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Friedrich Arnold Brockhaus - Erster Theil

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Von unterwegs, aus Leipzig, schreibt er an Ludwig:

Wir haben es schlimm gehabt, da die Kälte herz- und hautzerschneidend war und ist. Minna ist gut und duldend, Emma die leidendste. Ich — empfand wenig davon, wie ich kaum selbst begreife.

Frau Spazier fügt folgende Zeilen für ihre Schwester bei:

Liebste Karoline! Ich melde Dir mit wenigen Worten, daß wir der harten Kälte ohnerachtet wohl angekommen sind. Theile diese Nachricht Herrn und Madame Ludwig mit, sie werden sehr besorgt unsertwegen sein. Lebe wohl, liebste Karoline, ich kann Dir nicht sagen, wie mir zu Muthe ist. Emma hat sehr gefroren, ich freue mich sehr über das Wiedersehen.

Von Berlin aus schreibt Brockhaus gleich am 9. Januar an Ludwig:

Ich eile, Ihnen mit wenigen Worten zu melden, daß wir gestern Abend nach einer allerdings unendlich beschwerlichen und peniblen Reise hier glücklich angekommen sind. Die Zusammenkunft Minna's mit ihren Kindern und ihrem Vater war herzzerschneidend. Ich behalte mir vor, Ihnen bei meiner Zurückkunft von Allem sehr umständlich Bericht zu geben. Da zwischen Berlin und Leipzig ein bedeckter Postwagen fährt, so werde ich mich dessen zu meiner Retour bedienen und Sonntag oder heute acht Tage zurückreisen.

Die ganze Mayer'sche Familie und Minna tragen mir auf, sie Ihnen und den edeln Frauen Ihres Hauses, auch Herrn Hempel bestens und innigst zu empfehlen und Sie vorläufig ihres ganzen Dankes zu versichern. Meine Gesinnungen für Sie Alle sind Ihnen bekannt.

Ganz Ihr
Brockhaus.

Geben Sie Karolinen von diesem Briefe Kenntniß, da ich keine Zeit habe, ihr selbst zu schreiben.

Auf der Rückreise schreibt er aus Leipzig vom 15. Januar an Bornträger (Schmidt) nach Amsterdam:

Von meiner Reise nach Berlin mit der armen Minna in der furchtbarsten Kälte, von unsern Beschwerden auf derselben, meinen Sorgen und meinem Jammer, von unserer Ankunft im Hause des Vaters, von der Scene der Zusammenkunft mit diesem und Julius, von dem allgemeinen und besondern Benehmen des Vaters und der (Stief-) Mutter, endlich von der herzzerreißenden Stunde des Abschieds und der Trennung — von allem Diesem, lieber Schmidt, kann ich Ihnen nur einmal mündlich erzählen!

Minna's Zustand ist immer derselbe noch: gänzliche Erschlaffung im Geistigen. Sie denkt und spricht fast immer richtig, und wann sie es nicht thut, so hat's Beziehung auf die Furcht, mich zu verlieren. Sonst ist ihr Alles gleichgültig, was um sie her ist, und ihre einzige Beschäftigung, wenn man sie nicht gleichsam gewaltsam darin unterbricht, fortwährendes Stricken, wobei sie denn immer so vor sich hin brütet und oft wehmüthig mit ihren schönen Augen zum Himmel aufsieht. Es ist herzzerschneidend. Meine Theilnahme an ihrem Schicksal ist, so sehr ich auch moralisch verletzt worden bin, unveränderlich, und kann ich es möglich machen, ohne darüber zu Grunde zu gehen, ihr Schicksal noch an das meinige zu ketten, so wird's geschehen, wenn sie nur geneset und in geistiger Energie wieder die alte göttliche Minna wird.

Am 27. Februar schreibt er aus Altenburg an denselben, nachdem dieser ihm in einem Privatbriefe offen seine Ansichten über Frau Spazier ausgesprochen hatte:

Gewiß sind Ihre Deutungen über der Hofräthin Betragen in vielen Stücken richtig, und so wehe mir das Geständniß thut, so habe ich jedoch immer noch Vertrauen genug, um mir ein zwiefaches Wesen in ihr zu denken, von dem das Eine: die edle, gute und großherzige Minna, das Ursprüngliche wäre, und das Andere: die astucieuse, coquette, heuchelnde Hofräthin, die durch die Collisionen mit der Welt, ihrem Blute und verkehrten ästhetischen Richtungen erst gebildet worden sei. Ihr eigentliches, vielleicht später durch unsern hiesigen genauern Umgang erst entstandenes Gefühl für mich spricht sich vielleicht nirgends wahrer aus als in zwei Briefen, welche sie kurz nach der heftigsten Epoche ihrer Krankheit, als sie anfing freie Stunden zu haben, in denen sie wieder mit Klarheit dachte, an Karoline und an ihren Sohn Julius schrieb, solche aber nicht abgehen ließ, sondern wie ein Amulet seitdem immer an ihrem Herzen trug, bis sie sie einst verlor. Es grenzt ans Wunderbare, wie dieses außerordentliche Wesen in einem solchen Zustand von halber Zerstörung fähig gewesen, solche Briefe, die wahre Meisterstücke von Diction sind, in einem Zuge hinzuwerfen!

Noch vor einigen Tagen habe ich von ihr directe Briefe. Sie leidet körperlich und geistig noch sehr, und Gott weiß, wie es mit ihr werden wird.

Brockhaus war zunächst zwar nur durch Mitleid mit der Kranken sowie durch den Wunsch, sich mit ihrem Vater über die eben verlebte furchtbare Zeit auszusprechen und dann das Verhältniß auf eine möglichst schonende Art zu lösen, zu der Reise nach Berlin veranlaßt worden. Aber fortwährend hatte er einen innern Kampf zu bestehen, ob er im Fall der Wiedergenesung seiner einstigen Braut nicht alles Vergangene vergessen und ihr aufs neue die Hand zur Versöhnung und zur wirklichen Vereinigung bieten solle. Durch das Benehmen ihres Vaters wurde ihm dieser Kampf erleichtert, das Opfer, das er vielleicht doch noch gebracht hätte, erspart, indem dieser jetzt selbst die Lösung des Verhältnisses betrieb und ihm, den er als den Urheber des Unglücks seiner Tochter betrachtete, überhaupt nicht freundlich und vertrauensvoll entgegenkam.

Brockhaus spricht sich darüber in einem an Ludwig gerichteten Briefe vom 23. März aus, der in Amsterdam geschrieben ist; was ihn auf kurze Zeit dahin zurückgeführt hatte, wird später zur Sprache kommen. Er schreibt:

Hätte der Vater, wie ich ihn sonst zu nennen pflegte, oder, wie ich ihn jetzt ferner nennen werde, Herr Geheime Rath Mayer mich gewürdigt, genaue Kenntniß von meinen Verhältnissen zu nehmen, wozu das Schicksal seiner unglücklichen Tochter ihn wol hätte bewegen sollen, so konnte sich Alles schön und edel für mein und der armen Minna Schicksal lösen. Mich würde Dankbarkeit — der hervorstechendste Zug meines Herzens — an ihn und an sie dafür gefesselt haben, und kein Opfer, das ich der Welt und meinem Innern hätte bringen müssen, wäre mir dann zu hoch oder zu groß gewesen! Minna wäre auch genesen dann, und bei bürgerlich ganz geordneten Verhältnissen und mit edeln Menschen, besonders edeln Frauen, umgeben, würde sie auch edel gewesen sein — und anstatt daß jetzt durch ihr grauses Schicksal das ihrer Kinder ewig mit zerrissen wird, anstatt daß selbst ins Leben des Vaters kaum wieder reine Freude zurückkehren kann und auch seine eigenen Verhältnisse dadurch furchtbar gestört bleiben müssen, wäre ein ursprünglich gewiß herrliches und reiches Gemüth, das in den Collisionen mit der Welt zu Grunde gegangen war, wieder neu geboren worden, eine Seele war gerettet; wieder dem Leben zurückgegeben, konnte die unglückliche Tochter durch Uebung und Erfüllung von Pflichten Alles mit sich versöhnen, ihre Kinder ehren und deren Laufbahn ordnen, dem Vater selbst wieder die schönsten Blumen auf den Pfad seines Lebens streuen!

So wollten Sie es, edler braver Ludwig, so wollte auch ich es! Und nun werfe man noch einen Stein auf uns!

Daß ich es nicht verstand, wie Karoline mir vorwarf, den Vater, außer meiner Persönlichkeit, auch sonst zu interessiren für mein Schicksal, kann ich mir nicht zum Vorwurf machen lassen. Es ist freilich wahr, und es ist mit ein Grund auch meines allgemeinen Schicksals, daß ich es so wenig verstehe mich geltend zu machen. Von der einen Seite fühle ich, daß ich einigen Werth habe, und wenn ich mich dann verkannt oder gar mishandelt sehe, so ist meine Erwiderung entweder stolzes in mich Zurückziehen, oder es sind — Thränen! Karoline sagte darum auch wol nicht mit Unrecht: Sie sind halb Weib, halb Mann! Von der andern Seite bin ich wenig beredt über mich selbst; ich weiß auf keine Anklage etwas zu antworten, weil ich mir, wenn sie gegründet auch nur in etwa, immer zehnmal mehr Vorwürfe mache als Andere; ich bin furchtsam, ängstlich, dränge mich nirgends hervor oder ein, weiß mit meinem Pfunde nicht zu wuchern, und welche negative Eigenthümlichkeiten ich denn mehr habe.

So wie ich nun also bin, konnte ich dem Vater freilich nichts anders als das simple Factische ohne Schmuck oder Beredtsamkeit vorbringen, aber mir dünkt, daß den wahren Menschenkenner diese Einfachheit eher für die Wahrheit gewinnen als davon entfernen muß.

Allerdings war ich nun auch bald stolz gegen ihn, und gewiß würde ich es noch mehr sein, wenn sich weitere Gelegenheit finden möchte in Contact zu kommen. Diese Gelegenheit wird sich aber wol nicht weiter finden.

Ich habe seit meiner Abreise von Altenburg weder von Berlin noch von Baireuth Briefe, aber auch von Altenburg selbst noch keine. Der armen Minna habe ich meine Reise aber gemeldet, damit sie wenigstens weiß, wo ich bin. Die arme Minna!

Wenige Tage darauf, am 26. März, schreibt er abermals an Ludwig:

Heute etwas über der armen Minna Schicksal. Gestern erhielt ich von Karolinen Briefe. Auch sie betrachtet unsere Trennung — Minna's und meine — als entschieden durch den Willen des Vaters. Mein Herz zuckt krampfhaft bei dieser Entscheidung, denn Minna war mir unendlich und ist mir noch sehr theuer. Mein Verstand tritt aber der Entscheidung des Vaters mit Beifall bei. Er sagt mir trocken weg, daß eine Ehe ohne Schönheit und Reinheit der Gefühle, ohne innige Achtung, ohne Vertrauen mich nur höchst unglücklich würde gemacht haben. »Der Wahn ist kurz, die Reu' ist lang«, sagt Schiller so bedeutend, und allerdings: das Leben ist zu ernst, als daß man poetische Gefühle allein Gewalt darin dürfte über sich ausüben lassen. Ich habe schweres Lehrgeld dafür gegeben!

 

In seiner Antwort an Minna's Schwester, Karoline Richter, vom 30. März heißt es:

Mein eigenes Leben darf ich jetzt hoffen bald gerettet zu sehen. Wäre es nur auch das von Minna, wenn auch von mir getrennt! Es werden aber Wunder geschehen müssen, wenn sie nicht auf die eine oder andere Weise zu Grunde gehen soll.

Ich werde gewiß ihr Freund fürs Leben bleiben und wohlthätig auf ihr Schicksal einzuwirken suchen, soviel es meine Pflichten erlauben. Worin sie mich gekränkt und mir wehe gethan, das Unrecht, das sie an mir geübt, den nachtheiligen Einfluß, den sie auf alle meine Verhältnisse so gebietend gehabt — ich verzeihe ihr Alles. Kein Groll gegen sie ist in meinem Herzen. Auch ich habe gefehlt. Wie aber und durch welche Motive geleitet oder bewogen, darüber richte derjenige, der die Herzen der Menschen prüfet und würdiget in Wahrheit! ...

Jene von dem Vater ausgesprochene Entsagung kann auch nicht wieder zurückgenommen werden. Nicht daß Minna aufhörte mir theuer zu sein, nein, gewiß nicht; aber ich betrachte diesen Ausspruch als eine neue Weisung des Schicksals, das schon so oft deutlich über diese meine Verbindung mit ihr gesprochen, die ich diesmal achten und nicht zurückweisen will und dies um so mehr thun muß, da mein Verstand diesen Ausspruch in allen Hinsichten bestätigt. Denn konnte, sagt mein Verstand, eine Ehe glücklich sein, wo von der einen Seite alle schönen und reinen Beziehungen verloren gegangen waren, wo echte innere Hochachtung und Verehrung nicht mehr da sein konnte, wo kein Vertrauen weiter möglich war beinahe, wo alle Energie fürs weitere Leben mußte gebrochen sein, wo jede Rückerinnerung an die Vergangenheit nur mit Vorwürfen oder mit bittern Gefühlen konnte gepaart sein, wo überhaupt der wahre Charakter noch so problematisch?

Mitleiden, Theilnahme, Herzensgefühle, der Wunsch, glücklich zu machen, die Begehr, in den Augen der Welt consequent zu erscheinen — konnten jenes Fehlende nicht ersetzen, und wenn überhaupt schon Ehen im Leben selten schön-glücklich sind, wie viel weniger konnte es diese sein, wo so viele Elemente dazu fehlten!

Auch mein Gefühl hat mich, wie fast immer, hierin sehr richtig geleitet. Es sagte mir gleich in der ersten Stunde, wo die Vergangenheit vor mir aufgerollt wurde: Minna kann nie dein Weib werden! Es ist für mich eine Genugthuung, dieses Gefühl selbst gegen die edelsten meiner Freunde, die mein ganzes Vertrauen hatten, ausgesprochen zu haben. Man könnte es sonst jetzt für eine arrière pensée halten ...

Ob ich fortfahren soll, dann und wann noch an Minna zu schreiben? Mir dünkt das Unterlassen wol das Räthlichste. Wozu jetzt noch auch nur die entferntesten Hoffnungen unterhalten oder Gefühle anfachen, da dies nur das große Unglück der Armen vergrößern kann? ...

Welch ein Spiegel fürs Leben wäre Minna's Geschichte, von Goethe, Richter oder einem andern Richardson der Mit- und Nachwelt aufbewahrt! Ja, der Vater hat recht gehabt, zu zerhauen, was sich nicht lösen konnte! Er hat recht gethan! Er ist das Orakel geworden, das ich mir ersehnte!

Noch entschiedener spricht er seinen Entschluß, das Verhältniß ganz zu lösen, und die Motive dazu in einem Briefe von demselben Tage an Ferdinand Hempel in Altenburg aus:

Je mehr ich jetzt überzeugt bin, daß meine Bekanntschaft mit der Hofräthin und mein Verhältniß zu derselben die vorzüglichste Ursache meines seitherigen Unglücks gewesen ist, je fester bin ich jetzt entschlossen, die Bande, die zwar schon sehr gelockert mich noch an sie knüpften, schnell zu zerreißen und für immer alle Verbindung mit ihr aufzuheben. Ich bedarf Ruhe, und ich finde keine, so lange noch auf die eine oder andere Weise mein Schicksal mit dem ihrigen verflochten ist, oder auch nur meine Verbindung durch Briefe selbst noch fortdauert.

Das Schicksal der armen Frau geht mir unsäglich nah, und wo nicht Pflichten in Collision kommen, da werde ich auf alle Weise wohlthätig darauf einzuwirken suchen, so sehr ich auch überzeugt bin, daß sie allein sich dieses Schicksal bereitet hat. Jedes Weib wird zu Grunde gehen, moralisch oder physisch, das es wagt und unternimmt, so — aus dem Kreise herauszutreten, den die Natur und die bürgerliche Gesellschaft den Frauen gezeichnet hat, und sicher würde ich einst fürchterlich aus dem Traume sein aufgeschreckt worden, in welchen die Künstliche mich durch Zauberlieder und lieblichen Sirenen-Gesang einzulullen gesucht und auch verstanden hatte!

Der Vater in Berlin hat weise gehandelt, daß er den Kampf, der in meiner Seele vom ersten Augenblicke an mit tiefem Schmerz statthatte, wo ich erkannte, daß meine kindliche Arglosigkeit, daß das edle Vertrauen, das ich gehabt, so grausam war gegen mich selbst gewendet worden, und daß ich nur als ein Faden hatte sollen gebraucht werden, um aus dem Labyrinthe, worin man sich verwickelt hatte, sich nur retten zu können — und welcher Kampf sich so oft gegen Sie und die edeln Mitglieder des Ludwig'schen Hauses ausgesprochen — durch sein Benehmen der Entscheidung so nahe gebracht hat.

Diese Entscheidung ist jetzt in mir fest und unwiderruflich beschlossen. Meine Ehre, die Ehre meiner Kinder, die Ehre meiner respectabeln unbescholtenen Familie, die Ehre meiner vortrefflichen, im Grabe ruhenden Frau, mein Glück und das Glück Aller, die durch irgendein Band an mein Schicksal gekettet sind — hat diesen Entschluß geboten. Ich will und ich muß mein Leben neu ordnen. Ich kann es nur frei von diesen Banden und mit Ruhe im Gemüthe.

Die entscheidenden Briefe zwischen Brockhaus und Frau Spazier sind, wie die ganze Correspondenz zwischen ihnen, nicht in unserm Besitze und wahrscheinlich überhaupt nicht erhalten. Dagegen liegen aus dieser Zeit einige Briefe von ihr selbst an ihre Schwester und einige Andere sowie von diesen über sie vor.

Am 8. März schreibt sie an Ludwig in Altenburg, um ihn als ihren Freund und Curator zu bitten, ihre dortigen Angelegenheiten zu ordnen, ihre zurückgebliebenen Möbel u. s. w. zu schicken; sie sagt:

Es leidet keinen Zweifel, daß Ihnen aus meinen Briefen an Brockhaus sowie aus dem, was er Ihnen aus der Zeit seines kurzen Aufenthalts hier mitgetheilt haben wird, bekannt sei, welche Wendung meine äußern Verhältnisse genommen! Wie das väterliche Herz die Erhaltung der Tochter innig gewünscht, wie nach langem Kränkeln, wenngleich noch unvollkommen, die gewohnte Thätigkeit zurückgekehrt scheint, und wie auf diese Hoffnung der Plan meines Vaters gegründet ward, mich, wenn auch nicht in seinem Hause, doch unter seinen Augen leben zu lassen ... Ich habe den Muth, mich an Sie zu wenden, aber es gehört mit unter die qualvollsten Empfindungen meines Lebens, wenn ich mir denke, wie ich Ihnen und Ihrem theuern Hause nun wieder als ein Gegenstand der Beschwerde und nie, wie ich doch so schön in hoffnungsvollern Tagen geträumt, als ein werthes Mitglied Ihres häuslichen Kreises erscheinen dürfte. Dies Gefühl drängt alles Bittere des langen Kampfes in sich zusammen, der mein Leben ausmacht und von dem sich noch immer nicht sagen läßt, daß er vollbracht sei! ...

In welcher Stimmung ich diese Zeilen schreibe, wird Ihr Herz Ihnen sagen. Ich sehe Ihrer Antwort mit Spannung entgegen. Ebenso oft zu Ihrer und der Ihrigen Erinnerung hingezogen, als durch eine tiefe unüberwindliche Wehmuth davon zurückgescheucht, folge ich heute einer äußern Veranlassung und fühle es doch schmerzlich, daß es eine äußere Veranlassung gewesen, die mir nach so langem Schweigen den ersten Brief an Sie eingibt.

Lassen Sie mich bald ein Zeichen Ihres Andenkens sehen! Emma, der Sie so gütige Theilnahme gönnten, empfiehlt sich Ihnen.

Genehmigen Sie die Versicherung der innigen Liebe und Dankbarkeit, mit welcher meine Seele in Gedanken unter Ihnen weilt; ich bin bis in den Tod

Ihre innig Sie verehrende
M. Spazier,
geb. Mayer.

Ludwig, der ihren Wunsch nicht sofort erfüllen konnte, antwortet ihr unterm 31. März:

Der Anblick Ihrer Schriftzüge, eines Briefes von Ihnen, meine verehrte Freundin, worauf wir nun schon lange Verzicht gethan hatten, that meinem Herzen wohl und weh zugleich.

Es war uns Freude, nach so langem gänzlichen Schweigen ein Zeichen Ihres Lebens und die Ueberzeugung zu erhalten, daß die Lebenskraft, wenn auch noch nicht der Lebensmuth, bei Ihnen zugenommen habe; es war uns Schmerz, daß es eines dringenden äußern Antriebs bedurft hatte, um Sie zum Schreiben an Freunde zu vermögen, die diesen Namen durch die That bewährt zu haben glauben dürfen.

Ich sehe mit Betrübniß in Ihrem Briefe noch Spuren einer gewissen Verschlossenheit und Niedergeschlagenheit, die uns in den Wochen Ihrer Genesung und den letzten Ihres Hierseins oft so weh thaten, und die damals in dem Grade zunahmen, als die Beweise von Liebe und Wohlwollen der Sie umgebenden Menschen gerade Vertrauen und Ruhe in Ihrer Brust hervorzurufen geeignet schienen. Mögen Sie mich, theuere Freundin, in dieser Aeußerung ja nicht misverstehen! Sie ist nichts als der reine Wunsch, daß Sie, welcher das Schicksal ohnehin so viel zu tragen auflegte, sich nicht auch von den Wenigen selbst entfremden mögen, die es wahrhaft gut mit Ihnen meinen, die in der Zeit der Noth ohne Eigennutz, ohne Parteilichkeit und Leidenschaft Ihre Freunde waren.

Glauben Sie indessen nicht, daß mir ein Schmerz nicht heilig sei, der Ihre Brust nothwendig in diesem Augenblicke erfüllen muß, wenn ich mich nicht in Ihrem Herzen geirrt habe — ich meine den über Ihre ausgesprochene Trennung von Brockhaus, der eine so seltene Anhänglichkeit für Sie hatte und (ich bin überzeugt) noch hat, wenn er gleich nun völlig außer Stand gesetzt ist, sie auf die zeitherige Art zu äußern. Diesen Schmerz theile ich mit Ihnen, schweige aber darüber, weil ich ihn nicht bei Ihnen erneuern will und nicht befugt bin, über einen Schritt abzuurtheilen, von welchem ich nicht einmal weiß, inwiefern er von einem fremden Willen, inwiefern er von Ihrer eigenen Einsicht ausgeht, und auf welche Gründe gestützt diese über Gefühl und Herz gesiegt hat.

Nur das weiß ich, daß ich immer Ihr Freund bleiben und daher nichts zugeben werde, was im geringsten wider Gesetz und Recht Ihnen zum Nachtheil, von wem es auch sei, unternommen werden könnte.

Sollten Sie diese Versicherung mit dem Nichtempfang Ihrer Sachen im Widerspruch finden, sollten Sie unmuthig über mein Schweigen mehrerer Wochen sein, so werden Ihnen die folgenden Zeilen gleichwol Alles erklären.

Möge ich durch das bisher Gesagte in Ihren Augen nun gerechtfertigt erscheinen. Mit wehmüthiger Erinnerung gedenke ich der vergangenen Zeit, denn ich schreibe Ihnen auf derselben Stelle, wo Sie oft mit mir und den Meinigen zusammensaßen, sich der Hoffnung einer heitern Zukunft überlassend. Unserm Kreise näher angehörend wollten Sie leben; das Schicksal hat es anders gewollt, wie es scheint — doch, wenn auch entfernt, mögen Sie nur glücklich und unsere Freundin sein! Meine Achtung für Ihren seltenen Geist und meine Theilnahme für die Ruhe Ihres Herzens werden immer dieselben sein.

Karoline Richter hatte aus Liebe zu ihrer Schwester fortwährend auf die Wiedervereinigung mit Brockhaus hinzuwirken gesucht. So schrieb sie an Ludwig aus Baireuth vom 13. März, sie habe soeben von ihrer Schwester einen Brief erhalten, welcher, was ihr zu wissen am wichtigsten sei, deren eigentliche Gesinnung gegen Brockhaus ausdrücke:

Diese ist nun immer dieselbe, wie wir sie Alle gekannt. Sie jammert darin über seine größere Entfernung von ihr durch die Reise nach Amsterdam, und es tönt Hoffnung der Vereinigung überall durch. Mir bricht fast das Herz bei diesen Aeußerungen, und ich kann nicht glauben, daß irgend Jemand, der die Unterordnung ihres Verfahrens unter die väterliche Gewalt anerkennt, das kraftlose Opfer feindlich behandeln kann.

 

Sie erwartet deshalb von Brockhaus' Großherzigkeit und Ludwig's freundschaftlichem Antheil die ganze bürgerliche Rettung ihrer unglücklichen Schwester, selbst wenn die Trennung entschieden bleibe. Brockhaus sei zu edel, um nicht Alles, was er vermöge, dazu beizutragen.

In einem andern Briefe aus dieser Zeit (ohne Datum) bittet sie ihre und ihrer Schwester Freundin Karoline von Ehrenberg in Altenburg um Nachrichten:

Schreibe mir etwas von Brockhaus, der mir mit Entzücken von Deiner Amnestie erzählte. Sage mir, wie er Dir in der letzten Zeit erschienen ist und was Minna von ihm wol noch zu erwarten hat. Ich kann Dir nicht sagen, wie ich um ihretwillen leide; welche Fehler wären nicht durch solches Unglück abgebüßt!

Mehrere von Frau Spazier an Ludwig gerichtete Briefe aus dieser Zeit legen von einer ruhigern Stimmung Zeugniß ab und können unser Mitleid mit ihr nur vermehren.

Sie schreibt ihm am 10. April wieder, noch ohne seinen oben mitgetheilten Brief, der vom 31. März datirt, aber vielleicht erst einige Tage später abgegangen war, empfangen zu haben, und wiederholt ihre frühern Bitten: Er sei ja stets bereit, Bedrängten zu helfen, und wenn er ihre jetzige Lage bedenke und auf die lange Folge schmerzvoller Ereignisse zurücksehe, die sie seit ihrer Entfernung aus Leipzig überstanden, so werde er sich gewiß nicht weigern, ihr den Namen einer »Bedrängten« zuzugestehen. Sie fährt fort:

Meiner Vorstellung kann nichts Gehässigeres sich aufdringen als der Gedanke, daß zur völlig klaren Entscheidung dieser Angelegenheit zuletzt noch gerichtliche Schritte gemacht werden könnten. Und würde ich diese hintertreiben können?

Mit der größten Bereitwilligkeit Alles aufzuopfern, was den Schmuck des Lebens ausmacht, mit der überlegtesten Resignation, würde ich doch nur für meine eigene Handelsweise gutsagen können, nicht aber für die Maßregeln meines Vaters.

Es mußte noch mehr hinzukommen, mich die Nichtigkeit meines Strebens nach außen kennen zu lernen — mehr noch als das lange Gefolge von Widerwärtigkeiten, das zum Theil vor Ihren Augen an mir vorüberzog.

Wenn meine körperliche Gesundheit, wenn meine ruhige Besonnenheit sich in der letzten Zeit rühmen dürften, Fortschritte gemacht zu haben, so scheinen geistige und leibliche Kräfte nur darum mir wiedergeschenkt, um sie an dem Krankenlager meines ältesten Sohnes zu üben, der seit vierzehn Tagen an einer Lungenentzündung schwer daniederliegt, in sechsunddreißig Stunden fünfmal zur Ader gelassen werden mußte, dessen völlige Wiederherstellung noch in diesem Augenblicke ein Problem ist. Ich bin seine Wärterin — es ist mir möglich gewesen, elf Nächte hintereinander an seinem Lager zu wachen, und an diesem merkwürdigen Falle sehe ich — daß nicht unnütz war der Gang, den mein Leben nahm, als er mich wieder hierherführte.

Finden Sie, theuerer Herr Ludwig, in der Art und Weise, wie in diesem Augenblick darauf hingearbeitet wird, die Trümmer meines äußern Glücks zu retten, etwas Zweckwidriges, so bitte ich Sie nur, die Nüchternheit, womit ich in diesem Augenblick mich den Maßregeln desjenigen Willens unterwerfe, von dem der meinige völlig abhängig geworden ist, keineswegs als eine feindselige Erkaltung gegen die Bilder von Glück und Freude anzusehen, die ich mir noch vor wenigen Monaten träumen durfte!

Wenn irgend Jemand geneigt ist, den Grund des Mislingens seiner theuersten Hoffnungen in sich selber zu suchen, so bin ich es. Das Erwachen aus einem Zustande, in welchem man so gern seinen Kräften vertrauen möchte, sich frei und im Besitz der Liebe achtungswerther Menschen glaubte, ist schmerzhaft genug, auch ohne das Einsinken äußerer Vortheile! ...

Ich kenne in diesem Augenblick nur ein Verlangen: Friede mit mir selbst und meinen Umgebungen!

Einige Monate später, am 3. Juni, schreibt sie dankerfüllt über die von Ludwig gegebene Aussicht auf endlichen Empfang ihrer Möbel und zugleich hocherfreut über den Besuch einer Freundin aus Altenburg, der oben erwähnten Karoline von Ehrenberg:

Den Eindruck zu schildern, den das unerwartete Wiedersehen unserer Freundin auf mich hervorgebracht hat, vermag dies ohnmächtige Wort nicht, o mein theuerer Freund! Ich hatte mich am Freitag auf wenige Minuten aus meiner Wohnung entfernt, die eben von rüstigen Händen festtäglich gesäubert wurde, als ich beim Wiedereröffnen der Thür eine Gestalt erblickte, über die mein Herz auch nicht einen Augenblick zweifelhaft blieb. Es war Frau von Ehrenberg! Ich schloß sie in meine Arme als eine theuere Bürgschaft Ihrer — als eine Bürgschaft der Gesinnungen so manches mir ewig unvergeßlichen Wesens aus Ihrer Mitte. Ich fühlte es, daß ihr Kommen mir die Gewähr leiste, wie ich Sie Alle früher oder später doch gewiß einmal wiedersehen und mit unbewölktem, freiem, leidenschaftslosem Sinne mich an Ihre Brust werfen werde.

Sie wollen von meinem Leben und Weben, von der Rückkehr meiner moralischen und physischen Kraft ein deutliches Bild haben? Ich bin wieder völlig wohl, und wenn mein voriges Sein wirklich etwas gewesen wäre, wovon man eine freudige Selbstanschauung haben könnte, so dürfte ich mich freuen, dieselbe wieder geworden zu sein, die ich war.

Dagegen sind die von Außen auf mich einstürmenden Uebel noch immer im lebhaftesten Wettstreit miteinander, welchem von ihnen es gelingen möchte, in meinem Gefühl als das vornehmste zu gelten.

Für meinen armen, noch immer in völliger Kraftlosigkeit hinschwindenden Julius sind vor acht Tagen zwei Krücken vom Tischler geliefert worden — die er aber, als sie ankamen, als für jetzt noch unbrauchbar auf die Seite stellen ließ. Und als ich am zweiten Pfingstmorgen mich anschickte, mit unserer lieben Angekommenen die Frische nach einem erquicklichen Regen in den schönsten Frühstunden auf einem Gange durch den Thiergarten zu genießen, fand ich meinen Richard in seinem Bette ächzend und in Fieberglut, und seit gestern hat er das Scharlachfieber. So bin ich denn außer den wenigen Stunden, die unsere Freundin uns hier auf meinem Zimmer gönnen konnte, zu keinem vollständigen Genusse ihrer lieben Gegenwart gekommen.

Mit welchem Antheil ich dagegen nach allen Einzelnheiten des schönen Verhältnisses fragte, das zwischen ihr und Ihrem lieben Hause obwalte, wie freudig ich den Beschreibungen Ihrer Kunstgenüsse, Ihrer gesellschaftlichen Einrichtungen, Ihres Stilllebens mich hingab — das mag Frau von Ehrenberg's eigene seelenvolle Rede Ihnen sagen.

Ich hatte mich auf einen recht langen Brief an Sie gefreut, mein verehrter Freund, aber ich sehe nun doch, daß es anders kommt, als ich dachte, und ich eilen muß, wenn ich der Unruhe meines kranken Richard, an dessen Bett ich dies schreibe, die paar ruhigen Augenblicke noch abgewinnen will, die ich dem leidigen Geschäftsinhalt unserer Correspondenz noch zu widmen habe.

Meine Antwort auf Hempel's Brief, mein letztes Schreiben an Brockhaus werden Sie gelesen haben. Nichts also mehr über meine allgemeine Ansicht, über die Entschließung, welche ich gefaßt haben würde, wenn ich freie Hand gehabt hätte. Mir däucht's, daß Sie Ihrem Sinne nach mit beiden Briefen zufrieden sein müßten. Diejenigen jedoch, an welche diese Briefe gerichtet waren, scheinen dies nicht; warum sollten sie mir nicht schon längst geantwortet haben? Denn auch den Brief von Brockhaus, worauf Sie mich als auf eine Bestätigung der frohen Hoffnung zur endlichen Ausgleichung verweisen, habe ich bis heute noch nicht erhalten ...

Frau von Ehrenberg übernimmt es, mündlich hinzuzufügen, was meinen Worten versagt ist: den vollen, wahren Ausdruck der Liebe, des sehnsuchtsvollen Antheils, mit welchem ich ewig sein werde

Ihre M. Spazier, geb. Mayer.

Brockhaus betrachtete sein Verhältniß zu ihr als definitiv gelöst, und sie selbst schien sich auch darein zu ergeben, wie sich denn auch die hier von ihr ausgesprochene Hoffnung auf »endliche Ausgleichung« nur auf die noch immer nicht geordneten finanziellen Verwickelungen aus der Zeit ihres Aufenthalts in Altenburg bezieht. Diese Verhandlungen berührten Brockhaus nicht direct und wurden auch meist nur zwischen ihrem Vater und dem Advocaten Hempel geführt. Doch gab sich Brockhaus alle Mühe, wie er einmal schreibt, »die Verwickelung mit Milde zu lösen«. Auch blieb er trotz allem Vorgefallenen mit ihr selbst in freundschaftlichem und selbst geschäftlichem Verkehr, ohne daß ihr Verhältniß je wieder ein näheres geworden wäre.