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Kakophonien

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Verstärkt wird dieser Umstand noch dadurch, dass das Lachen nachweislich die Gehörgänge einengt, weshalb man das eigene Lachen auch kaum hören kann. Ich wollte das schon zig fach überprüfen, vergesse es aber jedes Mal. Deshalb kann ich dazu auch nichts ausführen, ob das durch die Praxis verifiziert werden kann. Ich denke aber, dass hier die Ursache für die Unkenntnis der Wirkung des eigenen Lachens liegt. Und das ist auch gut so. Denn wie schlimm wäre es, wenn wir uns z.B. der ärgsten Form des Lachens bewusst würden, der Schadenfreude.

Ich selber habe das einmal besonders bitter erfahren müssen. Die Sache war die, dass mein Chef seiner Gewohnheit nach kurz vor Feierabend in seinem Zimmer immer ein kleines Nickerchen einzulegen pflegt. Dabei sinkt sein Oberkörper über den Schreibtisch und er bettete den Kopf in die verschränkten Arme. So dämmert er dann vor sich hin, bis ihn ein kleiner Piepser seines Handys zum wohlverdienten Feierabend weckt. Nun ergab sich, dass etwas ausgerechnet zu jener Zeit einer sofortigen Klärung bedurfte, und das noch vor dem Piepsen. Das Los fiel auf mich. Natürlich klopfte ich lautstark an. In meiner Taktlosigkeit wartete ich sein ‚Herein‘ nicht erst ab, sondern polterte gleich hinein.

Derart aus der Ruhe gerissen und noch gar nicht recht beisammen, richtete er sich völlig überrascht auf, ohne zu bemerken, dass ihm ein dabei kleiner Zettel an der Stirn klebte. Folglich konnte ich mir ein Schmunzeln nicht verbeißen. Da ich aber nicht wagte, ihn darauf hinzuweisen, blieb diese unmögliche Situation bestehen. Das Problem war weniger, dass er mich darauf hinauswarf, als vielmehr der Umstand, dass er dazu auch noch vor die Tür trat.

Wir sehen also, dass das Lachen vielfältigen Nuancen unterliegt, wodurch oftmals der ursprüngliche Grund dahinter verschwimmt. Dies wiederum führt schnell zu Missdeutungen und demnach unangenehmen Reaktionen. Um das zu vermeiden, habe ich mir angewöhnt, mein Lachen seither möglichst knapp zu halten, sozusagen in einem militärisch zackigen ‚haha ha ha!‘. Das wirkt zwar etwas komisch und nicht immer überzeugend, verrät mich aber auch nicht. Anderenfalls kann man ja zum ‚richtigen Lachen‘ noch in den Keller gehen, oder etwa nicht?

Das Lachen kann wiederum auch erstaunlich beleben. Das ist mir mal mit der frostige Bianca aus unserer Kantine passiert. Man muss wissen, dass sie einen wahren Vamp und Männerfresser in Persona verkörpert, attraktiv bis zum geht nicht mehr, so dass Leute vom Schlage mancher Autoren hier – aber ich schweife. Jedenfalls ist sie tägliche Avancen von Mitarbeitern gewohnt, lächelt jedoch nur müde darüber und würdigt die heißblütigen Verehrer kaum eines Blickes. Deshalb gilt sie auch als unnahbar und überhoben, was ihren Marktwert aber nur noch steigert – wenn ich es mal so salopp nennen darf.

Da komme ich also daher und erwidere auf ihre verwunderte Frage, wieso ich an einem solch warmen Tag ein Jackett trage, dass ich das schon deshalb tuen müsse, weil mich mein Hemd mit dem rückenfreien Teil dazu zwinge. Sie wusste zunächst nicht, wie ich das meinte; doch als ich es dann noch mit einem zackigen ‚Haha ha ha!‘ quittierte, konnte sie sich nicht mehr halten vor Lachen. Ich glaube, dass ich in diesem Moment von sehr vielen beneidet wurde, denn sie buffte mich vor aller Augen vergnügt gegen die Brust und nannte mich einen ‚Scherzkeks‘. Wie finde ich denn das? Aber jetzt genug davon.

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Verliebt I

für alle Frauen von einer Frau – ein Situationsbericht

Vor einigen Jahren machte ich im Rahmen meines Volontariats die Bekanntschaft eines Kollegen, der mich fachlich sehr förderte. Natürlich war er mir auch anderweitig zugetan, und es dauerte nicht lange, bis erste Avancen folgten. Wenn ich darüber errötete, lächelte er, obgleich in seinem Lächeln auch etwas Leidvolles oder, richtiger gesagt, Menschenliebe oder höhere Empfindung lag. Ich verstehe das nicht besser auszudrücken, aber die Gesichter hochgebildeter Menschen können meiner Ansicht nach nicht den Ausdruck einer triumphierenden, siegbewussten Glückseligkeit tragen. Sie wirken immer irgendwie leidend, selbst in Situationen des Glücks. Doch nicht davon soll hier die Rede sein, obgleich es durchaus interessant ist, wie viel mitunter der Blick eines krankhaft keuschen Mannes verraten kann, der von der Liebe gepeinigt ist und das gerade in Momenten, da er lieber in die Erde versinken möchte, als irgendetwas von sich preis zu geben. Glücklicherweise war unsere Zusammenarbeit nur von kurzer Dauer, so dass die Situation nicht noch eskalierte. Dennoch machte dieser Mensch auf mich einen tiefen Eindruck, was mich nunmehr dazu drängt, diese kleine Geschichte niederzuschreiben.

Als es anlässlich unserer letzten gemeinsamen Referatsfeier zu einem Eklat kam, welchen unser Chef - von allen nur ’General’ genannt – im trunkenen Zustand provozierte, verließ dieser Kollege verbittert den Saal. Am nächsten Tag schickte er mir folgenden Brief, welchen zu kommentieren ich dem Leser überlasse. Nachdem ich ihn von allen Tatsächlichkeiten retuschiert und grammatikalisch leicht angepasst habe, möchte ihn hier als Beitrag einstellen. Möge man sich selbst ein Bild von jener gequälten Seele machen, die im Grunde, wenn auch etwas verschroben, so doch unter all den Emporkömmlingen noch die ehrlichste und somit menschlichste war.

Verehrteste,

Sicher hat Sie mein plötzlicher Aufbruch verwundert, aber nach einem solchen Affront blieb mir keine Wahl. Wie kann man sich nur so benehmen, und das auch noch in aller Öffentlichkeit. Kein Wunder, dass ich wie eine Tomate errötete, denn obgleich ich völlig schuldlos war, wurde ich von allen begafft, als hätte ich diesen Bock geschossen. Offenbar ist es ungeschriebenes Gesetz, dass ein Fauxpas des Chefs immer auch seinen Unterstellten trifft. Oder meinen Sie, man könnte eine solche Situation mit einer Floskel entschärfen, wie: „Halt, meine Herrschaften, ich gehöre zwar dazu, verbitte mir aber jeden Vergleich“?

Oh nein, lassen Sie sich gesagt sein, hier walten andere, höhere Kräfte, deren Mechanismus noch niemand durchschaut hat. Sie werden sich noch meiner Allegorie von der ’Randerscheinung’ bzw. des Winzlings im Vergleich zur Dominanz des Generals erinnern. Folglich ist Ihr Versuch, mich in solidarischer Absicht durch ihr Geplauder zu trösten, durchaus löblich, ändert jedoch nichts am Fakt. Ich war gekränkt und dachte nicht daran, das zu vergessen. Sie meinen, ich übertreibe? Nun gut, dann erklären Sie mir bitte, wie es angehen kann, dass Sie als Neuling sofort in den Genuss einer ganz persönlichen Geste, namentlich eines Gläschens Sekt, kamen, ich hingegen trotz meiner Freundlichkeit überhaupt keine Beachtung fand. Im Ernst. Denn als sich der General so plump zwischen uns drängte und lautstark die Kellnerin anpöbelte (fehlte noch der Klaps auf den Po), geschah das in einer despektierlichen Nichtachtung meiner selbst. Sie werden sicher denken, ich bilde mir das ein, aber da irren Sie. Oder was sollte das sonst vorstellen, außer mir zu zeigen, wer hier der Platzhirsch ist. Aber lassen Sie sich gesagt sein, wenn ich die ganze Zeit hinter seinem Rücken schwieg, dann nicht aus Angst, sondern aus Protest. Jawohl! Gewann ich doch den Eindruck, dass es Ihnen schmeichelte, von diesem Stiesel umgarnt zu werden. Nun ja, wer kann es Ihnen verdenken. Immerhin könnte er so manches für sie richten, womit ein kleiner Beamter wie ich nicht dienen kann.

Nur lassen Sie sich nicht blenden, das ist alles nur Fassade. In Wahrheit ist er maßlos selbstsüchtig und skrupellos, auch wenn er durchaus zu reden versteht und sich in allerlei Galanterien übt. Er bleibt ein Schwätzer, der sich gern fremder Ideen rühmt. Diese weiß er dann so zu verpacken, dass man deren Ursprung nicht mehr erkennt. Das nennt man dann clever. Dabei agieren hier alle auf Kosten anderer Fettgewordener so, obgleich sie absolut nichts bewirken, sich selbst aber umso wichtiger nehmen und doch vom Faulenzen und Nichtstun anstatt eines Herzen nur einen Fettklumpen tragen. Solche Typen sind alle gleich. Rang geht vor Verstand, der Niedere gilt nichts. Sie zeichnen sich durch grobes Witzereißen und maßloses Stolztun aus. An Wertvollem ist bei ihnen nichts zu finden, außer der Fähigkeit, sich überall in den Vordergrund zu drängen. Sie ähneln jenen Gaunern, die es so weit bringen, dass sie am Ende jede Gaunerei für legitim halten. Dabei versichern sie überall, sie seien die Ehrlichkeit in Person, woran sie womöglich selber noch glauben. Im Vordergrund aber steht nur die eigene Person, das goldene Ich, welches, von allen Seiten bestrahlt, die ganze Welt für einen Spiegel hält, worin sie sich selbstgefällig betrachten. Für alles haben sie einen fertigen Plan parat, besonders für die Bekundung dessen, was richtig und von der Vernunft gerechtfertigt ist. Das mag vielleicht jemanden wie Sie beeindrucken, für mich ist er ein dümmlicher Phrasendrescher per excellence oder um es deutlicher zu sagen, ein riesenhafter, bis zu Platzen aufgeblähter Sack.

Und nun nehmen sie mich. Was hingegen habe ich schon zu bieten, außer der Monotonie eines Junggesellen, der bei seiner alten Mutter lebt und zum Frühstück Milch trinkt. Würden sie jemals mit einem eingefleischten Junggesellen bei dessen Mutter Milch trinken? Na also. Weshalb mache ich mir also solche Gedanken? Zu meinen Hobbys zählen neben Wanderungen vor allem ausgiebige Gespräche mit älteren Leuten, denen ich von mir und meinem Kummer erzähle, gleichviel ob sie mich verstehen oder nicht. Ich lache eigentlich nicht sehr gern und hänge lieber meinen Gedanken nach, die mich zuweilen völlig abrupt überkommen und dann zu manchen, für Außenstehende recht unverständlichen Emotionsausbrüchen treiben. Abends sitze ich nach dem Glücksrad oft noch lange im Lehnstuhl neben meiner Stutzuhr, deren eigensinniges Ticken unter dem Glassturz ich stundenlang zuhören kann ohne nur einen einzigen Gedanken zu verschwenden. Dann bin ich glücklich, oder besser, zufrieden mit dem, was mich umgibt.

 

Warum ich so bin, weiß ich nicht. Aber ich habe das schon mal durch; damals mit der Gabriele. Nun gut, das war vor zwanzig Jahren, aber welch ein Hallo war das. Mama war einer Ohnmacht nahe, als sie mitbekam, welch ’unlautere Person’ ich anschleppte; eine Mutter von zwei Kindern, die in einer Wurstbude arbeitet und nur einen Ernährer für ihre Bälger sucht. So war es wohl auch, denn als ich sie mal darauf ansprach, wurde sie ganz rot. Ich habe mich zwar hinterher fürchterlich geärgert, war dann aber doch froh darüber. Natürlich war die Sache schnell erledigt, und Mama hat mir verziehen. Dennoch plagte mich noch lange ein seltsames Gefühl, eine Art unbestimmter Beklommenheit, welche mich bis heute zuweilen noch zweifeln lässt.

Nun Hand aufs Herz, würden Sie einen solchen Miesepeter einem Strahlmann wie ihm vorziehen? Ersparen Sie mir die Antwort, diese Frage war rein rhetorisch. Komisch nur, dass Sie ihr manchmal ähneln und das, obgleich Sie keine zwei Kinder haben und in einer Wurstbude arbeiten. Dennoch wünschte ich mir, es wäre so. Warum, weiß ich nicht. Vielleicht, weil Sie trotz Ihrer Jugend sehr gesetzt und reif wirken, so wie Gabriele? Wie machen Sie das nur, zumal es hier so viele Leute gibt, die sich unglaublich erwachsen fühlen und doch so maßlos kindisch sind? Vielleicht komme ich mir deshalb in Ihrer Nähe wie ein dummer Junge vor, der über jeden Nasenstüber lacht, obgleich mir jedes Mal zum Heulen ist. Oder glauben Sie wirklich, ich hätte nicht bemerkt, wie wenig ich Ihre Aufmerksamkeit errege? Ja, mehr noch, ihr beiläufiges „Hm“, oder „toll“, während meiner gelegentlichen Monologe war eher kränkend, denn einige Male war es gar nicht ’so toll’ und ein ’Hm’ passte auch nicht. Aber ich habe Sie erkannt. Sie schützen nur ein Desinteresse vor, um uninteressant zu wirken, erreichen aber genau das Gegenteil - das ist die Perfidie. Vielmehr wollen Sie, dass ich Ihnen auf den Leim gehe und trösten mich mit vorgetragenem Mitgefühl. Was soll das? Bin ich ihr Popanz? Ich brauche so was nicht. Ich habe in der Vergangenheit bestimmt so manche Schlacht geschlagen und war darin nicht schlecht, das können Sie mir glauben. Mich aber für einen Versager zu halten und dann noch zu tun, als sei ich keiner, ist schlichtweg infam. Ich bin nun mal so und möchte auch gar nicht anders sein. Niemand wird daran etwas ändern können, doch bin ich deswegen weniger wert als andere?

Erinnern Sie sich noch meiner Allegorie von der Nichtigkeit, bzw. Randerscheinung? Ausnahmsweise antworteten Sie nicht mit einem ‚Hm’, sondern Sie stellten daraufhin einen erfrischenden Vergleich zu sich selber her, worauf ich so lachen musste, dass mir beinahe die Prothese herausfiel. Glauben Sie mir, das war gespielt. Innerlich habe ich gekocht und sofort bemerkt, wie das gemeint war. Wie sonst wäre zu erklären, dass mich plötzlich das unbändige Verlangen überkam, Ihre Hand zu nehmen und zu drücken, und das möglichst schmerzhaft – jawohl! Und hätte sich der General nicht dazwischen gedrängt, wer weiß, ich hätte Ihnen vielleicht weh getan. So gesehen danke ich ihm dafür, hätte aber nicht erwartete, Sie auch ohnedem so schnell zu verlieren.

Und da Sie jetzt nicht mehr da sind, betrachte ich manchmal Ihren leeren Schreibtisch und den Stuhl, den Sie mit ihrem süßen Steiß füllten (die kleinen Bändchen an ihrem Dekolleté haben mich übrigens jedes Mal fasziniert, diese kleinen verschlungenen Schlaufen). Oje, dann stelle ich mir vor, Sie säßen noch dort und rede sogar mit Ihnen. Manchmal ist mir, als hörte ich Ihre Stimme und führe richtige Dialoge. Ist das nicht ulkig? Wie nannten sie mich doch neulich – eterisch? (Ich gebe zu, ich musste nachschlagen). Nun gut, vielleicht bin ich das. Aber eines bin ich ganz bestimmt nicht, ihr Trottel. Darum habe ich auch längst beschlossen, sie zu vergessen.

Allerdings gelingt es mir noch nicht. Warum sonst habe ich neulich im Lexikon nachgeschlagen, was Ihr Sternzeichen bedeutet. Mama sagt, ich hätte mich doch sehr verändert, hätte jetzt öfter rote Bäckchen und einen verträumten Blick. Kann das sein, angesichts meiner ansonsten so ausdruckslosen Physiognomie? Ich bin verwirrt. Sie werden verzeihen, aber auch wenn wir uns nun nicht mehr sehen, werde ich noch lange an Sie denken.

ergebenst, Ihr Willi