ruhe aus, eine Zufriedenheit mit dem Geleisteten.

Zeitzeugin Hilde Schiff und Renate Weis- Schiff im Gespräch mit Stephan Hurst Stephan Hurst: Wie war des damals in dr Landwirtschaft?

Hilde Schiff: Mir sinn praktisch in dr eigene Landwirtschaft gsieh, derfe aber nit vergesse, am Morge am vieri, wenn’s Dageslicht war, isch’s furtgange geh maje. Do isch noch alles hinderum midder Hand gmaiht wore un min Vadder war a gueder Mahder und dr Hanse-Karl au, un do hänn mir halt mian zeddle, also, mir hänn halt nix anders kennt, un no schbeder sinn no d’ Maschine kumme, no hets d’Erleichterung gänn. Mir sinn genauso nüs ins Feld. Ohje, do sinn Szene drin gsieh. Mir hänn amol a Johr mit ihne do zamme gmacht, in dr Ahrn. Un dann hämm mir vum a Soldat d’Eltere do ghan vun Duisburg, will dert unde vill Bombeangriff gsieh sinn. Un nadierlig Schtadt un Land do isch a ganz großer Underschied gsieh. Un drno isch die Frau amol mitgange, wu mir mittags au in dr Ahrn gmait hann. Un dann isch s´halt unmeglich gsieh, dass sie dare Hitz hett kenne standhalte un isch grad in d’Furch gläge, un hett nimmi kenne, s’isch halt a Schdadtfrau gsieh. No hett d’Christin, d’ald Oma gsait: „Wann dr nit uffschdesch nimm ich d´Sichel un lupf dich in d’Heh.“ Des hett die nit verschdeh kenne. Aber fier die Litt war des halt schwer, wenn mr üs dr Stadt kummt un mr suecht uffem Land in nere Ahrn Ferie oder halt wege dr Bombe. Renate Weis-Schiff: Un wegenem Esse. Hilde Schiff: Ja, sell halt a nochamol dazue. Stephan Hurst: Dass d’Kinder in Sicherheit sinn. Ware des viel? Hilde Schiff: Oja, mir hänn viele im Dorf g´han. Des isch jo genauso gsieh, dü hesch sounsoviel qm Wohnraum derfe hahn, un dann hesch Flichtling bekumme, hesch miän Flichtling zu dir nemme.


Heuernte der Familie Bohn 1952, auf dem Wagen ist Sylvia Hockenjos als Kind zu sehen.


Zwei Kühe mit Wagen vor dem ehemaligen Schützenhaus. Es befand sich linkerhand der Einfahrt zur Fa. Vogel-Bau nahe des heutigen Waldmattensees.


Getreideernte durch Familie Martin Wagner, Bahnhofstraße. Der Traktor hat bereits die Zugtiere ersetzt, an Handarbeit mangelte es jedoch nicht. Die Garben wurden noch von Hand gestreckt und sauber geladen. Kinder halfen selbstverständlich mit, sie hatten keine andere Wahl. Heute kann ein Landwirt in einer Stunde so viel Getreide mähen, dreschen und abfahren wie früher 150 Mägde und Knechte zusammen.


Verschwitzt und staubig waschen sich im Hof von Ludwig Fleig (heute: Anwesen Hannes Fleig in der Wylerter Hauptstraße) nach getaner Arbeit (v.l.n.r.): Paul Fleig, Berthold Fleig sowie ein weiterer Helfer.


Kartoffelernte von Familie Ludwig Fleig Anfang der 1940er-Jahre. Die Kartoffeln wurden stundenlang aufgelesen und auf den Wagen geladen. Heute übernimmt der Kartoffelroder diese Arbeit in einem Bruchteil der Zeit. Zu Hause wurden die Kartoffeln dann auf einer Rutsche in den Keller befördert und über den Winter gelagert.


Diese schöne Aufnahme von 1919 zeigt Jakob Siefert mit einem seiner Söhne. Auf dem Dielenwagen liegt die Sense, daneben steckt die Heugabel. Die beiden Zugochsen arbeiten ohne Zuggeschirr und nur mit dem hölzernen Nackenjoch, welches über Riemen mit den Hörnern verbunden war. Das linke Haus im Hintergrund ist das Anwesen von Familie Ruth Zipf, im rechten Anwesen wohnte Ludwig Hertenstein mit seiner Frau Anna und Elisabeth geb. Zipf, von deren Seite das Haus stammte.


Die Kinder wurden zur Arbeit ins Feld des Öfteren mitgenommen. Jeder wurde gebraucht. Auf dem Foto von 1946 ist Lisa Stubanus geb. Spathelfer bei der Heuernte zu sehen. Gerade im Sommer war es Aufgabe vor allem der Kinder, die Zugtiere während des Wartens vor lästigen Bremsen zu schützen. Die Übermittlung von Wissen über Arbeitstechniken geschieht nebenbei durch die Anwesenheit der Kinder und ihre frühe Einbindung in die Abläufe. Sie hatten feste Aufgaben: Beim Heuladen und der Getreideernte mussten sie neben den Zugtieren gehen und darauf achten, dass die Tiere ruhig blieben. Auch das Legen der Garbenseile gehörte wie selbstverständlich dazu. Bei Arbeiten, bei denen es mehr auf Ausdauer als auf Kraft ankam (wie Hacken, Auflesen, Rechen) waren Kinder ohnehin früh eingespannt.


Beim „Welschkornschleizen“ (v. l. n. r.): Richard Stubanus, August Spathelfer, Emilie Spathelfer sowie (den Rücken zuwendend) Lina Heitz. Gerhard Fäßler erinnert sich: „Nach ‚Feierabend‘ saß man oft im Kreis der Nachbarschaft in der Scheune und zog von den ausgebrochenen Welschkornzapfen die Blätter ab (diese wurden im Stall als Streu verwendet). An den Zapfen verblieben einige Blätter, sodass der Mais gebündelt und unter dem Dachvorsprung zum Trocknen aufgehängt werden konnte. Später wurde der Mais in Trockensilos aufbewahrt. Welschkornschleizen war wie das Tabakanstechen eine gesellige Angelegenheit und endete oft feucht-fröhlich. Tradition hatte dabei das sogenannte Bosseln, das mit Streichespielen gleichgesetzt werden kann.“


Andreas Hertenstein mit seinem Leiterwagen auf dem Weg nach Hause. Im Hintergrund das Anwesen Bernhard Baier bei der evangelischen Kirche.


Arbeitsstunden für Mähen, Dreschen und Abfahren von 1 Hektar Getreide
vor 1900 300 h
um 1900 150 h
1935 40 – 80 h*
1950 30 h
1960 15 h
* starke Unterschiede zw. Klein- und Großbetrieben


Milchleistung je Kuh und Jahr Milchkühe je Landwirt Betriebe mit Milchkühen
1950 2.560 l 4 1.539.000
1960 3.406 l 5 1.217.000
1970 3.813 l 8 836.000
1980 4.538 l 13 453.000
1990 4.713 l 22 276.000
2000 6.122 l 33 136.000
2006 6.849 l 39 104.000
Aus: information.medien.agrar eV.

Der große Umbruch in der Landwirtschaft zeichnete sich bereits in den 1960er-Jahren ab, als die Mechanisierung in vollem Gang war. Das Nebeneinander von Maschinen und Arbeitstieren veränderte sich. Gerade die Feierabendbauern mit ihrem Industrielohn konnten sich den Kauf eines Traktors leisten. Der Zeitaufwand für die Hofbewirtschaftung konnte so geringer gehalten werden. Innerhalb weniger Jahre setzte sich auch die Verwendung von chemischen Pflanzenschutzmitteln durch. Der Kunstdüngereinsatz bedeutete ebenso eine erhebliche Arbeitserleichterung wie die Flurbereinigung in den 1960er-Jahren (siehe separates Kapitel). Mit der Landwirtschaft konnte jedoch immer weniger verdient werden.

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