Deadforce

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Aus der Reihe: Deadforce #1
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Kapitel V: Das Reich der Gleichheit

Bevor er vom Kaiserpalast losgestürmt war, hatte Julian Theodor noch einmal um Hilfe gebeten. Dieser erklärte ihm, dass Pferdekutschen für Reisen außerhalb sich am äußeren Rand der Stadt, außerhalb der goldenen Stadtmauer befanden. Dort sollte er eine bekommen. Julian machte sich dorthin auf. Um die Kutsche auch bezahlen zu können, hatte ihm Theodor wieder den Geldbeutel gegeben, den er ihm schon am Vortag für das Essen mitgegeben hatte. Als er die Altstadt verließ, kam er an einer Station mit Kutschen vorbei. Diese fuhren ausschließlich innerhalb der Stadtmauer aber außerhalb der Altstadt. Damit konnten Leute die weit vom Zentrum entfernt wohnten schneller dorthin gelangen, sollten sie einmal wichtige Angelegenheiten dort klären müssen oder einen Ausflug dorthin machen wollen. Obwohl es noch sehr früh war, herrschte hier bereits reger Betrieb. Schließlich setzte sich Julian in eine Kutsche, deren Fahrer ihm versicherte, dass sie zum Südtor fuhr. Gegen 5 Silberlinge, was im Vergleich zum überteuerten Essen im "Zum Goldhaus" geradezu ein Schnäppchen war, wurde Julian bequem bis zum Südtor kutschiert. Er teilte sich die Kabine mit drei anderen Leuten, die ebenfalls nach Süden wollten. Einer stieg irgendwo auf halber Strecke aus, die zwei anderen fuhren ebenfalls bis zum Südtor. Nach einer Fahrt von ungefähr einer Stunde, wobei die Kutsche stets zügig unterwegs war, erreichten sie das südliche Stadttor und als Julian dieses passiert hatte, erspähte er sofort Stallungen, bei denen sich Pferde herumtrieben. Dort fragte er nach, wann die nächste Pferdekutsche losfahren würde.

"Tut mir leid, mein Herr, aber die Kutschen fahren erst ab 10 Uhr."

Es war gerade 8 Uhr morgens.

"Ich muss aber so schnell wie möglich ans Meer. Wie kann ich noch dorthin gelangen, ohne ewig zu warten?"

"Nun, lasst mich mal sehen. Ihr könntet ein Pferd kaufen und selbst reiten. Wie viel Geld tragt Ihr bei Euch?"

"Wie wäre es mit 25 Silberlingen?"

"Zu Eurem Pech kostet ein Pferd aber 150 Silberlinge."

"Aber ich brauche dringend eines. Ich muss doch die anderen Reiche davon überzeugen, dass sie uns Unterstützung schicken. Ich bin im Auftrag des Kaisers unterwegs."

"Im Auftrag des Kaisers? Das kann ja jeder behaupten. Habt Ihr denn etwas, dass das auch beweist?"

Da fiel Julian das Siegel ein, welches ihm Kaiser Theron verliehen hatte. Er zeigte es dem Mann und schon bald saß er auf einem schnellen Schimmel, der alles gab, um Julian so schnell es ging ans Meer zu bringen. Der Mann bestand darauf, dass Julian auch noch eine Karte von Europa mitnahm, um seine Route verfolgen und überwachen zu können. Bei einer Karte, die so undetailliert ein so großes Gebiet zeigte, war das nicht einfach, doch es musste reichen und war besser, als keine Karte. Julian konnte außerdem nicht reiten, doch der Mann war so freundlich, ihm die Grundzüge schnell beizubringen. Es war zwar noch eine Herausforderung, aber es funktionierte. Während er weiter südwärts, in Richtung Meer ritt, dachte Julian darüber nach, was ihm das kaiserliche Siegel für Vorteile bringen würde. Davon abgesehen war er schon sehr aufgeregt, Raspetanien endlich zu besichtigen. Er besaß keine Erinnerungen daran aus seiner Kindheit. Umso spannender war es nun, das Reich zu bereisen, in dem er geboren war. Doch davor erwartete ihn noch ein langer Weg. Schon bald gab Julians Pferd alles und brachte ihn schnell voran. Doch nachdem er den ganzen Tag bis abends geritten war, wurde das Pferd langsamer. Es hatte die Grenze seiner Belastbarkeit erreicht und brauchte dringend Nahrung. Also hielt Julian in einem kleinen Dorf, welches sich in einem von Bergen umgrenzten Tal befand. Soweit er wusste, musste er noch in Anthem Gows sein. Die Leute im Dorf waren sehr freundlich und als Julian ihnen das Siegel des Kaisers zeigte, boten sie ihm und seinem Pferd Verpflegung sowie eine Unterkunft für die Nacht an. Es war sinnlos, in der Nacht weiter reiten zu wollen. Das Pferd konnte nicht so gut sehen und Julian ebenso wenig. So konnte schneller ein Unfall geschehen, der Julian nur noch mehr Zeit kosten würde. Dafür hatte er keinen Platz in seinem Plan. Also ruhte er sich über die Nacht aus und am nächsten Tag brach er früh auf. Am Abend zuvor hatte er sich noch von den Leuten im Dorf zeigen lassen, wo genau sie sich befanden. Ohne Zweifel lag das umliegende Land noch in Anthem Gows. In der Nähe gab es sogar einen großen See. Außerdem hatte Julian schon gut die Hälfte des Weges von der goldenen Stadt zum Meer zurückgelegt. Am zweiten Tag war es jedoch umso schwieriger, weil sich viele Berge Julian in den Weg stellten. Meistens ritt er lange Täler bis zum Ende, wo er dann mühsam über schmale Pfade die Berge besteigen musste. Die Hälfte der Zeit ging er zu Fuß neben dem Pferd, weil er sich so sicherer fühlte. Das Pferd war auch nicht gerade berauscht darüber, die Berge erklimmen zu dürfen. Manchmal gab es natürliche Höhlen, die an einer Seite in den Berg hinein und auf der anderen wieder hinausführten. Dann gab es Berge, die recht leicht zu besteigen und schnell überwunden waren. Dennoch nahm das viel Zeit in Anspruch und als schließlich die schlimmsten Berge hinter den beiden lagen und Julian endlich wieder auf freiem Felde reiten konnte, sah er im Westen schon die Sonne langsam verschwinden. Der zweite Tag war vergangen. Doch nun konnte es nicht mehr allzu weit sein. In einem einsamen Haus, das Julian inmitten von unendlich weiten Feldern und Wiesen fand, traf er auf ein altes Ehepaar, welches ihm gerne aushalf. Er musste nicht einmal das kaiserliche Siegel herzeigen und das war auch besser so. Denn die beiden verrieten ihm, dass er sich bereits in Falteritanien befand und die Hafenstadt Genòa nur noch einen Tagesmarsch entfernt lag. "Das sollte mit dem Pferd schnell zu bewältigen sein.", dachte sich Julian. Sein Pferd wurde wie auch am Vortag wieder versorgt und konnte sich von den anstrengenden Anstiegen auf die Berge erholen. Am nächsten Tag brach Julian wie gehabt früh auf und erreichte schon am frühen Nachmittag Genòa, ihres Zeichens die Hafenstadt Falteritaniens, die den Schiffsverkehr in westliche Richtung abwickelte. Alles, was nicht innerhalb des Mittelmeeres blieb, sondern sich durch den schmalen Mittelmeerpass zwischen Selvunia und Raspetanien hinaus in die weiten Ozeane der Welt bewegte, lief dort aus. Umgekehrt kam auch fast alles, was von außerhalb des Mittelmeeres eintraf, in Genòa an. Julian wollte nur über das Mittelmeer hinab zur Nordküste Raspetaniens, doch auch das war von hier aus möglich. Zunächst verkaufte Julian sein Pferd an einen Händler und bekam dafür immerhin 70 Silberlinge. Das kaiserliche Siegel hätte ihm beinahe das Geschäft versaut und außerdem hätte die Stadtwache ihn fast schon genauer unter die Lupe genommen. In einem Gefängnis zu landen und sich von Haggar Borrians Wachen befragen zu lassen, war das letzte, was er jetzt brauchen konnte. Natürlich konnte Julian gleich den nach Kaiser Therons Aussage alles andere als freundlichen König Falteritaniens um Hilfe bitten, doch wenn diesem irgendwas an ihm nicht gefiel, dann würde er vielleicht gleich exekutiert oder weggesperrt werden und wer sollte dann die anderen Reiche um Hilfe bitten? Nein, Haggar Borrian musste warten. Soviel stand fest. Wenn Julian sich Mühe gab, waren sie womöglich gar nicht mehr auf ihn angewiesen. Nun bestand die erste Aufgabe also darin, ein Schiff zu finden, das nach Raspetanien segelte. Schon bald hatte Julian ein großes Segelschiff entdeckt, auf das immer mehr Leute marschierten. Auch viele dunkelhäutige Menschen, die den Großteil der raspetanischen Bevölkerung ausmachten, befanden sich auf dem Schiff. Dann fragte Julian einen Mann mit sehr dunkler Haut und kahl rasiertem Kopf in einem knallgelben Gewand, ob das sein Schiff sei. Er stand selbstbewusst davor und sah jeden, der das Schiff bestieg, genau an. Deshalb nahm Julian an, dass er vielleicht der Kapitän sei.

"Verzeiht, aber gehört Euch dieses Schiff?", fragte Julian.

"Das kann man so sagen, mein Freund.", antwortete der Fremde. "Aber wo bleiben denn meine Manieren. Ich bin Odobar, Prinz des Nebels und Sohn des Statthalters von Bar Golan, der Handelsmetropole Raspetaniens. Mit wem habe ich das Vergnügen?"

"Ich bin Julian aus Anthem Gows und ursprünglich bin auch ich in Raspetanien geboren. Es freut mich, Euch kennen zu lernen, Odobar."

"Ganz meinerseits, Julian. Immer schön, einen Landsmann zu treffen. Was kann ich denn für Euch tun?"

"Nun, wenn dies Euer Schiff ist, liege ich dann richtig in der Annahme, dass Ihr bald nach Raspetanien zurücksegelt?"

"Das ist absolut korrekt, mein Freund. Noch heute Abend brechen wir auf in Richtung Apuerto. Falls Euch dieser Name nichts sagt, dabei handelt es sich um die nördlichste Hafenstadt ganz Afrikas. Noch dazu ist sie ungefähr gleich weit entfernt von der Hauptstadt Raspetaniens, Aschakrhan und Bar Golan, meiner Heimatstadt. Ich schlage dann natürlich den Weg Richtung Süden, nach Bar Golan, ein. Aber warum interessiert Euch das? Wollt Ihr mich begleiten?"

"Ja, wenn das möglich ist, würde ich sehr gerne mit Euch nach Raspetanien segeln. Es ist von äußerster Dringlichkeit."

"Tatsächlich? Dann ist es gut, dass wir einander begegnet sind. Denn bei dringlichen Angelegenheiten vermag ich Euch zu helfen. Worum genau geht es, mein Freund?" Odobar war sehr hilfsbereit und zögerte nicht einen Moment, Julian seine Hilfe anzubieten. Und das, obwohl er ihn nicht einmal kannte. Julian hätte auch einfach lügen können und in Wirklichkeit Motive haben können, Odobar zu schaden und er hätte ihm trotzdem geholfen. Das war der Geist von Raspetanien. Man begegnete allen als gleichgestellt und so konnte man natürlich auch allen Hilfe anbieten, auch wenn einige diese Hilfe gar nicht verdienen würden. Julian erklärte Odobar sofort, was eigentlich los war.

 

"Es ist sehr wichtig, dass ich mit den Herrschern von Raspetanien spreche, denn Anthem Gows braucht dringend Eure Unterstützung. Erudicor, die goldene Stadt, steht kurz vor einem Angriff durch einen seltsamen Magier und seine 75 000 Mann starke Armee. Allein können wir diesen großen Angriff niemals abwehren. Wir benötigen unbedingt Eure Hilfe. Der Kaiser persönlich schickt mich, um Euch darum zu bitten."

"Verstehe, das ist eine ernste Sache. So gerne ich Euch helfen würde, Freund, kann ich es leider nicht. Aber mein Vater kann es. Er als Statthalter von Bar Golan ist einer der fünf Herrscher von Raspetanien und somit befugt, Truppen an andere Reiche zu entsenden. Dennoch muss zuvor die Entscheidung von allen Mitgliedern des Rats der Fünf abgesegnet werden. Denn wie Ihr vielleicht wisst, lautet das Motto unseres Landes "Ohne Konsens keine Konsequenz"."

"Das ist mir bekannt.", sagte Julian, der nicht begeistert darüber war, dass sich erst der Rat der Fünf beraten musste, bevor sie Truppen zur Unterstützung schicken würden.

"Gibt es denn keine Möglichkeit, schneller Unterstützung von Euch zu erhalten?", fragte Julian schließlich.

"Nein, so funktioniert unser Land nun mal. Bisher hat sich dieses System immer bewährt und wir werden jetzt bestimmt nichts daran ändern. Alles, was ich Euch ans Herz legen kann, mein Freund, ist, mit mir nach Bar Golan zu reisen und meinem Vater mitzuteilen, was Ihr mir gerade erzählt habt. Ich bin sicher, dass sowohl er als auch der Rest vom Rat der Fünf einsichtig sein werden."

"Wie viele Krieger denkt Ihr, könnte Euer Reich entbehren, um Anthem Gows zu unterstützen?"

"Ich denke um die 15 000 werden wohl abkömmlich sein."

"Was, so viele?", platzte es aus Julian heraus. Die schiere Anzahl ließ ihn staunen.

"Überrascht Euch das? Wir sind ein großes Reich und da muss natürlich eine entsprechende Anzahl an Kriegern vorhanden sein, damit wir nicht einfach überrannt und erobert werden."

"Aber dann seid Ihr doch bestimmt das größte und mächtigste Reich der Menschen?"

"Nein, dieser Titel steht Ganredlah zu. Kaiser Aloisius Rabenkrang versteht es meisterhaft, stetig neue Truppen ausbilden. Wenn es zu wenige Krieger in seinem Reich gibt, dann zwingt er einfach Bürger, die gar nicht wollen, Krieger zu werden. Sie können dann entweder kooperieren oder sterben. Er verkauft es dem Volk so, als ob es ihre Entscheidung wäre. Als ob irgendjemand sich lieber töten lassen würde, als ein Krieger zu sein. Wenn man allerdings Krieger für so einen Kaiser sein muss, wäre der Tod wahrscheinlich die bessere Alternative."

"Aber das ist ja furchtbar. Wie kann er so etwas tun?"

"Weil er ein rückständiger Mensch ist, der über ein riesiges Reich herrscht. Er kann tun, was er will und niemand hält ihn davon ab. Denn die Menschen fürchten einen Kaiser. Und das sollten sie auch. Deshalb wird unser Reich von mehreren Personen regiert, damit nicht einer die völlige Kontrolle an sich reißen kann. So etwas wie in Ganredlah darf niemals in Raspetanien passieren, aber auch genauso wenig irgendwo anders. Aber genug davon, kommt Ihr nun mit, mein Freund?"

"Ja, ich werde Euch begleiten. Dann sehe ich mir Bar Golan an und überzeuge den Rat der Fünf davon, Anthem Gows zu unterstützen."

"Keine Sorge, mein Freund. Ich werde Euch helfen."

"Vielen Dank, Odobar. Ihr seid wirklich freundlich."

"Aber natürlich. Ich will den Geist Raspetaniens über die ganze Welt verbreiten. Damit eines Tages alle so fortschrittlich denken wie wir und Tatjanas Vision wahr wird."

"Schon wieder diese Tatjana. Auch Kaiser Theron hat mir von ihr erzählt. Was hat sie so Besonderes getan, dass alle so besessen von ihr sind?"

"Aber nicht doch, keinesfalls besessen. Tatjana lebt in jedem Menschen weiter, der andere als sich gleichgestellt ansieht. Ihr müsst wissen, mein Freund, dass Tatjana den Beinamen "Die große Einerin" trägt. Dem ist deshalb so, weil sie es einst vollbracht hat, das gesamte menschliche Volk, auch wenn wir noch so verschieden in Aussehen, Kultur und Glauben waren, zu einem einzigen Volk zu vereinen. So waren wir alle einander gleich, obwohl wir uns äußerlich stark voneinander unterschieden. Aber das störte damals niemanden. Und auch heute stört es in Raspetanien niemanden, wie andere aussehen und woher sie stammen. Wir müssen endlich anfangen, zu begreifen, dass wir alle ein Volk sind und einander nicht unnötig bekämpfen müssen. Alle Vorurteile und all der Rassismus sind unnötige Konstrukte, die niemals existieren dürften. Wir sind alle Menschen und anstatt, einander abzulehnen und zu hassen, sollten wir uns vereinen und gemeinsam gegen die viel schlimmeren Völker wehren. Denn sind es nicht die anderen Völker, allen voran die Dunkelelfen, die unsere schöne Welt erobern und zerstören wollen? Wir Menschen suchen nur einen Ort, an dem wir uns ein Zuhause errichten können. Das könnte die ganze Welt sein, aber die anderen Völker leben auch in ihren Reichen. Natürlich haben wir kein Recht, ihnen einfach ihr Land wegzunehmen und sie zu töten, aber manche Völker gehören einfach von der Erde getilgt. Ich bin nicht stolz auf diese radikale Sichtweise und doch geht es nicht anders. Denn ich kenne die Dunkelelfen und weiß, dass sie erst zufrieden sind, wenn alles von ihnen eingenommen und verdorben wurde. Aber eher sterbe ich, als zuzusehen wie sie mein geliebtes Raspetanien zerstören."

"Ich hatte ja keine Ahnung, dass Tatjana so Großes geleistet hat. Aber warum hat es nicht gehalten? Und warum genau seht Ihr die Dunkelelfen als so gefährlich an? Sind sie nicht ein Volk wie alle anderen auch?"

"Julian, mein Freund. Wir sind Menschen und die Natur des Menschen ist es nun mal, aus vergangenen Fehlern zu lernen, aber auf Dauer vergessen wir diese Lektionen wieder. So haben sich die Menschen nach der großen Vereinigung durch Tatjana bald schon wieder auseinandergelebt und schließlich waren wir wieder dort, wo wir heute auch stehen. Zu den Dunkelelfen kann ich Euch nur sagen, dass Ihr sie keinesfalls unterschätzen dürft. Ich bin mit der Meinung nicht allein, dass sie das gefährlichste Volk auf dieser Welt darstellen. jeder Kaiser, den Ihr fragen würdet, würde das bestätigen. Kaiser Hirion vielleicht nicht, aber nur weil er will, dass sein eigenes Volk als gefährlicher angesehen wird. Doch niemand kann die Dunkelelfen übersteigen, wenn es um Arroganz, Intrige, Wahnsinn und Machthunger geht. Sie sind wie ein dunkles Geschwür, das sich langsam über die gesamte Welt ausbreitet und sie schließlich zerstört."

"Das klingt sehr bedrohlich. Ein Teil der großen Armee, die Erudicor bald angreifen wird, besteht aus Dunkelelfen."

"Dann wird dieser Teil der wohl gefährlichste sein. Aber ich töte mit Freude jeden einzelnen von ihnen."

"Soll das heißen, Ihr wollt uns auch in der Schlacht unterstützen?"

"Gewiss doch, mein Freund. Wenn ich helfen kann, werde ich es tun. Aber wann genau findet denn der Angriff statt?"

"Das weiß ich nicht. Aber der Hofmagier des Kaisers hat mir gesagt, er ist überzeugt, dass noch genug Zeit bis dahin bleibt, um möglichst viel Verstärkung zu erlangen."

"Ah, ich verstehe. Wir sind nicht das einzige Reich, das Ihr fragen werdet, richtig?"

"Ja, ich werde noch andere Reiche um Hilfe bitten, damit unsere Streitmacht so groß wie möglich wird."

"Dann gebe ich Euch gleich einen Rat, Julian. Fragt Ganredlah nicht um Hilfe. So ein Verbündeter..."

"Keine Sorge, das hatte ich gar nicht vor. Auch der Kaiser fühlt sich dabei nicht wohl, deshalb werde ich den berüchtigten Kaiser Rabenkrang vorerst wohl nicht treffen."

"Das ist auch besser so, denn irgendetwas zutiefst Finsteres geht in diesem riesigen Reich vor sich. Ich habe eine großartige Idee: Was haltet Ihr davon, wenn wir uns in Genòa eine brauchbare Taverne suchen und etwas essen und trinken? Dann warten wir einfach, bis das Schiff ablegt und brechen anschließend auf nach Raspetanien."

"Das klingt wirklich gut, ich bin dabei.", sagte Julian freudig. Gesagt, getan, suchten die beiden in Genòa nach einer Taverne und wurden schnell fündig. Als sie dann einen Krug Bier nach dem anderen leerten, erzählten sie sich dieses und jenes. Odobar erzählte mehr von Bar Golan, der Handelsmetropole. Offenbar war dies die größte Handelsstadt von ganz Raspetanien sowie Afrika. Einzig ein paar wenige Städte, jeweils eine in den Reichen Hanveltien, Shanto Gyar, Ganredlah und Granada, konnten sie noch überragen. Granada war ein riesiges Reich im Norden Amerikas. Es wurde seit jeher von Elfen und Trollen bevölkert. In manchen Gebieten konnten die beiden Völker, die nicht gerade viel gemeinsam hatten, dennoch friedlich miteinander leben, in anderen bekriegten sie sich. Je mehr Julian aber über Bar Golan, die größte Handelsstadt Afrikas erfuhr, umso mehr freute er sich darauf, diese Stadt auch tatsächlich zu besuchen. Dort konnte er ohne Zweifel alles bekommen, sofern er es sich leisten konnte. Das stand außer Frage, doch womöglich würde ihm auch dort das kaiserliche Siegel weiterhelfen. Wenn man allerdings an die Gier der Händler dachte, war es wohl fraglich, ob sie ihre Waren einfach so im Namen der guten Sache herschenkten. Aber darüber dachte Julian nicht nach. Tatsächlich beschäftigte ihn etwas völlig Anderes. Seit er Odobar begegnet war, hatte er sich seinen Verstand zermartert und sich gefragt, was es wohl mit Odobars Titel auf sich hatte. Als "Prinz des Nebels" hatte er sich vorgestellt. Doch was genau sollte das bedeuten? Nun war es an der Zeit, das endlich herauszufinden.

"Odobar, sagt mal, warum nennt man Euch den Prinzen des Nebels?"

"Ha, das habt Ihr Euch gemerkt, mein Freund? Ihr seid wirklich aufmerksam. Dann will ich es Euch mal erklären. Ich werde so genannt, weil ich die Kraft besitze, um mich herum Nebel entstehen zu lassen. Innerhalb kürzester Zeit kann ich ein riesiges Areal in den dichtesten Nebel hüllen, sofern ich es wünsche. Das ist also der Grund für meinen Titel."

"Beeindruckend. Könnt Ihr mir das vorführen?"

Odobar lachte laut. "Immer doch, mein Freund. Aber nicht hier. Ich zeige es Euch später am Schiff."

"In Ordnung. Wann genau brechen wir denn nun auf?", wollte Julian wissen. Er saß nun schon lange mit Odobar in der Taverne. Zwar verstand er sich gut mit dem Prinzen von Bar Golan, doch wollte er auch bei seiner Aufgabe voranschreiten. Bisher konnte er schließlich nur Beatron, dessen mysteriösen Gefährten Borthaux und Odobar als Verbündete gewinnen. Das waren gerade einmal drei Männer, die gegen die Übermacht von 75 000 Kriegern nicht wirklich viel ändern würden. Auch wenn Julian an Beatrons Stärke glaubte, so schien sie dennoch nicht auszureichen. Daher galt es, noch viel mehr Verbündete zu gewinnen. Und das so schnell wie nur möglich. Deshalb war es auch umso passender, als Odobar auf Julians Frage antwortete:"Wir brechen jetzt auf, Julian. Also trinkt aus, mein Freund und auf geht's."

Schon bald nachdem Odobar in der Taverne gezahlt hatte, befanden sich beide wieder am Schiff und innerhalb kürzester Zeit legte es ab. Nun war es schon später Nachmittag und die Sonne verschwand schon langsam hinterm Horizont. Währenddessen setzte sich die "Ertrunkene Marie", Odobars Schiff, in Bewegung und segelte in Richtung Süden. Es dauerte nicht lange und die Sonne verabschiedete sich endgültig. Nun mussten sie in völliger Dunkelheit segeln, denn zu dieser Zeit war gerade Neumond und so würde ihnen das Mondlicht keine eventuellen Hindernisse offenlegen. Sie konnten so gut wie gar nichts mehr erkennen. Nach ein paar Stunden befanden sie sich auf der Höhe von Corse, einer Insel Falteritaniens. Zunächst konnten sie die Landmasse gar nicht ausmachen, doch vereinzelte Lichter waren ab und zu erkennbar. Da die Lichter nicht hoch genug lagen, um Sterne zu sein, nahmen sie alle zu Recht an, dass es sich um beleuchtete Häuser der Einwohner Corses handelte. Die Insel erstreckte sich nun auf Steuerbordseite, was bedeutete, dass Backbord, zu ihrer Linken nicht allzu weit weg das Festland von Falteritanien lag. Während sie neben der Küste Corses weiter nach Süden reisten, passierte nicht viel. Die Fahrt war ruhig und langweilig, nur ab und zu mussten sie darauf Acht geben, nicht zu nahe an die Küste zu gelangen. Die Insel Corse gehörte wie auch alle anderen Inseln westlich von Falteritaniens Festland bis zum Mittelmeer-Engpass zu Haggar Borrians Reich. Einzig eine winzige Insel, die praktisch an der Küste Raspetaniens lag, überließ er dem Reich der Gleichheit. Die östlichen Inseln gehörten alle zu Grelia und Cypressa, die östlichste Insel des Mittelmeeres, war wie sehr viel Festland in ihrer Nähe, in Gebiet des Reiches Gentrav verwandelt worden, über das Kaiser Hirion herrschte. Bald musste die "Ertrunkene Marie" nun die zweite Insel auf ihrem Weg nach Raspetanien erreichen, Aventul. Diese war bedeutend größer als Corse und lag gleich südlich davon. Dazwischen befand sich eine kleine Meerenge. Nun versuchten alle an Bord befindlichen Personen, an die 25, Aventul auszumachen. Bald erkannten sie ganz schwache Lichter unmittelbar vor sich und verloren keine Zeit, das Schiff auf einen sicheren Kurs zu bringen. Dadurch entgingen sie einer Kollision mit den winzigen Inseln an Aventuls Nordostküste. Es vergingen ein paar weitere Stunden, in denen sie an der großen Insel entlangsegelten und dann wurde es endlich wieder hell. Ein neuer Morgen war angebrochen und nun würde es ein Leichtes sein, den restlichen Weg zurückzulegen. Jetzt gab es keine Inseln mehr, die noch Hindernisse darstellen konnten. Das war der perfekte Augenblick für Odobar, um Julian endlich seine Nebelkräfte zu zeigen. Er hob die Arme beschwörend in die Höhe und innerhalb weniger Sekunden entstand ein dichter Nebel um das Schiff herum, sodass die Mannschaft nichts mehr sehen konnte. Julian war beeindruckt und danach löste Odobar den Nebel schnell wieder auf, damit die Besatzung des Schiffs nicht in Panik ausbrach. Als sie wieder sehen konnten, erstreckte sich in alle Richtungen nur das weite Meer. Vielleicht hätte man hinter ihnen noch entfernt die Südküste von Aventul gesehen. Doch diese Insel hatten sie schon überwunden und setzten ihren Weg weiter südwärts fort. Die meiste Zeit der Reise hatten sich Odobar und Julian wieder über verschiedenste Themen unterhalten. Das taten sie auch in den verbleibenden Stunden dieser Reise noch. Je mehr Julian mit dem Prinzen des Nebels redete, umso sympathischer wurde ihm dieser. Da war es natürlich erfreulich für Julian, dass er den weiten Weg durch die Wüste bis nach Bar Golan gemeinsam mit ihm reisen würde. Nach ein paar weiteren Stunden kam endlich das Ziel ihrer Reise in Sichtweite: Apuerto, die nördlichste Hafenstadt Afrikas. Es dauerte nun nicht mehr lange und sie legten endlich im Hafen an. Die "Ertrunkene Marie" hatte sie alle unversehrt nach Afrika gebracht. Natürlich galt dieser Umstand nicht allein dem Schiff, sondern großteils der Besatzung. Julian staunte über Apuerto. Wo er nur hinsah, befanden sich kleine Lehmhäuser. Sie waren stabil gebaut, aber boten nicht sonderlich viel Platz. Ob die Menschen hier wohl glücklich waren? Sofort fragte sich Julian, ob alle im Reich der Gleichheit so lebten. Ansonsten gäbe es allein schon bei der Art der Behausungen Unterschiede, durch die sich das Volk Raspetaniens aufspalten konnte. Odobar und seine Männer luden alle ihre Güter vom Schiff, die sie aus Falteritanien mitgebracht hatten. Das meiste davon befand sich in großen Kisten oder robusten Säcken, sodass Julian nur erahnen konnte, was sich darin wohl verbarg. Er selbst half auch ein wenig mit und trug dieses und jenes vom Schiff herunter. Anschließend wurden die Waren auf Kamele geladen, welche nicht gerade begeistert von den Massen an Gepäck waren, die sie später tragen mussten. Bei diesen Kamelen befanden sich zwei gut gerüstete Männer, die Brustharnisch und Beinschienen mit goldenem Aussehen sowie darunter schwarze Kleidung trugen. In der Hand hielten sie beide einen langen Speer, dessen Klinge gezackt war. Diese beiden stellten sich als eine Eskorte aus Bar Golan heraus, die beauftragt worden war, Odobar und die Waren sicher von Apuerto nach Bar Golan zu eskortieren. Julian war beeindruckt von den beiden Männern und hätte am liebsten selbst so eine Rüstung besessen. Er wusste nicht, was ihn in Raspetanien erwarten würde. Doch er besaß weder ein Schwert noch eine richtige Rüstung für den Ernstfall. Was sollte er dann also tun? Nachdem alle Waren vom Schiff auf Kamele verlagert waren, wurde es Zeit, aufzubrechen. Weitere Kamele beförderten die Reisenden, sodass sie letztendlich eine Karawane von 45 Kamelen darstellten. 27 für Julian, Odobar, die Eskorte aus Bar Golan und die anderen und dann noch 18 Kamele zum Transport der Waren. Diese Karawane zog sofort am späten Nachmittag von Apuerto aus los in Richtung Süden, nach Bar Golan. Julian fasste es nicht. Vor einem Tag war er noch in Falteritanien gewesen und nun ritt er ein Kamel durch die weitreichende Wüste Raspetaniens, nur um am Ende die größte Handelsmetropole Afrikas zu erblicken. Er konnte kaum glauben, dass das alles wirklich passierte. Die Reise würde laut der Aussage von Odobar um die zwei Wochen dauern. Julian befürchtete schon, dass Erudicor, sofern er jemals wieder dorthin zurückkehren konnte, bei seiner Ankunft in Trümmern liegen würde. Aber Azurro hatte damals gesagt, dass noch genug Zeit blieb, um zahlreiche Verbündete zu erlangen. Julian hoffte nur, dass der Hofmagier von Kaiser Theron auch wirklich wusste, dass noch genug Zeit war und nicht nur darauf hoffte. Ansonsten würde Erudicor und danach schon bald ganz Anthem Gows ein schlimmes Schicksal bevorstehen. Doch das durfte Julian nicht zulassen. Also musste er die Karawane so schnell vorantreiben, wie es ging. Aber das ging nur kurze Zeit gut, denn schon bald danach mussten die Kamele rasten. Während sie sich an Sträuchern satt fraßen, nutzten die Männer die Oase, an der sie rasteten, um ihre Wasservorräte zu erweitern. Sie besaßen noch etliche Krüge und Behältnisse, die leer waren und nur darauf warteten, eine Flüssigkeit zu beheimaten. Dieser Wunsch wurde ihnen auch gewährt, sodass bald alle leeren Behälter bis zum Bersten voll mit Wasser gefüllt waren. Dennoch leerten die Reisenden noch drei große Gefäße, bevor sie aufbrachen. Natürlich füllten sie sie erneut nach, bevor sie die Oase verließen. So schlugen sie sich langsam durch die gigantische Sahara, die größte Wüste der Erde. Doch wie schnell Julian auch sein wollte, diese Reise benötigte ihre Zeit. Dagegen konnte er nichts tun. Und wenn sie die Kamele zu sehr beanspruchten, brachen die armen Tiere noch zusammen und verendeten in der Wüste. Dann wäre die Karawane irgendwo gestrandet gewesen und hätte sich zu Fuß weiter durchschlagen müssen. Die Waren hätten sie dann wohl vergessen können, sofern ihnen ihr Leben wichtiger war. Julian wusste nicht, ob das auf Odobars Mannschaft oder die Krieger aus Bar Golan zutraf, doch er selbst schätzte sein Leben doch viel mehr als die Waren, deren Beschaffenheit er noch nicht einmal kannte. So verging Tag um Tag, während das Reisen allmählich immer mühsamer wurde. Am Abend schlugen sie ihre Zelte auf und übernachteten in diesen. In den Nächten wurde die Temperatur geringer, aber meistens war sie angenehm und erreichte nie den Punkt, wo es wirklich kalt wurde. Die Tage hingegen stellten vor allem für Julian die pure Hölle dar. Denn er war das heiße Klima nicht gewohnt, auch wenn er hier geboren war. Drei Jahre in diesem heißen Land konnten wohl nicht gegen 14 Jahre gemäßigtes Klima von Anthem Gows ankommen. Umso schwerer fiel es Julian, in der Hitze tagsüber auch nur irgendwas zu machen. Zum Glück trug ihn sein Kamel, sonst wäre er schon längst irgendwo liegen geblieben und wäre nur zu gerne Futter für die Geier geworden. Im Moment hatte er nur ein Ziel: Bar Golan erreichen und dort am besten den ganzen Tag irgendwo drinnen im Schatten sein. Gerade um die Mittagszeit wurde die Sonne so stark, dass Julian spüren konnte, wie sie trotz allem das Wüstengewand, das man ihm gegeben hatte, durchdrang und ihre heißen Krallen in seine Haut schlug. Auf die Anweisung von Odobar hatte Julian sich seinen gelben Schal um den Kopf gewickelt, um Sonnenstichen vorzubeugen. Darüber zog er sich dann den langen, dünnen Mantel mit Kapuze, der bis zu seinen Beinen reichte. Der Mantel besaß eine hellblaue Farbe. Odobar selbst trug auch einen, jedoch in weiß. Auch die anderen waren so gekleidet, um der Wüste bestmöglich trotzen zu können. Schließlich hatten sie eine Woche hinter sich und befanden sich nun irgendwo, verloren in der Wüste. Odobar wusste genau, wo sie sich befanden, das sagte er zumindest Julian. Dann zeigte er den anderen auf einer Karte Raspetaniens, wo ihr genauer Aufenthaltsort seiner Meinung nach lag. Alle stimmten ihm zu und als Julian schließlich auf die Karte blickte und auf Odobars Finger, der irgendwohin zeigte, sagte ihm das überhaupt nichts. Erst kurz darauf, als Odobar den Finger wegnahm, konnte Julian erkennen, wo auf der Karte sich Bar Golan befand und er merkte, dass sie nun schon ungefähr 60 Prozent der Strecke hinter sich gebracht hatten. Das erfreute ihn und er hoffte, dass Odobar richtig mit seiner Vermutung lag, wo sie sich befanden. Vielleicht würden sie dann ja nicht einmal eine zweite Woche benötigen. Diese Hoffnung motivierte Julian plötzlich und er wollte sofort weiterziehen. Doch die Kamele mussten sich noch länger ausruhen, da sie schon sehr erschöpft waren. Zu diesem Zeitpunkt begann gerade der Nachmittag des achten Tages. Alle ruhten sich im Schatten der Palmen aus und ließen den Kamelen noch ein wenig ihre Ruhe. Julian wurde es irgendwann zu langweilig und er wollte nun die Wüste ein wenig erforschen. Natürlich hatte er nicht vor, allein loszuziehen, da wäre er sofort verloren gewesen. Stattdessen wollte er seine nähere Umgebung, soweit er sehen konnte, mit den Augen inspizieren. Also sah er sich in alle Himmelsrichtungen genau um und suchte nach Grenzsteinen. Nach irgendetwas Auffälligem, das ihm ins Auge stach. Etwas, das er sich merken konnte, das aus dem Wüstenmeer hervorstach. Doch es gab nichts. Weit und breit rundherum nur Wüste. Keine Stadt, kein Dorf, nicht einmal eine andere Oase. Nur grenzenlose Wüste wohin man sah. Wüste. Eine Düne. Noch eine Düne. Eine weitere. Sand. Unmengen an Sand. Eine einsame Gestalt am Horizont. Sand. Noch mehr Sand.