Die Geschichte des Dorfes Wyhlert

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Eigentlich war das Frevelgericht ein herrschaftliches Gericht, bei dem unter Vorsitz eines herrschaftlichen Vertreters – meistens des Amtmannes – Fragen der niederen Gerichtsbarkeit, aber auch der Dorfordnung behandelt wurden. Ein eigentliches Gemeindegericht scheint Kippenheimweiler vor dem Ende des Alten Reiches (also vor 1803) nicht mehr bekommen zu haben, doch wird dies in der Praxis keine große Rolle mehr gespielt haben.

Fassen wir das alles zusammen, so kann also von Stillstand in der Zeit vor 1800 keine Rede sein. Die Bevölkerung wuchs über alle Rückschläge hinweg kräftig an, das System der Landbewirtschaftung zeigte schon vor 1800 moderne Züge, die politischen Verhältnisse im Dorf waren ab dem frühen 18. Jahrhundert auf dem Weg zur Selbstständigkeit. Was sich wenig veränderte, war freilich die prekäre Lebenssituation der meisten Wylerter. Hier brachte erst das 19. Jahrhundert den endgültigen Wandel: Die Agrarreformen einerseits und die nun greifende Industrialisierung andererseits verwandelten das Dorf weiter und endgültig. Äußerlich und innerlich war es im 20. Jahrhundert kaum noch mit seinem vormodernen Vorgänger zu vergleichen. Und auch seine Beziehung zum Umland änderte sich in diesem neuen Kräftefeld: An die Stelle von Kippenheim als sozialem und kulturellem Bezugspunkt trat zunehmend Lahr. Bis 1972 mit der Eingemeindung auch hier den veränderten Fakten Rechnung getragen wurde. Das aber wäre eine andere Geschichte …


Topographischer Plan von 1784, Quelle: Generallandesarchiv Karlsruhe

(© Landesarchiv Baden-Württemberg)

2. Kapitel Kippenheimweiler im 19. Jahrhundert

2. KAPITEL

Kippenheimweiler im 19. Jahrhundert


Die Eisenbahn
VON STEPHAN HURST

Die Eisenbahn

VON STEPHAN HURST

Für Kippenheimweiler prägend ist seit mehr als 150 Jahren die Eisenbahnstrecke des Rheintals – quasi direkt vor der Haustür. Lange Zeit war die Reichs- und später die Bundesbahn ein gewichtiger Arbeitgeber für viele Menschen des Dorfes. Aber auch allen Reisenden ermöglichte vor allem der Bahnhof in Kippenheim ein bequemes und nahe liegendes Zusteigen. Blicken wir zurück:

Im März 1838 nahm der Badische Landtag ein Gesetz an, mit dem das Großherzogtum Baden in eine neue Epoche seiner Geschichte eintrat: in das Zeitalter der Eisenbahn. Die Pläne waren ehrgeizig. Von Mannheim über Heidelberg und Karlsruhe bis nach Basel sollte die Route führen. Die Erwartungen in das neue Verkehrsmittel waren gewaltig. Der Mannheimer Kommerzienrat Ludwig Newhouse, der 1833 die Diskussion angestoßen hatte, brachte die optimistischen Zukunftsvisionen in eine griffige Formel: „Baden wird und muss ein großer Bazar, ein Weltmarktplatz werden.“

Bereits 1840 wurde der erste Abschnitt zwischen Mannheim und Heidelberg in Betrieb genommen. Die badische Hauptbahn von Mannheim über Basel nach Konstanz – 1863, vor mehr als 150 Jahren, vollendet – verband die Regionen des Landes. Der Eisenbahnbau wurde zum Impulsgeber für die Industrialisierung.

Die Überquerung der Gleise war nicht immer ungefährlich, wenn auch die Züge langsamer als heute fuhren. Zeitzeuge Martin Schmidt berichtete, dass er kurz nach dem Krieg bei Nebel am Übergang des heutigen Rebweges mit dem Pferdefuhrwerk unterwegs war. Die Schranken begannen sich bereits zu senken. „Des reicht noch.“ Mit einem der Vorderräder blieb er jedoch im Gleis hängen. Drei Lichter aus Richtung Lahr näherten sich, der Zug raste heran. Vorne war die Bahnschranke bereits heruntergelassen. Der Bahnbeamte drehte diese, so schnell es ging, wieder nach oben. Martin Schmidt gab mit der Geisel Schläge auf die Zugtiere und er kam mit seinem Fuhrwerk gerade noch unter der Schranke durch, bevor der Zug passierte.


Eisenbahnkarte aus der Bauphase: Güterplan der Gemarkung Kippenheimweiler, Streckenausschnitt: 166,8 bis 167,9 km, ca. 1842 (GLA Karlsruhe 421 K1 Nr. 2078)

Zeitzeugen erinnern sich an die alten Bahnübergänge

Eugen Gänshirt: Der Zug het bimbelt, un wenn dü noch fun widdem herkumme bisch, no hesch schu ghert, a do kummt ä Zug. No hedder dich als ämol durch gloh oder äu nit.

Renate Weis-Schiff: Wänn dr Heuwage ä weng z’hoch glade war, hesch miän abschdiege, wegge dr Oberleitung, später, wu Strom kumme isch. Ich mein, uns denkt jo au noch dr Dampf.

Eugen Gänshirt: Do hesch immer Mohris g’han, wenn als dr Zug gfahre isch, un er het Dampf abglehn, no hets pfiffe, no sinn d’Viecher mänchsmol näbenüs ghopst. Des war als ä Erlebnis.

Stephan Hurst: Wie viel Statione ware uff dr Wylerter Gemarkung Richtung Dinglinge?

Eugen Gänshirt: Wu dr d’Breidi nummgehsch, bi der Stiehli (Fa. Jakob Schmid & Söhne, Kippenheim), dert isch eini gsieh, selli isch vum Schdellwerk agmacht wore.

Renate Weis-Schiff: Bi Mahlberg Richtung Bruck war noch einer, s’Baue häm mir gsait.

Eugen Gänshirt: Un drno rahzue ischs Gremmelmeiers gsieh, am Kirchhof num. Der isch aber friehjer zuegmacht wore. No war dr Rebweg un s’Kopfe.

Renate Weis-Schiff: Im Rebweg war aber nur ä Schrank un ä Hiesli, kei Wohnhüs.

Martin Schmidt: Do sinn als Schranke gsieh, friehjer. Un bie s’Gremmelmeiers, dert ware au Schranke, aber mir denkt sell nimmi. Un die hänn sie aber zuegmacht, bin aber änäweg als drieber gange, wenn dr middem Fahrrad gfahre bisch, oder selli wu Feld dert driebe ghan hänn..

Renate Weis-Schiff: Un dann Richtung Mietersheim isch s’Krampferts kumme. Wenn mir uff Lohr sinn, sinn mir dert num. Di hänn do gwohnt, des ware richtige Hieser. Die sin alli abgrisse wore. Später sinn die Schranke no z’erscht vun Lohr oder vun Dinglinge bedient wore.

Eugen Gänshirt: Wu halt die Zieg schun meh gfahre sinn un schneller, no hänn sie die Brucke bäut.

Stephan Hurst: Un nachts isch genauso uff un zue gmacht wore?

Renate Weis-Schiff: Also do obe in Kippene hänn sie Dienscht gmacht.

Eugen Gänshirt: Un im Rebweg isch als zobe, am zehni, glaub ich, ischer gschlosse wore.

Renate Weis-Schiff: Am Morge, wänn mir als mol mit dr Fahrräder in d’Schuel uffs Friedensheim sell Johr gfahre sinn, do simm mir je nach dem als under dr Schranke durch, so schräg drunter durch.

Eugen Gänshirt: Ha dert hesch jo noch drieber kenne, dert sinn d’Zieg jo no nit so schnell gfahre wie hit. Hitt ischs halt schun gfehrliger.

Der Kleinbahnhof in Kippenheim überdauerte mehr als ein Jahrhundert. Am 1. Mai 1846 wurde er vom Betrieb der Großherzoglichen Eisenbahn gegründet. Dem Lauf der Zeit unterworfen, löste die Bahn seinerzeit die Pferdewagen ab. Es ist heute kaum vorstellbar, dass in Kippenheim im Jahr 1910 annähernd 48.000 Bahnfahrer gezählt wurden. Die meisten von ihnen waren Arbeiter und Schüler, auch aus Kippenheimweiler. Vom frühen Morgen bis spät in die Nacht stand ein Fuhrpark von Fahrrädern vor dem Bahnsteig. Vor der Arbeit und nach Feierabend wurde gerne noch in die Bahnhofsgaststätte eingekehrt. Stimmengewirr erfüllte die Raststätte, wenn Arbeiter und Reisende zum leiblichen Wohlergehen plauderten. „Früher war hier vom ersten bis zum letzten Zug ein ständiges Kommen und Gehen“, erinnert sich Brigitte Wurth, Wirtin der ehemaligen „Restauration“ am Bahnhof Kippenheim.


Die Instandhaltung des Gleisnetzes erforderte Können und Kraft. Hermann Zipf aus Kippenheimweiler (2. v. r. in Uniform) leitete zunächst als Rottenführer und später als Rottenmeister die Rotte beim Ausbessern der Gleise. Diese hatte den Gleisabschnitt „Übergang Gremmelmeier“ in Höhe des Friedhofs bis etwa nach Offenburg zu bewerkstelligen. Die Arbeit begann frühmorgens, teilweise schon nachts, wenn der Schnee wegzuräumen war und die festgefrorenen Weichen enteist werden mussten.

Reger Verkehr herrschte auch an der Güterhalle, an der Waren des örtlichen Handels umgeschlagen wurden. Direkt ab Zeche wurden dort Kohle und Öl aus dem Ruhrgebiet umgeladen und den Kunden direkt ins Haus geliefert.

1956 verschwanden die Dampflokomotiven nach der Elektrifizierung aus dem Eisenbahnalltag, den sie zuvor Jahrzehnte bestimmt hatten. Die Umschlagsstelle für Gepäck und Expressgut sowie der Verkauf von Fahrkarten wurden 1968 eingestellt. Damit wurde der Bahnhof Kippenheim zum unbesetzten Haltepunkt, da nur noch Zu- und Aussteigen möglich war. Das Schicksal des Bahnhofes war besiegelt. Der Bahnhof wurde am 26. Mai 1974 endgültig stillgelegt. Nach und nach wurden das Bahnhofsgebäude, das Bahnwärterhaus, die Güterhalle und das Stellwerk abgerissen. Zuletzt folgte 1976 der Abriss des Bahnsteigs. Seitdem säumt nur noch ein Graben die Schienen, auf denen die Züge auf der Rheintalstrecke an Kippenheim vorbeirollen. Die neue Straßenführung mit der Bahnbrücke ersetzte 1972 den beschrankten Bahnübergang.


Das Bahnhofsgebäude Kippenheim von Westen aus gesehen, im Hintergrund links das Bahnwärterhaus

 

Die Bahn war ein begehrter Arbeitgeber, Zeitzeugen erinnern sich:

Hilde Schiff: Un wenn ich z’ruckdenk, des denkt mir noch, dr Vadder het’s Fahrrad ghan, die Arbeitsschtell isch Dinglinge gsieh in dr jungi Johre un im Winder, mir hann schneereiche Winter ghan, un wenn do dr Vadder het mian furt ge Schneefege, also Weiche frej mache, drno hedder mian uff Dinglinge laufe, will no nitt bahnt gsieh isch, no hedder schu gar nitt fahre kenne, un so hedder oft Nachtdienscht mian mache, un isch d’ganz Nacht unterwegs gsieh. Also diesbezüglich hann sie’s als viel herter ghan.

Martin Schmidt: Dr Großvadder isch uff dr Bahn gsieh, was hedder als bekumme, ich hab ihm als miän d’Rendi hole. 40 Mark und 90 Pfennig im Monat.

Renate Weis-Schiff: Des isch ä gued’s Geld gsie zu sellere Zit.

Stephan Hurst: Hänn die wo an dr Bahn ware noch Landwirtschaft betriebe?

Martin Schmidt: Ja. Die hänn Landwirtschaft ghan, un wenn sie als furt sinn am Morge hänn sie frieh furt miäse. Dr Hansegüschdel het als miäße schlofe zerscht, un d’Frau het bührt. Dr Hans war do owe Schrankedriller.

Stephan Hurst: In Wylert ware jo viele bi dr Bahn. Was hänn die alli gmacht?

Martin Schmidt: Ja, s’sinn d’meischdi bi dr Bahn gsieh. Des hän sie jo alles vun Hand mache miän. Dr Weis Wilhelm isch am Schdellwerk gsieh, uffem Schdellwerk 2. Dr Weis Fritz dowe war uffem Schdellwerk, dr Hansegüschdel isch au uffem Schdellwerk gsieh. Dr Hansegüschdel war uff sellem Schdellwerk.

Renate Weis-Schiff: Dr Hebammevadder war an dr Bahn.

Martin Schmidt: Der war Rottefiehrer. Der het d’Rott under sich g’han.



Julius Berne war einer der Schrankenwärter an der Bahnstrecke bei Kippenheimweiler. Die beiden Fotos stammen von Ostern 1942.

Die Hanfrözi
VON STEPHAN HURST

Die Hanfrözi

VON STEPHAN HURST

Wo viel Wasser war, wurde auch Hanf angebaut; so auch in Kippenheimweiler. Der Gewannname Hanfrözi (das Gewann befindet sich rechter Hand neben der Rebwegbrücke) zeugt heute noch vom nicht allzu lange zurückliegenden Anbau einer wichtigen Nutzpflanze, dem Hanf. Er wuchs auf Feldern zu zwei bis drei Meter hohen Stängeln heran. Im Mai wurde er ausgesät, in seiner Blüte im August gezogen, ausgerauft, sortiert und zu Bündeln gebunden. Grob- oder Schleißhanf hießen die dicken, langen Stängel, Fein- oder Spinnhanf die dünnen und kurzen.

Der Hanf stammt aus Mittelasien. Der männliche ist zarter in den Stängeln als der weibliche und wird auch Sommerhanf oder Fimmelhanf genannt. Die Samen der Hanfpflanzen ergeben das Hanföl. Die Inhaltsstoffe der Pflanze haben eine berauschende Wirkung, daher rührt auch die sinnige Bemerkung „der hett a Fimmel“. Das Wichtigste jedoch an der Hanfpflanze ist der sogenannte Bast, der außen an den Stängeln liegt und aus langen Fasern besteht. Diese galt es wie folgt zu gewinnen:

Die Bündel wurden vom Feld in die „Rötze“, eine mit Wasser gefüllte Grube, gebracht und dort mit Steinen beschwert, bis die Pflanzen faulten. Dann wurden sie auf dem Feld getrocknet und auf der Darre – oft nur eine mit Stangen bedeckte Grube, in der ein Feuer brannte – gedörrt.

Beim Grobhanf wurden von der Wurzel her die Fasern abgezogen. Dann folgte das Hecheln in reiner Handarbeit. Man verwendete hierzu die Hechel, eine Holzplatte mit spitzen runden Stahlnägeln. Durch diese wurden die Fasern immer wieder durchgezogen. Gebräuchlich ist auch die Redensart „jemanden durchhecheln“, deren Ursprung in dieser Tätigkeit zu finden ist und die kein Ruhmesblatt menschlicher Kommunikation darstellt. Die Fasern wanderten direkt oder über Zwischenhändler an Seiler. Sogar in Holland soll Segelleinen aus oberrheinischem Hanf hergestellt worden sein. Die Bearbeitung des Feinhanfes erforderte besonders viel Arbeit, da aus dem Endprodukt Hemden- und Wäschestoffe gewoben werden sollten. Die Stängel wurden mit der Hanfknitsche gebrochen, ausgeklopft und wieder gebrochen, bis die verholzten Pflanzenteile fast vollständig entfernt waren. Dabei half das Ziehen durch die Grobhechel. Nach mehrmaligem Ziehen durch die Feinhechel wurden auch die letzten Holzteile entfernt. Die Fasern wurden dann zu einem Bund gedreht, den man für das Spinnen im Winter aufhob. Nun war der Hanf fertig für das Spinnrad.

Da Missernten selten waren und die mit dem Hanfanbau verbundenen Arbeiten über das Jahr verteilt werden konnten, war der Anbau des Hanfes lohnenswert. Er brachte seinerzeit schnelles Geld. Der Hanfanbau in der Rheinebene verschwand Ende des 19. Jahrhunderts mit dem Baumwollimport und den Spinnmaschinen. Außer der Gewannbezeichnung und der Nähe zum Wasser erinnert heute nichts mehr an die einst florierende Hanfnutzung. Die Gruben verwilderten und wurden zu guter Letzt in den 1950er- und 60er-Jahren mit Bauschutt und Abfall jeglicher Art als Müllkippe missbraucht.


Auf dem Lageplan der Gemarkung sind rund 110 „Rötzen“ zu erkennen.


Hier sind die zur Hanfverarbeitung notwendigen Gerätschaften abgebildet.


Heute hat das Gelände neben dem Rebweg nahe der Bahnlinie Biotopcharakter und wird dankenswerterweise von den Jägern gepflegt.

Die Wasserversorgung sowie der Straßenbau
VON HERBERT UND STEPHAN HURST

Die Wasserversorgung sowie der Straßenbau

VON HERBERT UND STEPHAN HURST

Die Ortsentwässerung

Bevor die Kanalisation gebaut war, wurde das Dorf über offene Rinnen und Gräben entwässert. So gab es in der Bromergasse (heute: Blumenstraße) den Wettigraben, der in der Luisenstraße in den Herrotgraben mündete. Der Wettigraben begann etwa beim jetzigen Anwesen Kaulke (damals beim nun abgerissenen Anwesen Friedrich Zipf, „s’Rotschriebers“) und verlief hinter den Anwesen in der Blumenstraße, eine Kurve beim Anwesen Richard Zipf nehmend, bis zum Anwesen Richard Siefert in der Luisenstraße. Wenn es lange geregnet hatte, führte der Wettigraben ordentlich Wasser und sorgte teilweise auch für vollgelaufene Keller. Der Graben unterquerte auch den Stall der Familie August Spathelfer (heute: Werner Spathelfer). 1951 wurde er durch eine Kanalisationsleitung in der Blumenstraße ersetzt. Damals halfen viele Wylerter mit Schaufel und Schubkarre mit.

Die Dinglinger Straße (heute: Kaiserswaldstraße) wurde durch den Graben zum Langen Weg Richtung Hursterhof (heute: Langenwinkel) entwässert. Ein weiterer Hauptentwässerungsgraben verlief am westlichen Ortsrand vom Gewann Hanfländer hinter den Hausgärten bis zum Seegraben. Diesem Graben wurde auch das Wasser aus der Hauptstraße zugeleitet. Zwischen den Häusern waren teilweise kleine Abflussrinnen, die in den Graben hinter den Anwesen führten. Die Gräben waren regelrechte Moorgräben.


Nach dem Kanalisationsbau wie hier in der Kaiserswaldstraße wurden die Straßen im alten Ortskern mit einer Bitumendecke befestigt und es wurden Gehwege angelegt.

Mit dem Bau der Ortskanalisation wurde 1959 begonnen, sie wurde als Mischwassersystem gebaut und mündete in den Seegraben. Hauseigentümer, die Abwasser aus Küche, Bad und Toiletten einleiteten, mussten Hauskläranlagen bauen. In den Neubaugebieten wurde das Abwasser bereits getrennt. Heute wird das Abwasser des gesamten Stadtteils über einen Hauptsammler, der Mitte der 1970er-Jahre in Betrieb genommen wurde, dem Klärwerk Lahr zugeleitet. Die Hauskläranlagen sind seit dieser Zeit wieder außer Betrieb.

Die Wasserversorgung

Das Gebrauchswasser wurde bis vor nicht allzu langer Zeit mittels Schöpfbrunnen dem Grundwasser entnommen. Wie dies in noch früherer Zeit war, ist nicht überliefert. Es ist jedoch davon auszugehen, dass dies durch auf Privatgrund gegrabene Brunnen und gemauerte Brunnen in der Bromergasse (heute: Blumenstraße) erfolgte. In der Zeit vor und nach dem Zweiten Weltkrieg wurden elektrische Hauswasserversorgungsanlagen („Wasserknechte“) von den Hauseigentümern eingebaut. Mit der Erschließung der Neubaugebiete und insbesondere dem Bau der Schornsiedlung wurde Kippenheimweiler an das Versorgungsnetz von Lahr angeschlossen. Dies galt jedoch nicht für den alten Ortskern. Erst 1976/77 war es so weit, dass nach zähem Ringen und endlosen Gesprächen ein sukzessiver Anschluss des Ortskerns erfolgte.

Die Zeitzeugen Konrad Schneble und Hermann Weis, beide altgediente Gemeinde- und Ortschaftsräte, fassen zusammen:

„Mit dem Bau der Kaiserswaldhalle war klar, dass etwas passieren muss. Es musste gewährleistet werden, dass in die Halle sauberes und geprüftes Wasser aus dem Versorgungsnetz eingespeist wurde. Eine Einspeisung aus dem Grundwasser, auch wenn dieses in regelmäßigen Zeitabständen geprüft wurde, kam nicht infrage, und der Anschluss des alten Ortskerns an das Versorgungsnetz war unausweichlich und unabdingbar.“

Der Straßenbau

Der Langenweg, beginnend im Ort mit der Dinglinger Straße (heute: Kaiserswaldstraße) bei der evangelischen Kirche, führte als sogenannter Gemeindeverbindungsweg über den Hursterhof nach Dinglingen. Man muss sich vorstellen: Der Hauptverkehr verlief von Nonnenweier kommend an der evangelischen Kirche vorbei rechts in die Wylerter Hauptstraße. Richtung dem heutigen Langenwinkel, das es bis zur Umsiedlung in den 1960er-Jahren gar nicht gab, endete das Dorf bei den Anwesen „Fässler Gerhard“ (rechts) und „Zipf Herbert“ (links). Die Dinglinger Straße führte um das in den 1950er-Jahren abgerissene „Haus Gertisser“ herum Richtung Ortsausgang. Heute befindet sich dort der Fußgängerüberweg.

1966 wird das Planfeststellungsverfahren zum Neubau der heutigen K5344 über den Hursterhof (heute: Langenwinkel) mit einer Anbindung an den Autobahnzubringer nach Lahr eröffnet. Die Verkehrsfreigabe der neuen Kreisstraße Nr. 65 (heute: 5344) von Kippenheimweiler über Langenwinkel nach Lahr erfolgte am 1. April 1968. Durch diesen Straßenneubau änderte sich an der Infrastruktur für Kippenheimweiler sehr viel. Für die Verkehrsteilnehmer bestand nun die Möglichkeit, ohne Umwege das überregionale Straßennetz und die Stadt Lahr anzufahren. Die neue Straßenführung über Langenwinkel und Dinglingen stellte in der Tat gerade für die Pendler eine deutliche Verbesserung dar und verband Wylert wesentlich besser mit der großen Welt.

1970/71 wurde auch die K26 (heute: 5342) im Rahmen der Flurbereinigung als Ortsumfahrung an den westlichen Ortsrand verlegt. Dadurch wurden die Bahnhofstraße und die Wylerter Hauptstraße, die bis dahin Haupteinfallstraßen von Süden und Norden waren, erheblich entlastet. Der schienengleiche beschrankte Bahnübergang nach Kippenheim bei der Bahnhofswirtschaft Wurth wurde 1972 durch einen Brückenbau ersetzt. Auch der Bahnübergang im Rebweg wurde durch einen Brückenbau ersetzt. Der Bahnübergang Herrod/Freimatten wurde geschlossen.


Blick nach Westen während der Straßenbauarbeiten im Bereich der evangelischen Kirche und der Anwesen Baier und Jung. Auffallend sind die überwiegend von Hand ausgeführten Arbeiten, bei denen selbst eine zweirädrige Handkarre zum Einsatz kam.


Der Neubau der Autobahn von 1959 bis 1962 trennte die Gemarkung im Auewald. Etwa 1,7 Hektar Gemarkungsfläche im sogenannten Dürrenschlag liegen westlich der Autobahn.


2009 wurden die Erneuerungs- und Ausbauarbeiten des Kanalnetzes im Dorf weitergeführt. Damals stand die Auswechslung des Mischwasserkanals in der Wylerter Hauptstraße an. Die etwa acht Wochen andauernden Erd-, Kanalisations- und Straßenbauarbeiten wurden im Auftrag der Stadt Lahr durch die Fa. Lässle aus Schwanau ausgeführt.

 

Mithilfe des Entwicklungsprogramms Ländlicher Raum (ELR) wurde der nördliche Bereich der Wylerter Hauptstraße 2013 ausgebaut. Ortsvorsteher Tobias Fäßler nannte bei der Einweihung des Straßenabschnitts als Kosten dieser Maßnahme einen Betrag in Höhe von 540.000 Euro, davon stammen 180.000 Euro aus ELR-Fördermitteln. Fäßler sah darin einen Impuls, der private Anlieger dazu ermutigen könnte, ihre Objekte zu verschönern. 3.450 Quadratmeter Straßen- und Gehwegfläche wurden saniert. Dadurch wurde der Bereich um die Ortsverwaltung neu und dorfbildgerecht gestaltet. Sie erhielt außerdem einen barrierefreien Zugang vom Hinterhof in das Gebäude. Mittlerweile sind bereits die Planungen für die Sanierung des zweiten Bauabschnittes zwischen der Zufahrt zur Kaiserswaldhalle und der Sankt-Blasius-Kapelle (Ludwig-Huber-Platz) mit angedachter Bepflanzung des Mittelstreifens in der Wylerter Hauptstraße im Gang.

Dorfentwicklung

In Kippenheimweiler wurde relativ spät mit der Erschließung neuer Baugebiete begonnen. Kanalisation und Straßenbau hatten den Gemeindesäckel bereits geleert. 1965 wurde der erste Bebauungsplan „Breitacker“ erstellt. Ende der 1960er-Jahre wurde ein Plan für das Gebiet „Hanfländer/Kirchenfeld“ erstellt, der aber noch nicht zur Genehmigung kam. Der Bebauungsplan „Oberer Saum“ wurde 1970 genehmigt. Dieser Plan erstreckte sich größtenteils über Grundstücke der Stiftungsverwaltung und sah eine Bebauung mit Wohngebäuden mit bis zu vier Stockwerken für ca. 750 kanadische Militärangehörige vor. 1980 wurde die Fläche zwischen Westendstraße und K5344 im Bebauungsplan „Oberer Saum“ genehmigt. Der Bebauungsplan „Hanfländer“ wurde 1976 ohne das Gebiet „Kirchenfeld“ genehmigt. In diesem Gebiet waren auch Flächen für eine Veranstaltungshalle ausgewiesen.


Ende September 2013 haben die Einwohner und Ortschaftsräte mit Oberbürgermeister Dr. Wolfgang G. Müller und Ortsvorsteher Tobias Fäßler die Fertigstellung des ersten Bauabschnitts der Wylerter Hauptstraße gefeiert. Anwohner Franz Nopper ermutigte die Bewohner des zweiten Bauabschnittes, das Verschönerungsangebot anzunehmen.


2003 wurde das Baugebiet „Breitacker Nord“ für ein- und zweigeschossige Wohnbebauung genehmigt. Die endgültige Übergabe samt fertiggestelltem Straßenbelag fand im Juni 2013 mit den Anwohnern und der Verwaltungsspitze der Stadt Lahr statt.