Die Hochzeitskapelle

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Warum hatte er sich also gerade sie ausgesucht? Eine zu spät geborene Hippie-Fotografin. Aus der kleinen Stadt, die ihre gemeinsame Heimat war?

Drüben am Kühlschrank überprüfte Jack eine Schachtel übriggebliebenes chinesisches Essen.

„Haben wir noch etwas anderes als drei Tage alten gebratenen Reis?“ Er warf die kleine weiße Schachtel wie ein Basketballspieler in hohem Bogen in den Müll.

„Ich dachte, du hättest keinen Hunger.“ Taylor hielt ihre Stimme leise und nüchtern, versuchte, nicht defensiv zu klingen.

„Ich habe es mir anders überlegt. Wow, da haben wir nun also einen fünfzehnhundert Dollar teuren Kühlschrank mit nichts drin außer Essensresten.“

„Wir haben Milch“, sagte sie, ging zum Sofa und setzte sich neben die Stelle, wo er gesessen hatte. „Und Müsli.“

„Müsli?“ Sein schwerer Seufzer irritierte sie.

„Was?“

„Es ist nur einfach … Du bist doch tagsüber hier. Zu Hause. Ich dachte, du würdest dich um das Essen kümmern, um die Küche … ums Abendessen.“

„Mich ums Abendessen kümmern?“

„Du weißt, was ich meine.“

„Nein, das weiß ich nicht.“

„Es ist nur einfach … Du bist doch zu Hause.“

„Ich bin nicht nur einfach zu Hause. Ich arbeite.“ Sie wies auf ihren kleinen Bürobereich, den sie in einer Nische ihrer Wohnung eingerichtet hatte. Der Bereich war klein, aber sie hatte einen wahnsinnig tollen Ausblick auf den East River und das untere Ende Manhattans.

„Schön, aber können wir wenigstens hin und wieder hier aussortieren?“ Er warf mit großer Geste eine weitere Schachtel chinesisches Essen in den Mülleimer und knallte dann die Kühlschranktür zu.

„Können wir gerne, tu dir keinen Zwang an.“ Taylor griff nach der Fernbedienung und schaltete um. Unter ihrer Haut brodelte der Groll. Den ganzen Tag über war er weg, kam dann ohne ein einziges zärtliches Wort nach Hause, zog sich um, um Basketball spielen zu gehen, und kritisierte sie nebenbei für zu viele Essensreste.

Was lief denn um halb elf abends im Fernsehen? Irgendetwas Lustiges …

„Was hat es eigentlich mit dir und den Essenresten auf sich, so allgemein gesprochen, meine ich?“, fragte sie. „Ich wollte das doch schon vor zwei Tagen wegwerfen, und du hast gesagt, ich sollte es noch behalten.“ Sie landete bei der Wiederholung einer Sendung aus den Achtzigern. „Dann iss es doch jetzt, Jack.“

Er verschränkte die Arme und lehnte sich gegen den Tresen. „Ich sage doch nur, dass die Küche irgendwie dein Bereich ist.“

„Mein Bereich? Was ist denn dein Bereich? Mir zu sagen, was ich zu tun habe? Ich kümmere mich doch schon um das Putzen, die Wäsche, das Einkaufen und um andere Erledigungen.“

„Dein Zeitplan ist eben flexibler als meiner.“

„Das stimmt überhaupt nicht. Ich bin genauso beschäftigt wie du, und ich habe keine Riesenfirma, die mir dabei den Rücken stärkt. Wenn ich gerade keinen Auftrag habe, muss ich mir einen suchen. Wenn ich diesen Auftrag dann habe, muss ich das Studio buchen, Ausrüstung mieten, die Zeitplanung machen und die Auftragsliste anfertigen. Dann gehe ich an die Recherche, und zwar ohne fleißige Helfer, die mich dabei unterstützen.“

„Was ist denn mit Addison? Sie ist deine Assistentin. Ich habe eingewilligt, dass du sie aus unserer gemeinsamen Haushaltskasse bezahlen kannst.“

„Sagt der Mann mit den fünfundzwanzig Paar Schuhen.“

„Was haben denn jetzt meine Schuhe damit zu tun?“

„Deine Schuhe, deine Ausgaben … Und jetzt gehst du mich an, weil ich ein bisschen Geld in Anspruch nehme, um eine Assistentin zu bezahlen.“

„Und assistiert sie dir denn? Warum machst du die Retuschen bei den Fotos für Melinda House und nicht Addison?“

„Sie ist nicht so gut bei so was. Noch nicht.“

„Dann finde jemand, der das besser kann.“

„Was? Nein. Sie ist organisiert und hat einen Blick für Details, sie hält mich auf Spur.“

Sie war zu müde für all das. Und sie hatte dieses Karussell-Spiel so dermaßen satt. Du machst dies, ich mache das.

Jack zog eine Schublade auf, dann eine zweite und schob den Inhalt geräuschvoll hin und her. Alle paar Sekunden schoss er ihr einen Blick aus seinen knallblauen Augen zu. „Haben wir denn nicht einmal Stift und Zettel hier?“

Taylor zeigte auf den Stifteköcher neben dem Telefon. „Was hast du vor?“

„Ich mache eine Aufgabenliste.“

„Oh Jack, jetzt komm aber.“

„Komm aber, was? Ich habe dich schon verstanden. Wir müssen das ausgeglichener aufteilen. Lass uns auf die eine Seite Taylor schreiben und auf die andere Seite Jack.“

Warum machte er das? Taylor wollte durchs Zimmer stürmen, ihn am Arm packen und schütteln, wollte sagen: „Lass uns dort neu beginnen, wo wir angefangen haben, oder Schluss machen.“

Mit einer sarkastischen Geste fing Jack an, ihre zukünftigen Aufgaben aufzulisten. „Du machst … die Einkäufe, Putzen, Wäsche … Stimmt das? Habe ich jetzt alles?“

„Die Finanzen.“

„Ja, stimmt, natürlich. Die Budget-Gestapo.“

Taylors Augen wurden feucht. Er hatte sie gebeten, sich um die Finanzen zu kümmern, weil sie gut mit Zahlen umgehen konnte. Sie war gut darin, überflüssige Ausgaben zu begrenzen. Aber in letzter Zeit sprach er nicht einmal mehr über seine Ausgaben. Er reichte ihr nur noch die Quittungen.

„Ich kümmere mich um die chemische Reinigung …“, fing er an.

„Aber nur, weil du auf dieser blöden Reinigung bei deiner Arbeit bestehst. Die ist zu teuer, ehrlich.“

„… bringe den Müll raus, verdiene das Geld, das unseren Haushalt und deine Firma am Laufen hält …“

Taylor schoss vom Sofa hoch, schnappte ihm das Papier unter dem Stift weg und zerknüllte es. „Hör auf, hör einfach auf. Ich habe doch gesagt, dass ich dir Addisons Gehalt zurückzahle.“

„Habe ich dich darum gebeten, es zurückzuzahlen?“ Er bückte sich nach der zusammengeknüllten Liste. „Ich versuche nur, der großen Kluft zwischen unseren Verantwortlichkeiten auf die Spur zu kommen.“

„Warum sagst du dann ‚Ich verdiene das ganze Geld hier und halte deine Firma am Laufen‘?“

„Weil ich das nun eben mache. Ich weiß nicht, warum dich das so aufregt.“ Er pfefferte den Stift wieder in den Becher. „Ich habe nur einfach beschrieben …“

„Du hast mich auf meinen Platz verwiesen.“

„Und du hast mich nicht auf meinen Platz verwiesen? Ich verstehe schon, du hast keine Lust, dich ums Abendessen zu kümmern. Gut zu wissen. Ich sollte noch eine Liste machen. ,Dinge, über die man sprechen sollte, bevor man spontan jemanden heiratet.‘“

Da. Zweifel, offen geäußert. Sie hatte doch gewusst, dass er zweifelte. Hatte es gewusst. Was blieb ihr also anderes übrig, als ihr Herz wieder an die kurze Leine zu legen?

„Ich muss los und mich mit Aaron treffen.“ Jack verschwand in ihrem Zimmer und kehrte kurz darauf mit den Autoschlüsseln zurück. „Warte nicht auf mich.“ Er sah sich zu ihr um, als er nach der Türklinke griff, und etwas Weiches huschte über sein Gesicht. „Taylor, ich …“

„Ja?“ Ihr Herzschlag donnerte in ihren Ohren.

„Ich wollte nur sagen …“

Es klingelte an der Tür. Das übertölpelte Jack und beraubte den Augenblick seiner Intimität. Jack runzelte die Stirn und öffnete die Tür. „Wer klingelt denn noch um diese Zeit?“

Doug Voss stand auf der anderen Seite. Taylor atmete zitternd aus. Oh nein. Ihr großer Fehler. Der, dem sie entflohen war.

„Was machst du hier?“ Taylor bewegte sich auf die Tür zu, stand zwischen ihrer Gegenwart und ihrer Vergangenheit. Die Schatten im Zimmer kamen ihr auf einmal länger und dunkler vor.

Er lächelte sein perfektes, durchtriebenes Lächeln. „Ich war in der Nähe. Da dachte ich mir, besuche ich doch mal das junge Glück.“ Ohne weitere Einladung trat er über die Schwelle und sah sich im Zimmer um, als gehörte ihm die Wohnung.

„J-Jack, das … das ist Doug Voss.“

„Ich weiß, wer er ist“, sagte Jack und reichte dem Medienmogul die Hand zu einem steifen Handschlag. „Der Herausgeber von Gossip.“

„Dem Promi-Magazin Nummer eins, ganz genau. Was teilweise dieser jungen Dame hier zu verdanken ist.“ Doug zeigte auf Taylor, während er durch das Wohnzimmer schlenderte. „Nette Wohnung. Ganz erstaunlich, was aus diesen alten, sanierten Wohnungen herauszuholen ist.“

Alt. Saniert. Eine Herabsetzung.

„Noch mal, warum bist du hier?“

Dougs Blick streifte sie, während er sich vorbeugte und aus dem Fenster sah. „Hübscher Balkon. Tolle Aussicht über den Fluss.“

„Uns gefällt es“, erwiderte Jack, angespannt, misstrauisch. Mit seinem Tonfall markierte er sein Territorium.

„Kann ich dir was anbieten … Tee, Kaffee? Wasser?“ Taylor wechselte einen Blick mit Jack. Was? Ich weiß nicht, warum er hier ist. Sie fühlte sich zwischen Dougs Invasion und Jacks steinernem Blick gefangen.

„Nein, danke, nicht für mich.“ Doug musterte Jack. „Du spielst Basketball?“

„Ja, ein bisschen. Baut den …“

„… Stress ab. Das stimmt. Ich werfe hin und wieder selbst mal ein paar Körbe.“

„Doug, ich weiß doch, dass du nicht hierhergekommen bist, um mit Jack über Basketball zu sprechen.“ Seine Anwesenheit schien ihr anmaßend, schnüfflerisch, als wollte er mal nachschauen, wo Taylor gelandet war. Nun, das ging ihn nichts an.

„Ich brauche dich für einen Auftrag.“

„Ein Auftrag? Was für ein Auftrag?“ Für Doug und Gossip zu arbeiten hatte sie in Lohn und Brot gehalten, als sie vor anderthalb Jahren in die große Stadt gekommen war, hatte ihren Namen in Umlauf gebracht und die Rechnungen bezahlt. Aber das waren Jobs für Ruhm, nicht für Reichtum. So richtig Geld brachten die Werbeaufträge, wie sie von einer Agentur wie Jacks vergeben wurden.

 

„Keine Sorge, nicht noch ein Brandon-Coulter-Shoot.“

„Dem Himmel sei Dank. Das war mal ein echtes Vergnügen“, sagte sie. Der jugendliche Rocker war viel zu spät gekommen, mit glasigen Augen, verwaschener Stimme und fünf schönen, ausgesprochen dünnen Mädchen im Gefolge. Es hatte zwei Tage gedauert, bis Taylor das geschafft hatte, wofür sie sonst einen Tag benötigte.

„Oh, übrigens, sag mal, hat das mit der Sache von CBS geklappt?“, fragte Doug, der sie unverwandt ansah. „Ich habe ihnen gesagt, dass du die Beste bist.“

„Ja, hat geklappt. Morgen früh fotografiere ich das Ensemble von Morgen ist ein neuer Tag.“ Er markierte sein Territorium. Er zeigte Jack, dass er, der allmächtige Doug Voss, sich um sein Mädchen kümmerte. Aber sie war nicht mehr sein Mädchen.

„Ausgezeichnet. Siehst du, Süße, meine Unterstützung hast du.“

„Was hat es mit diesem CBS-Auftrag auf sich?“ Jack veränderte seine Haltung. „Bringt er Geld ein? Mir scheint, du vermittelst ihr vor allem Arbeit, die sie letzten Endes mehr Geld kostet als einbringt, Voss.“

„Ach ja, Ehemann und Agent, ich verstehe.“

„‚Ehemann‘ deckt es eigentlich im Wesentlichen ab, würde ich meinen.“

Doug zog eine Grimasse, wandte sich Taylor zu und verdrehte die Augen. Den Typen soll man mal verstehen. „Also, dann fotografierst du das Ensemble von Morgen ist ein neuer Tag.“

„Morgen früh, ja.“

„Und die Bezahlung stimmt? Ich habe denen gesagt, dass sie ordentlich was springen lassen sollen.“

„Besser als sonst oft.“ CBS wollte eine Fotostrecke mit den Schauspielerinnen und Schauspielern ihrer erfolgreichsten Seifenoper haben, die im 62. Ausstrahlungsjahr war und nun auf ihr Ende zuging. Das sollte gefeiert werden.

„Die letzte Folge wird Ende des Monats ausgestrahlt“, erklärte Taylor Jack. „Doug hat eine Exklusiv-Story für Gossip bekommen.“

„Sie haben Fans auf der ganzen Welt“, sagte Doug. „Gossip wird diese Sonderausgabe in vierzig Sprachen herausbringen. Taylors Foto kommt aufs Cover.“

„Bist du deswegen hier? Um dich nach dem Job zu erkundigen?“, fragte Taylor.

„Nein, um ehrlich zu sein, habe ich noch einen Auftrag für dich.“

„Anscheinend schwimmst du ja nur so in Aufträgen für meine Frau.“ Das kam mit einem Unterton heraus, der mehr nach Besitzerstolz klang denn nach Zuneigung. Taylor warf Jack einen scharfen Blick zu.

Aber Doug gluckste, setzte sich gemächlich in einen Sessel, nahm Tempo aus der Angelegenheit, spielte zu seinen Bedingungen. „Was ist mit deiner Tante? Hast du Kontakt mit ihr aufgenommen?“

Colette Greer, Omas Schwester, war die Grande Dame und der Star von Morgen ist ein neuer Tag. Sie hatte die ganzen zweiundsechzig Jahre lang Vivica Spenser gespielt – vom Backfisch bis zur Großmutter, von der Cheerleaderin zur Wirtschaftsmagnatin und Matriarchin. Obwohl sie im Fernsehen ein vertrautes Gesicht war, war sie für Taylor und ihre Familie eine Fremde. Seitdem sie nach New York gezogen war, hatte sie Tante Colette ein einziges Mal gesehen.

„Ich habe sie angerufen. Doug, ehrlich jetzt, um was für einen Auftrag geht es denn?“ Die Anspannung, die Jack ausstrahlte, stemmte sich gegen sie und raubte ihr die Kraft.

„Freust du dich darauf, sie zu sehen?“

„Voss, sie hat jetzt schon mehrfach gefragt. Was ist das für ein Auftrag?“ Jacks Telefon gab in seiner Tasche einen Laut von sich. Wahrscheinlich Aaron. Wo bist du? Aber er ging nicht ran.

„Verzeihung.“ Doug behielt die Oberhand, er ließ sich von Jacks Gegenwart nicht aus der Ruhe bringen. „Taylor ist meine Freundin, trotz unserer … Vergangenheit.“

„Und genau das bist du nämlich. Ihre Vergangenheit. Jetzt sag endlich, warum du hier bist, und dann geh!“ Jacks erhobene Stimme donnerte in den Raum.

„Sagen, warum ich hier bin?“ Er sah sich in dem kleinen, aber luftigen, modernen Apartment um. „Ich wollte sehen, wie es dir geht.“ Sein Tonfall, sein Blick durchbohrten sie. „Sehen, ob du glücklich bist. Immerhin hast du mich verlassen, und das Nächste, was ich mitbekomme, ist, dass du diesen Mann hier geheiratet hast.“

„Stopp. Genug.“ Taylor hob die Hand und ging zur Tür. Irgendwie brachte sie ihre schlackernden Beine dazu, sie zu tragen. Doug zog Strippen und drückte Knöpfe, er manipulierte. Das spürte sie, und wenn sie noch einen Moment länger wartete, würde er ihre Seele mit seinem ganz persönlichen Charme beschmutzen.

„Hör mal, Tay“, sagte Doug, der immer noch saß. Sich zurücklehnte. „Los Angeles, nächste Woche. Du, ich und unsere ganze Mannschaft bei den Emmys.“

„Was? Du veräppelst mich.“

Doug Voss war mehr als nur ihr großer Fehler. Ihre Zeit mit ihm war die reinste Wüste gewesen. Eine Zeit, in der sie Gottes Herzschlag nicht mehr hören konnte. Nie wieder wollte sie dorthin zurück. Warum sollte sie also eine Woche mit ihm in Los Angeles verbringen? Selbst wenn es um einen Auftrag ging.

„Würde ich Scherze machen, wenn es ums Geschäft geht? Niemals. Ich brauche dich für die Emmys. Du bist die beste Fotografin für den roten Teppich, die es zurzeit am Markt gibt.“

„Ich bin nicht die beste …“

„Jack, sag du’s ihr. Sie ist die Beste.“ Doug hielt Jack den Köder hin, aber der war in der Werbebranche unterwegs und mit den Tricks von Scharlatanen vertraut.

„Sie ist die Beste.“

„Bieten du und deine supertolle Firma ihr denn Aufträge an? Du weißt, dass sie in die Werbung will.“

„Doug …“

„Also, was sagst du? Du und ich für eine Woche in L.A.? Eine Runde durch die alten Läden drehen? Die Leute von damals treffen?“

Die Leute von damals waren seine Freunde. Und Taylor sah mehr als nur Arbeit in seinem kaum verhohlenen Angebot. Er verlor nicht gerne Sachen. Schon gar nicht die Frauen in seinem Leben.

„Nein, Doug, ich bin beschäftigt.“

„Wenn du es dir anders überlegst …“ Mit einem neckischen Grinsen ging Doug, unbeeindruckt von ihrer Ablehnung, als ob er einen Plan hätte, wie er sie umstimmen könnte. Als die Tür ins Schloss fiel, zitterte Taylor und sah ihren Ehemann von der Seite an.

„Was hast du nur je in diesem Typen gesehen?“

Am Anfang alles. „Ich bin nur froh, dass ich den Absprung geschafft habe.“ Sie lächelte Jack an und atmete tief durch. „Geh los, Ball spielen. Hab Spaß. Bestell Aaron schöne Grüße.“ Sie zeigte zur Tür und zwang jedes bisschen Fröhlichkeit an die Oberfläche. Alles ist gut.

„Bist du okay?“ Jack legte sanft den Arm um ihre Taille und küsste sie auf die Schläfe.

„Mir geht es gut.“ Jetzt. Wirklich gut. Sie legte die Wange an seine Brust, wo sein leiser Herzschlag sie daran erinnerte, warum sie Ja gesagt hatte.


Kapitel Drei

JACK

Er sah zur Tür und spürte, wie die altbekannte Welle ihn überrollte. Doug Voss war in sein Zuhause gekommen und hatte ihn verspottet, indem er mit Taylor flirtete. Unruhe erfasste ihn.

Voss würde wiederkommen.

Jack hatte schon über Voss Bescheid gewusst, bevor sie heirateten. In Los Angeles war Taylor eine Weile mit ihm ausgegangen, wenn er dienstlich dort gewesen war. Dann war sie nach New York umgezogen, um mit ihm zusammen zu sein, hatte aber kurz darauf mit ihm Schluss gemacht.

Was sie in Voss gesehen hatte, war ihm schleierhaft. Er war arrogant und unhöflich. Aber er war eben auch wohlhabend, mächtig und auf eine krankmachende Art charmant.

Aber sie hat sich doch für dich entschieden, Mann. Für dich.

Aber in diesem Moment hatte diese wortlose Zusage wenig Gewicht.

Jack atmete tief aus und umarmte Taylor ein wenig enger. Sie wirkte aufgebracht. Bekümmert. „Bist du okay?“ In seiner Tasche summte schon wieder sein Handy. Er zog es heraus, um einen Blick auf das Display zu werfen.

Aaron. Der würde warten müssen.

„Ja, mir geht es gut.“ Sie löste sich aus seiner Umarmung, und er fühlte sich schlagartig kalt, sehnte sich danach, sie festzuhalten. „Aaron wird sich fragen, ob dir was passiert ist.“

„Ich muss nicht hingehen …“

„Sicher musst du das. Dampf ablassen und so … Außerdem habe ich ja auch noch zu arbeiten.“ Taylor wies vage auf ihren Computer.

„Also. Dann mal los.“ Jack griff nach seiner Sporttasche. „Ich werde nicht lange weg sein. Und, Taylor, du bist eine großartige Fotografin. Eine der besten.“

Die Beste. In jedem Sinn. Seitdem er sie in der zehnten Klasse kennengelernt hatte, beschäftigte Taylor Branson seine Vorstellungskraft. Er hatte nur nie den Mut besessen, deswegen etwas zu unternehmen, bis sie sich an einem kalten Januartag auf der Madison Avenue über den Weg gelaufen waren.

Er hatte gelernt, die Stadt, die Straße, die Arbeit zu lieben, die ihm zu dem Leben verhalf, von dem er in den dunklen Tagen seiner Jugend in Heart’s Bend, Tennessee, geträumt hatte. Die Stadt, die Straße, das Leben, das ihm Taylor geschenkt hatte.

„Bis dann“, sagte er, ohne zur Tür zu gehen. Sollte er bleiben?

„Hab Spaß.“ Ihr Lächeln fing das Licht der Schreibtischlampe ein und füllte Jack bis obenhin aus. „Echt jetzt. Ich wünsche euch viel Spaß.“

„Oh, mir fällt gerade ein – ich habe noch etwas vergessen.“ Jack lehnte schon am Türknauf, beobachtete sie und wurde vom unsicheren Ehemann zum selbstbewussten Werber. „Ich habe einen Auftrag für dich.“

Sie sah von ihrem Computer auf. „Du hast einen Auftrag für mich? Welche Sorte Auftrag? Nicht wieder eine Hochzeit von einer, äh, ,alten Freundin‘. Das mache ich nicht noch einmal.“

„Aufnahmen für Architecture Quarterly.“ Sein Chef, Hops Williams, würde ihn umbringen dafür, dass er den Job seiner eigenen Frau vermittelte, aber Jack würde seinen gekünstelten Zorn schon aushalten. Er brachte dem Mann immerhin Unmengen an Geld ein.

Außerdem hatte Hops Jack darum gebeten, umzuziehen. Die neue Niederlassung eines Kunden zu leiten. In London. Eine Bitte, von der er Taylor erst noch erzählen musste. Was war schon ein bisschen Vetternwirtschaft im Vergleich dazu, den Sprung über den großen Teich zu tun?

Sie sperrte den Mund auf. „AQ? Werbeaufnahmen? Wirklich, Jack?“ Ihr Gesichtsausdruck wurde weich, und ihre Augen funkelten vor Freude.

„So was in der Art. Es ist Teil ihrer neuen Marke. Durch all die Heimwerkersendungen und Gartenserien und so gibt es ein neuerwachtes Interesse an Architektur. Sie haben eine laufende Kampagne, und es gibt da ein Gebäude …“ Jack hatte ehrlich gesagt keine Ahnung von den Details. Er hatte nur ein paar Schnipsel eines Gesprächs zwischen Hops und der Verlegerin des Architecture Quarterly, Cabot Grayson, mitbekommen. „Irgendwo gibt es jedenfalls ein Gebäude.“ Jack lächelte und war fest entschlossen, seiner Frau den Gefallen zu tun. Ihr zu zeigen, was seine Worte nicht beweisen konnten: dass er an sie glaubte. „Ich kümmere mich um die Einzelheiten.“

„Und die wollen mich?“

„Sie haben um einen Fotografen gebeten. Ich habe dich vorgeschlagen.“ War es denn so falsch, der Liebe wegen ein bisschen an der Wahrheit zu drehen? Er wollte ihr Held sein. Er wollte, dass sie es nicht bereute, sich auf das Abenteuer mit ihm eingelassen zu haben.

Am Morgen würde er das alles Hops beibringen müssen. Aber es war nur ein kleiner Auftrag. Bestimmt konnte Hops ein paar seiner Regeln für Jack und seine junge Frau umgehen.

„Ehrlich? Und wann wolltest du mir das erzählen?“

„Heute. Wie gesagt, das wollte ich eigentlich, als ich nach Hause kam …“ Und London. Er musste ihr von London erzählen. Aber er hatte diese Woche noch eine große Präsentation und wollte eigentlich alles andere ausblenden, bis die perfekt war.

Trotzdem spürte er das Gewicht seiner Lüge. Wenn die wie ein Bumerang zurückkam, würde er Ärger bekommen – mit seinem Chef und seiner Frau gleichermaßen.

Die dunkle Welle überrollte ihn einmal mehr und brach sich an den Felsen seiner Seele. Für Jack Forester hatte Gutes keinen Bestand. Nie. Die Sache mit Hops, seine Arbeit, seine junge Ehe, das alles waren nur Illusionen.

 

„Über den Auftrag würde ich mich sehr freuen. Danke, dass du an mich gedacht hast.“ Taylor kam zu ihm herüber. Das Licht aus der Küche küsste ihren goldbraunen Scheitel. „Wann wäre das denn?“ Sie küsste ihn, schlang ihre Arme um seinen Hals und schmiegte sich an ihn.

„Ich-ich gl-glaube, nächste Woche.“ Jack vergrub sein Gesicht in ihrem langen, seidigen Haar. „Ich werde Petra anweisen, dir und Addison zu schreiben.“

„Danke.“

Und sein Herz seufzte.

„Und, also, wegen vorhin. Die Aufgaben im Haushalt und so. Also, das schaffen wir schon, Taylor. Das kriegen wir hin …“ Sein Telefon summte wieder, noch fordernder als vorhin, falls das überhaupt möglich war.

Taylor ging zu ihrem Schreibtisch zurück, und seine Brust fühlte sich ein zweites Mal so kalt an. „Nun geh schon! Wir können später reden. Aaron wird stinksauer sein.“

„Taylor“, sagte Jack und öffnete die Tür, „wegen Doug …“

„Vergiss ihn, Jack. Der will nur, dass alle nach seiner Pfeife tanzen.“

Er nickte. „Aber er ist ziemlich überzeugend.“

„Was meinst du damit?“ Der Schimmer ihres Computerbildschirms betonte die glatten, hohen Flächen ihres Gesichts, und der Anblick nahm ihm den Schneid.

„Nichts. Nur so eine Beobachtung.“

Nur so eine Angst, dass Jack sie verlieren könnte. Wie konnte er Taylor sagen, zeigen, wie sehr er sie liebte? Die Liebe war so ein unbekanntes Territorium für ihn.

Was er eigentlich wollte, war, sie zu fragen, ob sie ihn noch liebte. Ihre Wirbelsturmromanze und ihre Hochzeit waren unmittelbar nach dem Bruch mit Voss passiert.

Aber wenn er fragte, würde er schwach aussehen und erbärmlich klingen.

„Arbeite nicht zu hart, okay?“

Sie nickte lächelnd. „Und du spiel nicht zu hart.“

„Gegen Aaron? Oh doch, werde ich. Geht nicht anders, das ist so eine Alles-oder-nichts-Geschichte.“

Er musste hart spielen. Er musste die Zweifel und den Dreck, die Doug Voss hinterlassen hatte, aus seiner Seele verbannen. Vielleicht war „glücklich bis zu ihrem Lebensende“ nicht drin für sie, immerhin hatten sie den Sprung gewagt, ohne hinzuschauen, aber Jack klammerte sich an die Hoffnung. Im Zweifel Taylor zu vertrauen, was den Typen betraf, schien ein ganz guter Anfang zu sein.