Cattle Valley: Das Rezept für Vertrauen

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Aus der Reihe: Cattle Valley #15
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Cattle Valley: Das Rezept für Vertrauen
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Deutsche Erstausgabe (ePub) Februar 2021

Für die Originalausgabe:

Copyright © Carol Lynne 2010

Originally published in the English language as

»Cattle Valley: Recipe for Love«

by Totally Entwined Group Limited, UK

The moral rights of the author have been asserted.

Für die deutschsprachige Ausgabe:

© 2021 by Cursed Verlag

Inh. Julia Schwenk

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung,

des öffentlichen Vortrags, sowie der Übertragung

durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile,

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit

Genehmigung des Verlages.

Bildrechte Umschlagillustration

vermittelt durch Shutterstock LLC; iStock

Satz & Layout: Cursed Verlag

Covergestaltung: Hannelore Nistor

Druckerei: CPI Deutschland

Lektorat: Susanne Scholze

ISBN-13: 978-3-95823-867-1

Besuchen Sie uns im Internet:

www.cursed-verlag.de


Aus dem Englischen

von Jilan Greyfould

Liebe Lesende,

vielen Dank, dass ihr dieses eBook gekauft habt! Damit unterstützt ihr vor allem die*den Autor*in des Buches und zeigt eure Wertschätzung gegenüber ihrer*seiner Arbeit. Außerdem schafft ihr dadurch die Grundlage für viele weitere Romane der*des Autor*in und aus unserem Verlag, mit denen wir euch auch in Zukunft erfreuen möchten.

Vielen Dank!

Euer Cursed-Team

Klappentext:

Jay hat nach der Flucht vor seinem gewalttätigen Ex endlich eine sichere Heimat in Cattle Valley gefunden. Der Einzige, der ihm hier Angst macht, ist Restaurantbesitzer Erico – zum einen, weil Erico den Ruf eines unverbesserlichen Playboys hat, zum anderen, weil Jay befürchtet, der Versuchung durch den heißen Koch nicht widerstehen zu können. Als er sich wider besseres Wissen auf eine Affäre mit Erico einlässt, stellt Jay schnell fest, dass sie unerwartet gut miteinander harmonieren. Und dass Menschen durchaus in der Lage sind, sich zu ändern. Doch Erico hütet ein Geheimnis vor all seinen Freunden, das den aufkeimenden Gefühlen zwischen ihm und Jay ein jähes Ende setzen könnte…

Widmung

Als ich das Bild von Jay zum ersten Mal sah, wusste ich, dass ich eine Figur dazu schreiben musste. Das Foto fasziniert mich total. Ich hoffe, ihr verliebt euch genauso in ihn, wie ich es tat, während ich dieses Buch geschrieben habe.

Kapitel 1

Erico legte sein Messer weg und stützte sich mit den Händen auf dem Zubereitungstisch ab. Er schloss die Augen und atmete langsam und gleichmäßig durch, bis der plötzliche Schwindel abklang. Als er die Augen wieder öffnete, sah er sich um, ob auch niemand den Anfall bemerkt hatte.

In letzter Zeit kamen sie immer häufiger. Eine ständige Erinnerung daran, dass er bald einen kompetenten Souschef auftreiben musste oder gezwungen war, das Restaurant schließen zu müssen, in das er sein Herzblut hatte fließen lassen.

Er wandte sich wieder den Rosen aus Radieschen zu, die er gerade anfertigte, und seine Gedanken wanderten zu Jay. Er wusste, dass der Mann die Fähigkeiten besaß, ein verdammt guter Souschef zu werden, und – noch wichtiger – er vertraute Jay, in seiner Abwesenheit über das Canoe zu wachen.

Dass Mario Jay gewarnt hatte, sich von Erico fernzuhalten, hatte ihn schwer getroffen. Wann war er zu einer Person geworden, vor der andere gewarnt werden mussten? Er stellte die Garnituren fertig und verstaute sie in einem luftdichten Behälter, bevor er sie in den Kühlraum stellte.

Ein großer Teil von ihm war froh, dass draußen ein höllischer Schneesturm tobte. Das bedeutete zumindest, dass er so langsam arbeiten konnte, wie er es brauchte. Da sich nur wenige Gäste in die Kälte und das Schneetreiben hinauswagten, kam Erico ganz gut hinterher.

Nachdem ein Großteil der Vorbereitungsarbeit abgeschlossen war, putzte er seinen Arbeitsplatz und wusch sich die Hände, bevor er in den Barbereich schlenderte. Er setzte sich auf seinen üblichen Platz am Ende des Tresens. »Wärst du so freundlich, mir ein Glas Eiswasser zu machen, Troy?«

»Na klar.« Troy erhob sich von dem Hocker, auf dem er hinter der Bar gesessen hatte, und bereitete Ericos Drink zu. »Ich hoffe, es wird noch voller. Mir ist sterbenslangweilig.«

Normalerweise hätte Erico Troy vorgeschlagen, schon mal mit dem Putzen anzufangen, aber so, wie die Gläser über dem Tresen glänzten, hatte er das schon getan. »Läuft irgendwas Gutes im Fernsehen?«

Troy schüttelte den Kopf. »Wiederholungen. Zwischen Weihnachten und Neujahr läuft nichts anderes.« Er grinste. »Außer, du willst einen dieser Weihnachtszeichentrickfilme schauen. Ich bin sicher, so einen finde ich.«

»Ich passe.« Erico trank einen großen Schluck von seinem Wasser. Ein kurzer Blick auf die Uhr bestätigte, wie lang dieser Tag sich schon hinzog. Obwohl es sich anfühlte, als sollten sie bald Feierabend machen können, war es noch nicht mal sechs. »Hast du eine aktuelle Wettervorhersage gehört?«

»Die nächsten drei Tage bleibt es so. Schnee, Schnee und noch mehr Schnee. Nächste Woche soll es zehn Grad wärmer werden. Hilft das?«

Erico trommelte mit den Fingern auf den Tresen. »Vielleicht sollten wir nach Hause gehen. Ich schätze, ich hätte zumachen sollen wie alle anderen in der Stadt auch.«

»Ich wär dafür«, stimmte Troy zu.

Noch einmal sah sich Erico in dem leeren Restaurant um. »Sag Ellen und Chip Bescheid, dass sie Feierabend machen sollen, bevor du gehst. Ich räum die Küche auf.«

»Sollen wir bleiben, bis du fertig bist?«, fragte Troy.

»Nicht nötig. Wahrscheinlich werd ich auf der Schlafcouch in meinem Büro übernachten.« Das tat er normalerweise, wenn das Wetter so schlecht war. Zu seinem Haus war es nicht weit, aber Erico war gerne in der Nähe, um bei einem Stromausfall die Generatoren anwerfen zu können.

Erico griff nach der Fernbedienung und schaltete den Fernseher aus. »Ruf mich an, bevor du morgen reinkommst. Wenn das Wetter so bleibt, musst du nicht herkommen. Falls sich doch mal ein Gast hierher verirrt, kann ich mich um die Bar kümmern.«

Troy zog seinen dicken Daunenparka über. »Danke. Hab einen schönen Abend.«

Erico ging in die Küche. Er musste nur die Herdplatten mit den Suppentöpfen abdrehen, sonst war nicht viel zu tun. Sie mussten noch in den Kühlraum gestellt werden, aber das würde er erledigen, bevor er ins Bett ging. Nachdem er ein letztes Mal die Küche kontrolliert hatte, betätigte er den Hauptlichtschalter und machte sich auf den Weg nach vorn, um abzuschließen.

An der Vordertür angekommen, griff er gerade nach dem Türriegel, als eine Bewegung draußen seine Aufmerksamkeit erregte. Eine Frau eilte über die Straße auf das Restaurant zu. »Verdammt.«

Die dick eingepackte Gestalt trat auf den Bürgersteig. Erico war drauf und dran, die Tür zu öffnen und den Gast zu begrüßen, als die Frau ausrutschte. Wie in Zeitlupe fiel sie rückwärts zu Boden und knallte mit dem Kopf auf den Bürgersteig.

Erico riss die Tür auf und rannte, so schnell er es wagte, die Stufen hinunter. Als er sich neben der gestürzten Frau hinkniete, hörte er ein Stöhnen. »Alles in Ordnung?«

Die verletzte Frau hob die Hand und zog sich den Schal vom Gesicht. »Es geht mir gut, glaub ich.«

Erico war verblüfft, als er Jays wunderschönes Gesicht erblickte. »Kannst du aufstehen?«

Jay nickte und Erico half ihm auf die Füße.

»Bringen wir dich rein ins Warme.« Erico schlang einen Arm um Jays schmale Taille und half ihm die Stufen hinauf. Er fühlte sich unglaublich schuldig. Wenn er in der Stadt gewesen wäre, hätte man ihn bei so einem Unfall in Grund und Boden verklagt, da war er sich sicher. Obwohl sie im Laufe des Tages abwechselnd die Runde gemacht hatten, um die Treppe und den Bürgersteig zu räumen, war es fast unmöglich, mit dem Schneetreiben Schritt zu halten.

Nachdem Erico die Tür hinter ihnen geschlossen hatte, führte er Jay zu einer der gepolsterten Bänke im Wartebereich.

Jay setzte sich und begann, sich aus seiner Winterkleidung zu schälen. »Ich denke, das wird eine nette Beule am Kopf geben, aber nichts allzu Ernstes.«

Erico nahm neben Jay Platz. »Hast du was dagegen, wenn ich mir das mal anschaue?«

Jay zog die Mütze herunter und schüttelte den Kopf. Erico betrachtete das glänzende, braune Haar. Wie oft hatte er sich danach gesehnt, mit den Fingern durch die langen, seidigen Strähnen zu fahren? Er streckte eine Hand aus und tastete über Jays Hinterkopf. Es dauerte nicht lange, bis er die Beule erfühlte.

»Das ist eine ziemlich hässliche Schwellung. Soll ich einen Krankenwagen rufen?«

Jay hob eine Hand und seine langen, schmalen Finger streiften Ericos. »Hier?«

Erico griff nach Jays Hand und schob sie zu der Verletzung. »Fühlst du sie?«

»Ja«, antwortete Jay.

»Soll ich irgendjemanden anrufen?«, fragte Erico erneut.

»Nein. Schon gut.« Jay legte die Hände auf die Hüften. Dann drehte er den Oberkörper ein paarmal hin und her.

»Hat es deinen Rücken auch erwischt?«, erkundigte sich Erico. Er wusste, dass es falsch war, aber er konnte ein Schaudern nicht unterdrücken, wenn er daran dachte, was eine Rückenverletzung für seine Versicherungsbeiträge bedeuten würde.

 

Behutsam tastete Jay seinen unteren Rücken ab. »Ich denke, ich hab ihn nur auf dem Gehweg aufgeschürft.«

Jetzt, da seine Sorgen hinsichtlich eines Versicherungsanspruchs besänftigt waren, meldeten sich die Schuldgefühle nachdrücklich zu Wort. Was zum Teufel bin ich nur für ein Mensch? Erico ballte die Hände zu Fäusten in dem Versuch, sich in den Griff zu bekommen.

Offenbar hatte Jay seine geballten Fäuste gesehen, denn er zuckte zusammen und kniff die Augen zu.

»Nein. Oh Gott, nein. Ich werd dir nicht wehtun.« Marios Warnung hallte laut und deutlich in Ericos Kopf wider. Völlig angewidert von sich selbst stützte er die Ellbogen auf die Knie und vergrub das Gesicht in den Händen. »Tut mir leid. Ich war wütend auf mich selbst, nicht auf dich.«

Nach einer Weile legte Jay eine Hand auf Ericos Rücken. »Warum solltest du wütend auf dich selbst sein? Ich bin derjenige, der hingefallen ist.«

Erico spürte Jays Berührung wie ein Brandmal auf seiner Haut. Wie viel Überwindung hatte es den schüchternen Mann gekostet, die Hand nach ihm auszustrecken? Die Geste sprach Bände darüber, was für ein Mensch Jay war. Erico hatte keine andere Wahl, als im Gegenzug vollkommen ehrlich zu sein. »Ich bin eine verachtenswerte Person. Mein erster Gedanke war, dass ich mein Geschäft verlieren könnte, falls du dich ernsthaft verletzt haben solltest.«

»Oh. Na ja, ich finde das durchaus verständlich. Ich meine, du hast dir hier etwas aufgebaut, auf das du echt stolz bist. Da ist es nur natürlich, dass du Angst hast, es zu verlieren.«

Erico drehte den Kopf zu Jay. »Du bist derjenige, der sich verletzt hat, warum also versuchst du, mich aufzumuntern?«

Jay grinste. »Ich weiß nicht. Schätze, du hast ausgesehen, als würdest du’s brauchen.« Er sah sich um, wahrscheinlich zum ersten Mal. »Wo sind denn alle?«

Ericos Blick wanderte durch das leere Restaurant. »Ich hab sie nach Hause geschickt. Bei diesem Wetter bleiben offensichtlich alle zu Hause. Wolltest du was essen?«

Jay sah zur Seite und saugte an seiner vollen Unterlippe. »Mir ist die Decke auf den Kopf gefallen. Sean hat den Pub für zwei Wochen geschlossen, weil er seine Eltern in Irland besucht. Ethan hat mir einen Geschenkgutschein vom Canoe gegeben, bevor er seinen Weihnachtsurlaub angetreten hat. Ich dachte…« Er schüttelte den Kopf. »Spielt keine Rolle. Ich kann ein andermal wieder herkommen.«

»Sei nicht albern.« Erico stand auf und hielt Jay eine Hand hin.

Kurz starrte Jay Ericos Hand an, bevor er sich aus eigener Kraft erhob. Erico versuchte, die Geste nicht persönlich zu nehmen. »Möchtest du hier im Gastraum essen oder an der Bar?«

Jay zuckte mit den Schultern.

Erico fiel auf, dass er das recht häufig zu tun schien. Zumindest redete er jetzt mehr als bei seiner Ankunft in Cattle Valley. »In der Küche steht ein ganz netter Tisch, wenn du mir Gesellschaft leisten willst, während ich arbeite.«

Jay wirkte zögerlich, nickte dann aber schließlich. »Okay. Ich würde dir gern beim Kochen zusehen.«

Erico erkannte die perfekte Gelegenheit, um zu sehen, wie gut sie beide in der Küche zusammenarbeiteten. »Oder du könntest helfen. Ich schlage dir einen Deal vor. Du gehst mir bei unserem Abendessen zur Hand und dafür kannst du deinen Geschenkgutschein behalten und ihn ein andermal einsetzen.«

Jay überraschte Erico, indem er den Kopf schüttelte. »Oh nein, ich könnte nicht…«

»Willst du nicht mit mir kochen?« Erico wusste, dass sich Jay in seiner Gegenwart unbehaglich fühlte, doch seine Ablehnung schmerzte.

»Ich bin kein ausgebildeter Koch«, fuhr Jay zur Erklärung fort. »Ich würde mich nur blamieren.«

Erico, der gerade die Küchentür aufschob, hielt inne. »Blödsinn. Ich hab von deinem Essen probiert. Ich hab dir schon mal gesagt, dass ich dich für einen fantastischen Koch halte.«

»Ja, aber du bist ein professioneller Koch. Das ist nicht das Gleiche.«

Erico betrat die Küche und sah sich in dem Raum mit den hochmodernen Gerätschaften um. Für jemanden, der daran gewöhnt war, in kleineren Restaurants zu arbeiten, konnte das einschüchternd sein. Das Letzte, was er wollte, war, Jay noch mehr zu verunsichern. »Ich hab Lust auf Steak und Kartoffeln. Wie klingt das?«

Jay lächelte. »Gut.«

Erico ging in den Kühlraum und holte zwei dicke Filets heraus. Auf dem Rückweg in die Küche fiel ihm auf, dass Jay erneut mit einer Hand behutsam über seinen unteren Rücken strich. Erst da bemerkte er die Flecken aus trocknendem Blut auf dem ohnehin schon roten Knöpfhemd. Erico legte das Fleisch beiseite. »Darf ich mir das ansehen?«

»Hm?«

Erico deutete auf Jays Rücken. »Ich glaube, du blutest.«

Mit besorgter Miene verrenkte sich Jay, um einen Blick auf seinen Rücken zu erhaschen. »Hat mein Hemd was abgekriegt?«

Erico stellte sich hinter Jay. »Ja. Tut mir leid. Ist es neu?«

Jay nickte. »Nate hat es mir zu Weihnachten geschenkt, bevor sie sich auf den Weg nach Nebraska gemacht haben.«

»Falls du es nicht rauswaschen kannst, kauf ich dir ein neues.« Er zögerte, bevor er den Saum des Hemds anhob, den Jay nicht in die Hose gesteckt hatte. »Ich würde mir gern ein Bild davon machen, wie schlimm es ist. Wäre das in Ordnung für dich?«

Jay sah über die Schulter und suchte Ericos Blick, dann knöpfte er das Hemd zur Hälfte von unten auf. »Okay.«

Erico zog den Stoff weiter nach oben und verzog das Gesicht beim Anblick der geröteten, aufgeschürften Haut an Jays unteren Wirbeln. »Es ist nur eine Schramme, aber die sollte gesäubert und vielleicht auch desinfiziert werden.« Er konnte sich nicht davon abhalten, mit dem Handrücken über die blasse, weiche Haut zu streichen. Krampfhaft kniff er die Augen zu und biss die Zähne zusammen, um dem Drängen seines Körpers Einhalt zu gebieten. Hastig zog er die Hand weg und trat einen Schritt von Jay zurück. »Ich hole mal den Verbandskasten.«

Auf dem Weg zum Pausenraum rieb er sich über die Brust. Sein Herz begann zu flattern, was bedeutete, dass er sich verdammt noch mal zusammenreißen musste, bevor er sich noch zum Narren machte. Die Tatsache, dass er es bei einer Berührung belassen hatte, sagte mehr, als Worte jemals ausdrücken konnten. Hatte er sich bei einem Mann, der ihn interessierte, je so gezügelt?

Er öffnete den Erste-Hilfe-Schrank und nahm Desinfektionsmittel, Wattepads, ein antiseptisches Gel und Verbände heraus. Als er in die Küche zurückkehrte, schaltete Jay gerade den großen Gasgrill an. Er hatte die Steaks gewürzt und auf einen Teller gelegt.

Erico schluckte, als er zum ersten Mal einen Blick auf Jays Bauch erhaschte. Die Hüftjeans saß so tief, dass Erico keine Zweifel daran hatte, dass der andere Mann seinen Schritt gewachst haben musste. Er leckte sich die Lippen, während sein Blick die deutlichen Senken verfolgte, die von seinem unteren Bauch zum gelobten Land führten.

»Ich hoffe, es macht dir nichts aus«, sagte Jay und deutete zum Grill.

»Nö. Überhaupt nicht.« Er hielt das Erste-Hilfe-Material hoch. »Bereit?«

»Ich sollte wahrscheinlich zuerst die Kartoffeln in den Ofen schieben«, sagte Jay.

»Wie wäre es, wenn wir ganz unkompliziert bei Steak und Salat bleiben?«

»Alles klar.«

Erico verengte die Augen, als Jay sich daran machte, die Salatzutaten aus dem Kühlschrank zu holen. »Hältst du mich gerade hin?«

»Hm?«

Erico wedelte mit der Erste-Hilfe-Ausrüstung. »Ich tu dir nicht weh, versprochen.«

Jay grinste. »Ich konnte es noch nie leiden, wenn es brennt.«

Erico legte die Materialien auf die Anrichte und hielt das Desinfektionsmittel in die Höhe. »Das brennt nicht, versprochen.«

Jay nahm auf dem ihm angebotenen Stuhl Platz. »Warte kurz.« Er zog das Hemd hoch und knotete es über der Brust zusammen.

Erico hatte noch nie einen Mann gesehen, der ein Hemd auf diese spezielle Weise trug. Was ihn bei einem anderen Kerl zum Lachen gebracht hätte, ließ ihn jetzt beinahe sabbern. Er verkniff sich ein Stöhnen, als er sich hinter Jay stellte und das entblößte Stückchen Hintern begutachtete.

Er räusperte sich. »Lass mich zuerst einen warmen Lappen holen, um den Bereich zu säubern.«

Wie von der Tarantel gestochen hastete Erico aus dem Raum. Er schnappte sich ein Spültuch aus der Abstellkammer und flüchtete in die Herrentoilette. Dort drehte er das heiße Wasser auf und starrte sich selbst im Spiegel an.

»Reiß dich zusammen, sonst wirst du nie eine Chance bei ihm haben«, ermahnte er sein Spiegelbild. Es erstaunte ihn, wie viel Vehemenz in diesen Worten steckte. Eine Chance bei Jay bedeutete ihm alles. Er stützte sich mit den Armen auf dem Waschbecken ab und schloss die Augen. Warum? Warum genau dieser Mann? Warum jetzt? Es gab so viele andere Dinge, auf die er sich konzentrieren sollte.

»Ist alles in Ordnung?«, fragte Jay vom Türdurchgang aus.

Erico öffnete die Augen und richtete sich auf. »Ja. Entschuldige. Ich brauchte nur einen Moment.«

»Ich wollte gleich die Steaks auf den Grill legen und dachte, ich frag dich mal, wie du deins haben möchtest«, erklärte Jay. Seine Stimme klang so sanft und unsicher, dass Erico ihn am liebsten in seine Arme gezogen und vor der Welt beschützt hätte. »Medium rare, bitte.«

Jay nickte und verließ den Raum.

Erico atmete tief durch und hielt den Spüllappen unter das heiße Wasser. Er fragte sich, wie lange er in Gedanken versunken gewesen war, statt sich wie versprochen um Jay zu kümmern. Er stellte den Hahn ab und wrang das überschüssige Wasser aus dem Stück Stoff. Abendessen und Erste Hilfe, sagte er sich wieder und wieder, während er in die Küche zurückkehrte.

***

Jay prüfte die Filets, indem er mit dem Finger darauf drückte. »Perfekt.«

Als Erico wieder in der Küche erschien, hatte er die Steaks mit einem kleinen Salat auf Tellern angerichtet. Er wünschte, er wüsste, was den normalerweise lockeren Mann beschäftigte. Dann blinzelte er, als ihm ein Gedanke kam. Ericos gelassene Fassade war erst ins Wanken geraten, als er Jays Rücken gesehen hatte. Es war sogar noch schlimmer geworden, als er das Hemd hochgezogen und damit die gesamte untere Hälfte seines Oberkörpers entblößt hatte.

Jay brachte die Teller zu dem langen Zubereitungstisch. Es war offensichtlich, dass sein schmaler Körperbau Erico störte. Nicht zum ersten Mal fand ein Mann seinen knochigen Körper unattraktiv. Manchmal sprachen ihn sogar ältere Frauen auf der Straße an und boten an, ihn mal ordentlich zu füttern. Er hatte sich seine Figur nicht ausgesucht. Wenn sich Erico bei seinem Anblick der Magen umdrehte, konnte er wohl kaum etwas dagegen tun.

Da Erico am anderen Ende des Tisches stehengeblieben war, löste Jay den Knoten in seinem Hemd und knöpfte es wieder zu. Mehr als alles andere wollte er einfach nur von hier verschwinden, aber eine Fähigkeit, die er meisterlich beherrschte, war, sich nicht anmerken zu lassen, wenn jemand ihn verletzt hatte. »Essen wir hier?«

Erico legte den Kopf schief. »Alles okay?«

»Ja. Wo wolltest du essen?« Jay bemühte sich, seine Wut im Zaum zu halten. Er wurde nur selten wütend, deshalb überraschte es ihn, dass etwas so Kleines eine so große Wirkung auf ihn hatte.

Erico hielt ihm den nassen Lappen hin. »Was ist mit deinem Rücken?«

»Mach dir darüber keine Gedanken. Ich gehe duschen, wenn ich wieder zu Hause bin.« Jay zuckte mit den Schultern. »Ich hab Schlimmeres erlebt.«

Eine Weile starrte Erico ihn wortlos an, bevor er antwortete: »Wir können im Barbereich essen.«

Jay nahm die Teller und reichte Erico einen davon. »Ich hoffe, das Steak schmeckt dir.«

Erico brachte seinen Teller an die Bar. Statt sich direkt an den Tresen zu setzen, entschied er sich für eine der kleinen Sitznischen. Dann ging er hinter die Bar und füllte zwei Gläser mit Eiswürfeln. »Was möchtest du trinken?«

»Wasser reicht mir.«

»Zwei Gläser Wasser, kommen sofort.«

Jay setzte sich und breitete seine Serviette über dem Schoß aus. Insgeheim war er froh, dass Erico diesen Raum statt des Gastraums gewählt hatte. Obwohl er das Essen im Canoe schon probieren wollte, seit er hierhergezogen war, fühlte er sich in der gehobenen Atmosphäre nicht wohl. Tischmanieren waren nicht sein Problem. Seine Nana hatte sie ihm von klein auf eingebläut. Es war eher das Gefühl, nicht dorthin zu gehören, das ihn störte. Ohne den Geschenkgutschein von Ethan hätte Jay es sich niemals leisten können.

 

Jay beobachtete, wie Erico sein Filet anschnitt. Er hielt den Atem an und erwartete die Reaktion des professionellen Kochs. Jay bereitete fast an jedem Abend der Woche Steak zu. Wieder wusste er, dass seine fehlende Ausbildung der Grund für seinen Minderwertigkeitskomplex war.

»Hmm. Das ist perfekt«, sagte Erico.

Obwohl er sich vorhin geärgert hatte, brachte das Kompliment Jay zum Lächeln. »Danke.«

»Hast du Pläne für Silvester?«, erkundigte sich Erico.

Jay wartete ab, bis er seinen Bissen heruntergeschluckt hatte. Als er dem Abendessen zugestimmt hatte, hatte er nicht daran gedacht, dass Erico sich mit ihm würde unterhalten wollen. Mit Menschen, die er nicht gut kannte, kam Jay nur schwer zurecht. Er hielt es für besser, zu schweigen, statt sich zu blamieren, indem er etwas Dummes oder Unangebrachtes sagte. Und jetzt saß er hier und man erwartete von ihm, dass er ein Gespräch mit jemandem führte, den er kaum kannte. »Ich organisiere die Silvesterparty für die Kinder in der Lodge, während ihre Eltern im Ballsaal feiern.«

»Ganz allein?«, wollte Erico wissen.

»Ethan sollte bis dahin von dem Besuch bei seinem Dad zurück sein.« Obwohl sein bester Freund erst seit einer Woche weg war, vermisste Jay ihn. Ethan half dabei, ihn zu erden. Wäre sein Freund jetzt hier gewesen, hätte Jay niemals seinem Verlangen nachgegeben, allein ins Canoe zu gehen. Er wusste, dass es eine Mischung aus Einsamkeit und einer ordentlichen Portion Neugier gewesen war, die ihn dazu gebracht hatte, sein neues Hemd und seine Lieblingsjeans anzuziehen, um im Restaurant essen zu gehen.

»Du magst Kinder wirklich sehr, hm?«, fragte Erico, nachdem er einen Schluck von seinem Wasser getrunken hatte.

Jay nickte. Er hatte sich oft gefragt, ob die Leute ihn für pervers hielten, weil er Kinder so liebte. Um ehrlich zu sein, hatte er sich darüber selbst schon ein- oder zweimal Gedanken gemacht. Allerdings war er zu dem Schluss gekommen, dass nichts falsch daran war, Zeit mit den Kindern verbringen zu wollen. An seinem Bedürfnis, von ihnen umarmt zu werden, war nichts Sexuelles. Sie gaben ihm das Gefühl, normal zu sein, als wäre er irgendwie ein Teil ihrer Familie. Wenn sie ihn mochten, dann nicht, weil sie dachten, sie würden irgendetwas von ihm bekommen. Jay wusste, dass er Erico das nicht erklären konnte, ohne wie ein kompletter Spinner zu klingen, deshalb versuchte er es gar nicht erst.

Er senkte den Blick auf seinen Teller. Obwohl er nur die Hälfte von seinem Steak und vielleicht ein Drittel vom Salat geschafft hatte, war er pappsatt. Er wischte sich über den Mund und legte die Serviette neben seinen Teller.

»Du bist doch nicht schon fertig, oder?«, fragte Erico.

»Ich bin voll. Den Rest nehme ich mit nach Hause und mache ihn mir morgen zum Abendessen«, erwiderte Jay.

»Der Salat wird bis dahin nicht mehr schmecken. Warum versuchst du nicht, noch ein bisschen was zu essen?«

Jay ballte unter dem Tisch die Hände zu Fäusten. Es war immer wieder das Gleiche. »Ich bin erwachsen. Ich glaube, ich weiß, wann ich satt bin.« Er stand auf und schob seinen Stuhl zurück. »Tut mir leid, wenn dich mein Anblick anwidert.«

Ohne Erico die Chance zu einer Erwiderung zu geben, stürmte Jay durch die Bar zum vorderen Bereich des Restaurants, wo er Mantel, Mütze, Handschuhe und Schal abgelegt hatte.

»Moment mal«, sagte Erico und sein Tonfall war so schroff, wie Jay es noch nie bei ihm gehört hatte.

Unbeirrt schlüpfte Jay in seinen Mantel. Ericos Miene nach zu urteilen, musste Jay hier weg, und zwar schnell. Bevor Erico ihn erreichen konnte, schnappte sich Jay den Rest seiner Winterkleidung und drückte die Vordertür auf.

Bis Erico zu ihm aufschloss, war Jay schon auf dem Bürgersteig. »Warte doch mal, verdammt. Hast du gedacht, du könntest so was einfach sagen und dann abhauen? Ich hab nie gesagt, dass dein Körper mich anwidert. Ich bin Koch, verflucht noch mal. Ich weiß, dass Salat sich nicht hält, wenn erst Dressing drauf ist.«

Jay wich rückwärts vor ihm zurück, trat auf die Straße und zog sich die Mütze über den Kopf. »Vergiss es.«

»Ganz bestimmt nicht!«, schrie Erico. »Es hat mir alles abverlangt, den Abend über die Finger von dir zu lassen. Ich werde mich von dir nicht in eine Schublade stecken lassen, in die ich nicht reingehöre.«

Jay fiel die Kinnlade herunter. Obwohl das Geständnis ein Prickeln in ihm auslöste, war er dadurch nicht weniger nervös. Geil oder wütend, Männer neigten dazu, die Beherrschung zu verlieren, wenn es Jay betraf.

Er lief weiter rückwärts über die Straße. Leider schien die ganze Stadt, abgesehen von ihnen beiden, menschenleer zu sein. »Tut mir leid. Danke für das Abendessen, aber ich muss jetzt los.«

Mit diesen Worten wirbelte Jay herum und rannte zu seiner Wohnung über dem Blumenladen. Als er die Treppe hinaufgeeilt war und die Tür hinter sich geschlossen hatte, zitterte er – und nicht nur wegen der eisigen Temperaturen. Er hatte sich komplett zum Narren gemacht, das war ihm klar. Jetzt spielte es keine Rolle mehr, dass er ein bisschen in Erico verknallt war. Er bezweifelte, dass der Mann je wieder mit ihm reden würde. »Geschieht mir recht. Das kommt davon, wenn man seine Komfortzone verlässt.«

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