Rees Howells

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Kapitel 5

Der Heilige Geist nimmt von ihm Besitz

Rees war nach seiner Rückkehr aus Amerika wieder in sein Elternhaus eingezogen, wo man ihn mit großer Freude aufnahm. Anstatt jedoch in die Zinnhütte zurückzugehen, wo einige seiner Brüder angestellt waren, hatte er jetzt Arbeit in einem nahe gelegenen Kohlebergwerk gefunden. Er arbeitete unter Tage – es war die schwerste Tätigkeit überhaupt.

In seiner Freizeit beschäftigte er sich mit verschiedenen Dingen, die mit der Erweckung zu tun hatten. Dabei verstärkte sich bei ihm und den anderen Helfern das Gefühl von geistlicher Not immer mehr, sodass sich im Jahre 1906 eine größere Gruppe von ihnen entschloss, ihren einwöchigen Sommerurlaub auf der Glaubenskonferenz in Llandrindod Wells zu verbringen, dem walisischen Gegenstück zur englischen Keswick-Konferenz zur Vertiefung des geistlichen Lebens. Für Rees Howells sollte dies, nach seiner Wiedergeburt, das revolutionärste Ereignis seines Lebens werden.

Kurz bevor sie wegfuhren, besuchte Rees eine Versammlung in Brynamman, wo eine junge Frau Römer 8,26–30 vorlas. Sie konnte nur sehr langsam lesen. Auf diese Weise drang jedes Wort tief in sein Herz ein: „Vorherbestimmt … berufen … gerecht gemacht … verherrlicht.“ Während Rees zuhörte, wiederholte er es für sich selbst: „Ich weiß, dass ich nach seinem Ratschluss berufen und gerecht gemacht bin – aber bin ich auch verherrlicht?“ Auf diese Frage wusste er keine Antwort, und sie ließ ihn nicht mehr los: Was bedeutet es, verherrlicht zu sein?

Zwei Tage später saß er im Zug nach Llandrindod und dachte wieder darüber nach, als er plötzlich eine Stimme hörte: „Wenn du zurückkehrst, wirst du ein neuer Mensch sein.“ – „Aber ich bin doch schon ein neuer Mensch“, protestierte er. „Nein“, kam die Antwort, „du bist erst ein Kind.“ Die anderen, die mit ihm fuhren, sangen gerade das neueste Lied der Erweckung. Aber Rees hörte es nicht. Er schritt im Gang auf und ab und dachte über die Worte nach, die er gehört hatte: „Du wirst ein neuer Mensch sein.“

Am Morgen des ersten Konferenztages sprach der Prediger Evan Hopkins – vielleicht der größte Ausleger über das Leben im Geist, den Keswick hervorgebracht hat – über Epheser 2,1–6: „… Er hat uns mit Christus vom Tod auferweckt, und durch die Verbindung mit Christus haben wir schon jetzt unseren Platz in der himmlischen Welt erhalten.“ Er wies darauf hin, dass es der auferstandene Jesus Christus war, der den Jüngern nach der Auferstehung erschienen war. Als aber der Heilige Geist herabkam, offenbarte er den zur Rechten des Vaters erhöhten Erlöser. Hopkins stellte die Frage: „Seid ihr durch Christus lebendig gemacht worden? Wurdet ihr mit ihm vom Tod auferweckt, um mit ihm in den himmlischen Welten zu sitzen?“

„Die Kirche weiß mehr über Jesus, der nur dreiunddreißig Jahre auf der Erde war, als über den Heiligen Geist, der nun schon fast zweitausend Jahre hier ist.“

Rees antwortete in seinem Herzen: „Ja, ich weiß, ich wurde lebendig gemacht. Aber ich bin noch nicht mit Jesus zu jenem Ort der Kraft auferweckt worden.“ Und in dem Augenblick, als er das dachte, sah er den verherrlichten Herrn. „So wirklich, wie ich den gekreuzigten und den auferstandenen Herrn gesehen hatte, erblickte ich nun den verherrlichten Herrn. Und die Stimme, die im Zug zu mir gesprochen hatte, sagte jetzt zu mir: ‚Möchtest du dort mit ihm sitzen? Dort ist ein Platz für dich.‘ Da sah ich mich selbst dort mit ihm auferstehen. Jetzt wusste ich, was es bedeutet, mit ihm ‚verherrlicht‘ zu sein. Ich sah ihn, so wie Johannes ihn in Patmos sah, und ich war überwältigt und ‚geblendet‘ wie der Apostel Paulus. Wenn er etwas offenbart, zeigt er uns, wie es wirklich ist, und es ist keine Einbildung. Den ganzen Abend lang war ich in der Gegenwart Gottes und meines verherrlichten Erlösers. Man kann das nicht beschreiben. Es erging mir wie jenem Mann in Markus 8,24, der verwundert sagte: ‚Ich sehe Menschen umhergehen, als wären es Bäume.‘“

Am nächsten Morgen sprach Hopkins über den Heiligen Geist. Er beschrieb eindeutig, dass er eine Person ist, die, genau wie Jesus, alle Eigenschaften und Fähigkeiten einer Person besitzt. Er verfügt selbst über Weisheit, Liebe und Willen, und da er eine Person ist, muss man ihm, bevor er zu einem kommt und in einem lebt, volles Besitzrecht über seinen Körper einräumen. „Während Evan Hopkins so sprach“, erzählte Rees später, „kam der Heilige Geist zu mir, und ich erkannte ihn als denjenigen, der am Tag zuvor zu mir gesprochen hatte und mir den Platz der Herrlichkeit gezeigt hatte, den natürliche Augen niemals hätten sehen können. Vorher hatte ich noch nicht verstanden, dass der Heilige Geist genau wie Jesus eine Person ist, und dass er kommen und in Fleisch und Blut wohnen muss. Es ist tatsächlich so, dass die Kirche mehr über Jesus weiß, der nur dreiunddreißig Jahre auf der Erde war, als über den Heiligen Geist, der nun schon fast zweitausend Jahre hier ist. Ich hatte ihn mir nur als einen Einfluss, eine Kraft vorgestellt, die bei den Gottesdiensten und Treffen der Christen zum Wirken kommt, und diese Vorstellung hatten die meisten von uns in der Erweckung. Ich hatte nicht verstanden, dass er in menschlichen Körpern leben muss, so wie Jesus einen menschlichen Körper hatte, als er auf der Erde war.“

Dieses Erlebnis mit dem Heiligen Geist war für Rees genauso real wie seine Begegnung mit Gott selbst, die er vor Jahren gehabt hatte. „Ich sah ihn als eine Person, getrennt von Fleisch und Blut, und er sagte zu mir: ‚So wie der Erlöser einen Körper hatte, so wohne ich in den gereinigten Tempeln der Gläubigen. Ich bin eine Person. Ich bin Gott, und ich bin gekommen, um dich zu bitten, mir deinen Körper zu geben, damit ich durch ihn wirken kann. Ich brauche einen Körper als meinen Tempel (1. Kor. 6,19), aber er muss mir ohne Einschränkung ganz gehören, denn zwei Personen mit unterschiedlichem Willen können nicht im selben Körper leben. Willst du mir deinen geben (Röm. 12,1)? Aber wenn ich in deinen Körper komme, komme ich als Gott, und du musst dann hinausgehen (Kol. 3,2–3). Ich werde mich keinesfalls mit deinem Ich verbinden.‘

Er machte mir ganz klar, dass er nie mein Leben mit mir teilen würde. Ich erkannte die Ehre, die er mir damit erwies, dass er in mir wohnen wollte. Aber es gab in meinem Leben viele Dinge, die mir hoch und teuer waren, und ich wusste, dass er mir nicht eines davon lassen würde. Ich war mir vollkommen im Klaren darüber, was für eine Änderung er schaffen würde. Es bedeutete, dass jeder Teil meiner gefallenen Natur zum Kreuz gebracht, also in den Tod gegeben werden musste, und dann würde er sein Leben und seine Natur in mich hineinbringen.“

Es handelte sich somit um eine bedingungslose Übergabe. Rees verließ die Versammlung und ging ins Freie, hinaus aufs Feld. Er weinte und rang mit sich selbst, denn, so sagte er später: „Es war, als hätte ich ein Todesurteil erhalten, wie ein Gefangener auf der Anklagebank. Sechsundzwanzig Jahre hatte ich in meinem Körper gelebt. Konnte ich ihn nun einfach so leichtfertig aufgeben? Wer könnte sein Leben innerhalb einer Stunde aufgeben und einer anderen Person schenken? Wenn es leicht wäre, zu sterben – warum kämpft der Mensch dann um sein Leben, wenn er dem Tod ins Auge sieht? Andererseits wusste ich, dass die alte Natur nirgends hingehörte als an das Kreuz. Paulus hat das in Römer 6 sehr klar herausgestellt. Wenn dieser Akt einmal vollzogen ist, gilt er für immer. In diese bedingungslose Übergabe konnte ich nicht so ohne Weiteres einwilligen. Ich wollte gern, aber – ach! – der Preis war so hoch. Ich weinte tagelang. Ich nahm sieben Pfund an Gewicht ab, einfach nur deshalb, weil ich verstand, was der Heilige Geist mir da vorschlug. Wie sehr wünschte ich doch, ich hätte es nie erkannt! Der Heilige Geist erinnerte mich auch daran, dass er nur gekommen war, zu nehmen, was ich meinem Gott schon vor langer Zeit versprochen hatte – nämlich mein ganzes Leben und nicht nur einen Teil davon. Da er für mich starb, war ich ‚in ihm‘ auch gestorben, und ich wusste, dass mein neues Leben nicht mir, sondern ihm gehörte. Das war mir schon seit drei Jahren klar. So war er eigentlich nur gekommen, um zu nehmen, was bereits sein Eigentum war. Ich sah ein, dass nur der Heilige Geist in mir so wie der Herr selbst leben konnte. Mein Inneres stimmte allem, was er sagte, zu. Es handelte sich nur um die Kosten, zu denen ich bereit sein musste, wenn ich es tat. Ich gab meine Antwort nicht sofort, und das wollte er auch gar nicht.“

Es brauchte fünf Tage, bis Rees seine Entscheidung traf – Tage, die er allein mit Gott verbrachte. „Ich betrachtete die Heiligkeit Gottes wie Jesaja“, erzählte er darüber, „und während ich ihn so sah, erkannte ich meine eigene verdorbene Natur. Es waren nicht Sünden, die ich dabei sah, sondern die durch den Sündenfall befleckte Natur. Ich war schlecht bis ins Innerste. Ich bemerkte, wie sehr diese Natur der Reinigung bedurfte. Der Unterschied zwischen dem Heiligen Geist und mir war wie der zwischen Licht und Finsternis.

Nichts ist wirklicher für mich als der Prozess, den ich in jener Woche durchmachte“, fuhr er fort. „Der Heilige Geist arbeitete weiter an mir, indem er die Wurzel dieser bösen Natur – das Ich – entlarvte. Jede Veränderung muss von der Wurzel her geschehen. Die Sünde war bezahlt. Nicht die Sünde war es also, mit der er sich nun befasste, sondern das Ich. Es ging um jene Natur, die aus dem Sündenfall hervorgegangen war. Er war nicht gewillt, sich mit einer oberflächlichen Übergabe zufriedenzugeben. Nein, er legte den Finger auf jeden einzelnen Teil meines Ich-Lebens, und ich hatte mich einfach zu entscheiden. Nicht einen einzigen konnte er ohne meine Zustimmung wegnehmen. In dem Augenblick, da ich diese Zustimmung gab, fand eine Reinigung statt (Jes. 6,5–7), und von da an konnte ich die betreffende Sache nie mehr antasten. Es war nicht so, dass ich sagte, ich sei gereinigt, während mir die Sache in Wirklichkeit weiter anhaftete – nein, es war ein vollkommener Bruch, und dann nahm der Heilige Geist sie unter seine Herrschaft. So ging es Tag für Tag weiter. Er kam als Gott zu mir, ich aber hatte bisher als Mensch wie alle anderen gelebt. So sagte er mir jetzt: ‚Was für einen Durchschnittsmenschen zulässig ist, wird dir nicht erlaubt sein.‘“

 

Sein „Llandrindod-Erlebnis“ war die Wende, der sodann der Prozess der Heiligung nachfolgte (siehe sein Bericht darüber im 14. Kapitel), bei dem der Heilige Geist auf der Grundlage seiner ersten Übergabe Schritt für Schritt die Ich-Natur umwandelte und durch die göttliche Natur ersetzte (2. Petr. 1,5). Da war zuerst die Liebe zum Geld, diese „Wurzel allen Übels“, die Rees anfangs nach Amerika getrieben hatte. Gott sagte ihm, dass er jegliches Gefallen am Geld aus ihm entfernen würde sowie auch alles Streben nach Geldbesitz. „Ich musste überlegen, was das bedeutete“, sagte Rees. „Geld sollte für mich nicht mehr sein, als es für Johannes den Täufer oder für Jesus war. Bis zu einem gewissen Grad hatte ich mich damit schon bei meiner Wiedergeburt befasst. Nun aber ging der Heilige Geist an die Wurzel heran.“ Einen ganzen Tag hatte er mit dieser Sache zu tun, doch am Abend hatte sich seine „Einstellung zum Geld vollkommen gewandelt“.

Als Nächstes kam die Tatsache, dass er nicht das Recht haben würde, nach eigenem Belieben eine Familie zu gründen. „Ich erkannte, dass ich niemals mein Leben einer anderen Person schenken konnte, um mit ihr und für diese Person allein zu leben. Konnte denn der Herr sein Leben und seine Aufmerksamkeit einer einzigen Person schenken – statt einer verlorenen Welt? So konnte es der Heilige Geist auch nicht. Er nahm sich reichlich Zeit, mir genau zu zeigen, was das bedeutete: Das Leben, das er in mir leben würde, galt der gesamten Welt. War ich dazu bereit?“

Eine andere Sache, mit der er sich auseinanderzusetzen hatte, war sein Ehrgeiz. Wie war es ihm möglich, Ambitionen zu verfolgen, wenn der Heilige Geist in ihn gekommen war? Gott zeigte ihm das an folgendem Beispiel: Angenommen, er hätte eine Mission an einem Ort, und eine andere Mission ließe sich am gleichen Ort nieder: Wenn es dann zu Schwierigkeiten zwischen den beiden Missionen käme, sodass es für die Stadt besser wäre, nur eine Mission zu haben, müsste seine Mission sich zurückziehen. Oder wenn er und ein anderer Mann sich um die gleiche Stelle bewerben würden, müsste er die Stelle dem anderen überlassen. Oder wenn er mit einem Mann zusammenarbeitete, der weniger als er verdiente, obwohl er eine Familie hatte, dann konnte es sein, dass der Heilige Geist ihm befahl, dem anderen seine Stelle abzutreten. Würde er dazu bereit sein? Ja, er war dazu bereit.

Am fünften Tag ging es um sein Ansehen vor der Welt. Er dachte an Männer der Bibel, die vom Heiligen Geist erfüllt waren, und da besonders an Johannes den Täufer, und der Herr sagte zu ihm: „Es ist möglich, dass ich durch dich ein ähnliches Leben führen werde wie durch ihn.“ Ein Mann, nur mit Kamelhaar bekleidet und abgeschieden in der Wüste lebend? Auch in dieser Sache, oder was die moderne Entsprechung davon sein mochte, musste eine gültige Entscheidung getroffen werden. „Wenn ich mein Leben in dir lebe, und dieses wäre die Art von Leben, die ich wähle, kannst du mich nicht daran hindern.“ So lautete Gottes Wort. Da der Herr selbst verachtet war, musste auch er bereit sein, verachtet zu werden.

Bis Freitagabend hatte er sich allen diesen Punkten gestellt. Er wusste genau, worum es ging: Er hatte die Wahl zwischen zeitlichem und ewigem Gewinn. Der Heilige Geist fasste das Ergebnis wie folgt zusammen: „Auf keinen Fall werde ich dir erlauben, auch nur einen Gedanken an dein Ich zu hängen. Das Leben, das ich in dir leben werde, wird zu hundert Prozent anderen gelten. Du wirst dich niemals schonen können, ebenso wenig wie es Gott selbst konnte, als er auf der Erde war. Also, bist du bereit?“ Er hatte eine endgültige Antwort zu geben.

An diesem Abend sagte ein Freund zu ihm: „Wenn einige von uns heute nach dem Treffen zu dir kämen, würdest du uns dann etwas über deine Stellung in Christus sagen?“ Sofort forderte ihn der Heilige Geist heraus: „Wie kannst du das denn? Du hast die Stellung der Überwinder zwar gesehen, aber du bist noch nicht in sie eingetreten. Ich habe fünf Tage an dir gearbeitet. Heute Abend um sechs Uhr muss deine Entscheidung fallen. Und denke daran: Dein Wille muss weichen. Auf keinen Fall werde ich dir erlauben, eine Gegenströmung hineinzubringen. Wohin ich dich sende, dorthin wirst du gehen. Was ich dir sage, das wirst du tun.“ Es war die Endschlacht um den Willen.

„Ich bat ihn um mehr Zeit“, fuhr Rees fort, „aber er sagte: ‚Du wirst keine Minute nach sechs Uhr mehr haben.‘ Als ich das hörte, fühlte es sich so an, als ob ein wildes Tier in mir aufgeweckt würde. ‚Du hast mir einen freien Willen gegeben‘, begehrte ich auf, ‚und nun zwingst du mich, ihn aufzugeben.‘ – ‚Ich zwinge dich nicht‘, erwiderte er, ‚aber behauptest du nicht seit drei Jahren, dass du nicht dir selbst gehörst und den Wunsch hast, dein Leben so vollständig Gott auszuliefern, wie er das Seine für dich hingab?‘ Ich verstummte augenblicklich. Die Art, wie ich gesprochen hatte, stellte eine Beleidigung der Dreieinigkeit dar. ‚Es tut mir leid‘, sagte ich, ‚ich habe es nicht so gemeint.‘ – ‚Du wirst nicht gezwungen, deinen Willen aufzugeben‘, griff er die Sache von Neuem auf, ‚aber um sechs Uhr werde ich deine Entscheidung entgegennehmen. Danach wirst du nie mehr eine Gelegenheit haben!‘ Es war also das letzte Angebot, die letzte Chance! Ich sah den Thron (Offb. 3,21) und all meine Aussichten auf die Ewigkeit dahinschwinden. Da sagte ich: ‚Bitte vergib mir. Ich möchte es tun.‘

Noch einmal kam die Frage: ‚Bist du bereit?‘ Es war zehn Minuten vor sechs. Ich wollte es tun, aber ich konnte nicht. Der Verstand ist messerscharf, wenn man so auf die Probe gestellt wird. Der Gedanke blitzte in mir auf: Wie kann das Ich bereit sein, das Ich aufzugeben? Nun war es schon fünf Minuten vor sechs. Mir schwindelte vor diesen letzten fünf Minuten. Ich konnte das Ticken der Uhr zählen. Dann sprach der Heilige Geist erneut zu mir: ‚Wenn du es nicht schaffst, bereit zu sein, willst du mir dann wenigstens erlauben, dir dabei zu helfen? Willigst du ein, dass ich dich willig mache?‘“

„Ich wurde augenblicklich in ein anderes Reich versetzt.

Dort hörte ich Gott zu mir sprechen, und seitdem lebe ich in diesem Reich.“

„‚Sei bloß vorsichtig‘, flüsterte der Feind mir zu. ‚Wenn ein Stärkerer dir gegenübersteht und dich willig machen möchte, bereit zu sein, dann ist das doch dasselbe wie von vornherein bereit zu sein.‘ Während ich über diesen Punkt nachdachte, schaute ich wieder auf die Uhr. Es war nun eine Minute vor sechs. Da senkte ich den Kopf und sagte: ‚Herr, ich bin bereit.‘“

Innerhalb einer Stunde hatte die dritte Person der Gottheit von ihm Besitz genommen. Es wurde ihm das Wort in Hebräer 10,19 gegeben: „Brüder, weil wir nun durch das Blut Jesu das zuversichtliche Vertrauen zum Eintritt ins Heiligtum haben (…).“ – „Ich wurde augenblicklich in ein anderes Reich versetzt“, sagte Rees, „innerhalb des Vorhangs, wo der Vater, der Sohn und der Heilige Geist leben. Dort hörte ich Gott zu mir sprechen, und seitdem lebe ich in diesem Reich. Wenn der Heilige Geist bei uns einzieht, kommt er, um auf ewig in uns zu wohnen. Dank dem Blut Jesu. Ihm sei die Ehre!

Wie sehr verehrte ich die Gnade Gottes! Es ist Gott, der uns die Reue und Umkehr ermöglicht. Es war Gott, der mir half, meinen Willen aufzugeben. In dieser Woche hatte er mich um einiges gebeten, das ich hergeben konnte, weil ich Herr darüber war. Aber als er mich bat, mein Ich und meinen Willen aufzugeben, merkte ich, dass ich das nicht konnte – bis er mir durchhalf.“

Ein Augenzeuge berichtet, dass das kleine Treffen an jenem Abend mit Worten nicht zu beschreiben sei: Die Herrlichkeit Gottes kam herab. Rees stimmte das Lied an: „Da ist Kraft in dem Blut.“ Sie sangen zwei Stunden ohne Pause und konnten nicht aufhören. Anschließend, von 9 bis halb 3 Uhr nachts, „redete der Heilige Geist über Dinge zu uns, die ich mir nie erträumt hätte, und Gott wurde erhoben“.

Als er am nächsten Morgen aufwachte, sagte er: „Ich begriff, dass der Heilige Geist für immer in mir Wohnung genommen hatte. Mir war zumute wie: ‚Er führte mich ins Weinhaus, und die Liebe ist sein Banner über mir‘ (Hl. 2,4). Es ist unmöglich, die Freudefluten zu beschreiben, die nun folgten.“

Rees Howells war kein geborener Redner. Er war normalerweise still und zurückgezogen. Als aber der Heilige Geist bei ihm einzog, löste er ihm die Zunge und erfüllte ihn mit seiner eigenen Kraft und Unverzagtheit. An jenem Morgen fand eine Lobpreisversammlung in einem Zelt statt, bei der etwa tausend Menschen anwesend waren, darunter um die zweihundert Pfarrer und Prediger. Der erste, den Rees erblickte, war sein eigener Pfarrer, und wenn irgendetwas ihn vom Sprechen hätte abhalten können, dann war es dessen Anwesenheit. Dennoch stand er während der Versammlung auf und berichtete allen klar und ruhig, dass der Heilige Geist, ebenso wie er damals an Pfingsten zu den Aposteln gekommen war, nun auch zu ihm gekommen sei und ähnliche Resultate hervorbringen würde. Er rief sie alle als Zeugen an. Die Folge davon war, dass in der darauffolgenden Woche, als sich eine große Menschenmenge versammelte, um einen berühmten Prediger zu hören, buchstäblich Hunderte zu Rees kamen und ihn darüber befragten, wie es abgelaufen war, als der Heilige Geist in ihm Wohnung nahm. Dies war der erste von jenen Strömen, die – wie Jesus sagte – aus dessen Leibe fließen sollen, der den Geist empfangen hat.

Kapitel 6

Die Liebe zu einem Ausgestoßenen

Wenn der göttliche Eigentümer ein Eigentum in Besitz nimmt, hat er ein zweifaches Ziel: intensive Kultivierung und reiche Fruchtbarkeit. War der Boden bis dahin vernachlässigt worden, kann er ihn nur langsam, sozusagen Stück für Stück, kultivieren und fruchtbar machen. Wir werden ihm nun bei der Arbeit auf diesem neuen Stück Ackerland zusehen.

Das erste Ackerstück, das er sich in Rees Howells vornahm, war das Gebetsleben. Rees war es gewohnt, allgemeingefasste Gebete zu beten. Wenn ihn jemand gefragt hätte, ob er wüsste, dass er auf seine Gebete eine Antwort bekommen würde, hätte er nichts darauf zu erwidern gewusst. Jetzt lehrte ihn der Geist: „Der Sinn des Gebets ist die Erhörung. Sieh zu, dass du nichts von dem verlierst, was ich dir gebe.“ Er sagte ihm auch, dass wirksames Gebet geleitetes Gebet sein müsse. Von nun an sollte er nicht mehr für alles Mögliche beten, wie es ihm in den Sinn kam, sondern er hatte sich auch im Gebet vom Heiligen Geist führen zu lassen.

Damit verbunden war auch eine andere wichtige Lektion, und zwar sollte er Gott niemals mehr darum bitten, ein Gebet durch andere zu erhören, wenn er es auch durch ihn selbst erhören konnte. Das schloss auch sein Geld mit ein. Wenn beispielsweise um Geld gebetet wurde, musste er erlauben, dass auch sein eigenes gebraucht wurde. Der Heilige Geist zeigte ihm, dass er, als er noch nicht völlig ausgeliefert war, Gott lang und breit um Mittel für die Missionsfelder und ähnliche Zwecke hatte bitten können, ohne bereit zu sein, dass Gott dieses Gebet durch ihn selbst erhörte. Der Heilige Geist zeigte ihm, dass wir dem Herrn oft „lästig werden mit unserem Gerede“ (siehe Mal. 2,17). All dieses Unechte musste beseitigt und das Wort Gottes ganz praktisch verwirklicht werden.

Das erste Gebet dieser Art, das der Heilige Geist durch ihn betete, war für einen jungen Mann namens Will Battery. Dieser lebte erst seit einigen Jahren in der Gegend und wohnte bei einem Onkel. Nach einer Hirnhautentzündung war er sehr geschwächt. In dieser Zeit hatte der Alkohol Macht über ihn gewonnen und es erging ihm immer schlechter. Die letzten beiden Jahre hatte er keine Nacht mehr im Bett geschlafen, stattdessen hatte er die Nächte im Heizkesselraum der Zinnhütte verbracht. Er war schmutzig und unrasiert. Er trug keine Socken und band nie seine Schnürsenkel zu. Als die Erweckung in dem Gebiet ihren Lauf nahm und Hunderte sich bekehrten, hatte doch niemand Will Battery erreicht. Für diesen Menschen, so stellte Rees Howells zu seinem eigenen Erstaunen fest, drängte ihn der Heilige Geist zu beten. Er sollte ihn hindurchbeten zu Gesundheit und zu seiner Errettung und sollte ihn lieben „nicht mit Worten, sondern mit Tat und Wahrheit“ (1. Joh. 3,18). „Mir selbst wäre es nie in den Sinn gekommen, ihn zu lieben“, sagte er, „aber wenn der Heilige Geist in einen kommt, bringt er die Liebe des Heilands mit sich. Mir war, als ob ich mein Leben für diesen Mann hingeben könnte. Es strömte eine solche Liebe aus mir hervor, wie ich sie nie zuvor gekannt hatte. Menschlich gesprochen wäre er der Letzte gewesen, mit dem ich meine Freizeit hätte verbringen wollen, und die Zinnhütte der letzte Ort, der mich anziehen konnte.“

 

In seinen freien Stunden machte er diesen Mann zu seinem Freund und verbrachte alle Sonntage mit ihm. Er hatte mehr Freude daran, diesen einen zu gewinnen, als in der Kirche bei den anderen Gläubigen zu sein. Er ging sogar mit ihm im Dorf spazieren, obwohl er sich genierte, wenn sich die Leute nach ihnen umdrehten und ihnen nachstarrten. Doch „der Herr half mir auch da durch“, erzählte er später.

Etwa zehn Tage vor Weihnachten fragte ihn der Heilige Geist, was er sich wünsche, da dies das erste Weihnachtsfest sei, seit er in sein Leben gekommen war. Rees’ Wunsch lag klar auf der Hand: Will Battery sollte gesegnet werden. Aber von diesem Tag an war Battery verschwunden!

„Ich suchte ihn zehn Abende lang, wie eine Mutter ihr Kind sucht. Ich kannte die Wirkungsweise des Heiligen Geistes noch nicht und verstand nicht, dass er mein Vertrauen wollte.“ Dann, am letzten Tag vor Weihnachten, tauchte Battery plötzlich wieder auf. Er kam Rees besuchen. „Ich höre noch heute seine Schritte“, sagte Rees. „Welch ein Jubel war da in mir! Ich hatte bis dahin nicht die leiseste Idee von der Liebe des Heiligen Geistes zu einer verlorenen Seele, bis er es durch mich tat. Was für einen Abend hatten wir da zusammen! Am nächsten Tag hatte ich die Freude, mein erstes Weihnachtsfest zu feiern, seitdem der Heilige Geist in mich gekommen war – und zwar in der Zinnhütte zusammen mit diesem jungen Mann: Acht Stunden verbrachten wir miteinander. Meine Mutter gab mir einen Korb mit weihnachtlichen Speisen für uns beide mit, aber meine Freude war zu groß, als dass ich hätte essen können. Battery bekam alles. Um vier Uhr fragte er mich, ob er mit mir zum Gottesdienst kommen könne. Was für eine Freude war es, mit ihm dorthin zu gehen! Ich hatte ihn nie von mir aus gebeten mitzukommen – in der Befürchtung, ihn vor den Kopf zu stoßen.“

Dieser Mann war einer der schlimmsten Trunkenbolde, und es erregte daher großes Aufsehen, als er während der Erweckungszeit seine Sünde erkannte und in einer Gebetsversammlung die Erlösung in Christus annahm.

Aber das Werk an ihm war nicht in wenigen Wochen oder Monaten getan. Schritt für Schritt wurde er sozusagen emporgehoben, bis Rees ihm eine Unterkunft und Arbeit im Bergwerk besorgen konnte. Aber auch dann gab es noch Entgleisungen. So wurde Rees beispielsweise zu einer ärgerlichen Wirtin gerufen. Will Battery war mitsamt seiner Arbeitskleidung und den Stiefeln zu Bett gegangen! Ohne zu zögern, bat Rees sie, die Bettwäsche auf seine Kosten in die Wäscherei zu geben. Schließlich kam der Tag, an dem die Leute aus der Gemeinde erstaunt sahen, dass Battery ordentlich gekleidet im Gottesdienst saß. Allerdings verstrichen bis zum endgültigen Sieg drei volle Jahre. Erst dann gelang es Rees, seinen Freund dazu zu bringen, dass er zu seiner Mutter, die eine bekehrte Frau war und jahrelang für ihn gebetet hatte, nach Hause ging. „Auf diese Weise“, sagte Rees Howells, „fing ich bei der untersten Stufe an und liebte zunächst einen, und wenn man einen liebt, kann man auch viele lieben, und wenn man viele liebt, kann man alle lieben.“

Der zweite Mensch, für den der Heilige Geist Rees beten ließ, war Jim Stakes, der eigentlich James Thomas hieß. Der Heilige Geist lehrte Rees durch diesen Fall, was „fürstliches Geben“ ist. Darüber sagte er später Folgendes: „Seitdem mein Geld dem neuen Menschen in mir gehört, hat der alte Mensch nicht mehr darüber zu bestimmen. Der neue Mensch in mir ist von Natur aus viel freigebiger als der alte. Der alte hat so lange in Ägypten und später in der Wüste unter dem Gesetz gelebt, dass es schon viel für ihn bedeutete, wenn er den Zehnten gab. Wenn daher der neue Mensch fürstliche Gaben geben möchte, stellt der Heilige Geist zuerst einmal die Realität der Übergabe auf die Probe. Erweist sie sich als echt, werden später keine Konflikte entstehen, wenn es einmal um große Summen geht.“ Die Probe bestand für Rees in der Person von Jim Stakes.

Dieser Mann hatte einen so niederen Charakter, dass über ihn gesagt wurde: „Was Jim Stakes nicht tut, dazu ist auch der Teufel nicht fähig!“ Er war einer der schlimmsten Trunkenbolde, und es erregte daher großes Aufsehen, als er während der Erweckungszeit seine Sünde erkannte und in einer Gebetsversammlung die Erlösung in Christus annahm. Er hatte ein Haus voll Kinder und war durch seine Alkoholsucht in große Armut geraten. Rees war ihm nur ein einziges Mal begegnet, hatte jedoch schon viel von ihm gehört. Eines Morgens, als er sich im Gebet befand, trat dieser Mann plötzlich und ganz unerwartet vor sein geistiges Auge und „stand vor ihm“.

„Ich habe davor nie eine Ahnung von solch einem Kampf um eine Seele in der geistlichen Welt gehabt“, sagte Rees. „Eine Stunde lang war alles, was ich tun konnte, dem Heiligen Geist zu erlauben, durch mich zu beten. Ich erkannte, wie der Teufel ihn angriff, und dass er, wenn er ihn wieder herumbekäme, der Erweckung hervorragend entgegenarbeiten konnte. Ich sah, dass dies ein Kampf zwischen Gott und dem Teufel um diese eine Seele war, und ich sagte dem Herrn, ich wolle alles tun, wenn er ihn aufrechthalten würde.“

Noch am selben Abend stand ein Mann an Rees’ Tür, um ihn zu besuchen. Nie hatte Rees eine größere Überraschung erlebt. Es war Jim Stakes! Er war zwei Meilen hergewandert, weil – wie er sagte – am Vormittag, als er im Bergwerk arbeitete, um zehn Uhr plötzlich Rees Howells „vor ihm gestanden“ habe. Es war dieselbe Zeit, als auch Jim Stakes vor Rees „gestanden“ und sich die Gebetslast auf sein Herz gelegt hatte!

„Sind Sie in Schwierigkeiten?“, fragte ihn Rees. Das traf tatsächlich zu. Er war zwei Jahre mit seiner Miete im Rückstand und am Morgen war der Gerichtsvollzieher erschienen und hatte seine Möbel versiegelt. Bald würden sie abgeholt werden. Zwei Jahre Mietrückstand! Das war eine Menge Geld. Nach kurzem Zögern sagte Rees: „Ich gebe Ihnen das Geld für ein Jahr Miete und ich glaube, ein Freund von mir wird Ihnen die andere Hälfte geben.“ Er ging die Treppe hinauf, um das Geld zu holen. Aber noch ehe er die oberste Stufe erreicht hatte, sprach der Heilige Geist zu ihm: „Hast du nicht heute Morgen zu mir gesagt, dass du alles hergeben wolltest, damit er gerettet würde? Warum gibst du ihm dann bloß die Hälfte? Hat Gott nicht deine ganze Schuld bezahlt und dich befreit?“

Rees Howells drehte auf der Stelle um und lief die Treppe wieder hinunter. Er sagte zu dem Mann: „Es tut mir leid, dass ich Ihnen nur die Miete für ein Jahr geben wollte. Ich soll Ihnen die Miete für beide Jahre geben und alles, was Sie sonst noch brauchen. Ich soll Ihnen so helfen, dass der Teufel diese Situation nicht mehr benutzen kann, um an Sie heranzukommen.“

„In dem gleichen Augenblick, als ich das sagte“, berichtete Rees Howells später, „spürte ich die Freude des Himmels in mir. Es war, als ob irgendetwas in mir aufschnappte, und von da an war Geben für mich stets seliger als Nehmen.“ Die Summe, die er ihm aushändigte, betrug siebzig Pfund.