Rees Howells

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Anschließend nahm Rees ihn gleich mit zu einem Freund, wo sie zusammen beteten. Unterwegs fragte er ihn, ob seine Frau auch schon bekehrt sei. Hatte sie nicht die Veränderung an ihm gemerkt und war sie nicht froh darüber? „Oh ja“, entgegnete Jim, „das schon! Aber errettet ist sie noch nicht. Sie hat nicht die Kleider, um zu den Treffen gehen zu können.“

Während Rees Howells zuhörte, war es ihm im Geist – so sagte er später –, als ob Kraft zu ihr ausgegangen sei, und er wusste, dass auch sie sich bekehren würde. Am Sonntag darauf ging er sie besuchen und stellte tatsächlich fest, dass der Geist an ihr gewirkt und sie von ihren Sünden überführt hatte. Die „fürstliche Gabe“ hatte sie überwältigt, die Liebe hatte gesiegt. Der Heilige Geist führte sie zum Fuß des Kreuzes. Dort sah sie, dass eine noch größere Schuld für sie bezahlt worden war, zu einem viel höheren Preis, nämlich mit dem kostbaren Blut Christi.

Rees nannte die Errettung dieser Eheleute „den Beginn der Tage Gottes“ in diesem Gebiet, denn in ihrem Haus wurden an jedem Samstag und Sonntag Treffen begonnen, die Rees und seine Freunde leiteten. Viele kamen dorthin, und einige der schlimmsten Typen gaben dort ihr Herz dem Herrn.

Bei dieser neuen Erfahrung des Lebens im Heiligen Geist hatte Rees einen Menschen, dessen Gemeinschaft ihm viel bedeutete – seinen Onkel Dick. Als er von Llandrindod zurückkehrte, sahen durchaus nicht alle Gläubigen die Notwendigkeit der totalen Auslieferung an den Heiligen Geist ein, manche bekämpften Rees sogar. Man hätte denken können, dass von all den Gläubigen der dortigen Gegend Onkel Dick derjenige war, der diese totale Übergabe am wenigsten nötig hatte. Seit sechsundzwanzig Jahren war er Invalide und konnte nur wenige Schritte gehen und höchstens fünf Minuten an einem Stück lesen. Er hatte diesen Zustand als Gottes Willen angenommen und verbrachte täglich mehrere Stunden im Gebet oder ließ sich von einem Familienangehörigen aus der Bibel vorlesen. Vor der Erweckung, als der geistliche Zustand im Land noch sehr niedrig war, hatte er mit vielen anderen um eine Neubelebung gebetet, und seine Freude war groß, als die Antwort eintraf.

Dennoch war er sich seines eigenen Mangels bewusst. Vor der Erweckung hatten nur wenige selbst der Gottesfürchtigsten in den Gemeinden gewusst, dass das ewige Leben ein Geschenk ist und dass sie Gewissheit über die Vergebung der Sünden haben konnten. Die Wahrheit vom Heiligen Geist als einer göttlichen Person, die im Körper des Gläubigen lebt, war auch noch nach der Erweckung den meisten – einschließlich Onkel Dick – verborgen. Er sehnte sich nach mehr Kraft im Gebet, wusste jedoch nicht, wie er sie erlangen konnte.

Vor der Erweckung hatten nur wenige selbst der Gottesfürchtigsten in den Gemeinden gewusst, dass das ewige Leben ein Geschenk ist.

Onkel Dick freute sich über Rees’ Bekehrung, und Rees sah weiterhin zu ihm als zu seinem meistgeschätzten geistlichen Führer auf. So wäre es eigentlich natürlich gewesen, dass er nach seiner Rückkehr aus Llandrindod diesen Onkel als Ersten aufgesucht hätte, um ihm von seiner neuen Erfahrung zu berichten. Aber dieser Besuch war nicht leicht, denn Gott hatte Rees offenbart, dass er seinem Onkel dieses neue Verständnis vom Heiligen Geist nahebringen sollte, und obwohl bisher der Jüngere durch den Älteren gesegnet worden war, es jetzt umgekehrt sein solle.

Onkel Dick war jedoch schon vorbereitet. Als Rees ihm von dem Segen und dem zu zahlenden Preis, nämlich der vollständigen Auslieferung des eigenen Willens ohne jeden Vorbehalt, erzählte, erkannte er dies als das Wort des Herrn und die Wahrheit der Schrift an. Er brauchte drei Wochen zu dieser Übergabe. Bei jedem Besuch, den Rees bei ihm machte, sagte Onkel Dick: „In ein paar Tagen werde ich bestimmt durch sein.“ Und als es dann so weit war, stellte es einen glorreichen Sieg dar. Es war ein Beispiel dafür, dass jemand ausgesprochen gottesfürchtig und treu sein kann und doch den Heiligen Geist nötig hat und dass es ihm durchaus nicht leicht fällt, eine vollständige Übergabe zu vollziehen.

Von da an bestand für viele Jahre eine tiefe geistliche Gemeinschaft zwischen Onkel und Neffen. Onkel Dick wurde Rees’ wichtigster Gebetspartner. Er setzte seine Gebetsarbeit von etwa acht Stunden am Tag weiterhin fort, aber mit diesem Unterschied: Bis zu der Zeit, da der Heilige Geist von ihm vollen Besitz nahm, wurde jede Not, die ihm begegnete, automatisch zu einem Gebetsanliegen. Wie bei Rees wurde daraus aber nun ein Beten unter der Leitung des Heiligen Geistes mit bestimmten Gebetszielen, siegreichem Durchkämpfen und mit eindeutigen Erhörungen.

Kapitel 7

Ein Dorf, das von der Erweckung unberührt geblieben war

Etwa eine halbe Meile von Jim Stakes’ Zuhause entfernt lag ein Dorf, in dem es weder einen Gläubigen noch irgendeinen Ort gab, an dem Gottesdienste stattfanden. Zur Zeit der Erweckung hatte man auch dort mit Gebetsversammlungen angefangen, aber sie hörten bald wieder auf. Nachdem Jim Stakes und seine Frau so gesegnet worden waren, sagte Gott eines Tages zu Rees Howells: „Da es dir solche Freude gemacht hat, diesen beiden zu helfen, würdest du da nicht gern einem ganzen Dorf helfen wollen? Doch dafür hast du zuerst noch eine Lektion zu lernen: Du musst der erste Leidende sein.“ Das bedeutete, dass er wie ein Vater sein sollte, der als Erster in seiner Familie leidet, oder wie ein guter Hirte, der sein Leben für die Schafe hingibt.

Der Heilige Geist zeigte ihm, dass Gott den Platz des Sünders einnahm, indem er seine Sünden, Krankheiten und Lasten trug. Außerdem gab er dadurch, dass er in jenes Dorf ging, dem Geist die Möglichkeit, die Liebe des Heilands durch ihn auf praktische Weise zu zeigen. Diese Leute hatten während der Erweckung die besten Predigten gehört, und sie hatten sie unberührt gelassen. Nun aber nahm der Heilige Geist seinen Diener dorthin, damit er der erste Leidende sein würde, und jeder, der in Bedrängnis war, sollte ein Anrecht auf ihn haben und sich an ihn wenden, damit er seiner Not abhelfe. Also machten sich an einem Sonntagmorgen Rees Howells, sein Freund Johnny Lewis, Elizabeth Hannah Jones – die spätere Ehefrau von Rees Howells – und andere junge Gläubige, die sich ihm angeschlossen hatten, auf den Weg und besuchten das Dorf. Nie zuvor hatten sie so etwas gesehen. Bierfässer standen im Freien, und die Leute tranken und spielten und vertrieben sich mit sinnlosen Dingen die Zeit. Der Ort war berechtigterweise mit dem Namen Höllenfeuersiedlung belegt worden, doch Rees Howells sagte später: „Ich hatte nur einen Gedanken: dass nun der Heilige Geist dorthin ging und dass er die Macht hatte, Teufel auszutreiben und Sünden zu vergeben.“

„Ich hatte nur einen Gedanken: dass nun der Heilige Geist dorthin ging und dass er die Macht hatte, Teufel auszutreiben und Sünden zu vergeben.“

Und genauso zeigte es sich schon in der ersten Familie, die sie besuchten. Die Frau des Hauses wollte nicht, dass ihre Besucher von ihrem sonntäglichen Brotbacken erfuhren. Sie ließ lieber das Brot im Ofen verbrennen. Als Rees davon hörte, ging er zurück und sagte ihr, dass er den Schaden begleichen wolle, den er verursacht hatte, und legte Geld auf den Tisch.

Eine gute Tat hat Flügel. Die Dorfbewohner erkannten sehr bald, dass diese Gruppe junger Leute, die alle selbst in der Zeche oder im Geschäft arbeiteten, mit mehr als nur Worten kamen. Die Frau stellte ihr kleines Haus für Treffen zur Verfügung. Sie und ihr Mann, die beide Trinker waren, bekehrten sich als Erste, und die Frau entwickelte sich zu einer der treuesten Gläubigen im Dorf.

Der Heilige Geist machte Rees Howells klar, dass er vor diesen Leuten „die Bibel ausleben“ musste. Da sie andere Kleidung hatten als er, sollte er sich von nun an einfacher und damit hier unauffälliger anziehen. Aus Amerika hatte er eine goldene Uhr mitgebracht und auch jedem seiner Brüder und Schwestern ebenfalls eine geschenkt, aber jetzt sollte er seine nicht mehr tragen.

„Wenn du der erste Leidende bist, darfst du nicht etwas an dir haben, das diese Leute nicht haben können“, sagte Gott zu ihm. Beinahe jeder in diesem Dorf litt Mangel, und der Geist erinnerte ihn an die Bergpredigt: „Gib dem, der dich bittet.“ – „Wer auch immer in Not sein mag, hat ein Anrecht auf dich“, sagte er. „Du hast mir alles gegeben, was du hast, und ich sage dir, es ist alles für die Menschen: Sie haben genauso viel Recht darauf wie du selbst.“

Ein entscheidender Augenblick kam, als der Herr seine Hand auf den Anführer unter den Trinkern legte. Rees betete lange Zeit für ihn und bat um eine Gelegenheit, an ihn heranzukommen. Dieser Mann konnte zwar die Liebe Gottes sehen, wie sie sich an anderen erwies, er selbst hatte sie aber noch nicht erfahren. Die Gelegenheit kam.

Er war in eine unangenehme Sache außerhalb des Dorfes verwickelt und der Fall sollte vor Gericht kommen. Da sagte Gott zu Rees: „Jetzt ist deine Gelegenheit da. Biete ihm an, die Angelegenheit für ihn zu regeln.“ Also besuchte er den Mann zu Hause und fragte ihn: „Würde es Sie entlasten, wenn die Sache außergerichtlich geregelt werden könnte? Wenn die Gegenseite mit einem Ausgleich einverstanden ist – wäre es Ihnen recht, wenn ich die Ersatzleistung übernähme?“

Der Mann war sprachlos. „Er war ganz und gar ein Mann“, sagte Rees Howells. „Bloße Worte konnten bei ihm nichts ausrichten. Als er aber die Liebe Gottes auf diese Weise zu sich kommen sah, wurde er an einem empfindlichen Punkt getroffen und brach zusammen. Er bekannte, schuldig zu sein, und fing an, die Gottesdienste zu besuchen. Seine Liebe für einen war spürbar.“

 

Es dauerte nicht lange, da konnte man über ein Dutzend Bekehrte zählen und regelmäßige Zusammenkünfte beginnen. Auch eine Sonntagsschule wurde angefangen und die „Band of Hope“ gegründet. So viele der Dorfbewohner gingen nun nicht mehr in die Pubs und nahmen den Herrn an, dass diese „Band“ von freiwilligen Laienevangelisten den Eindruck gewann, sie sollten ihre ganze Zeit dieser Aufgabe widmen. Sie hatten fünf Treffen in der Woche und besuchten an den übrigen Abenden die Leute zu Hause. Das Werk des Geistes breitete sich weit über das Dorf hinaus aus, und bald gab es in der ganzen Nachbarschaft Bekehrte. Sie erfuhren eine solche Kraft im Dienst, dass man zu sagen pflegte: „Wenn Rees Howells ein Haus besucht, werdet ihr sehen, dass sich dort bald jemand bekehrt!“

Rees Howells verdiente sich seinen Wochenlohn im Kohlebergwerk und hatte auch sonst noch einige Ersparnisse, aber bei diesem Tempo erkannte er, dass sein Geld bald zu Ende gehen würde. Da zeigte ihm der Geist zwei Dinge: ein Gebot und eine Verheißung. Dem reichen Jüngling hatte der Herr geboten: „Verkaufe alles, was du hast, und gib es den Armen (…) und komm, folge mir nach (…)!“ (Mk. 10,21). Und denen, die ihm nachfolgten, hatte er verheißen: „Es ist niemand, der Haus oder Brüder oder (…) Äcker verlassen hat um meinetwillen und um des Evangeliums willen, der nicht hundertfach empfängt, jetzt in dieser Zeit (…)“ (Mk. 10,29–30). Rees begriff, dass Gott ihm sagte, wenn er ein Pfund hergab, würde er hundert Pfund bekommen. Konnte das wahr sein? Wenn es so war, dann konnte er zuversichtlich dem Tag entgegenblicken, an dem es bei ihm zum Äußersten kam. Aber war es wirklich wahr? Das war es, was ihn momentan beschäftigte – nicht die Tatsache, kein Geld mehr zu haben, sondern die Möglichkeit, es durch die Verheißungen ersetzt zu bekommen. Konnte dieser Austausch wirklich stattfinden und er das Hundertfache empfangen? Dann kam der Tag, an dem er an sein letztes Geldstück gelangte. Da sagte ihm der Heilige Geist: „Lass das Sicherungsseil los und ergreife die Verheißungen.“ Es war ein eindeutiger Ruf, sich von da an allein auf Gott zu verlassen. Aber es ist immer leichter, von solchen Dingen zu reden, als sie tatsächlich zu tun. Es war viel leichter gewesen, hundert Pfund aus der Fülle heraus zu geben, als sich von diesem letzten einen Pfund zu trennen und ans Ende seiner Ersparnisse zu kommen – zum ersten Mal in fünfzehn Jahren. „Oh, wie der Teufel mich da bemitleidete! Was für Argumente brachte er nicht alles vor!“, erzählte Rees. „Er sagte mir, es wäre ein Schritt im Dunkeln, und wenn irgendeine Tagung oder dergleichen stattfinden würde, wäre ich nicht in der Lage, hinzugehen, wenn ich nicht ein Pfund zurückgelegt hätte. Aber der Heilige Geist zeigte mir, dass Gott bestimmt auch die Mittel dazu bereitstellen würde, wenn es sein Wille war, dass ich irgendwohin ging. Die Gefahr lag vielmehr auf der anderen Seite! Denn solange ein Mensch Geld hat, kann er gehen, wohin er will, ohne Gott vorher zu fragen – so wie Jona, der es sich leisten konnte, sein Ticket für das Schiff zu bezahlen, um von Gott wegzulaufen! Tatsache ist: Wir können niemals wirklich Leibeigene sein, bevor Gott nicht unsere Mittel kontrolliert.“

Also wagte er den Sprung und erfuhr die glückliche Wahrheit, dass seine Not Gottes Gelegenheit war. Seine Augen wurden für die Wahrheit geöffnet, dass er einen Anspruch an Gott hatte für alles, was er nicht selbst bereitstellen konnte. Genauso sicher, wie der Geist ihm sagte, dass die Leute jenes Dorfes einen Anspruch auf sein Geld zur Stillung ihrer Bedürfnisse hatten, so verstand er jetzt, dass er einen Anspruch auf Gottes Mittel hatte, seine eigenen zu decken. In der ersten Woche betrug sein Bedarf 2 Pfund, und er konnte dem Herrn im Gebet sagen, dass er nicht zu ihm gekommen wäre, wenn er selbst so viel hätte. „Ich bat Gott darum – und es kam. Was für eine Freude war es für mich zu wissen, dass ich mit den begrenzten Mitteln des Menschen Schluss gemacht hatte und mich stattdessen auf die unbegrenzten Mittel Gottes einzustellen begann! Die Verheißungen Gottes waren an die Stelle des Bankkontos getreten und wurden sozusagen bare Münze für mich. Ich brauchte nun nicht mehr meine Schätze bei mir zu tragen, wohin auch immer ich ging, denn ich wusste, wo der Schatz war und wie ich an ihn herankam.“

Die größte Prüfung stellte sich ihnen in dem Dorf, als es wegen eines Streiks erneut zum Streichen von Schichten kommen sollte. Das letzte Mal hatte dieser Zustand acht Monate lang gedauert und war mit schlimmen Entbehrungen für die arbeitende Bevölkerung verbunden gewesen. Rees Howells stellte fest, dass es diesmal ebenso lang dauern konnte. Als diese Not anfing ihn zu belasten, fragte der Herr ihn, ob er dem Heiligen Geist erlauben wollte, durch ihn für die Leute des Dorfes das zu tun, was er selbst für seine eigene Familie tun würde. Die Bibel hatte Brot und Wasser als gesichert zugesagt. Würde er dieses Versprechen dem Dorf geben und ihnen Brot, Käse, Tee und Zucker bringen? Er wusste, dass die beiden Einkaufsläden ihm einen Kredit gewähren würden, wohingegen sie keinem der Dorfbewohner einen solchen einräumen würden. Würde er bis auf hundert Pfund gehen? Es war eine ungeheuerliche Herausforderung. Wie konnte er so etwas tun? Erst am Sonntagabend, kurz bevor der Schichtenwegfall in Kraft treten sollte, entschied er sich. Am Abend während des Treffens verkündigte er ihnen dann: „Die Kurzarbeit kann neun Monate dauern, aber keiner von euch wird Mangel haben an dem, was Gott zugesagt hat. Keiner von euch braucht Sorge oder Angst zu haben.“ Der Segen, den sie an jenem Abend erfuhren, war so groß, so sagte er, dass sie die Versammlung schließen und ins Freie gehen mussten. „Es war, als ob der Gesang bis in den Himmel aufstieg und die Engel zu uns herunterlockte, um mit uns zusammenzukommen.“

Am nächsten Morgen begegnete er einem bekannten Agnostiker, der sofort über die Kirche zu schimpfen begann und sie als unnütz bezeichnete. Außerdem wetterte er gegen die verantwortlichen Leute des Bergwerks hinsichtlich ihrer neuerlichen Maßnahme der Schichtenstreichung. „Nun, was werden Sie für die Betroffenen in ihrem Elend tun?“, fragte ihn Rees Howells. Und dann erzählte er ihm, wie Gott ihn dazu bewegt hatte, den Leuten am Abend zuvor ein Versprechen zu geben. Der Mann war sprachlos vor Staunen. Dies war ein Christentum, gegen das es keinen Einwand gab. Bevor er sich wieder fassen konnte, kam der Zeitungsjunge mit der Neuigkeit vorbei, dass die Sache inzwischen beigelegt sei.

In den folgenden drei Jahren ging Rees Howells nach der Arbeit Abend für Abend in jenes Dorf. Den Weg musste er immer zu Fuß zurücklegen. Eines Abends, als er wieder einmal bei strömendem Regen völlig durchnässt nach Hause kam, bemerkte sein Vater: „Bei diesem Wetter wäre ich nicht für zwanzig Pfund dorthin gegangen“, worauf Rees antwortete: „Für zwanzig Pfund wäre ich auch nicht gegangen!“

Kapitel 8

Die Landstreicher

Jeder junge Diener Gottes muss es lernen, seinen Körper zu beherrschen (1. Kor. 9,27), und in der ersten Zeit seiner Ausbildung hat er deshalb durch notwendige Übungen zu gehen. „Verführt dich deine rechte Hand zur Sünde, haue sie ab …“ (Mt. 5,30).

Gott begann sich mit einem einfachen Verlangen in Rees Howells zu befassen – seiner Liebe zum Essen. Zu der Zeit trug er gerade eine große Last wegen einer bestimmten Konferenz mit sich herum, die durch Angriffe des Feindes abgebrochen worden war. Da rief ihn der Herr zu einem Tag des Betens und Fastens auf, was für ihn etwas völlig Neues war. Daran gewöhnt, zu Hause ein gemütliches Heim vorzufinden und vier gute Mahlzeiten am Tag einzunehmen, verursachte es Rees zunächst einen Schock, als er sich bewusst machte, dass dies den Ausfall des Mittagessens bedeutete. Er geriet deswegen in eine merkwürdige Unruhe. Wäre es nur eine einmalige Sache? Angenommen, Gott verlangte das jeden Tag von ihm!

Als es Mittag wurde, befand er sich in seinem Schlafzimmer auf den Knien, aber er konnte in der nächsten Stunde nicht mehr beten. „Ich hatte nicht gewusst, dass solch eine Gier in mir war“, sagte er danach. „Meine Ruhelosigkeit war der Beweis dafür, welche Gewalt sie über mich hatte. Denn wenn die Sache keine Gewalt über mich hätte – warum quälte sie mich dann so?“

Um ein Uhr rief ihn seine Mutter zum Essen. Er antwortete ihr, dass er nicht zu Mittag essen würde. Aber sie rief noch einmal, wie es eben eine Mutter tut, und drängte ihn: „Es dauert doch nicht lange!“ Der verlockende Essensgeruch stieg bis zu ihm hinauf. Das war zu viel für ihn und er ging hinunter.

Als er jedoch nach dem Essen in sein Zimmer zurückkam, konnte er die Gegenwart Gottes nicht wiederfinden. Der Ungehorsam gegen den Heiligen Geist war die Ursache. „Ich kam mir vor wie Adam im Garten Eden“, sagte er. „Ich rannte den Berg hinauf und lief dort stundenlang herum, und die ganze Zeit über verfluchte ich den ‚alten Menschen‘ in mir. Ich sah ein, dass, wenn Gott mir das Mittagessen bis ans Ende meiner Tage wegnehmen würde, sein Tun durchaus gerechtfertigt war. Manchen Leuten mag das völlig nebensächlich erscheinen, aber wenn man einmal Gottes Kanal ist, kann man ihm darin auf keinen Fall ungehorsam sein oder seine eigenen Gedanken dazwischen bringen wollen. Ich vergoss viele Tränen, und es schien mir, als würde ich nie mehr in seine Gegenwart zurückfinden. Endlich sagte er: ‚Ich will dir vergeben, aber ungestraft sollst du nicht davonkommen. Du wirst, während du von 6 bis 9 Uhr betest, deine Hände erhoben halten‘“ (2. Mo. 17,11.12; 1. Tim. 2,8).

Je näher jemand Gott ist, desto furchtbarer ist die kleinste Sünde.

Nach diesem Erlebnis aß er viele Tage nicht zu Mittag und verbrachte diese Stunde mit Gott. Später sagte er darüber: „Von dem Augenblick an, als ich den Sieg darin erlangte, war es keine große Sache mehr für mich. Es war lediglich eine Stufe zum nächsten Ruf an mich. Nur solange man eine Sache begehrt, kann man seine Gedanken davon nicht losreißen. Sobald man sich darüber erhoben hat, kann es sein, dass er sie einem wiedergibt. Aber dann hat sie einen nicht mehr im Griff.“

Nicht lange danach, und nur wenige Monate nachdem er den Dienst in jenem Dorf begonnen hatte, gab ihm Gott einen weiteren Auftrag, für den die eben erhaltene Lektion unverkennbar eine Vorbereitung gewesen war. Gott legte Rees die Landstreicher aufs Herz, von denen es in jenem Gebiet viele gab. Sie waren obdachlos, ohne feste Arbeit und wanderten ziellos von Ort zu Ort. Er und seine Mitarbeiter sollten sich jetzt jedes Landstreichers, der in ihre Mission kam, annehmen und ihm eine Chance geben. Dies sollte eine praktische Lektion von der Liebe Gottes zu unwürdigen Sündern darstellen.

Der Heilige Geist machte ihnen ganz deutlich, was sie zu tun hatten: Jeder Mann sollte neu eingekleidet werden, man hatte ihm Unterkunft und Arbeit zu verschaffen und so lange für seine Verpflegung zu sorgen, bis er den ersten Lohn erhielt. „Wir wurden dazu aufgerufen, Jesaja 58 in die Praxis umzusetzen“, sagte Rees Howells. „Brich dem Hungrigen dein Brot, und nimm in dein Haus auf die, die im Elend sind; wenn du einen nackt siehst, dann bekleide ihn (Jes. 58, 7). In unserer anfänglichen Begeisterung hatten wir es jedem übelgenommen, der nicht glaubte, dass die Bibel Wort für Wort wahr ist. Nun aber drängte uns der Heilige Geist dazu, unseren eigenen Glauben in die Praxis umzusetzen. Die Bergpredigt hatte die Gesetze des Reiches Gottes erklärt, und wir sollten voll und ganz danach handeln: ‚Und wenn jemand (…) dein Hemd nehmen will, dem überlass auch den Mantel. (…) Gib dem, der dich bittet. (…) Liebt eure Feinde (…)‘ (Mt. 5,40-44).

„Meine Ich-Natur und meine natürliche Liebe mussten in eine göttliche Natur und eine göttliche Liebe umgewandelt werden, ehe ich die Landstreicher als meine eigenen Brüder lieben konnte.“

Ich entdeckte auch bald, dass es in dieser Sache das Ziel des Geistes war, mich im Leben auf eine solche Stufe zu bringen, in der ich die nicht liebenswerten Menschen lieben würde. Meine Ich-Natur und meine natürliche Liebe mussten in eine göttliche Natur und eine göttliche Liebe umgewandelt werden, ehe ich die Landstreicher als meine eigenen Brüder lieben konnte. Den Leuten im Dorf zu helfen war im Vergleich zu der Hilfe an den Landstreichern leicht, denn letztere waren gewöhnlich Menschen, die sich nicht selber halfen und oft auch die Hilfe anderer nicht schätzten. Doch ich sollte jeden Einzelnen so behandeln, als wäre er mein eigener Bruder.“

Gerade am Tag dieses neuen Auftrages sahen sie zum ersten Mal einen Landstreicher in ihrer Versammlung. Er war monatelang auf der Straße gewesen, ohne Arbeit und Unterkunft. Nun hatte er den Gesang aus den Räumen gehört und war hereingekommen. Er war überwältigt von dem Empfang, den man ihm bereitete. Einer der Gläubigen verschaffte ihm eine Unterkunft mit Verpflegung und besorgte ihm auch eine Arbeitsstelle. Zwei Tage später kam der Nächste. „Die Nachricht von solcher Wohltätigkeit verbreitet sich in Windeseile“, sagte Rees Howells. „Innerhalb kürzester Zeit wusste man weit und breit davon, und nun kamen viel mehr, als wir erwartet hatten. Wir durften sie nicht abweisen. Wenn sie aus eigenem Antrieb kamen, durften wir sie nicht fortschicken. Ich nannte sie auch nicht Landstreicher, sondern wählte lieber den Namen, den Jesus für sie gebraucht hatte: verlorene Söhne. Und ich lernte nach 1. Joh. 4,20, dass man Gott kein bisschen mehr liebt, als man den Geringsten von denen liebt, für die er starb.“

 

Bei all dem führte der Heilige Geist seinen Diener mehr und mehr in das Geheimnis der Fürbitte ein – die Gleichsetzung desjenigen, der Fürbitte tut, mit demjenigen, für den er betet. Er hatte ihn dazu aufgefordert, sich mit Will Battery zusammenzuschließen, was seinen Stolz getroffen hatte. Er hatte ihn für Jim Stakes’ Schulden verantwortlich gemacht, was seinen Geldbeutel getroffen hatte. Nun bat er ihn, an den körperlichen Leiden der Mittellosen teilzuhaben, was seinen Körper treffen würde. Er hatte zu lernen, sich ein wenig so zu fühlen, wie sie sich fühlten, und dort zu sitzen, wo sie saßen. Landstreicher hatten nicht so reichlich zu essen wie andere Leute, und Gott setzte ihn nun auf ihre Ebene herab.

Die Unterkunftshäuser des Staates sahen zwei Mahlzeiten pro Tag für die Landstreicher vor, und Gott sagte Rees, dass er ebenso zu leben habe: mit zwei Mahlzeiten, die aus Brot, Käse und Suppe bestanden. Das mittägliche Fasten war eine Vorbereitung dazu gewesen.

Die Schwierigkeit lag verständlicherweise in seinem eigenen Elternhaus. Seine Mutter wollte nicht zulassen, dass er bei seiner schweren Arbeit als Bergmann auf diese Weise lebte. Doch er bestand darauf und argumentierte mit den vier jungen Männern in Babylon, die nach ihren Tagen der „schmalen Kost“ frischer und gesünder aussahen als die übrigen. Seine Mutter musste schließlich zustimmen, wenn sie es auch mit mütterlichem Einfallsreichtum hinbekam, die abendliche Suppe durch entsprechende Zutaten so nahrhaft wie möglich zu machen!

Er hatte eine Mahlzeit um halb sieben am Morgen und die andere um halb sechs am Abend – nach seiner Arbeit in der Grube und bevor er sich in das Nachbardorf begab. Es war zuerst ein Kampf, sowohl körperlich als auch geistig, am selben Tisch mit den anderen zu sitzen und dabei anderes Essen zu haben. „Es herrschte großes Misstrauen darüber, wie diese neue Sache enden würde“, sagte er, „und welches mein Ziel dabei war. Weder die anderen noch ich selbst hatten jemals einen Menschen gesehen, der zum Fasten gerufen worden war, und sie dachten, ‚das Experiment‘ würde wohl bald zu einem Ende kommen. Aber in weniger als vierzehn Tagen hatte der Herr meinen Appetit so verändert, dass ich nun die zwei Mahlzeiten am Tag, die ich jetzt hatte, den vieren, die ich früher täglich eingenommen hatte, vorzog. Jenes heftige Verlangen nach Nahrung war jetzt von mir genommen, und die ganze Zeit über war mein Gesundheitszustand besser als der aller anderen. Ich hatte nie den geringsten Kopfschmerz, und mein Körper war in denkbar guter Verfassung.“ Er behielt diese Lebensweise zweieinhalb Jahre bei.

Für die Bedürfnisse der Landstreicher zu sorgen, schluckte bald sämtliche Einnahmen der kleinen Missionsgruppe, und sie wurden folglich immer mehr in ein Leben des Glaubens hineingetrieben. Das Gleichnis von dem bittenden Freund um Mitternacht war ihnen zu dieser Zeit sehr real, wobei sich ihre Lage von der jenes Mannes jedoch insofern unterschied, als er seinen Freund lediglich einmal störte, während sie gezwungen waren, fast jede Nacht zu gehen! Sie erlebten, so sagte Rees Howells, was Evan Hopkins von den drei Positionen – Ringen, Klammern und Ruhen – zu lehren pflegte. Pastor Hopkins verwendete das Bild eines Schiffsunglücks, bei dem die Passagiere ins Meer gespült werden. Im Ringen befindet sich der Schiffbrüchige im Wasser, kämpft mit den Wellen und braucht selber Hilfe. Im Klammern hält er sich am Rettungsboot fest – nun ist er selber ziemlich sicher, kann aber anderen nicht helfen, weil er keine Hand frei hat. Im Ruhen sitzt er im Rettungsboot und hat beide Hände frei, um anderen zu helfen. So erlebten auch sie immer dann Befreiung, wenn sie zum ruhenden Glauben kamen.

„Als wir anfingen, den Landstreichern zu helfen“, sagte Rees, „waren wir besorgt, dass vielleicht in den ersten vierzehn Tagen gleich zu viele kämen, sodass wir uns nicht um alle würden kümmern können. Und weil diese Besorgnis da war, gab es einen inneren Kampf. Wir fanden bald heraus, dass wir nicht für alle sorgen konnten, und das war die Lage, in der Gott uns haben wollte. Als Nächstes hatten wir herauszufinden, dass Gott konnte, wenn wir ihm vertrauten. Der Heilige Geist erlaubte uns ein- oder zweimal einen Misserfolg. Daraufhin gaben wir auf zu kämpfen und es selbst tun zu wollen. Wir klammerten uns an Gottes Verheißungen, flehten ihn an, uns zur Hilfe zu kommen, und er ließ uns nie im Stich.

Nach vielen schweren Erfahrungen fanden wir den Ruheort. Wir wurden wie Kellner, die in einem Restaurant bedienen: Ob zehn, fünfzehn oder zwanzig Gäste kommen würden, war nicht unser Problem. Wir wussten, dass der Restaurantleiter verlässlich war und schon für alles sorgen würde. Wir sagten dem Herrn, dass er uns so viele senden möge, wie er möchte! Alle vierzehn Tage bezahlten wir die Rechnung des Geschäfts, das uns belieferte. Wir kamen zusammen und leerten unsere Taschen. Bei einer solchen Gelegenheit, als wir gerade wieder eine große Rechnung zu begleichen hatten, sagte ein Bruder, der krank geworden war und augenblicklich nichts verdiente: ‚Ich schäme mich, dass ich heute bloß 4 ½ Pence habe. Soll ich das in die Kasse tun?‘ Die Antwort lautete: ‚Ja. Es wird damit so sein wie mit der Münze der armen Witwe.‘ Wir betraten das Geschäft, erhielten die Rechnung ausgehändigt und stellten fest, dass wir mit den 4 ½ Pence genau den Rechnungsbetrag zusammen hatten – auf Heller und Pfennig. An diesem Nachmittag lernten wir, keinesfalls die kleinen Gaben zu verachten. Immer und immer wieder konnten wir feststellen, wie das Geld genau reichte, und das freute uns mehr, als wenn wir zehn Pfund übrig behalten hätten.“

In drei Monaten hatten sie schon vielen dieser Menschen geholfen. Jeder wurde ganz neu ausstaffiert, erhielt Arbeit und bekam eine gute Unterkunft. Einige empfingen ewiges Leben. An einem Abend waren sechzehn von ihnen in der Versammlung, ordentlich angezogen, und sangen aus ganzem Herzen: „Mir ist wohl, mir ist wohl in dem Herrn.“ Ein Bruder, der neben Rees Howells saß, flüsterte diesem zu: „Ja, und nicht nur innerlich – auch äußerlich sehen sie hervorragend aus!“

Aber nur wer jemals eine solche Arbeit getan hat, kennt ihre wirklichen Kosten. Es kam vor, dass derselbe Landstreicher, den sie neu eingekleidet hatten, erneut erschien, nachdem er all diese neuen Sachen verkauft hatte, und wiederum eingekleidet zu werden wünschte! Da war eine ältere Frau, die durch das Trinken sehr heruntergekommen war und sich in den Straßen herumtrieb, um „sich umzusehen“. Sie besorgten ihr eine Unterkunft. Aber als sie an einer Lungenentzündung erkrankte, kümmerte sich weder ihr Sohn noch ihre Tochter um sie. Niemand war da, um sie zu pflegen. Rees Howells blieb eine ganze Nacht bei ihr und wachte an ihrem Bett. Als er am Morgen nach Hause kam, tadelte ihn selbst seine Mutter, dass er eine ganze Nacht bei „dieser alten Sünderin“ aufgeblieben war. Rees musste sie daran erinnern, dass wir alle nur mit „befleckten Kleidern“ zum Vater kommen und von ihm aufgenommen werden.

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