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Den Peloton-Service nutzten im Sommer 2020 über drei Millionen Abonnentinnen. Der Umsatz im vierten Quartal des Berichtsjahres 2020 (dieses endet immer im Sommer) lag bei etwas über 600 Millionen US Dollar. Davon fielen ca. 121 Millionen US Dollar auf die reine Nutzung der App beziehungsweise des Abo-Modells und 485 Millionen US Dollar auf die vernetzen Fitnessprodukte. Im Jahr 2020 verdoppelte sich der Umsatz auf 1,8 Milliarden US Dollar im Vergleich zum Vorjahr. Beeindruckend auch die Zahlen der Work-outs: In Q4 2020 des Peloton-Berichtsjahrs wurden 76,8 Millionen Work-outs durchgeführt. Die durchschnittliche Work-out-Anzahl pro Abo-Nutzerin im Monat stieg im Vorjahresvergleich von 12 auf beeindruckende 24,7.

Auch bei der Finanzierung der relativ teuren Geräte arbeitet Peloton mit der Fintech-Plattform Affirm zusammen und bietet seinen Kundinnen für das Bike eine monatliche Finanzierung mit null Prozent Zinsen an. Was das Zielkonsumentensegment enorm erweitert hat, denn durch die aktuelle wirtschaftliche Lage sind Verbraucherinnen nicht nur eher geneigt, kleine monatliche Zahlungen zu leisten. Auch die vorübergehende Schließung von Fitnessstudios hat Peloton in die Hände gespielt.

Im Gegensatz zu Kettler hat Peloton den Wunsch nach Personalisierung, Freiheit und emotionaler Erfahrung im Fitnessbereich erkannt und in kürzester Zeit ein Ökosystem entwickelt, das eine vernetzte Wertschöpfung im Markt neu definiert. Somit hat Peloton nicht nur die Macht über den aktuellen Markt, sondern auch einen enormen Wissensschatz über seine Kundinnen – und macht sich so auf den Weg, zum Amazon der Fitnesswelt zu werden. Und perfektioniert dabei die radikale Nutzerzentrierung: Mit dem Gamification-Ansatz bindet Peloton seine Kundinnen durch die App ganzheitlich ein. Gleichzeitig hilft ihnen die Online-Community beim Markenaufbau.

Der Druck auf Deutschland steigt

Um Kettler zu retten, wurde nicht auf punktuelle Markeninnovationen gesetzt, sondern auf einen komplexen Um- und Ausbau des Sortiments. Die enorme Produktvielfalt von Kettler – von Rudergeräten bis hin zu Gartenmöbeln – hat es dem Unternehmen unnötig schwer gemacht. Hinzu kommt, dass Logistik, Vermarktung und Vertrieb sehr schnell hohe Kosten verursachen. Kettler hätte seinen Fokus auf seine Stärken richten und sich fragen müssen: Was will und braucht eigentlich unsere Kundin? Welche Trends können wir erfolgreich und besser bedienen als andere? Wie können wir die Digitalisierung dafür nutzen? Denn der erfolgreiche Weg geht weg vom produktbasierten Ingenieursdenken und hin zur Kundenzentrierung.

Trotz meiner persönlichen Begeisterung für Peloton ist es für mich sehr betrüblich zu sehen, dass ein US-Unternehmen wieder einmal den deutschen und europäischen Markt angreift – und diesen vermutlich erfolgreich erobern wird. Es zeigt allerdings auch sehr anschaulich, wie hoch der Druck in Deutschland zum Handeln ist.


Tesla versus deutsche saturierte Automobilriesen

Auch die deutsche Automobilindustrie bekommt gerade mit voller Wucht die Disruption zu spüren. Und während die deutschen Automobilkonzerne mit der Corona-Krise und einer reduzierten Kaufnachfrage kämpfen, beschleunigt Elon Musk. Er will den Kampf um die Elektromobilität um jeden Preis gewinnen. Und sein Plan geht auf: Teslas Aktie erklomm 2020 ein neues Rekordhoch und Tesla wurde zum wertvollsten Autobauer an der Börse. Ich selbst bin Tesla-Fahrer und beobachte die Marktentwicklung schon lange mit Kopfschütteln.

Die Geburt der mittlerweile wertvollsten Automarke Tesla Motors ist noch nicht lange her: 2003 wurde das Unternehmen von Martin Eberhard und Marc Tarpenning gegründet. Nur ein Jahr später investierte Elon Musk 27 Millionen US-Dollar in das junge Start-up. Er wird Aufsichtsratsvorsitzender und das prägende Gesicht des amerikanischen Herstellers. Nur drei Jahre später präsentiert Tesla das erste Elektroauto der Welt.

Tesla hat aus den Startschwierigkeiten gelernt

Dabei wurde Musk lange von der deutschen Automobilindustrie nicht ernst genommen, sogar belächelt: der Service war zu schlecht, die Qualität zu gering, der Absatz zu niedrig. Mittlerweile hat das Unternehmen aus den Startschwierigkeiten gelernt und sich enorm schnell in nahezu allen Bereichen weiterentwickelt. Und während es den Anschein machte, dass die deutschen Hersteller die Elektromobilität verschlafen, nahm Tesla Anlauf und erreichte Mitte des Jahres 2020 einen Börsenwert von rund 207 Milliarden US-Dollar – und war erstmals mehr wert als Daimler, BMW und Volkswagen zusammen! Konnte man eine Tesla-Aktie zu Beginn noch für 17 US-Dollar erwerben, war sie Ende August etwa 1.900 US-Dollar wert. Allein seit Anfang 2020 hat die Tesla-Aktie unglaubliche 388 Prozent zugelegt. Zum Vergleich: Die Daimler-Aktie verlor im gleichen Zeitraum ca. 14,5 Prozent, ebenso verlor die Aktie von Volkswagen.

Wie steht es um die deutsche Elektromobilität?

Vor dem Serienstart des Porsche Taycan wurde bereits spekuliert, ob die Batterien getauscht werden müssten. Der i3 von BMW kämpfte mit der Software und anderen Kinderkrankheiten – einen Nachfolger wird es nicht geben. Der EQC von Mercedes-Benz scheint ein Flop auf ganzer Linie zu sein. 2019 haben sich europaweit nur etwa 1.400 Kundinnen für diesen SUV entschieden. Selbst der neue ID.3 von VW schneidet in fast allen Punkten schlechter ab als der Tesla. Aber immerhin rollt die erste Mittelklasse-E-Serie von VW mit einigen Monaten Verspätung vom Band und wird nun ab Ende 2020 der breiten Masse zur Verfügung stehen.

Wenn der Bedarf nach Elektromobilität weiter so rasant ansteigt wie prognostiziert, dann muss die einst so erfolgreiche deutsche Automobilindustrie in den Turbogang schalten und endlich das Überholmanöver antreten und vor allen Dingen ihr Mindset ändern. Dabei sollte sie den Vorsprung des aktuellen Elektro-Branchenprimus Tesla anerkennen, von ihm lernen und das berühmte „Spaltmaß-Geprotze“ ablegen.

Ich fahre seit vier Jahren einen Tesla – und damit das erste Mal ein Auto, das kein deutscher Autokonzern produziert hat. Wie in vielen anderen Familien saßen bereits meine Eltern und Großeltern ihr ganzes Leben lang nahezu ausnahmslos in deutschen oder europäischen Autofabrikaten. Denn Deutschland ist nicht nur das Land der Dichterinnen und Denkerinnen, sondern auch das Land der Lenkerinnen. In keinem anderen Land ist das Auto derart mit der Identität der Menschen verschmolzen wie bei uns. Daher sind Diskussionen über die Automobilindustrie nicht nur wirtschaftliche oder politische. Es sind Diskussionen über Lebensformen; wir sind groß geworden mit dem deutschen Qualitätsanspruch und das Auto hat uns Freiheit geschenkt. Diese Autokultur hat unser Land bis in jeden Winkel geprägt und lange Zeit für Exportstärke und Wirtschaftsmacht gesorgt. Man kann sich also vorstellen: Mein Tesla-Kauf war ein absoluter Gamechanger in unserer Familienchronik.

Warum fahre ich Tesla?

Ich werde oft gefragt, warum ich mich 2016 für einen Tesla entschieden habe. Die Antwort ist einfach: Ich glaube fest daran, dass der Verbrenner bald der Vergangenheit angehört. Auch hat mich Elektromobilität als zukunftsweisende Technologie, neben anderen alternativen Antriebsarten, schon immer sehr beeindruckt. Ferner wollte ich nicht nur über das Fahrgefühl eines Elektroautos sprechen, was in der Tat wirklich besonders ist, sondern es auch selbst erleben. Die Wahl auf einen Tesla fiel, weil die deutschen Automobilhersteller damals außer dem e-Smart von Mercedes und dem i3 von BMW nichts zu bieten hatten – was sich bis Mitte 2020 kaum geändert hat und in der Breite vor Mitte 2021/Anfang 2022 vermutlich auch nicht ändern wird. Neben dem Fahrgefühl überzeugte mich aber vor allem auch das Design des Fahrzeugs mit seinem minimalistischen Cockpit und der vom iPhone gewohnten Usability.

Die von Freundinnen des deutschen Automobils geäußerte Befürchtung, ich werde nach meiner Bestellung mehr als zwölf Monate auf das Fahrzeug warten müssen, stellte sich am Ende als Trugschluss heraus: Drei Monate nach meiner Bestellung stand das Fahrzeug bei mir in München. Beim Thema „Warten“ gibt es bei Mercedes beispielsweise eine ganz andere Zeitrechnung: Der e-Smart sollte kürzlich nur noch über Werksniederlassungen verkauft werden. Die aber konnten aufgrund der Kurzarbeit durch die Corona-Pandemie die Folgeproduktion nicht leisten; der Wagen war ab Juni 2020 für dieses Jahr nicht mehr zu bestellen. Die Lieferzeiten für den AUDI e-tron liegen aktuell bei sechs Monaten! Was für ein Mix aus deutscher Kfz-Propaganda und fehlendem Nachfragemanagement.

Kritik und Spott von allen Seiten

Ich musste mir nach dem Kauf des Teslas Kommentare wie „was für eine Plastikschleuder“ anhören. Ein guter Bekannter, der in der Entwicklung von BMW arbeitete, fragte mich gar, ob denn die Türen überhaupt sauber schließen würden. Denn Tesla würde ja bei der Zusammensetzung des Fahrzeuges unsauber arbeiten (da ist es wieder, das Spaltmaß). Doch das alles war noch harmlos im Vergleich mit einem Erlebnis im Jahr 2018: Ich saß mit einem sehr bekannten Fernsehmoderator auf einem Panel, bei dem es um Disruption in der Automobilindustrie ging. An diesem Tag hagelte es von allen Seiten Kritik: Tesla sei sowieso pleite, könne keine vernünftigen Autos bauen und die Serienfertigung sei ein Desaster. Ergo, die deutschen Hersteller würden das Thema Elektromobilität erfolgreich gewinnen – wenn die Zeit denn reif sei. Na ja, die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

Weiteren Gegenwind erfuhr ich auf einer Leadership-Konferenz in St. Gallen. Ich war als Keynote-Speaker angereist – natürlich elektrisch mit meinem Tesla aus München. Ein Redner auf dem Event war der Sportchef eines Sportwagenherstellers aus Baden-Württemberg. Während seines Vortrags verspottete auch er Tesla und geiferte in die Runde: „Woran kann man einen Tesla-Fahrer auf der Autobahn erkennen? Er kriecht mit 40 km/h auf der rechten Spur, weil sein Akku leer ist.“ Großes Gelächter im Publikum. Nun wusste er nicht, dass nach ihm ein Tesla-Fahrer die Bühne betrat. Dank ihm hatte ich einen „Eisbrecher“ und outete mich direkt als der „kriechende Autobahnfahrer“. Übrigens: Der 40-km/h-Modus ist nahezu unmöglich zu erreichen, weil Tesla die intelligente Routenführung so aufbaut und plant, dass man immer mit seiner gewünschten Geschwindigkeit – und die ist in der Regel nicht 40 km/h auf der Autobahn – rechtzeitig an eine Tesla-Schnellladestation kommt. Als ich mich dann am Ende der Veranstaltung verabschiedete, um am Abend zurück nach München zu fahren, rief mir der Sportchef nach: „Du brauchst ja vermutlich sechs Stunden, weil du ja noch zweimal laden und dabei stundenlang warten musst, bis der Akku voll ist.“ Eine bessere Vorlage hätte er mir nicht liefern können. Ich erklärte ihm und allen anderen, dass ich auf halber Strecke bei einem Tesla Supercharger anhalten und während einer Toilettenpause in 20 Minuten etwa 200 Kilometer Reichweite in die Batterie „blasen“ würde. Nach knapp drei Stunden Fahrt inklusive Pause und Ladung war ich also wieder in München.

 

Diese Beispiele zeigen hervorragend, wie die Automobillobby arbeitet und funktioniert. Wie deutsche Hersteller und Lobbyisten sehr viel Zeit und Energie darauf verwenden, einen aufkommenden Player kleinzureden und schlecht zu machen, statt sich dieser Herausforderung zu stellen.

China – die unerkannte Macht

Der deutsche Automarkt erlebte durch die Corona-Krise eine ziemliche Talfahrt. Praktisch alle Automarken verbuchten ein dickes Zulassungsminus. Nur Elektroautos sind gefragter denn je. Die seit Mai 2020 angehobene Kaufprämie von bis zu 6.000 Euro verschaffte den batteriebetriebenen Autos zusätzlich Aufwind. Damit verdreifachten sich die Neuanmeldungen von Plug-in-Hybriden, die rein batteriebetriebenen Wagen legten um 56 Prozent zu. Und auch die Bundesregierung hat sich für 2020 hohe Ziele gesetzt. Laut „Nationalem Entwicklungsplan Elektromobilität“ sollen bis zum Jahresende eine Million Elektrofahrzeuge auf deutschen Straßen rollen. Die sukzessive Umstellung auf Elektroantrieb soll der deutschen Automobilindustrie dabei helfen, ihre Position in der Weltwirtschaft zu halten. Und auch der Klimawandel versetzt der Elektromobilität einen mächtigen Schub. Durch die Umstellung auf E-Autos sank der durchschnittliche CO2-Ausstoß aller neu zugelassenen Fahrzeuge um 4,9 Prozent auf 149 Gramm pro Kilometer. Zudem soll die Infrastruktur für Ladesäulen deutlich schneller geschaffen werden als bisher geplant.

Nun könnte man sich entspannt zurücklehnen und sagen, läuft doch. Deutschland stellt sich auf die zukünftige Elektromobilität ein, Prämien fördern die Kaufkraft und die Infrastruktur wird hochgezogen. Doch weit gefehlt! Die Disruptoren kommen nicht nur aus den USA, sondern auch aus China. Dabei ist China nicht nur ein spannender Absatzmarkt für die deutschen Automobilhersteller. Sie produzieren selbst zahlreiche Fahrzeuge und bieten diese teilweise deutlich günstiger an als deutsche Hersteller. Der chinesische E-Auto-Hersteller Great Wall Motors beispielsweise will Berichten zufolge 2020 das billigste Elektroauto der Welt präsentieren: Ein Viertürer mit einer Reichweite von 350 Kilometern und einer 35-Kilowattstunden-Batterie für etwa 10.000 Euro. Der internationale Verkaufsstart soll erst in Indien und anschließend weltweit erfolgen.

Bezüglich der Verkaufszahlen hat China aktuell die Nase meilenweit vorn: 2019 wurden 1,2 Millionen Elektroautos verkauft. In Deutschland gab es im selben Zeitraum ca. 63.000 Zulassungen. Dabei setzen die Chinesen sowohl in der Fertigung als auch bei der Nutzung voll und ganz auf E-Mobilität; und legen sich bei den Verbrennern nicht mit den deutschen „Perfektionsingenieuren“ an.

Warum ist Tesla fortschrittlicher?

Während sich die deutsche Automobilindustrie schrittweise und sehr langsam auf die Veränderung einstellt, ist Tesla schon mittendrin und hat sich durch die jahrelange, konkurrenzlose Vorlaufzeit die beste Position erarbeitet, um diesen Markt für sich zu gewinnen. Bereits im Jahr 2019 verbuchte Tesla mit etwa 361.000 die meisten Neuzulassungen an Elektrofahrzeugen. Im Vergleich: BMW liegt mit 114.500 Elektroautos weltweit auf Platz fünf. Elon Musk will das Land der Automobilindustrie im Sturm erobern. In Berlin/Grünheide soll in weniger als 12 Monaten die erste Gigafactory in Deutschland entstehen, wo zukünftig 500.000 Autos pro Jahr produziert werden sollen. Doch was genau macht Tesla nun so wertvoll? In welchen Bereichen ist der Hersteller so viel besser und fortschrittlicher aufgestellt als die deutsche Konkurrenz?

1. Infrastruktur

Elon Musk ist kein Mann, der lange wartet – er macht. Und somit hat er die notwendige Infrastruktur einfach selbst geschaffen. Ich bin nach wie vor schwer beeindruckt von der europaweiten Tesla-Ladeinfrastruktur, die es uns Besitzerinnen ermöglicht, in zehn Minuten Ladezeit ca. 100 Kilometer Reichweite in den Akku zu pumpen. Von Lissabon bis Skandinavien hoch können Tesla-Fahrerinnen so bequem und schnell fahren. Andere E-Autos hingegen können dort nicht laden, denn Tesla betreibt mit seinen Superchargern ein eigenes proprietäres Schnellladesystem. Und während Tesla allein bereits 519 Stationen mit 4977 Ladeplätzen geschaffen hat, schuf ein Joint Venture aus Daimler, BMW, VW und Ford bisher gerade einmal 229 Stationen mit 923 öffentlichen Ladeplätzen.

2. Regeneratives Laden

Ich bin von Tirol an die italienische Küste gefahren. Für die 350 Kilometer hatte ich eine Reichweite von 450 Kilometern in meinem Akku. An der Küste angekommen hatte ich dennoch 170 Kilometer Reichweite übrig, denn die Motorbremse auf der Bergstrecke lud den Akku regenerativ wieder auf.

3. Over-the-Air-Updates

Tesla bietet seinem Nutzerkreis 24 Online-Updates pro Jahr. Dieses Aufspielen neuer Fähigkeiten per Softwareupdate stellt einen enormen USP dar, den kein deutscher Hersteller bisher bieten kann. Ein Softwareupdate bei meinem Tesla brachte beispielsweise etwa fünf Prozent zusätzliche Reichweite. Ferner habe ich seit einigen Wochen Netflix im System. Auch wurden zwei Kamerafunktionen ergänzt, mit denen mir jetzt der tote Winkel angezeigt wird. Die Updates betreffen also nicht nur das Entertainment- und Navigationssystem, sondern auch den Autopiloten und viele weitere Komponenten des Fahrzeuges, wie die Bremsleistung oder die Beschleunigung. Diese Updates lassen sich mit einfachen Klicks selbst durchführen, ohne eine Werkstatt aufsuchen zu müssen. Auch werden so ältere Modelle nicht nur sicherer und leistungsfähiger, sie erfahren zudem eine Wertsteigerung – ein Service, den deutsche Automobilhersteller nicht kennen.

4. Usability und offenes System

Während man in deutschen Fahrzeugen erst mal ganze Bedienungsanleitungen studieren muss, um sich zurechtzufinden, ist Teslas „Look & Feel“ durchdacht, clean und nutzerzentriert. Zudem nutzt Tesla im Unterschied zu deutschen Herstellern ein offenes System, das auch die Integration anderer Apps ermöglicht – was die gesamte Bedienung enorm einfach, schnell und nutzerfreundlich macht. So ist beispielsweise Google Maps installiert und zeigt aktuelle Stauwarnungen direkt an.

Kürzlich bekam ich die Info, dass das User Interface verändert wurde. Die Befürchtung, dass man sich plötzlich nicht mehr zurechtfindet, ist bei Tesla jedoch unberechtigt. Denn wie bei Apple auch, ist alles selbsterklärend und einfach zu bedienen. Die Usability und das Design sind grandios: lediglich zwei Knöpfe – Warnblinkanlage und Handschuhfach – befinden sich auf der Armatur; ansonsten erfolgt die Bedienung über das Lenkrad oder den Touchscreen.

5. Shadow Mode

Tesla bereitet sich auf die Zukunft des autonomen Fahrens vor und ist auch hier anderen Herstellern einen großen Schritt voraus. Seit 2019 baut der Autohersteller Chips für autonomes Fahren in die Autos ein. Der Clou: Die Fahrzeuge werden so zu fahrenden Datensammlern. Egal, ob ein Fahrzeug nun den Autopiloten aktiviert hat oder nicht – der Shadow Mode berechnet die Fahrsituationen, sieht Reaktionen der anderen Verkehrsteilnehmerinnen voraus, vergleicht sie mit anderen Verläufen und lernt daraus. Das System wird so besser und besser.

6. Reichweite

Selbst wenn der Durchschnittsdeutsche nicht einmal 100 Kilometer pro Tag zurücklegt, wünschen sich viele die größtmögliche Reichweite. Vor nichts scheinen die Deutschen beim Kauf eines Elektrowagens mehr Angst zu haben als vor einer zu geringen Reichweite. Und genau hier schlägt Tesla bisher alle und bleibt Spitzenreiter. Das Unternehmen hat es geschafft, seine Fahrzeuge mit möglichst großer Reichweite und einer gut ausgebauten Infrastruktur an die Spitze der Tabelle zu bringen. Das Tesla Model S zum Beispiel kommt auf eine Reichweite von sage und schreibe 629 Kilometern. In Sachen Akku-Technik ist Tesla der deutschen Automobilindustrie Lichtjahre voraus.

7. Kundenservice & App

Neben dem Tesla fahre ich im Winter in Tirol einen Mercedes-Geländewagen. Sowohl Mercedes als auch Tesla bieten für ihre Fahrzeuge eine App an. Die Tesla-App aber unterscheidet sich enorm von denen deutscher Hersteller, wie die Installation zeigt: Bei Tesla geben Nutzerinnen ihre Mail-Adresse sowie ihr Passwort ein, um ihren Wagen anzumelden. Bei Mercedes hingegen muss man erst mal seine kompletten Personalien eingeben: Wohnort, Telefonnummer, Mail-Adresse, Personalausweis- und Fahrzeugnummer. Letzteres habe ich übrigens mühselig im Auto suchen und abfotografieren sowie zum Eintippen zwischen Mercedes.Me-App und Foto-App hin und her switchen müssen. Um anschließend die Nachricht zu erhalten, dass die App nur in der nächsten Filiale und nach der Authentifizierung mit dem Personalausweis freigeschaltet werden kann.

Und auch bezüglich der Funktionen lässt die Tesla-App keine Wünsche offen: Das Auto lässt sich damit aufschließen, die Klimaanlage zu bedienen (inkl. Hundeüberwachungsmodus für den Sommer), der Standort bestimmen, per Video kann man in den Wagen schauen. Und wurde man zugeparkt, parkt sich das Fahrzeug einfach per App selbst aus. Beim Mercedes dagegen sind die Funktionen eher dürftig: Die Türen lassen sich öffnen, der Kilometerstand ablesen sowie das Klima einstellen. Auch gibt es einige App-Funktionen nur in den ersten zwölf Monaten kostenlos; danach sind sie kostenpflichtig.

Genauso einfach und schnell wie die App funktioniert auch der Kundenservice bei Tesla. Kürzlich funktionierte ein elektrischer Fensterheber nicht mehr. Als ich bei Tesla anrief, konnte der Kundenservice nicht nur erkennen, in welcher Straße ich stehe, sondern auch das Problem „over the air“ lösen.

8. Allzeit bereit für neue Geschäftsmodelle

Nicht nur beim autonomen Fahren hat Tesla gezeigt, wie schnell das Unternehmen für neue Geschäftsmodelle bereit ist. Auch beim Thema Sharing Economy kann das Unternehmen innerhalb kürzester Zeit eine Plattform live stellen, auf der Besitzerinnen ihre Fahrzeuge Fremden zur Verfügung stellen – mit Versicherungspaket versteht sich. Denn Tesla besitzt alle Kunden- und Bewegungsdaten und hat so den direkten Zugang zu Kundinnen und Fahrerinnen. Das Sharing-Konzept ist also bereits vorbereitet.

Die deutschen Automobilhersteller hingegen verfügen teilweise noch nicht mal über ihre Kundendaten, weil diese bei den dezentralen Autohändlern liegen – und natürlich nicht an die „Lieferantinnen“ übermittelt werden. Tesla kann also nicht nur in kürzester Zeit sein Geschäftsmodell erweitern, sondern die Disruption gleichzeitig noch in weiteren Branchen wie beispielsweise dem Mietwagenverleih forcieren. Ich persönlich würde diesen Service sofort nutzen, denn mein Tesla steht ca. 70 Prozent der Zeit ungenutzt in meiner Garage.

Was ist Teslas Erfolgsstory?

Ob Software, Chip, Batterien, Platinen, Leistungselektronik – alles, was die Elektroautos der Zukunft definiert, entwickelt Tesla selbst. Das Unternehmen arbeitet nicht auf die Zukunft hin, es IST die Zukunft. Denn während die deutsche Automobilindustrie noch überlegt, wie sich die Elektromobilität erfolgreich ausbauen lässt, hat Tesla den Maßstab bereits gesetzt.

So schaffte es das Unternehmen, sich in kürzester Zeit ein erfolgreiches Ökosystem aufzubauen. Vom heimischen Energiespeicher bis zum Ladesäulennetz – alles stammt aus dem Tesla-Kosmos. Und dabei macht der Autobauer sich immer unabhängiger: 2019 hat das Unternehmen den Batteriespezialisten Maxwell gekauft, um eine neue Zellgeneration entwickeln zu können. Während bei einem Tesla nur noch bis zu 40 Prozent der Teile von Zulieferinnen kommen, ist der Anteil bei anderen Herstellern fast doppelt so hoch.

 

Und dennoch wirft VW die Flinte nicht ins Korn: Der Konzern plant, bis 2025 bis zu 10.000 Software-Expertinnen einzustellen. Ob es dafür nicht bereits zu spät ist, wird sich zeigen. Erst kürzlich kommentierte ein Volkswagen-Manager sehr treffend: „Wir wollen einen Zug einholen, der längst bei vollem Tempo aus dem Bahnhof heraus ist.“ Denn vor allem bei der Steuerungstechnik hat Tesla sich einen gigantischen Vorsprung erarbeitet. Und nicht nur das, jüngst äußerte Elon Musk, dass Tesla bereits an einer nächsten Generation arbeiten würde, die dreimal leistungsstärker sein wird als die jetzige. Wie deutsche Hersteller, die bis 2022 ihre Elektromodelle aufgerüstet und neu rausgebracht haben wollen, diesen Vorsprung noch einholen wollen, ist mir schleierhaft. Und auch der Daimler-Chef Ola Källenius kündigte an, bis spätestens 2024 einen neuen Tesla-Fighter auf den Markt zu bringen. Die Frage ist, ob es bis dahin nicht längst zu spät ist?

Bevor eine Kundin erkennt, was ihr fehlt, muss es bereits integriert sein!

Kundinnen wünschen sich keinen Mehraufwand, keine umständlichen Login-Prozesse oder stundenlangen Werkstattbesuche. Sie wollen ein Produkt, das vernetzt und auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten ist. Diese Nutzerzentrierung beherrscht Tesla wie kaum ein anderes Unternehmen: keine starke Marke, sondern schnelle Verfügbarkeiten, ein gutes und sicheres Fahrgefühl sowie eine hohe Usability. Musks Motto: Bevor Kundinnen erkennen, was fehlt, muss es bereits integriert sein!

Daher kommen lange Entwicklungszyklen bei Tesla schlichtweg nicht vor. Statt sieben Jahre etwas zu entwickeln, das am Ende vielleicht gar niemand mehr braucht, forscht und entwickelt Tesla „am lebenden Objekt“. Während sich die Tesla-Systeme also ständig aktualisieren und weiterentwickeln, herrscht in der deutschen Automobilindustrie noch immer ein siebenjähriger Entwicklungszyklus. Mit dem Ergebnis, dass das „neue“ Modell oftmals nicht mehr das ist, was am Markt gebraucht wird – ein komplett falscher Ansatz.

Gleichzeitig existiert noch ein weiteres Problem: Deutschen Corporates fehlt es an Mut zum Risiko. Investoren und Politik verschlafen zahlreiche Chancen, statt Innovationen im richtigen Moment zu fördern, wie die Insolvenz von e.GO Mobile zeigt: Ein vielversprechendes Start-up, dass eine bezahlbare und nachhaltige Elektromobilität vorantrieb sowie Konzepte für nachhaltige Stadtmobilität entwarf. Auch wenn e.Go mittlerweile durch einen niederländischen Investor vor der Insolvenz gerettet wurde, wenn es hart auf hart kommt, gehen deutsche Investoren mit ihrer „Sparkassenmentalität“ kein Risiko ein. Wie auch die von DHL eingestellte Produktion des Streetscooters, ein Vorhaben der von mir sehr geschätzten Professoren Günther Schuh und Achim Kampker, zeigt. Vertane Chancen, aus denen große Disruption und massive Lerneffekte für Corporate Deutschland hätten entstehen können.

Neue Ära der Mobilität

Doch den Versuch mitzuhalten, gibt es. Um innovative Geschäftsmodelle zu entwickeln, hat Daimler bereits 2007 die Digitaleinheit „Lab1886“ gegründet. Allerdings sollen auch hier mittlerweile Etat-Kürzungen anstehen – was ein Problem der deutschen Industrie zeigt: Auch wenn in solchen Einheiten Geschäftsideen wie zum Beispiel car2go entstehen, scheinen sie für die Kernorganisation oder das Kernprodukt keinen echten Wert zu haben. Ein weiteres großes Problem ist die aktuelle Vertriebsstruktur vieler deutscher Automobilhersteller: Statt die Datenhoheit den dezentralen Autohäusern zu überlassen, sollten sich die Hersteller ihre Kundentouchpoints wieder sichern. Ferner hapert es an Verkaufsmodellen online, die den Kundenansprüchen gerecht werden. Denn die bisherigen riesigen Verkaufsflächen werden in naher Zukunft der Vergangenheit angehören. Natürlich braucht es Mut, noch funktionierende Vertriebsmodelle umzustellen. Das enorme Zukunftspotenzial aber liegt darin, die Kundinnen bei ihrer digitalen Customer Journey abzuholen.

Kommt die deutsche Autoindustrie nicht aus ihrer Saturiertheit heraus, wird sie den Anschluss verlieren. Sie darf sich nicht in langjährigen Entwicklungszyklen verlieren, sondern muss jetzt umdenken und verstehen, dass es nicht mehr nur rein um das Bauen von Fahrzeugen geht. Sie muss deutlich schneller werden, ihr Mindset ändern und vor allem ihre Prozesse schrittweise vorantreiben. Essenziell für die Zukunft sind neben der radikalen Nutzerzentrierung ein Ökosystem, Kooperationen sowie eine offene Plattform in und um die Fahrzeuge. Nur so wird der deutschen Autoindustrie die Wende in die neue Ära der Mobilität gelingen.


Wie digitale Player sich die Privatkunden der Baubranche sichern

Auch die Baubranche ist vor den Disruptoren nicht sicher. Kundenschnittstellen werden vermehrt auch digital besetzt, erste Plattformmodelle drängen in den Markt. Für deutsche Hersteller heißt das genauso wie bei den vorherigen Beispielen, wer jetzt nicht mitspielt, hat schon verloren. Das Unternehmen Thermondo zum Beispiel zeigt in herausragender Weise, wie es geht: Es digitalisierte ein analoges Geschäftsmodell und bündelte die Kontaktschnittstellen zu Herstellern, Handwerk und Kundinnen. Ferner ist Thermondo mittlerweile sogar Hersteller geworden.

Laut Aroundhome, dem größten digitalen Vermittler für Produkte und Dienstleistungen rund ums Haus in Deutschland, investieren die Deutschen jährlich über 65 Milliarden Euro in ihre Eigenheime. Gleichzeitig ist dieser Geschäftsbereich so intransparent wie kaum ein anderer. Keine einfachen Bedingungen für die Digitalisierung. Aber auch die deutschen Hersteller für Fenster, Türen, Armaturen, Baustoffe, Heizungen usw. müssen alles daransetzen, ihre Kundenschnittstelle zu digitalisieren, sowie digitale Kanäle zu den Kundinnen und dem Kundenkreis der Kundinnen in Form von neuen Services und Geschäftsmodellen zu entwickeln. Eine große Herausforderung bei den enorm vielschichtigen Vertriebsketten. Ferner ist die Branche stark von der in Deutschland vorherrschenden Bewahrermentalität geprägt. Ein Paradebeispiel für die von mir oft kritisierte Saturiertheit deutscher Unternehmen. Denn der Veränderungsdruck in der Baubranche ist aufgrund der ungebrochen guten Auftragslage nicht sehr stark ausgeprägt. Daher stehen viele Hersteller noch immer am Anfang der Digitalisierung und beschäftigen sich, wenn überhaupt, eher mit der Digitalisierung interner Prozesse.

„Made in Germany“ verliert zunehmend an Wert

Im Endeffekt wird die Strategie lediglich mit ein paar digitalen Einzelmaßnahmen gespickt, die letztlich nur auf eine Automatisierung oder Produktinnovation hinauslaufen. Und auch wenn sie sich um die Ausgestaltung traditioneller Kanäle bemühen, wie beispielsweise die Produktkonfiguration für den Fachhandel, Web-Trainings und Ähnliches, sehen sie meist nicht, dass die große Aufgabe eigentlich noch ansteht: Nämlich sich jetzt in Richtung Plattformökonomie zu bewegen und sämtliche Kundenschnittstellen in der Wertschöpfung auch digital zu besetzen und zu „bespielen“!

Im Gegensatz zu großen Industrieprojekten und Bauvorhaben (obwohl wir seit dem BER auch hier einen eher zweifelhaften Ruf genießen) funktioniert der private Bau- und Handwerksmarkt größtenteils noch immer wie vor 30 Jahren. Vor allem durch die starke Auslastung der Baubranche leiden Kundinnen massiv. Der enorme Fachkräftemangel und die gute Auftragslage im Handwerk führen dazu, dass gute Handwerkerinnen weit über ihre Kapazitäten ausgelastet sind. Anvisierte Ausführungstermine liegen daher teilweise Monate in der Zukunft. Statt auf Kundenwünsche einzugehen, wird oft nur ausgeführt, was schnell funktioniert und unkompliziert ist. Dabei variieren die Preise zwischen den Handwerkerinnen um bis zu 300 Prozent, und Rechnungen sind am Ende horrend. Meist mit dem Argument, die andere Kollegin hätte da bereits unsauber gearbeitet und es wäre eben komplizierter geworden. Ferner haben sie es schlichtweg nicht mehr nötig oder keine Kapazitäten, noch eine extra „Service-Runde“ zu drehen – was Endkundinnen bei deutschen Markenprodukten jedoch absolut erwarten.