Waldführer für Neugierige

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Dornen und Stacheln

Die Heckenrose, die Himbeere und die Brombeere tragen unverholzte Stacheln. Der Schwarzdorn, der Weissdorn und der Kreuzdorn tragen gerade und spitze Dornen, die aus dem Holz der Zweige herauswachsen. Dornen und Stacheln haben sich im Verlauf der Entwicklung aus den Blättern und Zweigen gebildet.


68 Warum gibt es bei uns keine Bäume mit Dornen wie in der Savanne?

Die Bäume haben sich auf jedem Kontinent den lokalen Bedingungen angepasst. In der Savanne sind die mit Dornen versehenen Bäume besser vor grossen Pflanzenfressern wie den Antilopen geschützt. Die Bildung von Dornen stellt ausserdem eine Anpassung an die Trockenheit dar, weil dadurch die Verdunstung verringert wird.

Eine europäische «Akazie»

In Europa kommt eine dornige «Akazie» vor, die heute sehr verbreitet ist: die Robinie oder Falsche Akazie. Sie stammt aus Nordamerika und wurde von einem gewissen Robin, Gärtner am französischen Königshof, in Europa eingeführt. Das um 1601 gesäte Exemplar wurde 1632 in den «Jardin des Plantes» in Paris verpflanzt, wo es heute noch wächst. Die Robinie, die oft als Zierbaum und auf unbebautem Boden (Zu- und Aufschüttungen) gepflanzt wird, ist heute als wild wachsende Pflanze überall, vor allem aber an Strassen- und Bahnböschungen, anzutreffen.


69 Was ist das für ein seltsames Gebilde an diesem Ast?

Dies ist eine Galle, eine Reaktion der Pflanze auf den Befall durch Insekten, Spinnen, Viren oder Pilze. Der junge Stamm, der Ast, das Blatt oder die Knospe bilden ein Gewebe, welches dem Parasiten oder dessen Nachkommenschaft als Unterkunft und Nahrung dient. Die Larve ist darin geschützt und kann sich von den Säften und dem Gewebe der Gallenwand ernähren (→ 108, 109).

Individuelle pflanzliche Behausungen

Fast alle Pflanzen tragen Gallen, von denen die meisten unscheinbar sind und nicht beachtet werden. Die an einem Blatt, einer Knospe, einer Blüte oder an einem Stiel sitzenden Gallen können die unterschiedlichsten Formen aufweisen: Spitzen, glatte oder behaarte Kugeln, Plättchen oder Knöpfe … Jeder Parasit hat seine eigene Gallenform, sodass die «Behausung» oft das einfachste Merkmal darstellt, um ihn zu bestimmen.



Der Baum im Wald Knospen

Die Knospen sind wahre Wunderwerke der Miniaturisierung, die einiges mehr an Informationen enthalten als der leistungsfähigste Elektronikchip! Blätter, Blüten, Zweige sind bereits im Sommer des vorhergehenden Jahres im unentwickelten Zustand in den Knospen angelegt, um so den Winter zu überdauern. Im Frühling kommt das Wunder zum Vorschein: Durch den Siebröhrensaft aufgebläht, öffnen sich die Schuppen, und die neuen Teile des Baumes entwickeln sich während der folgenden Tage.

70 Enthält diese Knospe Blüten oder einen ganzen Trieb?

Dies ist nicht so einfach zu beantworten. Die sicherste Methode, um es herauszufinden, ist, die Knospe mit einem Stoffband zu markieren und zu beobachten, was sich im Frühling daraus entwickelt. Gewisse Arten besitzen spezialisierte Knospen, die nur die Anlagen für eine Blüte enthalten und dicker sind als die andern: Kornelkirsche, Süsskirsche, Birne, Wolliger Schneeball …


71 Wann werden die Knospen gebildet?

Holzige Pflanzen haben praktisch das ganze Jahr hindurch Knospen, mit Ausnahme des Frühlingsanfangs, wenn sich die Knospen öffnen. Sobald die neuen Triebe und die Blätter ein wenig verholzt sind, erscheinen bereits die neuen Knospen. Diese für das kommende Jahr entwickelten Knospen an der Basis des Blattstiels sind vom Sommer an gut sichtbar (→ 106).

72 Welcher Baum trägt welche Knospen?

Wie die Blätter, sind auch die Knospen sehr unterschiedlich, und es ist nützlich, sie zu kennen, um die Baum- und Straucharten auch im Winter bestimmen zu können. Einige Beispiele:

• Schwarz und fein wie Samt: Esche.

Kontrolle: die gegenständigen Seitenknospen sind wie kleine schwarze Kugeln am Zweig.

• Dick, braun, klebrig: Rosskastanie.

Kontrolle: Harz, das nur schwer zu entfernen ist.

• Lang und spitz: Buche.

Kontrolle: Abgefallene, stachelborstige Fruchtbecher der Buchecker am Boden.

• Grün, eiförmig spitz: Bergahorn.

Kontrolle: Gegenständige, kleine, eiförmig spitze Knospen.

• Kleine Büschel von eiförmig spitzen Knospen am Triebende: Eiche.

Kontrolle: Blätter am Fuss des Stammes.


73 Warum gefrieren die Knospen im Winter nicht?

Die lebenden Zellen der Knospen enthalten eine hoch konzentrierte Flüssigkeit, welche den Gefrierpunkt senkt. Dazu sind sie durch Schuppen vor dem Austrocknen geschützt (→ 194).


74 Warum trifft man so viele abgefressene Knospen an?

Dies ist das Werk der Rehe. Sie bevorzugen als Nahrung Knospen und Triebe von Weisstannen, Eiben, Lärchen, Douglasien und sämtlichen Laubbäumen, vor allem von Esche, Ahorn, Süsskirsche und Eiche (→ 65, 155, 269).


75 Gibt es wirklich Knospen unter der Rinde?

Man findet tatsächlich unter der Rinde des Stammes, der Äste und der Wurzeln den Knospen entsprechende Gewebeteile, die fähig sind, einen neuen Spross zu bilden. Sie werden als schlafende Knospen bezeichnet.

Schlafende Knospen

Die in grosser Zahl vorhandenen schlafenden Knospen erwachen beispielsweise zum Leben, wenn bei einem astlosen Stamm die Rinde plötzlich dem Licht ausgesetzt wird, weil Nachbarbäume gefällt wurden. Dadurch entstehen sogenannte Klebäste, die bei gewissen Arten (Eiche, Tanne …) in grosser Zahl auftreten können.

Stockausschläge wachsen aus schlafenden Knospen sowie aus im Wundgewebe spontan gebildeten Knospen, wenn ein Baum gefällt wird oder abbricht (vor allem Laubgehölze wie Eiche, Hagebuche, Buche, Ahorn …, aber auch Eibe) (→ 20, 275).

Wurzelbrut: Gewisse Baumarten haben die Eigenschaft, aus Oberflächenwurzeln neue Triebe zu bilden (Espe, Erle, Birke, Robinie, Fruchtbäume …).


Der Baum im Wald Blüten, Früchte und Samen

In den gemässigten Zonen sind die Blüten der Waldbäume meist unscheinbar. Einige von ihnen machen sich jedoch durch weiträumige Nebenwirkungen bemerkbar. Unter Heuschnupfen leidende Personen können ein Lied davon singen, was die ersten Blütenpollen im Frühling bedeuten.

Die männlichen und weiblichen Blüten sind oft getrennt, entweder auf dem gleichen Baum (Föhre, Fichte, Eiche, Birke …) oder auf verschiedenen Bäumen (Stechpalme, Weide, Pappel, Eibe …). Die männlichen Blüten wie die Hasel- oder Birkenkätzchen sind gut sichtbar, während die weiblichen Blüten oft übersehen werden. Und trotzdem sind sie reizend! Wenn die Buschwindröschen und Primeln als Frühlingsboten im Unterholz erscheinen, lohnt es sich, die Aufmerksamkeit auch auf die Enden der Zweige zu richten, wo sich die Blüten entfalten.

Mit Früchten und Samen, Erscheinungen der jüngsten pflanzlichen Entwicklungsgeschichte, sichern sich die Bäume ihre Nachkommenschaft. Diese Fortpflanzungsorgane können durch Wind, Wasserläufe und Tiere über Hunderte, ja Tausende von Kilometern verbreitet werden.

Die Samen sind eine wichtige Nahrungsquelle für Insekten, Vögel und Säugetiere. Bis in die jüngste Vergangenheit lieferten Eicheln, Kastanien, Buchecker (Buchnüsse) und kleine Früchte auch einen wichtigen Nahrungsbeitrag für das Überleben von Mensch und Vieh.

Die auf dem Waldboden spontan keimenden Samen bilden die Grundlage für die im naturnahen Waldbau übliche Naturverjüngung.

76 Haben alle Waldbäume Blüten?

Ja, ausnahmslos alle, auch dann, wenn sie nicht so gut sichtbar sind wie die weissen Blüten der Süsskirsche oder die gelben Kätzchen des Haselstrauches.

Die Laubbäume haben eine vollständige Blütenanlage mit Kelch- und Kronblättern, die Nadelbäume besitzen einfachere Blütenformen. Bei näherer Betrachtung entdeckt man prachtvolle Beispiele (Föhre, Lärche, Haselstrauch …).

 

Pollenkorn der Fichte (2400 × vergrössert)


77 Was bedeutet diese gelbe Staubwolke?

Es handelt sich um Blütenstaub der männlichen Blüten. Die Nadelbäume produzieren manchmal solche Mengen davon, dass der Wind gewaltige Staubwolken über die Nadelwälder verfrachtet. Dies sieht aus wie ein Schwefelregen. Die Staubwolke kann grosse Flächen bedecken und ist vor allem auf Seen oder Flüssen gut sichtbar (→ 232).


78 Wie werden die Blüten befruchtet?

Der durch die Staubblätter (männliche Geschlechtsorgane) produzierte Blütenstaub gelangt durch den Wind oder durch Insekten auf die Narbe des Stempels, d. h. des weiblichen Geschlechtsteils der Blüte. Ein oder mehrere im Staubkorn enthaltene Zellkerne dringen durch den Griffel in den Fruchtknoten hinab. Der Zellkern des Blütenstaubes trägt die männlichen, die Samenanlage die weiblichen Erbanlagen. Beide verschmelzen zu einer neuen Genkombination, aus der neues Leben entsteht.


79 Ist es normal, dass die Haselsträucher bereits im Januar blühen?

Ja, sobald die Temperatur im Januar oder Februar steigt, wird der Blütenstaub der männlichen Blüten (Kätzchen) in der Natur verstreut, während die weiblichen Blüten nur diskret blinzeln. Bald beginnen auch andere Pflanzenarten zu blühen. Von Januar bis März blühen der Haselstrauch und der Ahorn, von April bis Mai die Eiche, Buche und Lärche, und von Mai bis Juli ist Blütezeit der Föhre, Fichte und Linde.


80 Stammt dieser Tannenzapfen von einer Weisstanne oder von einer Fichte?

Wenn man am Boden einen ganzen Zapfen findet, stammt er von einer Fichte. Unter der Weisstanne findet man nur Schuppen, da bei ihr die Zapfen bereits am Baum zerfallen. Ein anderer Unterschied: Am Baum erkennt man die Fichtenzapfen, weil sie hängen, wogegen die Zapfen der Weisstanne aufrecht stehen.


81 Ist der Tannenzapfen der Samen oder die Frucht?

Schaut im Herbst unter die Schuppen eines Zapfens oder schneidet diesen der Länge nach auf. Ihr könnt ihn auch auf den Ofen legen, so dass sich die Schuppen öffnen. Unter jeder Schuppe befindet sich ein mit einem Flügelchen versehener Samen. Der Zapfen entspricht also der Frucht, welche die Samen enthält.


Fichtensamen auf dem Schnee

Die Samen der Weisstanne fliegen im Herbst, während die der Fichte die ersten trockenen Wintertage abwarten. Samen, die man auf dem Schnee antrifft, stammen folglich von der Fichte! Diejenigen der Weisstanne liegen unter dem Schnee, wo sie teilweise bereits zu keimen beginnen.

82 Warum sind die Haselnüsse nicht an einem Stiel angewachsen wie die Kätzchen?

Die Haselnüsse entwickeln sich wie alle Früchte aus dem weiblichen Organ, dem Fruchtknoten. Die beiden Geschlechter befinden sich beim Haselstrauch auf getrennten Blütenständen. Das Kätzchen ist die männliche Blüte und bildet Blütenstaub. Die weibliche Blüte besteht aus einem kleinen, purpurroten Fadenbüschel am Ende einer grünen Knospe. Dies erklärt, warum die Haselnüsse direkt am Zweig angewachsen sind (→ 78).


83 Warum hat der Ahornsamen Flügel?

Es handelt sich um eine Transportvorrichtung, die für die Verbreitung der Samen sehr nützlich ist. Lasst einen herunterfallen … er ist wie ein Propeller. Er entfernt sich im Wind drehend und oft recht weit vom Mutterbaum. Die drei häufigsten Ahornarten unterscheiden sich durch den Winkel zwischen den beiden Samenflügeln: Beim Bergahorn bilden diese einen spitzen Winkel, beim Spitzahorn stehen sie stumpfwinklig und beim Feldahorn waagrecht zueinander (→ 149).


84 Was bedeuten diese kl einen Zäpfchen?

Dies sind die Fruchtstände der Erle, einer Laubbaumart, welche Zapfen trägt: Diejenigen der Schwarzerle messen zwischen 1 und 3 cm, jene der Weisserle und der Grünerle sind kleiner. Im Herbst sind drei Generationen von Fortpflanzungsorganen zu beobachten: verholzte Zäpfchen, deren Samen bereits ausgeflogen sind, noch nicht reife, grüne Zäpfchen und ganz kleine Kätzchen, welche so den Winter überdauern, bevor sie sich im Frühling zu den künftigen weiblichen Blüten entwickeln.


85 Wie können sich die Arven bergaufwärts ausbreiten?

Der Tannenhäher, eine dem Eichelhäher oder der Elster verwandte Vogelart, ist im Gebirge ein Verbündeter der Arven. Die dicken, ölhaltigen Samen naschend, versteckt dieser Raben(hamster)vogel die Körner als Wintervorrat im Boden. Auf diese Weise legt er in einem Umkreis von bis zu 15 km Tausende von Vorratskammern an, wobei er fast 80 % seiner Verstecke wieder findet. Dank der 20 % verlorener Samen ist die Naturverjüngung der Arve bis an die äusserste Waldgrenze gesichert. So hilft der Tannenhäher dem Wald, das in den letzten Jahrhunderten durch Abholzung und Überweidung in der Höhe verlorene Terrain wieder zurückzugewinnen (→ 231).


86 Wer hat diese Samenkerne und Früchte angenagt?

Haselnüsse und Fichtenzapfen bieten für jeden Naturfreund einen vorzüglichen Einstieg in das Thema (→ 155).



Haselnüsse

Die kleinen Nagetiere (z. B. Waldmaus, Rötelmaus) nagen die harte Schale langsam und sauber auf.

Der Specht hackt darauf herum, so gut er kann, aber ziemlich «unordentlich».

Das Eichhörnchen ist das perfekteste: Indem es seine Schneidezähne an Spitze und Basis ansetzt, spaltet es die Schale sauber in zwei Hälften.

Fichtenzapfen

Das Eichhörnchen reisst die Schuppen eher ab, als dass es sie abnagt. Die äusserste Spitze, wo weniger Samen enthalten sind, wird nicht angerührt.

Die kleinen Nager (z.B. die Waldmaus) beweisen auch hier ihre Ausdauer und arbeiten sauber.

Der Fichtenkreuzschnabel nimmt es am genausten: Jede Schuppe wird sehr exakt in zwei Hälften gespalten und der Samen herausgepickt.

Der Specht scheint planlos auf die Zapfen zu picken.


87 Wer hat dieses kleine Loch in die Haselnuss gebohrt?

Es handelt sich um die Larve eines Rüsselkäfers, des Haselnussbohrers, welche die Nuss im Herbst verlassen hat, um den Winter im Boden zu verbringen, wo sie sich im Frühling zum Käfer verpuppt. Solche kleine Löcher sind auch bei den Schalen anderer Früchte häufig zu beobachten, etwa bei den Kastanien, Eicheln und Bucheckern. Schneidet eine entzwei, um die Frassgänge der Larve sehen zu können.


88 Wie können diese Samen wegspicken?

Bei gewissen Arten wie zum Beispiel dem Besenginster spannen sich die Wände der Samenschoten beim Austrocknen. Bei der leisesten Berührung durch einen Passanten oder durch den Wind springt die gespannte Schale auf und schleudert die Samen heraus. Man findet solche Springfrüchte ebenso beim Springschaumkraut (auch Rührmichnichtan genannt). Die Samen des Waldveilchens werden durch den Aufprall von Regentropfen fortgeschleudert und dann von Ameisen fortgetragen.


89 Wie lösen sich im Herbst die Früchte vom Baum?

Es bildet sich eine dünne Korkschicht im Stiel zwischen dem Zweig und der Frucht. Das Gewicht der Frucht oder der Wind genügen dann, um diese vom Baum zu lösen. Der gleiche Vorgang ist auch für den Blattfall verantwortlich (→ 94).

90 Stimmt es, dass die Früchte der Eibe essbar sind?

Nicht die ganze Frucht, sondern nur das rote, süsse Fruchtfleisch. Den Kern muss man ausspucken, da er, wie der ganze Rest der Pflanze, giftig ist.

Die Nadeln werden zwar von Pferd und Esel sehr geschätzt, ihr Verzehr ist aber für sie lebensgefährlich. Dies ist der Grund, warum Hirten und Waldarbeiter, welche mit Pferden arbeiteten, die Eiben mieden und sie vorsorglich entfernten (→ 235, 252).


91 Kann man die Früchte dieses Strauches essen?

Es gilt das Gleiche wie bei den Pilzen und allen anderen Pflanzen auch: Man soll nichts essen, das man nicht kennt. Es gibt keine Merkmale, mit denen man giftige Früchte von Sträuchern und Bäumen erkennen kann.

Essbare Früchte in allen Farben

Rot: Mehlbeere, Weissdorn, Süsskirsche, Kornelkirsche, Heckenrose, Berberitze, Himbeere, Johannisbeere, Vogelbeere, Roter Holunder (gekocht).

Schwarz: Schwarzer Holunder, Brombeere.

Bläulich bis blauschwarz: Schwarzdorn, blaue Brombeere, Heidelbeere, Wacholder.

Braun oder gelbgrün: Elsbeere, Edelkastanie, Eiche, Buche, Speierling.


Giftige Früchte in allen Farben

Rot: Gemeiner Seidelbast, Windendes Geissblatt, Alpen-Heckenkirsche, Rote Heckenkirsche, Stechpalme, Gemeiner Schneeball.

Schwarz: Roter Hartriegel, Schwarze Heckenkirsche, Traubenkirsche, Liguster.

Rot oder schwarz: Wolliger Schneeball, Faulbaum.

Bläulich bis blauschwarz: Blaue Heckenkirsche, Efeu, Kreuzdorn.

Rosa mit orangem Samenmantel: Pfaffenhütchen.

Auch kleine Pflanzenarten können giftige Früchte tragen, die von Kindern leider manchmal gegessen werden und zu Vergiftungen führen: Gelber Eisenhut, Tollkirsche, Gelber Fingerhut, Aronstab, Maiglöckchen, Einbeere, Salomonssiegel.


92 Können Walderdbeeren bedenkenlosgegessen werden, wenn man sie nicht wäscht?

Die Gefahr, vom Fuchsbandwurm befallen zu werden besteht tatsächlich, ist aber sehr gering (10 Fälle pro Jahr in der Schweiz). Die Wahrscheinlichkeit, durch die Berührung des Fells eines toten Fuchses infiziert zu werden, ist viel grösser, als wenn man Beeren isst.

 

Wenn man die Einnahme von mit Bandwurmeiern infizierten Esswaren vermeiden will, müssen diese gewaschen oder (noch sicherer) gekocht werden.

Vom Kleinnager zum Fuchs

Die Eier des Bandwurms, welcher als Parasit im Darm von Füchsen lebt (gelegentlich auch von Katzen und Hunden, wenn diese Mäuse jagen), werden mit dem Kot ausgesondert und haften an Gräsern, Beeren, aber auch an Fallobst oder an Gartengemüse. Wenn kleine Nagetiere (oder Menschen) diese Eier aufnehmen, entwickelt sich die Wurmlarve in deren Organismus, hauptsächlich in der Leber. Die Larve löst die alveoläre Echinokkokose aus, eine gefährliche, meist tödliche Krankheit (→ 175).


Der Baum im Wald Blätter

Die Blätter bilden die Grundlage für das Leben auf der Erde. Weder Insekten noch Säugetiere, Pilze oder grosse Bäume könnten irgendwo auf der Erde ohne die von den Blättern produzierten organischen Stoffe existieren.

Dank dem Chlorophyll, ihrem grünen Farbstoff, können die Blätter das Sonnenlicht, das Wasser und die Nährstoffe aus dem Boden sowie das Kohlendioxid aus der Luft umwandeln. Sie erzeugen daraus die Grundstoffe für den Aufbau der Lebewesen. Dieser Vorgang, Fotosynthese genannt, ist eines der grossartigsten und ökologischsten Produktionsmodelle: Die Blätter «arbeiten» ausschliesslich mit erneuerbarer Energie, und ihre Abfallprodukte sind Sauerstoff und Wasserdampf, die sich in den natürlichen biochemischen Kreislauf einfügen! Tausende von Tier- und Pflanzenarten benutzen die Blätter als Nahrung. Sie hinterlassen darauf ihre unscheinbaren oder zerstörerischen Frassspuren, aber auch die Spuren ihrer Fortpflanzung (z.B. Gallen).

93 Wozu dienen die Blätter?

Sie spielen eine wesentliche Rolle, indem sie den rohen Saft (Wasser und Nährstoffe aus dem Boden) in den zuckerhaltigen, aufbereiteten Saft umwandeln. Aus anorganischen (d. h. nicht von Lebewesen stammenden) Substanzen bilden sie organische Verbindungen, die von der grossen Mehrzahl der Pflanzen- und Tierarten aufgenommen werden können. Zudem produzieren die Blätter den zum Atmen notwendigen Sauerstoff und binden gleichzeitig Kohlenstoff (→ 100, 101, 205).


Leben dank Fotosynthese

Wir Menschen können uns nicht vom Kohlendioxid der Luft, von Sonnenenergie, Wasser und Nährstoffen aus dem Boden ernähren. Das Chlorophyll der Blätter dagegen ist, durch Fotosynthese, in der Lage, diese verschiedenen Elemente zu Kohlehydraten (Zucker) umzuwandeln, welche die Grundstoffe für die Synthese der Fette und Eiweisse bilden. Ohne diesen Assimilierungsprozess durch das Chlorophyll gäbe es auf der Erde keine Wälder, keine Vögel, keine Pilze, keine Säugetiere, keine Fische, keine Menschen.


94 Warum fallen im Herbst die Blätter vom Baum?

Der Blattfall ist eine Schutzeinrichtung gegen den Frost (oder gegen die Trockenheit in heissen Regionen). Die Bäume bereiten den Blattfall schon vor dem Frost vor, sobald die Tage kürzer werden und die Temperatur sinkt. Dazu bildet das Blatt eine Trennschicht zwischen dem Stiel und dem Zweig. So ist die Wunde bereits vernarbt, wenn der Wind das Blatt vom Baum löst (→ 89).


95 Warum verlieren gewisse Bäume ihre Blätter früher als andere?

Jede Baumart hat ihre artspezifischen Merkmale und jede einzelne Pflanze ihren eigenen Rhythmus. Die Esche zum Beispiel ist im Frühling die Letzte, die ihre Blätter entfaltet, und im Herbst die Erste, die sie abwirft. Aber auch unter den Eschen selbst gibt es solche, die immer die Ersten, und solche, die immer die Letzten sind. Dieses Verhalten wird durch die Erbanlagen und den Lebensraum der einzelnen Bäume bestimmt. So verlieren gestresste Bäume (Trockenheit, Bäume in der Stadt) ihre Blätter früher als die andern.

96 Warum verlieren die Nadelbäume ihre Nadeln nicht?


Schaut auf den Boden: Er ist mit Nadeln bedeckt. Im Gegensatz zu den Laubbäumen tragen die Nadelbäume mehrere Generationen von Nadeln, von denen nur die ältesten im Herbst abgestossen werden.

Das Blattwerk behalten oder abwerfen ist eine Frage der Strategie!

Es gibt zwei grundsätzliche Strategien zum Überleben während der kalten Jahreszeit (oder der Trockenzeit in warmen Ländern):

• Abstossen … und wieder von vorne beginnen:

Der Baum wirft seine Blätter, welche gegenüber Kälte oder Trockenheit empfindlich sind, ab und muss sie daher nicht schützen. Dies bedeutet Energieaufwand bei der Produktion eines neuen Blattwerks zu Beginn der günstigen Jahreszeit. Die meisten Laubbäume und die Lärche funktionieren nach dieser Strategie.

• Behalten und schützen:

Der Baum schützt seine Blätter gegen Kälte und Trockenheit und behält sie während mehrerer Jahre. Dazu ist ein «Frostschutz» oder ein «Verdunstungsschutz» nötig (Wachsschicht auf Nadeln oder Blättern). Diese Strategie wenden die meisten Nadelbäume sowie gewisse Laubbäume wie die Stechpalme, der Buchs, der Efeu und einige Eichenarten an (→ 193).


97 Welches Alter haben die Nadeln?

Die Nadeln haben das gleiche Alter wie der Zweigabschnitt, an dem sie wachsen. Die Föhre trägt zwei bis drei Nadeljahrgänge, die Fichte und die Weisstanne fünf bis zwölf.

Die Nadeln der Lärche leben nur einige Monate, da sie, wie die Blätter der meisten Laubbäume, jedes Jahr erneuert werden (→ 23).


98 Ist es wahr, dass die Bäume schwitzen?

Ja, aus kleinen Öffnungen (Spaltöffnungen, Stomata) auf der Unterseite der Blätter und Nadeln entweicht Wasserdampf. Schaut die Nadeln von Weisstannen, Fichten oder Föhren unter der Lupe an!

Beweis für die Ausdunstung der Bäume

Steckt einen Zweig in einen durchsichtigen Plastiksack. Die Feuchtigkeit wird schon nach einer halben Stunde sichtbar. «Stoma» kommt aus dem Griechischen und bedeutet «Mund». Durch diese Öffnungen treten Sauerstoff, Kohlendioxid und Wasserdampf ein und aus.


99 Wie atmen die Bäume?

Sie atmen sowohl am Tag als auch während der Nacht, vor allem durch die Blätter (Spaltöffnungen), aber auch durch die Rinde und die Wurzeln. Der Sauerstoff der Luft ist für die Bäume genauso wichtig wie für den Menschen (→ 93, 195).

100 Welche Wälder pro duzieren am meisten Sauerstoff?

Es sind die Wälder, die bewirtschaftet werden. Ein wachsender Baum – ein Baum, der Holz produziert – bildet mehr Sauerstoff, als er verbraucht. In seiner organischen Substanz (Stamm, Äste, Wurzeln) wird der dem Kohlendioxid (CO2) der Luft entnommene Kohlenstoff eingelagert und die entsprechende Menge Sauerstoff an die Luft abgegeben (→ 205).

Urwälder und Sauerstoff

Ein Baum, der verrottet oder verbrannt wird, verbraucht genau die Menge Sauerstoff, die er während seines Lebens produziert hat. Gleichzeitig gibt er ebenso viel CO2 ab, wie er während seines Wachstums eingelagert hat. Die wichtigsten Ökosysteme, die Sauerstoffüberschuss produzieren, sind die Wälder und die Algenbestände des Meeres, sofern ihre «Produkte» erhalten bleiben (Holz, Torf, Erdöl, Kohle, Erdgas).

Im Urwald ist die im Aufbau befindliche Holzmenge praktisch gleich gross wie die im Abbau befindliche. Die produzierte Sauerstoff menge ist also die gleiche, wie jene, welche durch die am Boden abgebaute Holz- und Blattmasse verbraucht wird. Daraus ergibt sich folglich keine Sauerstoffzunahme.

101 Wie viele Personen können mit dem von einem Baum produzierten Sauerstoff atmen?

Ein erwachsener Baum gibt in der Regel pro Jahr 15 bis 30 kg überschüssigen Sauerstoff ab (→ 100). Eine erwachsene Person atmet jährlich etwa 200 bis 300 kg Sauerstoff ein, was der Produktion von etwa 12 Bäumen entspricht.

Im Vergleich dazu verbraucht ein Auto 2,8 kg Sauerstoff pro Liter Treibstoff, d. h. 15 bis 20 kg Sauerstoff für 100 km. Dies entspricht der Jahresproduktion eines Baumes.


102 Warum sind die Blätter grün?

Wir sehen nur diejenigen Farben aus dem Farbspektrum, die von der Materie nicht absorbiert werden. Weil das Chlorophyll für seine Funktion nur die roten und blauen Farbanteile des Sonnenlichts aufnimmt, wird die komplementäre Farbe (Grün) reflektiert und von uns wahrgenommen.

103 Warum werden die Blätter im Herbst gelb?

Sobald die Tage kürzer werden und die Temperatur sinkt, legt der Baum die in den Blättern enthaltenen wertvollen Substanzen in der Rinde und im Holz an. Das grüne Chlorophyll macht anderen, gelben, roten und braunen Farbstoffen Platz. Die umgelagerten Vorräte (Zucker, Eiweisse) werden im kommenden Frühling, wenn die Blätter noch nicht funktionstüchtig sind, zur Einleitung des Wachstums gebraucht.

104 Wie viele Blätter (oder Nadeln) hat es an einem Baum?

Man muss eine Überschlagsrechnung machen. Nehmen wir an, ein Zweig trage ungefähr 50 Blätter und ein Ast rund 15 Zweige, und es gebe 15 dicke Äste in der Baumkrone mit je rund 12 kleineren Ästen. Dies könnte etwa 135 000 Blätter ergeben, was der Einwohnerzahl einer mittleren Stadt entspricht (→ 253).


Blattzahl, Gesamt-Blattfäche

Bei den Laubbäumen ist die Gesamt-Blattfäche etwa 6- bis 10-mal grösser als die Projektion der Baumkrone auf den Boden. Bei den Nadelbäumen beträgt dieses Verhältnis sogar 15 bis 20. Wenn die Kreisfläche einer Eichenkrone zum Beispiel 80 m2 beträgt (3-Zimmer-Wohnung), erreicht die gesamte Oberfläche der Blätter 480 bis 800 m2.

Diese Zahl muss man alsdann durch die mittlere Blattfläche teilen, um die Blattzahl zu errechnen.

105 Warum hat dieses Pflänzchen zwei Arten Blätter?

Die ersten zwei Blätter eines Keimlings, die Keimblätter, sind oft anders als die nachfolgenden Blätter. Beobachtet im Frühling die Keimlinge von Buche, Ahorn und Esche!


106 Ist dies ein einfaches oder ein zusammengesetztes Blatt?

Um zu wissen, ob ein Blatt einfach oder zusammengesetzt ist, schaut man, ob eine Knospe in der Blattachsel befestigt ist oder nicht. Ist dies nicht der Fall, handelt es sich um das Blättchen eines zusammengesetzten Blattes (Esche, Heckenrose, Holunder …). Die Regel heisst also: Ein Blatt – eine Knospe (→ 71)!


107 Wieso kratzt das Ulmenblatt?

Streicht mit einem Ulmenblatt über die Wange oder die Zunge. Es ist mit winzigen Haken übersät. So könnt ihr das Ulmenblatt ohne Schwierigkeiten erkennen, ohne es mit demjenigen einer anderen Baumart wie zum Beispiel dem behaarten Haselblatt oder dem glatten Lindenblatt zu verwechseln.


108 Was sind das für Kugeln auf diesem Eichenblatt?

Eine kleine Wespenart (Gallwespe) hat ein Ei in das Blatt gelegt und so eine Galle erzeugt. Schneidet eine solche entzwei, so werdet ihr deren Bewohner kennen lernen (→ 69, 109).


109 Und diese spitzen Warzen auf diesem Buchenblatt?

Auch das sind Gallen. Öffnet eine! Seht ihr ein winziges Ei oder eine kleine Larve? Dieser Bewohner wird sich zu einer kleinen, harmlosen Mücke, der Buchenblatt-Gallmücke, entwickeln. Die dicken roten Gallen sind von einer weiblichen Larve bewohnt, die kleinen grünen von einer männlichen. Die Galle löst sich im Herbst vom Blatt los und fällt auf die Erde, wo das Insekt dann den Winter verbringt. Im Frühling schlüpft eine junge Mücke aus der Galle und sucht sich ein neues Buchenblatt (→ 69).


110 Ist das ein Nest auf dieser Föhre?

Es ist ein Nest der Prozessionsspinnerraupen. Sie heissen so, weil sie ihr Nest Anfang Frühling in einer langen «Prozession» verlassen und sich in die Erde vergraben. Hier, in 5 bis 20 cm Tiefe, entwickeln sich die Puppen zu einer kurzen Lebensdauer als Falter. Deren Flugzeit ist nachts im Monat Juli oder August.

Raupen des Prozessionsspinners nicht berühren!

Die Prozessionsspinnerraupen befallen vor allem Föhren und Zedern, manchmal in verheerendem Ausmass. In gewissen Fällen kann man sie mit Hilfe von Ameisen bekämpfen. Berührt keine Raupen, denn ihre brennenden Haare können schmerzhafte Juckreize verursachen.


111 Wer hat dieses Spitzenmuster ausgeschnitten?

Dieses in der Streuschicht liegende Blatt ist fast durchsichtig. Kleine wirbellose Tiere und Bakterien haben die weichen Teile bereits gefressen, so dass es nur noch aus seinen «Rippen», das heisst den Blattnerven, den Leitungen für Wasser und Saft, besteht. Die zähen Leitbahnen widerstehen dem Werk der Kompostierer länger.

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