Die Geschichte des Dorfes Wyhlert

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Die Auswanderer von Stephan Hurst

Die Auswanderer

VON STEPHAN HURST

Armut, Unterdrückung und mangelhafte Perspektiven

Nicht mehr akzeptable Lebens- und Arbeitsverhältnisse waren für viele Menschen der Anlass, ihre Heimat zu verlassen und anderswo ihr persönliches Lebensglück zu suchen. Die einzelnen Gründe sind vielfältig und lagen vor 1800 hauptsächlich in der Suche nach der Religionsfreiheit. Aber auch die teilweise fehlenden Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten führten dazu, dass viele Wylerter außer Landes gingen. Bereits 1765 war Jakob Meyer mit seiner Tochter Ursula nach Siebenbürgen ausgewandert und holte 1773 seine Söhne Johannes, Jakob und Andreas nach.

Ab 1800 waren es Hungersnöte, Kriege, die politischen Verhältnisse, drohende Armut, der billige Landerwerb und der relativ hohe Lohn im Einwanderungsland im Gegensatz zum geringen Lohn und teuren Land in den deutschen Staaten. Auch die weitaus geringere Besteuerung im Einwanderungsland sowie die mangelhaften Zukunftsperspektiven in der Heimat durch viele soziale Ungerechtigkeiten wie zum Beispiel das Erbrecht, das zur Teilung des Landes in immer kleinere Parzellen führte, motivierte viele Menschen auszuwandern. Viele junge Männer wollten durch Auswanderung auch dem drohenden langen Zwangsmilitärdienst entgehen. Die Auswanderung war andererseits für zahlreiche deutsche Staaten ein willkommenes Mittel, unliebsame Personen wie Kriminelle, Prostituierte und Arme auf diesem Wege abzuschieben, und wurde deshalb auch von vielen offiziellen Stellen gefördert. Viele deutsche Staaten stellten sogar offizielle Auswanderungspässe aus, um ihren auswanderungswilligen Einwohnern bei der Überwindung bürokratischer Hürden zu helfen.

Der unmittelbare Anlass für viele Menschen, aus dem Südwesten Deutschlands auszuwandern, war im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts der Ausbruch des Vulkans Tambora in Indonesien im April 1815. Bei diesem Vulkanausbruch wurde so viel Asche in die Atmosphäre geschleudert, dass es auf der Nordhalbkugel zu zwei sehr nassen und kalten Sommern kam, was zur Folge hatte, dass fast die gesamte Ernte zweier Jahre ausfiel. Umgangssprachlich hießen sie sogar „Jahre ohne Sommer“. Um dem Hungertod oder der totalen Verarmung zu entgehen, schifften sich viele Menschen aus Südwestdeutschland auf der Donau ein und siedelten in Ungarn, Rumänien und darüber hinaus auch in Teilen Russlands. Nur wenige Emigranten suchten in dieser Zeit in den Vereinigten Staaten eine neue Heimat, sie verblieben vielmehr auf dem alten Kontinent wohl auch in der Hoffnung, in besseren Zeiten wieder in die alte Heimat zurückkehren zu können.

Amerika, auf nach Amerika …

Der wichtigste Faktor für die Auswanderung aus Deutschland ab der Mitte des 19. Jahrhunderts war die Umwandlung der bis dahin landwirtschaftlich geprägten deutschen Staaten in Industriegesellschaften – ein Vorgang, der zu massivem Bevölkerungswachstum, zur Verstädterung und zur Verarmung breiter Bevölkerungsschichten führte. Zu einer Verarmung kam es insbesondere im deutschen Südwesten, wo sich unter den veränderten Bedingungen insbesondere das Erbrecht als vernichtend erwies. 1815 lebten um die 993.000 Einwohner im Großherzogtum Baden und 1834 rund 1.570.000 Menschen im Königreich Württemberg; 1890 gab es bereits annähernd 1.658.000 Einwohner in Baden und rund 2.037.000 in Württemberg. Das Angebot an ausreichend bezahlter Arbeit, um die Grundversorgung all dieser Menschen zu gewährleisten, stieg in diesem Zeitraum nicht gleich schnell an. Aufgrund der mangelhaften Zukunftsperspektiven blieb vielen Württembergern und Badenern nichts anderes übrig, als ihr persönliches Glück außerhalb ihres jeweiligen Vaterlandes zu suchen.


Der Auswanderer Georg Hurst wird anlässlich einer Volkszählung 1870 als „Manual Laborer“, also als Handwerker, erwähnt. Er verstarb am 21. Juli 1899 und wurde auf dem New Baden Cemetery beerdigt. Sein Grabstein erinnert heute noch, nach mehr als 100 Jahren, an ihn.

Das Schicksal einer Auswandererfamilie am Beispiel von Georg und Barbara Hurst

Als Georg Hurst (OSB Nr. 418) und seine spätere Ehefrau Barbara Hertenstein (OSB Nr. 293) mit ihren Kindern Gustav, Hermann, Wilhelm und Magdalena im März 1855 Kippenheimweiler Richtung Nordamerika verließen, war es von der alten Heimat ein Abschied für immer.

Georg Hurst und seine Familie schifften sich in Antwerpen / Belgien ein und erreichten auf dem Segelschiff „Sewall“ am 2. Mai 1855 New Orleans. Die Dauer der meistens beschwerlichen Überfahrt war vom Wetter abhängig und nahm per Segelschiff 7 bis 12 Wochen in Anspruch. Von dort aus ging es auf dem Landweg nach New Baden / Illinois, wo sich die Familie Hurst / Hertenstein niederließ. In Amerika heiratete Georg Hurst seine langjährige Lebensgefährtin Barbara Hertenstein am 26. Juli 1856. Als Trauzeuge und Pfarrer ist der Name Georg C. Eisenmayer vermerkt.

Sohn Wilhelm, der in Amerika fortan den Namen William benutzte, schloss sich dem Ohio-Trail an und ließ sich später in Missouri nieder, wo er als Farmer lebte. Ein Bruder von Barbara Hertenstein eröffnete in New Baden ein Haushaltswarengeschäft („Hertenstein Mercantile Store“). 1896 fegte ein Tornado über die Stadt hinweg und zerstörte weite Teile. Nur die Steingebäude blieben erhalten. Was mit dem Wohnhaus der Familie Hurst geschah, ist nicht bekannt.

Die meisten Menschen wanderten über die großen Häfen wie Hamburg, Bremen, Rotterdam, Antwerpen, Le Havre auf dem Seeweg aus. Da aus dieser Zeit die meisten Schifffahrtslisten erhalten sind, gibt es heute die Möglichkeit, sich über sehr viele ausgewanderte Personen mittels der Deutschen Auswanderer-Datenbank (DAD) beim Historischen Museum in Bremerhaven zu informieren. Die Datenbank erfasst Informationen zu Personen, die im Zeitraum von 1820 bis 1939 Europa über vornehmlich deutsche Häfen in Richtung USA verlassen haben. Grundlage der Deutschen Auswanderer-Datenbank sind die Passagierlisten der Auswandererschiffe. Diese Passagierlisten mussten den amerikanischen Einwanderungsbehörden vorgelegt werden. Auch speziell für Baden-Württemberg kann mithilfe einer Dokumentation des Landesarchivs Baden-Württemberg unter dem Titel „Auswanderung aus Südwestdeutschland“ eine Fülle von Informationen recherchiert werden.

Die Auswandererströme richteten sich jetzt fast ausnahmslos auf die Vereinigten Staaten. Neue weite Landstriche wurden erschlossen, besiedelt und zur Basis einer sicheren Existenz. Neben der wirtschaftlich motivierten Auswanderung erfolgte um 1848 auch eine politische, die ihren Höhepunkt nach der gescheiterten Märzrevolution im deutschen Südwesten fand. Diese Emigranten bezeichnete man umgangssprachlich als „Achtundvierziger“. So wanderten im Zeitraum 1871 bis 1890 aus dem Königreich Württemberg mehr als 104.000 Personen und aus dem Großherzogtum Baden im Zeitraum zwischen 1880 und 1890 über 94.000 Personen aus. In beiden Staaten betrug die Quote derer, die in die Vereinigten Staaten von Amerika auswanderten, für die genannten Zeiträume mehr als 90 Prozent. Viele Auswanderer aus Württemberg und Baden siedelten in den USA im sogenannten German Belt. Dies ist ein Landstrich im Mittleren Westen der USA, der sich über die Staaten Wisconsin, Michigan, Minnesota, Iowa, North Dakota, South Dakota und Nebraska erstreckt. Die Gesamtzahl der deutschen Auswanderer in die USA zwischen den Jahren 1820 und 1890 übersteigt die statistisch erfassten Auswandererzahlen beträchtlich, da die Dunkelziffer der deutschen Auswanderer im 19. Jahrhundert aus verschiedenen Gründen – wie zum Beispiel die illegale Auswanderung als Flucht vor dem Militärdienst – sehr hoch war. Viele seriöse Schätzungen gehen heute davon aus, dass zwischen 1820 und 1920 etwa 6 Millionen Deutsche auswanderten.

Alleine im März 1855 wanderten insgesamt 69 Einwohner Kippenheimweilers nach Nordamerika aus. Für das Dorf mit damals etwa 500 Einwohnern bedeutete dies einen großen Einschnitt. An Kopfgeld erhielten beispielsweise Georg Hurst 10 Gulden und Barbara Hertenstein mit ihren vier Kindern 55 Gulden. Einkommensschwache konnten mit staatlicher Unterstützung bei den Kosten der Auswanderung rechnen. So wurde aufseiten der Städte und Gemeinden versucht, die Sozialausgaben zu senken.

In einem Beitrag zur Statistik der inneren Verwaltung des Großherzogtums Baden aus dem Jahre 1857 heißt es: „Die Nachrichten von jenen Auswanderern, deren Reiseziel Nordamerika war, lauteten mit einigen wenigen Ausnahmen sehr günstig. Wer zur rechten Jahreszeit in Amerika ankam und arbeiten wollte, fand bald reichlich Verdienst, was auch aus den bedeutenden Summen hervorgeht, welche die Auswanderer in ihre frühere Heimat sendeten, um zurückgebliebene arbeitsunfähige Verwandte zu unterstützen und arbeitsfähige Verwandte in die neue Heimat nachkommen zu lassen. Durch die Einwanderer wurden für Erzeugnisse der badischen Landwirtschaft und Industrie in den verschiedenen Teilen Nordamerikas neue Absatzwege eröffnet, welche für manche Zweige der vaterländischen Gewerbstätigkeit von Bedeutung geworden sind. Weniger günstig waren die Nachrichten von jenen Auswanderern, welche ein anderes Reiseziel als Nordamerika gewählt hatten. Insbesondere ist eine große Anzahl von jenen, welche nach Algier ausgewandert sind, tödlichen Krankheiten erlegen. In die alte Heimat sind nur wenige Auswanderer zurückgekehrt, aber auch diese haben die Überzeugung zurückgebracht, dass der Besitzlose nicht auf die öffentliche Unterstützung sich verlassen dürfe, sondern arbeiten müsse. Die Zurückgekehrten suchen nun sich ehrlich zu ernähren.“

Die große Welle der Auswanderungsbewegung ebbte in den 1890er-Jahren wieder ab. Der Hauptgrund war eine anhaltend boomende Konjunktur in allen Staaten des Deutschen Reiches. Die Gründe des Booms waren die rapide zunehmende Industrialisierung und die nun verstärkt wirkenden Investitionen aus den französischen Reparationsleistungen nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71. Sie führten zu einer Blüte von Handwerk, Industrie und Handel. Nun kam es innerhalb Deutschlands verstärkt zu massiven Binnenwanderungen. Viele Landarbeiter und Kleinstädter zogen mit ihren Familien in die neuen industriellen Ballungszentren wie etwa das Ruhrgebiet. Unter dem Aspekt der zunehmenden Urbanisierung Deutschlands kam es auch zu verstärkten Wanderungsbewegungen von Teilen des verarmten Landproletariats in die großen Städte wie zum Beispiel in die sich rasant vergrößernde Hauptstadt des Deutschen Kaiserreiches, Berlin. Ein weiterer Grund für den Rückgang der Auswanderungszahlen aus Deutschland ist die ab den frühen 1890er-Jahren einsetzende und lange anhaltende wirtschaftliche Depression in den USA.

 

Auszüge aus dem Text stammen von Reinhard Güll. Er ist Büroleiter der Abteilung „Informationsdienste, Veröffentlichungswesen, sozial- und regionalwissenschaftliche Analysen“ im Statistischen Landesamt Baden-Württemberg. (Monatsheft 2013-09)


Die Urenkel des nach Amerika ausgewanderten Georg Hurst, Daryl und Ron Hurst, trafen sich bei ihrem Deutschlandbesuch mit ihrem deutschen Cousin Herbert Hurst (Mitte des Bildes) im August 2010. So schloss sich nach mehr als 150 Jahren der Kreis.

Die Recherchen sind der fleißigen Arbeit von Günter Hurst aus Flensburg und Herbert Hurst aus Kippenheimweiler zu verdanken. Die Amerikaner nahmen es nicht immer ganz genau mit den Namen der Herkunftsorte. Einige Probleme wurden auch dadurch geschaffen, dass bei den Eintragungen in Amerika bezüglich der Familiennamen eine unterschiedliche Angabe gemacht wurde. Dies begann bereits bei der Einschiffung. So scheinen die Kapitäne oder Zahlmeister der Schiffe beim Schreiben der Vor- und Zunamen bereits eine französische oder englische Schreibweise bevorzugt zu haben. Die Auswanderung betraf durch zerrissene Familienbande, durch den berühmten reichen Onkel aus Amerika oder durch die eigenen Erlebnisse einen Großteil der Bevölkerung in Südbaden.


Annonce der „Breisgauer Zeitung“ vom 25. Februar 1855

Im Gemeinderatsprotokoll vom 1. März 1855 wurde festgehalten:

Großherzogliches Bezirksamt

Die Auswanderung armer Einwohner von Kippenheimweiler nach Amerika auf Gemeindekosten betreffend:

Unterm heutigen sind auf Vorladen diejenigen hiesigen Einwohner, welche gekommen sind auf Kosten der Gemeindekasse nach Amerika auszuwandern, erschienen, und haben ihre Einwilligung durch Unterschriften abgegeben wie folgt:

1.Erscheint Anton Fässler 39 Jahre alt und deßen Ehefrau Magdalena Siegele 38 Jahre alt, sodann deßen Kinder

–Ludwig 11 Jahre alt

–Wilhelm 9 ½ Jahre alt

–Edmund 8 Jahre alt

–Friederika 6 Jahre alt

–Jakob 4 Jahre alt

Vorstehender Besitz: kein Vermögen

2.Erscheint Juliane Hausch 43 Jahre alt und deren Kinder

–Elisabetha 20 Jahre alt

–Magdalena 16 Jahre alt

–Juliane Hausch mit x als Handzeichen.

Dieselben besitzen auch kein Vermögen.

3.Erscheint Ursula Krämer 32 Jahre alt und deren Kinder

–August Krämer 10 Jahre alt

–Elisabetha 3 ½ Jahre alt

Diese besitzen kein Vermögen.

4.Erscheint Barbara Hertenstein 31 Jahre alt und deren Kinder

–Gustav 10 Jahre alt

–Hermann 8 Jahre alt

–Wilhelm 5 Jahre alt

–Magdalena 5 Monate alt

5.Erscheint Georg Hurst ledig 33 Jahre alt

Derselbe hätte noch etwa ein Vermögen von 80 f., kann aber wegen Nutznießung dessen Mutter nicht erhoben werden, es muss somit demselben das Reisegeld von der Gemeindekasse vorgeschossen werden, und nach beendeter Nutznießung wird es von dessen Vermögen erhoben werden, welches derselbe einwilligt.

6.Erscheint Georg Schmidt ledig 39 Jahre alt. Ohne Vermögen

7.Erscheint Georg Stüdle 62 Jahre alt

Dessen Ehefrau Katharina Hertenstein 45 Jahre alt und die Kinder

–Georg Stüdle ledig 27 Jahre alt

–Magdalena Stüdle 24 Jahre alt

–Friedrich 21 Jahre alt

–Katharina 18 Jahre alt

–Karolina 16 Jahre alt

–Karl 11 Jahre alt

–Jakob 3 Jahre alt

8.Erscheint Georg Schmidt ledig 35 Jahre alt

9.Erscheint Anna Maria Schmidt 32 Jahre alt mit ihrem Kind Jakob 4 Jahre alt

10.Erscheint Georg Meier 36 Jahre alt

Dessen Ehefrau Katharina Hertenstein 36 Jahre alt und die Kinder

–August 10 Jahre alt

–Georg 8 Jahre alt

–Andreas 5 Jahre alt

–Katharina 3 Jahre alt

–Wilhelm 10 Monate alt

11.Erscheint Magdalena Schmidt 31 Jahre alt und die Kinder

–Katharina 6 Jahre alt

–Anna Maria 4 Jahre alt

–Georg 1 Jahr alt

12.Erscheint Barbara Schmidt 28 Jahre alt und die Kinder

–Gustav 6 Jahre alt

–Anna Maria 3 Monate alt

13.Erscheint Anna Maria Saar 60 Jahre alt

14.Erscheint Andreas Maier 30 Jahre alt

15.Erscheint Martin Menshuber 54 Jahre alt

16.Erscheint Johann Hertenstein 33 Jahre alt

Dessen Ehefrau Christina Löffel 31 Jahre alt

Dessen Kinder

–Katharina 9 Jahre alt

–Karl 5 ½ Jahre alt

–Rudolf 4 Jahre alt

–Friederike 11 Monate alt

17.Erscheint Christian Meier 70 Jahre alt

Dessen Ehefrau Susanna Zipf 50 Jahre alt

–Christian Meier 32 Jahre alt

–Johann Meier 27 Jahre alt Soldat als Einsteher der Pionierkompanie seit April 1854

–Katharina Meier 16 Jahre alt

–August Meier 11 Jahre alt

18.Erscheint Christian Spathelfer 32 Jahre alt

19.Andreas Spathelfer ledig 33 Jahre alt

20.Joseph Fäßler 63 Jahre alt

Dessen Ehefrau Ursula Benz 63 Jahre alt und die Kinder

–Baptist Fäßler 34 Jahre alt

–Georg Fäßler 23 Jahre alt

–August Fäßler 21 Jahre alt

–Theresia Fäßler 36 Jahre alt

Vorstehender Georg Fäßler ist seit April 1852 Soldat beim II-ten Füsilier-Bataillon in Freiburg.

Geschehen in Kippenheimweiler den 01. März 1855 vor dem Gemeinderath


Weiter werden in den Protokollbüchern auch die Verbindlichkeiten der Ausreisewilligen aufgeführt. Beispielhaft sei für Georg Meier festgehalten (f = Gulden): An Georg Meier fordern
•Die Gemeinderechnung für Pachtzins 14 f 42
•Friedrich Killius Speise und Getränk (Gasthaus „Linde“) 5 f 46
•Arzt Grumbacher 2 f
•Arzt Fink 7 f
•Chr. Wäldin in Dinglingen 5 f 1
•Michael Heck Schmied 0 f 36
•Hirschwirth Fleig (Gasthaus „Hirschen“) 14 f 57
•Apotheke Kramer 0 f 22
•Georg Vetter 1 f 54



Ein weiterer Auswanderer war Adolf Killius, geboren am 16. Februar 1884 in Kippenheimweiler. Er war ein Onkel von Elisabeth Walter, der berühmten Schriftstellerin des Ortes. Adolf Killius war Maurer in Basel und verlor seine badische Staatsangehörigkeit am 6. Juli 1922, da er in das „Baslerbürgerrecht“ aufgenommen wurde.

Die Auswanderer hatten nicht nur Amerika zum Ziel. Schon um das Jahr 1765 war Jakob Meyer mit seiner Tochter Ursula nach Siebenbürgen ausgewandert und holte um 1773 seine Söhne Johannes, Jakob und Andreas nach.

Ende des 19. Jahrhunderts (1886) wanderte Karl Weis (OSB Nr. 991) nach Australien aus und suchte dort sein Glück. Seine Söhne Georg und Friedrich folgten ihm 1894 nach.

Dokumentiert ist dies auch in zwei Briefen, die ihm sein Bruder Wilhelm (OSB Nr. 989) nach Australien schrieb. Darin heißt es unter anderem: „Ich weiß mir wirklich nicht mehr zu helfen. Denn alles kündet mir auf und will Geld, aber woher nehmen bei einem solchen Jahrgang. Nicht ein Mann im höchsten Alter sagt, das sei nie erlebt worden, dass kein Futter mehr gewachsen ist wie dieses Jahr. Mich kostet das Heu dieses Jahr über 400 Mark. In unserem Ort sind über 2.000 Zentner Heu aus Italien gekommen. Der Zentner kommt bereits auf 6 Mark, darum ist auch das Vieh wohlfeil. Der vorige Winter hat uns gar großen Schaden getan. Die Reben sind in Teilgegenden ganz verfroren.“

3. Kapitel. Kippenheimweiler in der Zeit des 1. und des 2. Weltkriegs

3. KAPITEL

Kippenheimweiler in der Zeit des 1. und des 2. Weltkriegs


Der Erste Weltkrieg von Stephan Hurst

Der Erste Weltkrieg

VON STEPHAN HURST

Mit Beginn des Krieges wurde das Deutsche Reich von fast allen ausländischen Märkten abgeschnitten. Die Männer im wehrfähigen Alter wurden eingezogen. Sie fehlten überall und dringend in der Landwirtschaft, im Handwerk und in den Fabriken. Kriegsgefangene konnten dies nur beschränkt ausgleichen, und Frauen mussten zunehmend auch „Männertätigkeiten“ verrichten. Erschwerend kam hinzu, dass fast alle Pferde im Krieg eingesetzt wurden und nur Kühe sowie Ochsen als Zugtiere verblieben.

In Kippenheimweiler hatte die Bevölkerung durch die hohe landwirtschaftliche Ausrichtung weniger Hunger zu leiden als die Stadtbevölkerung, jedoch war auch hier die Bevölkerung zu Abgaben gezwungen. So stand jeder Familie, abhängig von der Familiengröße, eine begrenzte Menge an Mehl, Fleisch und Eiern zu. Schokolade, Kaffee und Käse waren nicht erhältlich. Hausschlachtungen waren zwar noch möglich, jedoch nur mit besonderer Erlaubnis, und das Fleisch wurde auf die Familienration angerechnet. Durch den Krieg waren die Preissteigerungen enorm. Die Produktion an Brotgetreide zwischen der Zeit kurz vor dem Krieg und 1917 halbierte sich. Dinge des täglichen Gebrauchs verschlechterten sich zusehends. Seile, Papier und Stoffe waren kaum noch erhältlich, und wenn, dann in schlechter Qualität. Metalle mussten, soweit möglich, abgegeben werden. 1917 wurden die beiden größten Glocken der Kirche beschlagnahmt und für Kriegszwecke verwendet – ein schmerzhafter Eingriff auch in das religiöse Empfinden der Menschen im Dorf.


Der eingezogene Soldat Oswald Siefert (1882–1948) mit seiner Frau Karolina Zipf und den beiden Kindern Frieda und Richard im Hof des heutigen Anwesens Elsa und Bernhard Preschle


30 Kriegsteilnehmer aus Kippenheimweiler ließen auf den Schlachtfeldern ihr Leben. Viele Heimkehrer wurden für ihr ganzes Leben durch die traumatischen Erlebnisse in den Schützengräben geprägt.