Deadforce

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Aus der Reihe: Deadforce #1
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Kapitel IV: Lehrstunde

Nachdem sich der Hofarzt Marlene angesehen hatte, sagte er, dass es nichts Schlimmes war, was sie hatte. Sie hatte sich den Rücken tatsächlich nur ein wenig verrissen und es sollte innerhalb von ein paar Tagen wieder verheilt sein. Anschließend fragte Julian sie:"Also wer von uns soll es deinem Vater sagen?"

"Mach du das, aber ich komme mit und sage, dass es meine Schuld war. Er kann gnadenlos sein, wenn es um seine Töchter geht."

Schließlich begaben sich die beiden in den Thronsaal, wo sich Theron gerade mit einem alten Mann in dunkelblauer Robe unterhielt. Als Theron Marlene erkannte, ließ er den alten Mann verstummen und warten. Dann erhob er sich und ging Marlene entgegen.

"Meine Prinzessin! Wie kommt es, dass du hier zusammen mit Julian auftauchst?"

"Nun ja, ich bin ihm zufällig begegnet und habe ihm angeboten, ihn durch die Stadt zu führen."

"Du hast den Palast verlassen? Habe ich dir das nicht verboten? Julian, wie konntest du das zulassen?"

"Es tut mir leid, mein Kaiser. Sie sagte, dass es in Ordnung wäre."

"Du kannst doch nicht einfach auf ein kleines Mädchen hören. Sie hat doch keine Ahnung, was gut für sie ist."

"Aber Vater!", meldete sich Marlene empört. "Ich weiß sehr gut, was ich tue. Ich kann auf mich selbst aufpassen."

"Ach wirklich? Kann denn Julian diese Aussage bestätigen?"

Julian sah verlegen um sich und sprach zaghaft:"Nun ja...eigentlich...ist sie von einem Stuhl gefallen und hat sich den Rücken verrissen."

"Was?!", brüllte Theron plötzlich. "Wie konnte das passieren?"

"Es war meine Schuld, Vater. Julian konnte nichts dafür und er hätte es auch nicht verhindern können. Es geschah viel zu schnell. Aber ich werde bald schon wieder wohlauf sein. Der Hofarzt hat gesagt, dass es in ein paar Tagen verheilt ist. Mir geht es ohnehin gut, mein Rücken schmerzt nur leicht, wenn ich mich falsch bewege."

"Ich hoffe, dass euch beiden klar ist, was für eine riesige Dummheit ihr da begangen habt. Erst recht von dir, Julian, hätte ich mehr Vernunft erwartet."

"Es tut mir sehr leid. Ich wollte nicht, dass Marlene etwas passiert, Euer Hoheit."

"Nun, jetzt ist es ja schon geschehen. Ich hoffe, dass Marlene die Wahrheit sagt und du wirklich nichts gegen diesen Unfall tun konntest. Denn ansonsten würde das schreckliche Folgen für dich haben."

"Es ist wahr, Vater. Lass Julian zufrieden, er hat nichts falsch gemacht."

"Du gehst jetzt auf dein Zimmer und gehst nicht mehr hinaus. Und wage es nicht einmal, daran zu denken, dich hinaus zu schleichen."

"Aber Vater..."

"Sofort, Marlene!"

"Na gut..."

Gesenkten Hauptes bewegte sich Marlene in Richtung ihres Schlafgemachs. Theron blickte Julian an.

"Und du erzählst mir jetzt in allen Einzelheiten, was ihr beide getan habt, dass so etwas passieren konnte."

Nachdem Julian dem Kaiser die ganze Geschichte erzählt hatte, staunte dieser.

"Also werden Beatron und sein Gefährte Borthaux für uns kämpfen? Das ist großartig, Julian. Somit hat es wenigstens etwas Gutes, dass sich meine Tochter verletzt hat. Natürlich meine ich das nicht so, aber bisher sah ich überhaupt nichts Positives an der Sache. Nun denn, wann beginnen wir mit der Einweisung in die verschiedenen Reiche?"

"Wie spät ist es denn?"

"Es ist nun schon kurz vor Mittag. Du wolltest ursprünglich am Nachmittag beginnen. Bleibst du dabei?"

"Nun ja, da würde eigentlich noch ein Wildschweinbraten im "Zum Goldhaus" auf mich warten, den ich vorher vorbestellt habe."

"Stimmt, den hast du auch kurz erwähnt. Allerdings warst du sehr spartanisch, was die genaue Definition der Speise mitsamt Beilagen angeht. Erläutere mir noch einmal, was alles dabei ist."

"Aber wozu soll das gut sein?"

"Wenn du mir sagst, wie sich die Speise zusammensetzt, dann gehen wir einfach beide ins Goldhaus und essen dort etwas. Ich lade dich ein und kann dir nebenbei gleich den Unterricht über die einzelnen Reiche geben."

"Eine wirklich gute Idee, mein Kaiser. Also der Wildschweinbraten wird in einer herzhaften Sauce mit Preiselbeeren und Kartoffelkroketten serviert. Mehr wurde mir auch nicht gesagt."

"Das klingt ja himmlisch. Lass uns gehen. Ach, bevor ich es vergesse. Der Mann da hinten..." Theron zeigte auf den alten Mann in dunkelblauer Robe. "Das ist mein Hofmagier Azurro." Azurro streckte Julian seine Hand aus. "Freut mich, Euch kennen zu lernen. Wir beide werden Eure Reise planen, nachdem Euch der Kaiser informiert hat."

"Sehr erfreut, Hofmagier Azurro. Habt Ihr schon eine Idee, wo ich zuerst hingehen soll?"

"Nein, das ist alles Euch überlassen. Ihr könnt nach Belieben wählen."

"Gut, dann werde ich mir erst einmal die Informationen über alle einzelnen Reiche anhören und anschließend entscheiden. Dann bis später."

"Bis nachher."

Anschließend brachen Theron, Julian sowie Theodor mit drei weiteren Männern der Elitegarde in Richtung des Goldhauses auf. Als sie schließlich dort angekommen waren, erkannte der Kellner Julian sofort wieder. Allerdings war er nicht darauf vorbereitet, dass sein Begleiter der Kaiser höchstselbst war.

"Eure Majestät, was für eine Ehre, dass Ihr hier in unserem bescheidenen Gasthaus speisen wollt." Bei diesen Worten verbeugte sich der Kellner so tief er konnte.

"Es braucht also nur eine einflussreiche Person und schon findet er seine Manieren wieder.", dachte Julian.

"Wir haben heute als Tagesgericht einen Wildschweinbraten...", begann der Kellner.

"Danke, ich bin bereits darüber informiert worden. So einen hätte ich gerne."

"Natürlich, mein Kaiser. Wir werden ihn sofort zubereiten."

"Ich möchte meinen vorbestellten Braten dann auch haben, bitte.", sagte Julian, während der Kellner schon in der von Mauern umringten Küche verschwand. Theron und Julian nahmen an jenem Tisch Platz, an dem er zuvor auch mit Marlene gesessen hatte. Theron saß auf demselben Stuhl. Nachdem zwei Krüge voll mit feinstem Bier serviert wurden, begann Theron bereits mit seinem Unterricht über die Länder der Erde.

"Also, mit welchem Reich möchtest du beginnen?", fragte er Julian.

"Keine Ahnung.", gab dieser zur Antwort.

"Dann nehmen wir eben deine Heimat. Also Raspetanien ist bekannt als das Reich der Gleichheit. Diesen Titel trägt es zurecht, denn es ist noch ein Stück besser als mein geliebtes Anthem Gows. Denn in Raspetanien ist man zu allen freundlich und jeder ist willkommen, ganz egal, von wo er stammt oder wie er aussieht. In Raspetanien betrachten sich die Menschen als gleichwertig. Ich würde sogar behaupten, dass Raspetanien der letzte Zeuge der einst großen Taten von Tatjana ist."

"Wer ist Tatjana?", fragte Julian sofort.

"Tatjana lebte vor vielen Jahren, aber noch in diesem Zeitalter."

"Zeitalter?", fragte Julian erneut, sichtlich verwirrt.

"Mein Gott, Junge, hast du jemals ein Buch gelesen?"

"Ja, aber ich habe dennoch nie etwas über ein Zeitalter gehört."

"Na schön, wir leben im Zeitalter der Menschen. Es ist das dritte seit Anbeginn. In diesem schon lange andauernden Zeitalter lebte auch Tatjana und sie hat viele große Taten vollbracht, die für die Menschheit von großer Wichtigkeit waren. Aber das ist jetzt nicht so wichtig. Jedenfalls wird Raspetanien nicht von einem einzelnen Herrscher regiert, sondern von einem Rat aus fünf Herrschern. Jeder von ihnen regiert eine der fünf Herrscherstädte und diese sind über das gesamte Reich aufgeteilt. Bevor irgendetwas getan wird, das große Veränderung für das Reich bringt, einigen sich die fünf Herrscher darauf und erst wenn alle zustimmen, wird etwas verändert. Ohne Konsens keine Konsequenz. Das ist das Motto von Raspetanien. Es ist eigentlich unwichtig, in welcher der fünf Herrscherstädte du um Hilfe ansuchst, aber bedenke, dass sie auch das vorher womöglich besprechen wollen und letztendlich allein das Urteil der fünf Herrscher entscheidet, ob wir von ihnen unterstützt werden oder nicht."

"Ich verstehe. Wenn es dort wirklich so ist, dass alle gleich behandelt werden, dann freue ich mich, aus einem so fortschrittlichen Land zu stammen."

"Ja, Julian, darauf darfst du durchaus stolz sein. Welches Reich soll ich dir als nächstes erläutern?"

"Ich habe keine Ahnung, wie wäre es mit Hanveltien?"

"Hanveltien also. Das jüngste Reich unter jenen, die du besuchen wirst. Denn seine Gründer sind selbst nur etwas älter als ich. Sie stammen ursprünglich aus Anthem Gows und machten sich einen Namen als geschickte Kaufleute in Erudicor. Schließlich häuften sie sich so viel Reichtum an, dass sie damit nach Amerika reisten und dort ein vollkommen neues, riesiges Reich gründeten. Hanveltien ist friedlich und bietet jenen eine Heimat, die sie benötigen. Die beiden Herrscher, Wilhelm und Elisabeth, sind sehr freundliche und gütige Menschen. Es würde mich überraschen, wenn sie nicht gewillt wären, uns ihre Unterstützung zu schenken. Bei ihnen solltest du keine Probleme haben. Wie wäre es, wenn ich dir als nächstes das große Kaiserreich Shanto Gyar näher erläutere?"

"In Ordnung, darüber wollte ich ohnehin mehr erfahren."

"Shanto Gyar ist das einzige Kaiserreich unter jenen Ländern, die du bereisen wirst. Weißt du auch, was das bedeutet?"

"Dass ich dort besonders auf mein Auftreten und mein Betragen achten soll?"

"Ganz genau. Aber das ist noch lange nicht alles. Denn ein Kaiser ist etwas Anderes als ein König. Weißt du, warum ich ein Kaiser bin, Julian?"

"Weil Ihr Anthem Gows gerecht regiert und es vor seinen Feinden schützt?"

 

"Nein. Ich habe mich selbst zum Kaiser ernannt. Dieser radikale Schritt ist in der heutigen Zeit nicht gerne gesehen und ich habe mir dadurch viele Feinde gemacht, auch unter jenen, die eigentlich meine Verbündeten sein sollten. Aber dazu später mehr. Jedenfalls ist ein richtiger Kaiser, der sich nicht einfach selbst erhoben hat, sondern durch die Kraft des Schicksals zum Kaiser wurde, viel, viel mächtiger als ich es je sein werde. Einem Kaiser bringt man Ehrfurcht entgegen, Julian. Und bei keinem Kaiser solltest du das mehr tun, als bei der Kaiserin von Shanto Gyar."

"Shanto Gyar wird von einer Frau regiert? Das wusste ich ja noch gar nicht."

"Ja, so ist es. Sie ist wahrscheinlich der mächtigste Mensch auf unserer Welt, abgesehen von Beatron vielleicht. Glaub mir, wenn ich dir sage, dass sie den Titel "Kaiserin" durchaus zurecht trägt. Sie herrscht über ein gigantisches Reich mit einer riesigen und stetig wachsenden Bevölkerung und sie hat absolut alles im Griff. Aber da so viele Menschen in Shanto Gyar leben, geht die Individualität verloren. Viele von ihnen leben vollkommen identische Leben. Sie machen jeden Tag dasselbe, so lange bis sie sterben. Die Kaiserin muss sich aber um die Bedrohungen von außen kümmern und hat nicht viel Zeit für die wichtigen Probleme im Inneren des Reiches. Dennoch ist sie sehr gütig und hört im Normalfall jeden einzelnen Bürger ihres Reiches an, wenn er es denn wünscht. Jeder, der ihr etwas zu sagen hat, kann zu ihr gehen und mit ihr reden. Gerade diese Einstellung, sich mit dem Volk auszutauschen und ihnen zu zeigen, dass man nicht anders als sie ist, macht sie besonders. Noch dazu fehlt diese Eigenschaft unserem guten, alten Aloisius Rabenkrang, dem Kaiser von Ganredlah. Das ist auch ein Grund, warum ich ihn nicht um Hilfe bitten möchte."

"Also werde ich ohne Probleme mit der Kaiserin von Shanto Gyar sprechen können?"

"In der Tat. Aber wie gesagt, sei ehrfürchtig und zeig ihr, dass du ihre Macht durchaus respektierst."

"Alles klar. Welches Land kommt als nächstes?"

"Machen wir eine kleine Pause. Da kommt ja schon der Wildschweinbraten."

Der Kellner servierte zunächst dem Kaiser, dann Julian, einen wunderbar aussehenden und auch wunderbar duftenden Wildschweinbraten mit der erwähnten Beilage. Als Julian den Braten aß, musste er sich beherrschen, um nicht zu sterben, denn diese Köstlichkeit war nicht von dieser Welt. Er war überzeugt, dass nur Engel dieses wundervolle Gericht zubereitet haben konnten. Ob sich wohl Engel in der geheimnisvollen Küche befanden? Nachdem er darüber nachgedacht hatte, fragte er einfach den Kaiser. Es fiel Theodor und den anderen Männern der Elitegarde schwer, sich nicht auch so einen wundervollen Braten zu bestellen, doch sie mussten den Kaiser beschützen und die Umgebung im Auge behalten.

"Kaiser, sagt mal, glaubt Ihr, dass Engel diesen Braten gekocht haben?"

"In der Tat habe ich dasselbe vermutet, denn der Geschmack ist überirdisch. Es war eine gute Entscheidung von Marlene, dich hierher zu führen. Ansonsten wäre mir dieser vollkommene Genuss noch entgangen. Das wäre sehr traurig gewesen."

Nachdem sie beide schließlich aufgegessen hatten, nahm sich Theron das nächste Reich vor.

"Jetzt kommen wir zu Grelia. Eines der drei Reiche, bei denen es schwieriger wird, Hilfe zu erlangen."

"Wieso denn das?", fragte Julian nach.

"Weil genau die kleineren Reiche der Menschen, die ich dir jetzt erläutere, nicht damit zufrieden sind, dass ich mich selbst zum Kaiser von Anthem Gows ernannt und sie alle damit übertrumpft habe. Sie alle denken, dass ich damit nur zeigen wollte, dass ich etwas Besseres als sie bin. Aber das ist gar nicht der richtige Grund. Ich wollte deshalb ein Kaiser sein, damit es sich jeder Widersacher zweimal überlegt, bevor er Anthem Gows angreift. Bisher hat das immer gut funktioniert."

"Tja, diesmal war das wohl nichts.", sagte Julian.

"Was meinst du?"

"Ich glaube kaum, dass sich der düstere Magier zweimal überlegt hat, Erudicor anzugreifen. Ihm ist es anscheinend völlig egal, ob Ihr Kaiser oder König seid."

"Da hast du wohl recht. Egal, kommen wir zu Grelia. Die Menschen von Grelia sind sehr gesellig, doch sie bekämpfen sich oft mit den Gla-Bogga, deren Reich Anthryla an ihres grenzt. Ihr König, Mysantelos der Handwerker, ist bekannt dafür, besonders stolz auf seine Steintempel zu sein, die er in ganz Grelia aufbaut. Ihm könnte ein kleines bisschen weniger Stolz nicht schaden. Dennoch wäre es das beste, wenn du so tust, als ob er wahrlich ein großartiger Handwerker und König ist. Dann hast du bestimmt seine Aufmerksamkeit und er ist eher gewillt, uns zu helfen. Aber sprich das Thema "Kaiser" lieber nicht an. Und wenn es zur Sprache kommt, gehe nicht darauf ein, sondern wechsle das Thema."

"Das ist ganz schön viel, worauf ich achten muss. Da ist es ja einfacher, nach Shanto Gyar zu gehen."

"Ja, das ist wahr. Aber wir brauchen so viel Unterstützung, wie wir bekommen können. Du hast den düsteren Magier schließlich gehört. 75 000 Krieger sind nicht wenig. Ohne Unterstützung sterben wir alle. Da kann selbst Beatron nichts dagegen tun. Wir brauchen jede Hilfe, die uns angeboten wird. Auch von Varbitien, obwohl das vielleicht die schwierigste Aufgabe von allen wird."

"Warum denn, ich dachte immer, dass Varbitien seinen Verbündeten gerne hilft?"

"Das ist ja im Grunde auch richtig. Varbitien ist ein Land, das anderen in Zeiten der Not immer zu Hilfe kommt. Aber der König, Uselton von Shyr, ist ein sehr grimmiger Zeitgenosse und hat es nicht gut aufgenommen, dass ich ein Kaiser sein soll und er nicht. Ich bin sicher, das wird sein erstes Bedenken sein. Solltest du ihn davon überzeugen können, dass wir seine Hilfe trotzdem brauchen und auch verdienen, so kann Varbitien seinen Ruf, anderen stets zu helfen, aufrechterhalten. Vielleicht mag ihn das umstimmen. Sag ihm das, wenn alles schief geht."

"Na toll, schön langsam glaube ich, dass ich mich ein wenig übernommen habe."

"Du darfst jetzt nicht aufgeben, Julian. Du hast dich freiwillig gemeldet und nun stehe auch zu deiner Entscheidung. Willst du denn Herbstweih nicht rächen? Willst du Fröthljif nicht eigenhändig töten?"

"Mehr als alles andere. Ihr habt völlig Recht, Kaiser. Ich werde es tun und ich werde alle Reiche dazu bringen, uns zu unterstützen."

"Sehr gut. Dann kommen wir schon zum letzten Reich, nämlich Falteritanien. Haggar Borrian, König von Falteritanien, besitzt viele Eigenschaften. Freundlich zu sein, ist keine davon. An ihm wirst du dir die Zähne ausbeißen, falls du glaubst, ihn mit Vernunft oder Mitleid überzeugen zu können. Er hat nur eines im Sinn und das ist sein eigenes Reich. Alles, was sein eigenes Reich schwächt, so wie Truppen in ein anderes Land zu schicken, ist ihm zuwider. Er wird dir vielleicht doch mehr Schwierigkeiten machen als Uselton, aber egal. Du hast selbst gesagt, dass du sie alle überzeugen wirst. Ich hoffe wirklich, du schaffst es. Aber sei bitte besonders in Falteritanien vorsichtig. Wenn du dort etwas Falsches sagst, wirst du gleich eingesperrt oder gar hingerichtet. Achte also ganz genau auf deine Wortwahl. Wenn ich mir das recht überlege, ist es wohl am gesündesten für dich, wenn du dir Falteritanien bis zum Ende aufsparst."

"Aber ich verstehe das nicht. Was ist denn so toll an Falteritanien, dass der König sich nur um sein eigenes Reich kümmert und der Rest der Welt ihm egal ist?"

"Nun ja, sie besitzen eine sehr reichhaltige Kultur und eine weitreichende Vergangenheit. Immerhin lag einst die größte Stadt, die jemals existierte, dort, wo sich heute die ewige Stadt Rom befindet. Sie wurde übrigens auf den Überresten der größten Stadt aller Zeiten errichtet."

"Wie hieß diese Stadt?", fragte Julian neugierig.

"Das weiß ich nicht, aber Haggar Borrian weiß es vielleicht. Du kannst ihn ja mal darauf ansprechen. Wenn er merkt, dass du dich auch für sein Reich interessierst, ist er vielleicht umgänglicher. Ich denke, nun kann ich nichts mehr für dich tun, außer dir alles Gute und viel Erfolg zu wünschen. Hoffentlich kehrst du unversehrt und schon sehr bald zurück. Von nun an kannst du jederzeit aufbrechen, wenn dir danach ist. Das musst du selbst entscheiden. Wenn du bereit bist, sprich einfach mit Azurro. Er befindet sich für gewöhnlich irgendwo im zweiten Stockwerk des Palastes. Theodor kann dich jederzeit zu ihm führen."

"Vielen Dank für die Informationen, mein Kaiser. Ich werde noch den Rest des Tages hier verbringen und morgen früh gleich aufbrechen."

"Warte noch kurz. Hier, das wollte ich dir noch geben. Es ist des Kaisers, also mein Siegel. Wenn du es vorzeigst, solltest du einem Diplomaten entsprechend behandelt werden."

"Vielen Dank, Kaiser. Auf bald."

"Dass wir uns noch in diesem Leben wiedersehen, Julian."

Während er das Restaurant verließ, sah sich Julian das kaiserliche Siegel an. Es war praktisch eine dicke, goldene Scheibe in Kreisform. In der Mitte war das Wappen von Anthem Gows abgebildet, das Julian schon im Thronsaal gesehen hatte. Für den Rest des Tages sah er sich noch einige Gegenden in der Altstadt Erudicors an. Besonders schön fand er die goldenen Spatzen. Dabei handelte es sich um einen wunderschönen, filigranen Brunnen aus purem Gold, auf dem etliche goldene Spatzen thronten. Aus deren Mündern floss das Wasser den Brunnen hinab. Am Abend ging Julian noch einmal ins "Zum Goldhaus" und aß dort "Des Kaisers Mehlspeise". Das waren weiche, unförmige Teigstücke, die wohl ursprünglich ein großer Teigklumpen gewesen sein mussten. Nun waren sie aber gebacken, zerteilt und mit Puderzucker bedeckt. Dazu gab es eine Art Pflaumenmarmelade. Schließlich kam Julian darauf, dass er ja gar kein Geld besaß, doch der Kellner war ihm so dankbar dafür, dass er mit dem Kaiser zu Mittag aufgetaucht war, dass er ihm die Schulden erließ. Schließlich kehrte Julian in die Militärkaserne zurück, was sich schwieriger als erwartet gestaltete. Immerhin hatte er fast den ganzen Tag so viel von der goldenen Stadt gesehen, dass er sich nun an die Wege zu all den Sehenswürdigkeiten, aber nicht an den Weg zur Militärkaserne erinnern konnte. Doch zum Glück konnte man das Gebäude leicht erkennen, da es groß war. Außerdem hatte Julian noch eine ungefähre Ahnung davon, wo es liegen musste. Als er dort angekommen war, legte er sich nach einer Diskussion mit den Wachen in ein freies Bett und schlief bis zum Morgen durch. Am neuen Tag erhob sich Julian und machte sich auf den Weg zum Kaiserpalast. Theodor bemerkte ihn schon, als er die große Stiege hinaufschritt. Er führte Julian durch die große Eingangshalle und dann links zu der Treppe, die hinauf in den ersten Stock führte. Im ersten Stock befand sich etwas nach hinten versetzt eine weitere Treppe, die weiter nach oben führte. Oben angekommen wanderten sie um ein paar Ecken, bis Theodor schließlich vor einem Raum anhielt.

"Wir sind da. Dort drinnen befindet sich Hofmagier Azurro für gewöhnlich."

"Vielen Dank, Theodor."

"Ich lebe, um zu dienen." Mit diesen Worten verschwand Theodor. Julian klopfte an die Tür des Raums.

"Tretet ein.", drang die Stimme des Hofmagiers nach draußen. Julian tat wie ihm geheißen und fand sich in einem großen Raum mit etlichen Portalen wieder. Sie alle besaßen große, goldene Torbögen. Wohin sie wohl führten?

"Ich grüße Euch, Hofmagier Azurro.", begrüßte Julian den Magier.

"Seid ebenfalls gegrüßt, Julian. Nun denn, habt Ihr schon entschieden, wohin Ihr als erstes reisen möchtet?"

"Werden mich diese Portale etwa dorthin bringen?"

"Ja, in der Tat. In jeder Hauptstadt unserer verbündeten Reiche gibt es ebenfalls einen Raum mit solchen Portalen. Also, wohin soll's denn gehen?"

"Ich habe mir gedacht, ich reise als erstes nach Raspetanien."

"Ausgezeichnete Wahl, ich hätte besser nicht wählen können. Das Portal ist allerdings kaputt. Ihr müsst den langen und beschwerlichen Weg nehmen."

"Was? Ist das ein Scherz? Warum ist es dann eine ausgezeichnete Wahl?"

"Weil Raspetanien ein wichtiger Verbündeter sein wird und es wichtig ist, ihre Hilfe unverzüglich zu erlangen."

"Wichtiger als Shanto Gyar?"

"Unter Umständen schon. Außerdem könnt Ihr dann von Raspetanien aus über das Portalsystem in die anderen Reiche reisen."

"Na schön, aber was, wenn der düstere Magier schon vorher angreift?"

"Das wird er nicht. Ich habe in die Zukunft gesehen und bin mir sicher, dass seine Armee erst in etwas mehr als zwei Monaten eintrifft."

 

"Moment, Ihr könnt in die Zukunft sehen?"

"Aber ja doch. Das ist eine Spezialität der Wassermagie."

"Wassermagie? Was hat Wasser denn mit der Zukunft zu tun?"

"Habt Ihr schon mal vom Zeitfluss gehört, Julian?"

"Nein."

"Ist ja auch egal, es funktioniert jedenfalls. Ich versichere Euch, dass uns genug Zeit bleibt, um Unterstützung anzufordern und es bleibt auch noch genügend Zeit für diese Unterstützung, bei uns einzutreffen."

"Ach ja, das hatte ich noch gar nicht bedacht. Sie müssen die Truppen ja noch bis Erudicor schaffen. Das dauert doch ewig. Da brauchen wir doch noch mehr als ein Jahr Zeit."

"Nein, Julian. Vier der Reiche sind nahe an Anthem Gows. Die beiden, die weiter entfernt liegen, könnten sich verspäten, aber sie werden letztendlich auch an der Schlacht teilnehmen."

"Habt Ihr das alles auch in der Zukunft gesehen?"

"Nicht direkt. Aber ich bin davon überzeugt. Es muss einfach funktionieren. Wir dürfen nicht verlieren, sonst sind Erudicor, Anthem Gows und bald schon die ganze Welt verloren.

"Dann werde ich mich wohl nach einer schnellen Pferdekutsche umsehen müssen.", gab Julian von sich und verlor keine Zeit.