Die Macht der Pharaonen

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Abb. 19: Das Heiligtum der Isis auf der Nilinsel Philae. Der Tempel wurde 551 auf Anweisung des spätrömischen Kaisers Justinian geschlossen.

Der Niedergang bis zum völligen Verschwinden des alten Ägyptens vollzieht sich in Etappen:

Die letzte uns bekannte Hieroglyphenschrift Ägyptens wird 394 im Heiligtum der Isis auf der Nilinsel Philae angebracht (Abb. 19). Der Tempel selbst wird 551 auf Anweisung des spätrömischen Kaisers Justinian geschlossen und eine christliche Siedlung gegründet, wobei Teile der Tempelanlage als Kirchen genutzt werden.

Mit dem Erlöschen der hellenistisch-römischen Epoche überläßt der byzantinische Kaiser Constans II. im September 642 das Reich am Nil kampflos den Arabern. – Hier endet das alte Ägypten.


Abb. 20 Keulenköpfe

Das steinerne Zeichen der Macht

Seit den ersten Funden von Sauriern gehört es zum Wissen, daß schon die Tiere der Urzeit mit gewaltigen Waffen ausgerüstet waren. Manche dieser Echsen verfügten über säbelscharfe Krallen mit einer Länge von bis zu 30 cm, andere hatten Gebisse, mit deren Zahnreihen sie einen Kleinwagen hätten zerlegen und zermalmen können. Wieder andere hatten einen zur Keule ausgebildeten und in einer stachelbewehrten Kugel endenden Schwanz, mit dem sie ihren tonnenschweren Zeitgenossen ohne weiteres Genick und Schädel zu zertrümmern vermochten.

Zwar sind die Schwänze und ihre Eigentümer kleiner geworden, doch verfügen auch die heute lebenden Nachkommen der Urtiere über tödliche Waffen. Greifvögel töten ihre Beute mitunter schon beim Zupacken, indem sie das Opfer mit der Fersenkralle durchbohren, Raubkatzen können mit einem Biß Wirbel und Kehlen durchtrennen und mit krallenbewehrten Pranken Sehnen und Muskeln regelrecht zerfetzen.

Wer im Tierreich nicht zu den fleischfressenden Waffenträgern zählt, gilt als Beute und ist für die Flucht vor diesen bestens ausgestattet. Der Hase, Sinnbild des Gejagten, hat überaus feine Ohren, mit denen er auch das leiseste Geräusch wahrnehmen kann; seine Läufe sind so konstruiert, daß er nicht nur ein schneller Läufer ist, sondern in vollem Lauf auch noch Haken schlagen kann, die den Verfolger ins Leere jagen lassen. Selbst die harmlosen Kühe und vor allem ihre wilden Artgenossen sind mit Hörnern ausgerüstet, die einem Angreifer durchaus gefährlich werden können, insbesondere dann, wenn sich die Tiere in Bedrängnis zusammenschließen und gemeinsam zur Abwehr stellen.

Betrachtet man in diesem Sinne den Menschen, führt das unweigerlich zu dem Schluß, daß es sich bei diesem Wurf der Natur um einen Fehlwurf handelt.

Die menschlichen Augen ermöglichen farbiges und vor allem räumliches Sehen, was zur Feststellung dient, ob ein Obst reif ist und auch nicht zu hoch hängt. Einen getarnten Feind im Gebüsch können sie nicht erkennen und auch nicht, was sich in der Ferne tut; in der dunklen Nacht sehen sie außer Mond und Sternen so gut wie nichts, zumindest wenn kein Licht brennt.

Das Gehör ist nicht besonders gut und kann nur einzelne Geräusche auseinanderhalten. Die Anordnung der Ohren erschwert eine genaue und schnelle Richtungszuweisung der Geräuschquelle, das Heraushören einzelner Stimmen oder Laute aus einem Gemisch von Tönen ist nahezu unmöglich.

Der Geruchssinn ist nicht sonderlich ausgeprägt. Er reicht aus, um aus einem gewissen Abstand zu riechen, ob etwas faul und damit als Nahrung zu gebrauchen ist oder nicht.

Das menschliche Gebiss ist als Waffe denkbar ungeeignet. Wer den Versuch wagt, ein Wildschwein mit einem kräftigen Biss ins Genick zu erlegen, dürfte diesen Versuch nur einmal machen. Rohes Fleisch, zumal wenn unzerteilt, stellt die Zähne vor eine kaum zu bewältigende Aufgabe. Für den Biss in einen Apfel und das Zermahlen von Getreidekörnern, Nußkernen und Beeren sind sie hingegen ideal konstruiert und angeordnet.

Verglichen mit dem Panzer der Schildkröte ist die Haut ein höchst unzuverlässiger Schutz, welcher schon durch den Stich eines Insekts durchbrochen werden und im ungünstigsten Fall zum Tode führen kann. Bis zu einem gewissen Grad ist die Haut in der Lage, den Motor Mensch durch Schweißabsonderung zu kühlen; ist es zu kalt und bleibt er unbekleidet, stirbt der Mensch.

Ein schneller Läufer ist der Mensch ebenfalls nicht, einem Wolf oder sogar dem plump anmutenden Bären kann er durch Weglaufen nicht entkommen. Und Flügel sind ihm nicht gewachsen.

Doch bei all diesen Unzulänglichkeiten hat der Mensch etwas, was ihn vom Tier unterscheidet und ihn überleben ließ, nämlich seinen Verstand. Dazu ist er mit zwei fünffingrigen Händen ausgestattet, die etwas greifen und in nahezu jede gewünschte Position bringen und bearbeiten können. So war es ihm möglich, seine natürlichen Mängel durch das auszugleichen, was ihm seine Welt bot, Kleidung aus Pflanzen und Fellen, dazu Waffen aus Stein, Knochen, Horn und Holz, verbunden mit Sehnen, Bast, Leder und Harz.

Und die frühen Bewohner der ägyptischen Landschaft bildeten da keine Ausnahme.


Abb. 21: Chopper, abgeleitet vom englischen to chop, hacken, sind meist rundliche oder ovale Geröllsteine mit einem durch den Abschlag entstandenen scharfen Grat, einer einseitigen Schneide.

Zeichnung: José-Manuel Benito

Die ersten Waffen dürften weniger die Ergebnisse langen Nachdenkens als mehr spontanen Handelns und anschließender Erfahrung gewesen sein.

Wie Kinder spielerisch und nahezu unbewußt nach einem Stein oder einem Stock greifen, werden die Menschen in der Kindheit ihrer Gattung es ebenso getan und festgestellt haben, daß sich eine harte Nußschale mit dem noch härteren Stein leichter aufschlagen läßt, sich ein Schlag mit dem Stock als wirkungsvoller als der mit der Faust erweist. – Auch auf den Kopf eines Angreifers, gleich ob Mensch oder Tier.

Vor etwa 2,6 Millionen Jahren begegnen uns die ersten Kerngeräte, durch Abschlagen präparierte Steinartefakte, Gestein, von dem mindestens ein Abschlag im Sprödbruch abgetrennt wurde, um eine scharfe Kante zu erzeugen.

Diese Chopper (Abb. 21), abgeleitet vom englischen to chop, hacken, sind meist rundliche oder ovale Geröllsteine mit einem durch den Abschlag entstandenen scharfen Grat, einer einseitigen Schneide.

Für den Homo habilis, er gilt konventionell als „Erfinder“ der Chopper, war dies ein gewaltiger Technologiesprung.

Flußgeröll und Kiesel, auch hartes Vulkangestein, müssen in der sogenannten Hartschlagtechnik mit einem Schlagstein in einem bestimmten Winkel getroffen werden, um auf einer Seite Splitter abzuschlagen; je mehr Splitter nebeneinander abgeschlagen werden, desto länger wird die Kante.

Der Lernprozeß schritt schnell voran, nahezu parallel zur Hartschlagtechnik entwickelte sich die Weichschlagtechnik, in welcher mit einem Hartholzstück, einem Geweihhammer oder einem Knochen geschlagen wurde.

Beide Techniken erfordern eine feste Unterlage und so wurde ein kräftiger, abgeflachter Stein untergelegt, Vorläufer unseres heutigen Ambosses.

Was mit einer einseitigen Schneide gut schneidet, muß mit einer zweiseitigen noch besser schneiden. Dieser Erkenntnis folgend, richtete der altsteinzeitliche Mensch seine Werkstücke von beiden Seiten zu, was die Effektivität der Anwendung erheblich steigerte (Abb. 22).

Allerdings waren diese Chopping Tools, Hackwerkzeuge, noch weit entfernt von den „echten“ Faustkeilen, deren frühesten Exemplare vor rund 1,6 Millionen Jahren, zu Beginn des Acheuléens, auftauchen.

Faustkeile (Abb. 23) sind die meist ovalen bis birnenförmigen, zweiseitig bearbeiteten Allzweckwerkzeuge der Steinzeit, gekennzeichnet durch eine runde, handgerechte Basis mit spitz zugerichteter Gegenseite.

Als Rohmaterial für diese Faustkeile wurde, wie schon für die Chopper, unterschiedlicher Stein genommen, wobei der schärfste der Feuerstein war, ein hartes, sedimentäres Kieselgestein, in der Schärfe nur noch übertroffen vom seltener vorkommenden Obsidian.

Mit der Verbreitung der Herstellungstechnik wandelten sich die Ansprüche, es wurde nicht mehr hergestellt, was in diesem Rahmen möglich, sondern was nötig war; aus dem groben Klotz wurde ein feiner Keil.

Im Mittelpaläolithikum, der Zeit des Neandertalers, entstehen erste fein gearbeitete Werkstücke zum Schneiden, Schaben, Stechen, Hacken und Schlagen. Die typische Form dieser flachen und ovalen Werkzeuge (Abb. 25) ähnelt Baumblättern und nach denen werden diese Artefakte als der sogenannten Blattspitzen-Gruppe zugehörig erfaßt.

Im Jungpaläolithikum entwickelt sich eine regelrechte Klingenindustrie; ein neuartiges Klingenkonzept, die Anlage eines senkrechten Grats auf dem Kern, dem Rohstück, vor dem Abschlagen, ermöglicht die Herstellung langschmaler Feuersteinklingen, die sowohl für sich allein als auch in Horn-, Holz- oder Knochengriffe eingesetzt genutzt werden können.


Abb. 22: Was mit einer einseitigen Schneide gut schneidet, muß mit einer zweiseitigen noch besser schneiden. Dieser Erkenntnis folgend, richtete der altsteinzeitliche Mensch seine Werkstücke von beiden Seiten zu, was die Effektivität der Anwendung erheblich steigerte. Allerdings waren diese Chopping Tools, Hackwerkzeuge, von den „echten“ Faustkeilen noch weit entfernt. Abb. 23: Faustkeil, meist ovales bis birnenförmiges, zweiseitig bearbeitetes Allzweckwerkzeug der Steinzeit, gekennzeichnet durch eine runde, handgerechte Basis mit spitz zugerichteter Gegenseite.

 

Foto: Didier Descouens


Abb. 23: Faustkeil, meist ovales bis birnenförmiges, zweiseitig bearbeitetes Allzweckwerkzeug der Steinzeit, gekennzeichnet durch eine runde, handgerech-te Basis mit spitz zugerichteter Gegenseite.

Zeichnung des französischen Prähistorikers Maurice Bourlon (1875 – 1914).

Die Palette prähistorischer Waffen, die von Flinders Petrie in Ägypten gefunden wurde, war bereits so weit entwickelt, daß sie in ihrer Art kaum verändert die Wehr- und Waffentechnik des Reiches am Nil über nahezu drei Jahrtausende bestimmte.

Zu den frühesten Zeugnissen vorgeschichtlicher Waffen zählen die in Naqada geborgenen Feuerstein-Beil- und -Messerklingen aus der Periode Naqada I (Abb. 26 u. 27).

Archäologisch unterscheidet sich das Beil von der Axt durch das fehlende Schaftloch, also die Art der Befestigung am Stiel. Die unterschiedliche Größe und Form der Beilklingen (Abb. 31) läßt den Schluß auf eine weitgehende Spezialisierung zu, ausgerichtet auf die Art des zu bearbeitenden Objekts, wobei eine Trennung zwischen Werkzeug und Waffe lediglich vermutet werden kann. Nur mit gebotener Vorsicht darf davon ausgegangen werden, daß die Schneiden der als Waffen benutzten Beile breiter als die der „Zivilausführungen“ waren und die für Holzarbeiten bestimmten kaum eine Krümmung hatten.


Abb. 24: Ärmchenbeil

Zeichnung: W.M. Flinders Petrie

Bereits in der Naqada I Periode zeigt sich eine Weiterentwicklung des Beils, das „Ärmchenbeil“. Dieses unterscheidet sich vom „normalen“ Beil durch die ausgeprägten Haken, die Ärmchen (Abb. 24), an den Enden des Klingenrückens, die eine bessere Befestigung am Schaft ermöglichen.


Abb. 25: Im Mittelpaläolithikum, der Zeit des Neandertalers, entstehen aus Feuerstein erste fein gearbeitete Werkstücke zum Schneiden, Schaben, Stechen, Hacken und Schlagen. Die typische Form dieser flachen und ovalen Werkzeuge ähnelt Baumblättern und nach denen werden diese Artefakte als der sogenannten Blattspitzen-Gruppe zugehörig erfaßt.

Zeichnung des französischen Prähistorikers Maurice Bourlon (1875 – 1914).

Feuerstein wurde bis weit in die Bronzezeit hinein verarbeitet. Das Liverpool Museum in der gleichnamigen englischen Stadt besitzt zwei Speerspitzen aus dem Mittleren Reich, die in Kahun gefunden wurden.

Zwar hat sich der Name Kahun eingebürgert, doch in Wirklichkeit handelt es sich um das ägyptische Dorf al-Lahun am östlichen Taleingang des Fayyum-Beckens, etwa 90 Kilometer südlich von Kairo.

Der Grund für die „Namensänderung“ zählt zu den Anekdoten um Flinders Petrie; der hatte sich schlicht und einfach bei den Grabungen in der rund 8 Kilometer nördlich von al-Lahun liegenden Nekropole aus der späten Naqada-Kultur verhört und „Kahun“ in seinen Aufzeichnungen notiert.


Abb. 26: Feuerstein-Beilklingen aus der Periode Naqada I.


Abb. 27: Feuerstein-Messerklingen aus der Periode Naqada I.

Die in Liverpool aufbewahrten Speerspitzen aus der 12. Dynastie sind noch heute „messerscharf“, das Ergebnis sorgfältiger Abarbeitung der Schneiden (Abb. 28). Die größere Spitze ist 11 cm lang und 4,7 cm breit, die kleinere hat bei einer Länge von 7,8 cm eine Breite von 3,8 cm.


Abb. 28: Feuerstein-Speerspitzen aus der 12. Dynastie.

Auffällig ist bei beiden das Fehlen eines Fortsatzes, sie müssen also in einem gespaltenen Schaft oder Schaftaufsatz gesteckt haben, wo sie wahrscheinlich mit Harz verklebt und mit Umwicklungen aus Bast oder Leder befestigt waren, was die Funktionsfläche erheblich verkürzte.

In der Periode Naqada II tauchen die ersten Dolche, Speerspitzen, Äxte und Beile aus Kupfer auf.

Die Dolche haben eine rhombische Form (Abb. 29), Spiegelbilder ihrer feuersteinernen Vorfahren, wobei der obere Teil des Rhombus vom Griffstück umfaßt und von mindestens einer Niete gehalten wird. Wie wertvoll dieses Metall war, zeigt sich in den Grabbeigaben; die kupfernen Klingen und Speerspitzen sind häufig durch Modelle aus Ton oder Holz, seltener auch aus gebranntem Lehm, ersetzt.

Diente der Speer im Kampf Mann gegen Mann zum Stechen, Schlagen und Abwehren und auf kurze Distanz auch zum Werfen, war er in seinem Ursprung eine reine Jagdwaffe, entstanden aus angespitzten Stäben, denen in der Weiterentwicklung eine Spitze aus härterem, schärferem Material aufgesetzt wurde.

Eine reine Distanzwaffe waren Pfeil und Bogen. Leichter, handlicher, nach dem Auflegen des Pfeils schneller einsetzbar und vor allem zielgenauer als der Speer, waren sie die ideale Waffe für die Jagd auf das schnelle Wild.


Abb. 29: Kupferdolchklinge aus der Periode Naqada II.

In Ägypten sind Pfeil und Bogen seit prähistorischer Zeit in Gebrauch, was nicht nur durch aufgefundene Pfeilspitzen aus Feuerstein belegt ist, sondern auch durch die Darstellung einer Gruppe bewaffneter Krieger auf einer 66,8 cm breiten und 25,7 cm hohen Prunkpalette, der sogenannten Jäger- oder Löwenjagd-Palette (Abb. 30) aus der Naqada III Periode. Die Interpretation der Gesamtdarstellung ist noch nicht abgeschlossen, es bleibt also offen, ob es sich tatsächlich um einen Jagd- und nicht doch um einen Kriegszug handelt, der mit Pfeilen erlegte Löwe und die fliehenden Hasen, Gazellen und Strauße also eventuell nur als Symbole für einen besiegten Gegner stehen.

Die Männer sind mit Wurfholz, Speer, Keule, Doppelbeil sowie mit Pfeil und Bogen bewaffnet, einer trägt eine Standarte, alle sind mit hinten angebrachten Tierschwänzen ausgestattet (Abb. 31).

Nicht eindeutig kann festgelegt werden, ob es sich bei den Speeren tatsächlich um Speere und nicht eher um Lanzen, also reine Stichwaffen, handelt, die nur in Ausnahmefällen geworfen wurden.

Zwei der Dargestellten haben seitlich hinten etwas um die Hüften gebunden, was sowohl als Beutel als auch als Schild erkannt wird. Letzterer wäre bei einer Jagd höchst hinderlich.

Setzt man die Bogen in Relation zu den Schützen, dürfte der übliche Bogen eine Höhe von rund 90 cm, der Querschnitt an der stärksten Stelle in der Mitte den Durchmesser von etwa 2,5 cm nicht überschritten haben.


Abb. 30: Die Jäger- oder Löwenjagdpalette aus der Naqada III Periode, von der ein Fragment im Britischen Museum, London, unter der Inventar-Nr. EA 20790 aufbewahrt wird; ein zweites Bruchstück befindet sich im Louvre, Paris. Nach Angaben des Britischen Museums wurde die aus Grauwacke gefertigte Prunkpalette in Tell el-Amarna gefunden.

Foto: Captmondo

Augenfällig die Pfeile; sie sind hinten für die Aufnahme der Sehne gekerbt und unbefiedert, vorne münden sie in einer im Winkel von 90 Grad mittig zum Schaft angebrachten, als aus Elfenbein vermuteten Schneide. Bislang sind Bogenspitzen mit dieser Form nicht gefunden oder als solche erkannt worden, was deren Existenz aber nicht ausschließt, weisen die geborgenen Stücke doch das Vorhandensein höchst unterschiedliche Formen nach, wie zum Beispiel die von mehr oder weniger ausgeprägte Schwalbenschwänzen.

Funde aus frühdynastischer Zeit belegen, daß der Pfeilschaft aus einem Schilfrohr bestand, dem am hinteren Ende ein kurzes Rohrstück aus einem härteren Material, beispielsweise Holz, Knochen oder Elfenbein, für die Sehnenkerbe übergeschoben und mit Harz festgeklebt war. Funde aus gleicher Zeit weisen den heimischen Christdorn als Hauptlieferanten für den Bogen nach, der leicht konvex mit rundem Querschnitt aus einem dünnen Stamm oder Ast geschnitzt wurde. Andere Holzarten lassen sich nur vermuten.

Die Sehne bestand aus verdrilltem Tierdarm oder einer Schnur aus Pflanzenfasern und wurde durch die Bogenspannung an den sich verjüngenden Enden des Bogens mit einem verschlauften Knoten (Abb. 32) gehalten.

Bei Experimenten mit Nachbauten wurden Reichweiten zwischen 40 und 80 Metern erreicht, wobei die Zielgenauigkeit der ungefiederten Pfeile allerdings sehr zu wünschen übrigließ.


Abb. 31: Mit Wurfholz, Speer, Keule, Doppelbeil sowie mit Pfeil und Bogen bewaffnete Männer der Jägerpalette; einer trägt eine Standarte.

In allen Perioden bis in die geschichtliche Zeit finden sich unterschiedlich gezahnte Harpunenköpfe aus Elfenbein (Abb. 32). Die hölzernen Schäfte dieser Fischspeere sind längst zu Staub vergangen, so daß über deren Beschaffenheit kein Wissen zur Verfügung steht, was auch für die Schäfte der frühen Beile und Äxte zutrifft.

Eine Waffe der besonderen Art war das Wurfholz, die ägyptische Variante des australischen Bumerangs, allerdings ohne den Vorzug, nach einem trefferlosen Wurf zum Werfer zurückzukehren. Es könnte die älteste Waffe der Menschheit überhaupt sein, entstanden etwa aus dem Aufklauben eines abgefallenen Astes zur Abwehr oder zum Herunterschlagen nicht erreichbarer Früchte.


Abb. 32: Unterschiedlich gezahnte Harpunenköpfe.

Zwischen 1994 und 1998 wurde im Braunkohletagebau Schöningen im Landkreis Helmstedt in einer als altsteinzeitliches Wildpferdjagdlager erkannten Fundstelle mit anderen Artefakten ein beidseitig sorgfältig zugespitztes Holzgerät gefunden, welches von den Archäologen als frühes Wurfholz interpretiert und auf ein Alter von mindestens 270 000 Jahren datiert wird.

Im Gegensatz zum Stein oder Metall ist Holz ein sehr vergängliches Material und so liegt aus frühester ägyptischer Zeit bislang kein einziges Exemplar vor. Das Fundstück aus Schöningen konnte nur überdauern, weil es in der Uferzone eines urzeitlichen Sees abgelegt und über Jahrtausende luftdicht von Seeschlamm abgedeckt worden war.

Die ägyptischen Wurfhölzer, soweit sie bekannt sind, haben ein flachovales Profil, in etwa die Länge eines Armes und sind in der Längsrichtung etwa am Übergang zum äußeren Drittel der Länge leicht gebogen.

Sie bestehen sowohl aus einfachem als auch aus mehrschichtig verleimtem Holz und sind zum Teil mit Einlegearbeiten aus Elfenbein und Ebenholz verziert, einige wenige sogar vergoldet.

Nachgewiesen sind sie vor allem aus der 18. Dynastie, in welcher sie allem Anschein nach die beliebteste Waffe für die Jagd auf Flugwild waren.

Eine Wandmalerei aus der etwa 1350 v. Chr. in Theben-West erbauten Grabkapelle des Nebamun und seiner Frau Iphone, heute im Britischen Museum, London, ausgestellt, zeigt den Beamten mit seiner Gattin in einem Nachen auf der Vogeljagd (Abb. 33). Anscheinend steht hier mehr der Nachweis des erreichten Wohlstands als die Jagd im Vordergrund, denn Iphone trägt, höchst unpraktisch bei der Jagd, einen Weihrauchkegel auf ihrer Perücke, ein Luxusgut der damaligen Zeit.


Abb. 33: Darstellung einer Vogeljagd mit Wurfholz.


Abb. 34: Ein Soldat der Hatschepsut mit Wurfholz.

 

Auch wenn im Totentempel der Hatschepsut im westthebanischen Deir el-Bahari, gegenüber des auf der anderen Seite des Nils gelegenen Karnak-Tempels, von der Expedition ins „sagenhafte Goldland“ Punt zurückkehrende Soldaten mit Wurfholz dargestellt sind (Abb. 34), dürfte eine Verwendung dieser Waffe im Kampf ausgeschlossen sein. Es ist anzunehmen, daß diese Soldaten die Aufgabe hatten, die Truppe mit frischem Geflügel zu versorgen.

Daß die Jagd mit dem Wurfholz ein wahrhaftig königliches Vergnügen gewesen sein muß, zeigte sich im Grab Tutanchamuns, dem jung verstorbenen Pharao wurden 14 seiner Wurfhölzer für sein unbeschwertes Weiterleben im Jenseits mitgegeben.

Im Anfang wohl keine königliche Waffe, durch ihre Effektivität aber zu einer solchen erhoben, war die ägyptische Kriegskeule, eine der ältesten in Ägypten gefundenen Nahkampfwaffen und eine der einfachsten überhaupt. – Ein Stock, an dessen einen Ende ein schwerer Stein befestigt ist.

Doch schon in weit vordynastischer Zeit war es mit dem „schweren Stein“ allein nicht mehr getan, die Steine für die Keulenköpfe wurden mit Bedacht sowohl nach Farbe und Maserung als auch nach ihrer Härte ausgesucht und nach der Zurichtung in vielen Fällen auf Hochglanz poliert.

Genommen wurde, was vorhanden war, vornehmlich Kalkstein; auch Porphyr, Syenit, Diorit, Breccia, Alabaster, Marmor, Basalt, und unterschiedliche Chloritgesteine wurden zu Keulenköpfen verarbeitet, gelegentlich ergänzt um Köpfe aus gebranntem Ton.

Der „Stein“ erhielt zur Aufnahme eines etwa 30 bis 40 cm herausragenden Schaftes eine durchgehende, zentrale Bohrung; der Schaft wurde mit Holzkeilen und mitunter auch zusätzlichen Lederriemen fixiert.

Funde aus dynastischer Zeit lassen den Rückschluß zu, daß die frühen Keulen im Griffbereich ebenfalls mit einer wie auch immer gearteten Struktur versehen waren, was die Griffigkeit der Keule deutlich steigerte. Am verbreitetsten war die Tellerkeule mit flachem, diskusförmigem Kopf, gefolgt von der Birnenkeule, der konischen und der runden Keule; daneben gab es „Sondermodelle“ wie die Hammerkeule mit ihren abgerundeten Spitzen an den beiden Enden des schmallangen Hammerkopfes (Abb. 20).

Manche dieser Köpfe sind erstaunlich klein, fast zierlich, insbesondere die birnenförmigen, die meist nur eine Höhe von weniger als 10 cm und eine Breite von weniger als 8 cm haben.

Das Verhältnis zwischen Schaftlänge und Gewicht des Keulenkopfes ermöglichte in Verbindung mit der Schnelligkeit des geführten Schlages eine ungeheure Energieabgabe am Aufschlagpunkt, ausreichend um Schädel und Knochen zu zertrümmern. Waren, wie beispielsweise bei vielen Tellerkeulen, die äußeren Partien nicht gerundet sondern eckig, wurden zumindest tiefe Fleischwunden gerissen14. Letztere dürften der Anlaß gewesen sein, daß auch die gerundeten Formen mitunter kantige Vorsprünge und Einschnitte erhielten.

Die hohe Zeit der Kriegskeulen war zwischen 3500 und 3000 v. Chr., bereits zum Ende der vordynastischen Zeit wurden sie vom leichteren Beil in zunehmendem Maß abgelöst und waren zu Beginn der dynastischen schließlich ganz verschwunden. Eine der letzten tatsächlichen Kriegskeulen aus der 1. Dynastie (Abb. 35) wurde in einem Grab in Saqqara gefunden und ist im dortigen Imhotep-Museum ausgestellt.


Abb. 35: Eine späte Kriegskeule aus der 1. Dynastie.

Doch überlebt hat die Keule (t#-Tbt n qnqn), wenn auch nicht als Kriegswaffe, sondern als Zeichen der Macht, als Kult- und Königswaffe (HD).

Die Schminckpalette des wohl letzten Königs der vordynastischen Zeit, Horus-Narmer (Nor-(mr)), bzw. Narmer, zeigt den Pharao, wie er den besiegten Feind mit der Linken am Schopf gepackt niederhält, in der Rechten die zum Schlag erhobene Birnenkeule (Abb. 36).

Diese Darstellung des „Erschlagens der Feinde“ ist verbindlich in den Kanon der ägyptischen Königsdarstellungen eingegangen und begegnet an den Tempelwänden bis zum Ende des Ägyptischen Reiches.


Abb. 36: König Narmer erschlägt den Feind.


Abb. 37: Nubische Bogenschützen nach einem Modell aus dem Grab des Gaufürsten Meseheti.