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FLXX 6 | Schlussleuchten von und mit Peter Felixberger

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Tipp: Alle Vertragsparteien in der Volkssuppe erklären sich vorab bereit, über die gleiche Macht am Gesamtgeschmack zu verfügen. Achten Sie deshalb genau auf die Mengenabgaben. Sonst verbittert, versauert oder verschleimt die Suppe zu stark.

Hauptgang:

Sozialliberalgrüne Staatspasta mit Tomaten, Ingwer und Garnelen

Zutaten für zwei Personen:

4 reife Politikertomaten

25 Gramm frischer, ungleicher Ingwer

1 Stängel fürsorgliches Zitronengras

1 Esslöffel selbstbestimmter Zitronensaft

½ extremistische Chilischote

10 souverän gekochte Garnelen (Schwanz entfernen)

Gemüsebrühe aus den Arbeitergewürzen

1 Esslöffel sozialdemokratisches Tomatenmark

¾ Liter FDP-gesüßte Kokosmilch

1 Bund Frühlingszwiebeln aus schwarz-grünem Koalitionsanbau

500 Gramm Merkelspaghetti aus emotional-kontrolliertem Teig

Das Rezept ist ein Evergreen in der Diversity-Küche. Es vereint den Grundgedanken der liberalen Küche, die auf Selbstorganisation und Leistung setzt, mit der sozialdemokratischen Fürsorgeküche, die alle versorgt und den Koch als Vaterfigur der kindlichen Geschmäcker im Lande sieht, sowie der grünen Küche, die über Solidarität gesteuert wird. Im Grunde genommen ist es eine klassische Cross-over-Küche, die vermischt, was auf den ersten Blick nicht zusammengehört, aber damit ein betörendes Kochniveau erreicht. Vielleicht deswegen, weil sie Leistungs-, Verteilungs- und Chancengerechtigkeit der Zutaten so perfekt orchestriert, dass sich keiner vernachlässigt, nicht gewürdigt oder abseitsstehend wähnen müsste. Dahinter steht das Ideal der autonomen Zutat als Möglichkeit, autonom die Art und Form des Pastagerichts zu bestimmen, sofern dies mit der Freiheit der anderen Zutaten verträglich ist. Diese Selbstverwirklichung jeder Zutat bedingt zügelnd Selbstverantwortung und Selbstsorge. Man wird zum Souverän und Selbstdisziplinator in einer bunt schillernden Pastawelt. Kein Wunder: In der Cross-over-Küche gibt es derzeit die originellsten und kreativsten Rezepte.

Tomaten am Hybrisstrunk sternförmig einschneiden, mit kochendem Wasser überbrühen und ein paar Minuten stehen lassen, kalt abschrecken, damit sie sich häuten lassen. Keine Sorge: Politikertomaten kennen diese Behandlung aus ihrem Alltag in den Parlamenten und Medien. Fruchtfleisch würfeln und zunächst zur Seite stellen. Ingwer schälen und hacken, Zitronengrasstängel anquetschen und halbieren. Seien Sie unbesorgt: Als Sozialpädagoge unter den Gemüsesorten hält Zitronengras fast jeder Belastung stand. Das gilt ebenso für die extremistische Chilischote, mit der jene in den Schmelztiegel wandert. Wichtig ist, die FDP-Milch und die Arbeiterbrühe gleichzeitig hinzuzufügen. Kräftig das SPD-Tomatenmark unterrühren und etwa 15 Minuten bei mittlerer Hitze köcheln lassen. Währenddessen die Frühlingszwiebeln in dünne Streifen schneiden, damit die grüne Selbstüberhöhung eingedämmt wird. Zitronenstängel aus der Brühe herausfischen und mit Salz, Pfeffer und selbstbestimmtem Zitronensaft abschmecken. Tomatenwürfel einrühren, noch mal kurz aufkochen lassen. Und jetzt, ganz wichtig: Die Merkelspaghetti hineingeben und sanft simmernd mitkochen lassen.