Der Zirkel

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Seine braunen Augen blicken traurig und ich bin versucht, ihn hinter den Ohren zu kraulen.

Er hat Depressionen. Und er hielt es nicht für nötig, mir das mitzuteilen. Ein wundervoller Ehemann und Partner.

„Leider kann ich dir bei Depressionen nicht helfen. Ich bin kein Arzt. Du hättest es mir sagen können. Lass mich jetzt alleine, Gregor. Ruf mal deinen Anwalt an, er soll die Beteiligung rückgängig machen. Und dann gebe eine Presseerklärung heraus. Die Goldgräberin verzichtet auf das Geld. Vielleicht begegnet man mir dann mit etwas Achtung. Vielleicht kannst du es dann auch.“

„Ist das wirklich dein Wunsch, Nathalie? Weißt du, wie hoch die Erbschaftssteuer wird, wenn ich sterbe?“ Ich sehe ihn an. Er hat wirklich nicht alle Tassen im Schrank.

„Weißt du, wie teuer das wird, wenn ich mich scheiden lasse? Wir haben keinen Ehevertrag. Wie kann man so dumm sein? Da war wohl ein Schlag mit dem Rohrstöckchen zuviel?“

„Du verachtest mich dafür.“

„Nein. Ich verachte mich dafür.“ ich stehe auf. „So dämlich bin ich noch nie im Leben gewesen. Ich bin auch noch freudestrahlend auf eigenen Füßen in den goldenen Käfig gehüpft. So dumm muss man erst einmal sein, Gregor. Aber ich bin ja lernfähig. So, wie es jetzt läuft, geht es nicht weiter. Ich verplempere nicht mein Leben in diesem beschissenen, kalten Palast, um auf ein Zeichen deiner Zuneigung zu warten. Jeden Samstagabend.“

Ich habe vollkommen die Beherrschung verloren. Jeder hier muss es gehört haben, so laut kreische ich.

„Was hast du vor?“

„Ich ziehe in meine alte Wohnung. Und wage es nicht, dort aufzukreuzen, mein Freund.“

„Du drohst mir? Nein. Bleib ruhig hier. Ich gehe. Das muss ich mir nicht anhören.“

„Ja. Tu das, was du immer tust. Lauf weg.“

„Ich hasse dich.“ brüllt er. Seine sanften Dackelaugen sind von einer Kälte, die ich noch nie gesehen habe.

„Ja? Wie schön. Dann kannst du ja doch etwas fühlen.“

Wirklich blöd für Gregor, dass wir heute Abend eingeladen sind. Bei einem Abgeordneten, glaube ich. Es ist ein Gartenfest und Prominenz und Pressevertreter sind geladen. Mittlerweile brauche ich keine Stylistin mehr, nur noch einen Friseur, der so tuntig ist, dass er mich in gute Laune versetzt. Ich sehe sehr schön aus. Ich muss mich selbst dafür loben, dass ich mir dieses Kleid kaufte. Dann sitze ich in stummem Brüten neben ihm in der Limousine. Der kann was erleben, nehme mich mir vor. Zuerst lasse ich mich mit lieblichem Blick mit ihm fotografieren. Dann lasse ich mich voll laufen. Aber so richtig. Ich vertrage nicht viel. Und wenn ich getrunken habe, werde ich richtig anlehnungsbedürftig. Zuerst lehne ich mich an Gregor an. Und dann an den Gastgeber. Der fühlt sich richtig geschmeichelt, der fette Sack. Noch bin ich in der Lage, charmant zu plaudern. Dann greife ich wieder zum Champagner. Und irgendwann sammelt mich Charly von einer großen Treppe auf, nachdem ich meine Schuhe in den Teich geworfen habe, weil ich mich ausziehen will. Wie günstig, dass gerade ein Fotograf in der Nähe ist, als Charly mich auf den Armen hat. Ich winke freundlich in die Kamera. Ich weiß gar nicht, wie ich ins Bett gekommen bin. Aber als Robert meine Wade streift, als er die Decke über mich zieht, bemerke ich, dass Gregor neben mir liegt. Er schnarcht lautstark. Also hat er auch gestern getrunken. Robert zieht die Vorhänge auf und grinst mich unverschämt an. Er weist auf die Zeitung und geht dann. Das Foto, das mich auf Charlys Armen zeigt, hat eine durchschlagende Wirkung. Nicht nur das Foto. Vandenberg-Ehe nicht glücklich? lautet die Schlagzeile. Wer da wohl seine Finger im Spiel hatte? Gregor knallt mir wutentbrannt die Zeitung auf die Brust.

„Das war erst der Anfang, Schatz.“ sage ich und ziehe mir die Decke wieder über den Kopf.

„Ab sofort nehme ich meine Termine alleine wahr.“

„Fein. War mir sowieso zu anstrengend.“ brumme ich.

„Wie kommen die auf diese Schlagzeile?“

„Ist mir ein Rätsel. So glücklich war ich noch nie im Leben.“

„Ab heute gehen wir getrennte Wege.“

„Also bleibt alles so, wie es ist.“

Ja. Ein echt blöder Zufall, dass eine von den Pressetanten während meiner Studienzeit mit mir in einer Wohngemeinschaft gelebt hat. Ich werde ihr nachher Blumen schicken. Also, nicht ich persönlich. Dafür habe ich ja Personal. Nachdem Gregor angekündigt hat, vorerst nicht ins Vandenberg-Haus zurück zu kehren, sondern in seiner Stadtwohnung zu leben, gehe ich in Roberts Büro und gebe ihm den Auftrag, Gabi ein paar Blumen zu schicken. Er notiert sich die Adresse. Dann grinst er.

„Was? Ich bin nur höflich.“

„Planen sie noch etwas in dieser Art, Frau Vandenberg?“

„Das kommt darauf an, wie sich mein Mann verhält.“

„Er wird nichts tun.“

„Was macht Sie da so sicher, Robert?“

„Er ist zu vornehm.“ lächelt er.

„Richtig. Mein vornehmer Gatte. Wissen Sie was? Machen Sie mir doch einen Termin beim Friseur. Ich glaube, ich brauche eine neue Frisur.“

Als ich wiederkomme, habe ich einen schwarzen Pagenschnitt. Meine Augen kommen dadurch noch mehr zur Geltung. Ich bin ein ganz neuer Typ. Und ich brauche nicht mehr auf die Farben aufzupassen, damit sie sich nicht mit meinem Haar beißen. Ich war noch bei der Kosmetikerin und sie hat mir ein dezentes Make-up verpasst.

Robert starrt mich an, als er mir eine Tasse Tee bringt.

„Gefällt es Ihnen nicht, Robert?“

Er errötet. Doch. Es gefällt ihm. Sein Blick wanderte von meinem Kopf bis zu meinem Busen und zurück. Er hat mich neu entdeckt, glaube ich.

„Es ist so anders, Frau Vandenberg. Sie sehen völlig verändert aus. Sehr apart.“

„Ich dachte, es sieht aufregend aus. Was ist denn apart?“ sage ich enttäuscht.

„Ich kann Ihnen ja schlecht sagen, dass es aufregend aussieht.“ sagt er unsicher.

„Warum gehen wir beide heute Abend nicht aus? Sie können es mir dann sagen.“

„Frau Vandenberg!“ er fällt fast in Ohnmacht. So, als hätte ich ihn gebeten, sich auszuziehen.

„Sie würden nicht mit mir ausgehen?“

„Ich habe bereits eine Verabredung.“ sagt er. Ob das gelogen ist, kann ich schlecht sagen. Wahrscheinlich ist es ein höflicher Korb.

„Natürlich. Tut mir leid. Ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten.“

„Ich treffe mich mit meiner Tochter.“ sagt er.

„Ich wusste gar nicht, dass Sie Familie haben.“ sage ich erstaunt. Er hat ein Privatleben. Wahrscheinlich auch eine Frau. Und ich grabe ihn hier so unverschämt an.

„Nein. Nur eine Tochter. Vielleicht haben Sie Lust, sie kennen zu lernen? Sie ist 19 und hat gerade angefangen zu studieren.“

„Nein. Ich habe in Ihrem Privatleben nichts verloren.“

„Wie Sie meinen. Brauchen Sie noch etwas?“

„Danke.“

Ich hocke mich mit meiner Tasse Tee auf die Couch. Sogar Robert hat ein Privatleben. Vielleicht hat er eine Freundin. Und dann muss er die Zeit mit mir verbringen, der arme Kerl. Vielleicht sollte ich im um 16 Uhr frei geben. Ich brauche ihn wirklich nicht den ganzen Abend. Ich bräuchte meinen Mann, so, wie er vor unserer Hochzeit war. Aber den gibt es ja nicht mehr. Und mich braucht wirklich niemand. So schnell kann das gehen. Aus dem rosa Wolkenland unsanft auf den Arsch geknallt. Willkommen in der Realität, Nathalie.

Ich gehe in mein Büro und schreibe Gregor eine Mail. Ich schlage vor, Robert ein Privatleben zu gönnen. Höflich frage ich nach seinem Befinden. Und ich schreibe, dass es mir Leid tut, dass es so gekommen ist. Umgehend kommt die Antwort. Ich soll mit dem Personal so verfahren, wie ich es für richtig halte. Es geht ihm, Gregor, schlecht. Ihm tut es auch leid, dass er so unhöflich war. Und dass er mich vermisst. So, wie ich früher war. Dass er aber nichts dafür kann, dass es ihm so schlecht geht. Er bemüht sich und geht bald zur Therapie. Es liegt ihm viel daran, sein Leben in den Griff zu bekommen und wieder der Mann zu werden, in den ich mich verliebt hatte. Er unterschreibt in Liebe, Gregor. Ich würde am liebsten meinen Rechner aus dem Fenster werfen. In Liebe. Dass ich nicht lache. Ich surfe ein wenig im Internet, trinke ein Glas Wein und langweile mich. Dann höre ich die Haustür. Es ist 23.30 Uhr. So schnell kann Gregor nicht hier sein. Es ist auch nicht Gregor. Roberts Schritt kenne ich. Er sieht erst ins Wohnzimmer und kommt dann ins Büro.

„Sie arbeiten noch?“

„So würde ich das nicht nennen.“ lächele ich. Er sieht wirklich gut aus. Er trägt einen sehr eleganten Anzug und er ist gut gelaunt.

„Robert? Ich habe mir überlegt, dass ich Sie wirklich nicht so lange in Anspruch nehmen kann. Warum machen Sie nicht um 16 Uhr Feierabend? Sie haben ein Privatleben.“

„Ich soll um 16 Uhr Feierabend machen? Warum?“ fragt er entsetzt.

„Was benötige ich denn schon? Ein Glas Wein? Das kann ich mir selbst holen. Ich weiß, dass es Ihrem Pflichtbewusstsein widerspricht. Aber wir leben nicht im Mittelalter. Sie haben bestimmt eine Freundin, die Sie gerne öfter sehen möchte.“

„Frau Vandenberg. Es wäre sehr freundlich, wenn Sie mein Privatleben mir überlassen würden.“ sagt er gepresst.

„Das tue ich doch auch. Sie sollen nur mehr Zeit dafür haben. Es ist in Ordnung, wirklich.“

 

Robert stöhnt. Jetzt wird er aus der Rolle fallen. Frau Römer hatte schon Recht. Ich störe hier nur den geregelten Ablauf.

„Frau Vandenberg, auf die Idee, dass ich gerne in Ihrer Nähe bin, sind Sie noch nicht gekommen, oder?“ sagt er ärgerlich.

„Ich bin auch gerne in Ihrer Nähe, Robert. Da ist sehr nett von Ihnen.“

„Sie verstehen mich nicht. Dass ich mich so korrekt Ihnen gegenüber verhalte, bedeutet nicht, dass es meinem Wunsch entspricht.“

Ich verstehe ihn wirklich nicht. „Sie würden sich lieber nicht korrekt verhalten? So, wie Frau Römer, meinen Sie?“

„Nein. Nicht wie Frau Römer.“

„Ich verstehe nicht, was Sie meinen, Robert.“ sage ich hilflos. Was würde er denn gerne? Mich übers Knie legen? Mich anschreien?

„Das ist vielleicht besser so. Benötigen Sie mich noch?“

„Nein. Werden Sie es sich überlegen? Früher Schluss zu machen, meine ich.“

„Nein. Werde ich mir nicht überlegen.“ sagt er renitent. Er funkelt mich an. Was hat er nur?

„Herr Zorn? Haben Sie getrunken?“

„Nein. Das ist mir einmal passiert. Und ich habe nicht auf Sie aufgepasst.“

„Jetzt wissen Sie ja, wo ich bin. Schlafen Sie gut, Robert.“ ich schalte meinen Laptop aus und verlasse das Büro.

„Gute Nacht, Frau Vandenberg.“

Ich überlege die ganze Zeit, was er gemeint hat. Noch, als ich mich ausziehe. Heute werde ich nur im Slip schlafen. Es ist brütend heiß im Schlafzimmer. Ich öffne die Terrassentüren weit und beobachte, wie sich die Vorhänge im Wind bewegen. Meine Decke ist viel zu warm. Also hole ich mir ein großes Handtuch im Bad, mit dem ich mich so bedecke, dass die Beine herausschauen. Sogar der Slip stört mich und ich ziehe ihn auch noch aus. Sollen mich die Mücken ruhig finden. An einem Mückenstich herumzukratzen ist immer noch besser als einen Hitzschlag zu bekommen. Wenn es morgen auch noch so heiß ist, werde ich auf der Terrasse schlafen, nehme ich mir vor. Ich brauche lange, bis ich einschlafe. Und besonders ruhig ist der Schlaf auch nicht. Erst, als es schon hell wird, schlafe ich fest ein.

Kapitel 2 Hengsparade

Robert zupft vorsichtig an meinem Badetuch herum. Ich liege auf dem Bauch, meine Decke unter mir. Und mein Badetuch habe ich mir über den Kopf gezogen, damit ich diese blöde Mücke nicht summen hörte. Robert habe ich ganz vergessen. Er überlegt, was er tun soll. Wahrscheinlich starrt er dabei meine Rückseite an, die ich ihm präsentiere. Ich stelle mich schlafend. Sonst wird es für beide peinlich. Dann fühle ich seine kühle Hand auf meinem Oberschenkel. Ich halte die Luft an. Was macht er denn da?

„Ich weiß, dass du nicht schläfst.“ flüstert er. Dann arbeitet sich seine Hand zärtlich zu meinem Po hoch und streichelt mich dort. „Du hast es also verstanden.“ murmelt er. Dann streichelt er sich mit den Fingern den Spalt wieder nach unten und greift mir sanft zwischen die Beine. Wie wundervoll. Er streichelt mich zwischen den Schamlippen, bis er den weichen, empfindlichen Knopf gefunden hat. Vorsichtig bewegt er dort seinen Finger. Ich glaube, ich träume. Robert streichelt mich. Das hat er gemeint. Jetzt verstehe ich es erst. Ich bin wirklich nicht die hellste.

Er hat sich auf die Bettkante gesetzt und küsst mich auf den Nacken. “Dreh dich um, Nathalie.“ sagt er leise und zärtlich. „Komm schon. Dreh dich um. Sonst kann ich dich nicht küssen.“

Und wie dieser Mann küsst. Mir wird ganz schwindlig vor Entzücken. Seine Zunge tastet sich zärtlich durch meinen Mund, seine Hand liegt zwischen meinen Beinen und ruft eine Erregung in mir hervor, die ich lange nicht gefühlt habe. Wie unglaublich zärtlich er ist. Ich will sein Hemd aufknöpfen. „Nein. Heute Abend.“ flüstert er. Jetzt soll ich auch noch darauf warten! Aber auf eines brauche ich nicht lange zu warten. Stöhnen vor Lust, mit dem Mund an seinen Lippen, streichelt er mich zum Höhepunkt.

„Willst du heute Abend bei mir schlafen? Da ist es kühler.“ sagt er fürsorglich, als er mich im Arm hält.

„Kann ich nicht immer bei dir schlafen? Ich könnte bei dir einziehen.“

„Das wäre schön, ja. Lass uns die Zeit genießen, die wir zusammen haben.“

„Du meinst die Zeit, bis Gregor wieder da ist?“

„Ja. Die meine ich.“ er küsst mich zärtlich.

„Robert? Wenn ich mir überlege, was du mir gesagt hast, könnte ich wirklich meinen, du seiest in mich verliebt. Habe ich mich da getäuscht?“

„Nein. Hast du nicht.“

„Und doch gehst du davon aus, dass ich das nur tue, weil mir mal danach ist?“

„Ich mache mir schon lange keine Illusionen mehr, Nathalie. Du bist Gregors Frau. Was könnte ich dir schon bieten?“

„Keine Ahnung. Ich habe ja noch nicht alles gesehen.“

„Das meine ich nicht. Welches Leben könnte ich dir bieten?“

„Eins mit dir?“

„Ja. Das ist das einzige, was ich zu bieten habe. Das wird dir nicht reichen. Komm, zieht dich an. Dr. Meisler kommt gleich. Gregor hat ihn geschickt, er will mir dir sprechen.“

„Ah. Die Firmenbeteiligung. Bald bin ich wieder arm und ich selbst.“

„Bald bist du wieder arm, weil du dumm bist. Wie kann man das zurückgeben wollen?“

„Ich bin nicht käuflich.“

Ich empfange Dr. Meisler in meinem Büro. Er ist um die Sechzig und er sieht mich an, als sei ich seine ungezogene Tochter. Ich sehe ihn heute zum ersten Mal. Er schüttelt den Kopf.

„Frau Vandenberg. Ich habe ja schon wirklich merkwürdige Wünsche gehört. Aber das ist mir noch nicht untergekommen. Sie können die Anteile nicht verkaufen oder verschenken. Es sei denn, an ihren Mann. Aber der will sie nicht. Was haben Sie sich nun vorgestellt?“

„Ich habe einen Vertrag unterschrieben, der mich quasi zwingt, die Anteile zu behalten?“

„Das hätte Ihnen als Anwältin auffallen sollen. Warum sollte Sie sie zurückgeben wollen? Können sie mir einen Grund dafür nennen?“

„Ja. Das kann ich. Mein Mann hat mir unterstellt, ihn nur aus diesem Grund geheiratet zu haben. Für ihn klang das fair. Ich bekomme die Anteile, er eine Frau, mit der er repräsentieren kann. Aber so habe ich mir das nicht vorgestellt. Ich liebe Gregor. Jedenfalls tat ich das, bis er das sagte. Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher.“

Schon gar nicht, wenn ich daran denke, wer mich heute Morgen gestreichelt hat und was ich dabei empfunden habe. Sehnsüchtig lausche ich auf Roberts Schritt. Aber es ist nichts zu hören.

„Sie wollen sie also zurückgeben, weil Sie verletzt sind? Er hat Ihren Stolz verletzt?“ fragt Dr. Meisler ungläubig und schaut mich über den Rand der Brille an.

„Ungewöhnlich, oder? Ich weiß. Das ist in diesen Kreisen nicht üblich.“ sage ich spöttisch.

„Frau Vandenberg? Ganz im Vertrauen. Er hat es mit Sicherheit nicht so gemeint. Er liebt sie. Wenn es im Moment auch nicht danach aussieht. Er ist schwer krank. Seine Seele, meine ich. Seien Sie nicht so hart zu ihm.“

„Schwer krank, ja? Schwer misstrauisch, würde ich sagen. Warum kann er mir das nicht erzählen?“

„Er schämt sich dafür. Weil er nichts dagegen tun kann. Er war schon einmal in einer stationären Therapie. Dort hat er…“ er bricht ab.

„Dort hat er was?“

„Nichts. Er machte nur kleine Fortschritte, wollte ich sagen.“

„Es war noch schlimmer?“

„Oh, ja.“

„Warum war so anders, als er mich kennen gelernt hat?“

„Er hat mit etwas experimentiert, was nicht legal ist.“ flüstert er wie unter Qualen.

„Mit Drogen?“

„So genannte weiche Drogen.“

„Er hat Gras geraucht? Was ist dabei? Es hat ihm doch wohl geholfen.“

„Ja. Jetzt ist er vorbestraft.“ grinst Dr. Meisler.

„Vorbestraft?“

„Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz.“

„Aber es gibt doch Studien. Kann man ihn nicht in eine aufnehmen?“

„Nur Schmerzpatienten.“

„Ich nehme an, er muss sich testen lassen, ob er es noch nimmt. Wie lange noch?“

„Etwa ein Jahr.“

„Das ist unmenschlich. Warum gehen wir nicht zum Gerichtshof für Menschenrechte?“

„Was für eine Publicity für Vandenberg Automotive.“ seufzt er.

„Also muss er noch ein Jahr leiden.“

Er hätte es mir sagen können, hämmert es in meinem Kopf. Warum hat er es mir bloß nicht gesagt? Aber bevor ich weiterdenken kann, kommt Robert aus der Stadt zurück. Er sieht mich zärtlich an. „Ich habe Ihren neuen Bestseller dabei, Frau Vandenberg. Es geht um jede Menge Sex.“ sagt er und gibt mir die Tüte mit dem Buch.

„Ehrlich? Können Sie behalten. ich habe keinen.“ sage ich, als ich Frau Römer durch den Flur kommen höre.

„Es könnte Ihre Phantasie anregen.“ schlägt er grinsend vor.

„Ich könnte es Gregor schicken. Was halten Sie davon?“

„Eine gute Idee. Ich packe es gleich ein.“ sagt er und nimmt mir die Tüte wieder ab. Er hat Frau Römer auch gesehen.

„Sind Sie gleich im Büro? Ich muss ein paar Termine mit Ihnen abstimmen.“

„Das können wir sofort. Kommen Sie, Frau Vandenberg.“

Die kleine Schlampe Nathalie Vandenberg sitzt breitbeinig auf Roberts Schoß und lässt sich die Oberschenkel streicheln, während sie ihm von Dr. Meislers Besuch erzählt. Robert lacht. „Arm zu werden, ist also gar nicht so einfach?“

„Es gestaltet sich etwas kompliziert, ja.“

„Und wenn ich reich wäre, wäre das schlimm für dich?“

„Bist du aber nicht. Du bist einfach nur aufregend.“ sage ich und küsse ihn.

Dann erzähle ich, wie Dr. Meisler über Roberts Krankheit berichtet hat. Den Drogenteil lasse ich diskret weg. Wahrscheinlich wird er es wissen.

„Was willst du jetzt tun?“

„Dich genießen.“

Frau Römer hat mir einen griechischen Bauernsalat gerichtet und in den Kühlschrank gestellt. Ich habe sie heute früher nach Hause geschickt, weil es unerträglich heiß ist. Auch Robert habe ich fort geschickt. Weil er heute kochen wird. Ich bringe den Salat mit und den Wein. Das Gästehaus, in dem Robert wohnt, ist viel größer, als es von meinem Schlafzimmerfenster aussieht. Und es ist wohnlich und gemütlich eingerichtet. Und Robert trägt endlich keinen Anzug mehr. In der Hitze hat er sich heute tagsüber dazu hinreißen lassen, wenigstens das Jackett und die Krawatte abzulegen. Aber nur, weil ich darauf bestanden habe. Jetzt trägt er Jeans und Polohemd und ich sehe ihn zum ersten Mal ohne Schuhe. Aber Robert würde selbst dann noch elegant aussehen, wenn man ihn in einem Müllsack stecken würde. Es ist ihm angeboren. Der ist mit Sicherheit kein Butler, denke ich. Niemals. Hier, privat, benimmt er sich nämlich völlig anders. Und das liegt nicht daran, dass er heute Morgen an mir herumgestreichelt hat.

Im Wohnzimmer steht ein Foto seiner Tochter. Ein wirklich hübsches Mädchen mit schwarzen Locken. Die hat sie von ihrem Vater. Wenn nämlich Roberts Haar feucht ist, lockt es sich auch. „Sie sieht sehr nett aus. Wie heißt sie?“

„Das ist Carina.“ sagt er stolz.

„Und was studiert sie?“

„Musik. Sie ist eine begabte Cellistin. Sie hat ein Stipendium.“

„Du musst sehr stolz auf sie sein.“

„Ja. Papa ist stolz auf seine Maus.“ lacht er.

„Und ihre Mutter? Bist du geschieden?“

„Nein. sie ist tot.“

„Tut mir leid.“ sage ich betreten.

„Was ist mit dir? Willst du mal Kinder haben?“

„Keine Ahnung. Wenn der Wunsch kommt, sage ich Bescheid.“

 

„Du hat mit Gregor nicht über Kinder gesprochen?“

„Nein. Hat er nie erwähnt. Will er welche? Den Eindruck habe ich nicht. Ich mag sie aber. Besonders, wenn sie schon studieren. Ich weiß gar nicht, ob Gregor Kinder hat. Habe ich gar nicht gefragt. Hat er welche?“

„Ich habe noch keine gesehen. Aber ich arbeite auch erst vier Jahre für ihn.“

„Kann ich dir in der Küche helfen? Zuhause darf ich das ja nicht.“

„Nathalie? Sollen wir uns nicht wieder einen Hund holen?“ fragt er, als er mir die Gläser in die Hand drückt, die ich mit nach draußen auf die kleine Terrasse nehmen soll. Sie ist vom Haus abgewandt, also absolut ungefährlich.

„Wie sich das anhört. Als wären wir ein altes Ehepaar.“ ich muss lachen.

„Ich mochte unsere Spaziergänge im Wald.“

„Ja. Die mochte ich auch. Armer Otto.“

Robert serviert formvollendet Lammfilet auf griechische Art und kleine Ofenkartoffeln. Der Tisch ist perfekt gedeckt. Was würde er für einen wundervollen Ehemann abgeben.

„Auf unseren neuen Hund.“ sagt er und wir stoßen mit dem kühlen Weißwein an. Ist vielleicht nicht so ganz passend, aber wenigstens kühl.

„Wir fahren morgen ins Tierheim. Wie wäre es mit zwei Hunden? Vielleicht entscheidet sich wenigstens einer für mich?“

„Und nachher dösen beide in meinem Büro.“ sagt er amüsiert. „Ich kann nichts dafür. Sie lieben mich einfach.“

„Ich war schon ein bisschen böse. Bis ich gehört habe, wie du mit ihm sprachst.“

„Ich habe früher meinen Jagdhund mit ins Büro genommen. In meinem alten Leben.“

Habe ich es doch gerochen. Er war nicht immer Hausmanager. Wahrscheinlich der Manager seiner eigenen Firma. Und dann ist etwas passiert. Er ist ausgestiegen.

„Du bist Jäger?“

„Nein. Meine Frau. Ich mochte nur den Hund.“

„Deine Frau hat gejagt? Wie ungewöhnlich.“

„Ja. Das war sie. Ungewöhnlich.“ er starrt sehnsüchtig auf den Wald, der sich an das Grundstück anschließt.

„Es schmeckt hervorragend. Hast du Kochen gelernt?“

„Ja. Musste ich. Wie schon gesagt, meine Frau war ungewöhnlich. Ich war der Häusliche.“

„Was hat sie denn gemacht?“

„Sie war Künstlerin.“

„Und was warst du?“

„Ich war immer schon aufregend. Noch Wein?“

Ich halte ihm mein Glas hin. Er will also nicht darüber reden. Also schön. So wichtig ist es ja auch nicht. Ich habe auch nicht das Gefühl, dass er mir wichtige Dinge verschweigt.

Was für wunderschöne Augen er hat. Oder es kommt mir so vor, weil sie mich so lieb ansehen. Wie kann das sein, dass dieser Mann keine Partnerin hat? Ob er auch solche Probleme hat wie Gregor? Frage ich ihn doch einfach mal.

„Robert? Warum lebst du alleine?“

„Es hat sich nach Gudrun nichts mehr ergeben. Eine Freundin hier und da. Mehr nicht. Ein bisschen tanzen, ausgehen, mal ein Urlaub. Aber nichts Ernstes. Ich habe keine Depressionen, falls du das meinst. Es war einfach nicht die richtige dabei.“

„Meinst du, die kommt noch?“

„Vielleicht. Wenn ich es schlau genug anstelle? Wer kann das wissen?“ er lächelt.

„Ich sage dir, wie es ist, Robert. Ich gebe Gregor und mir keine großen Chancen.“

„Abwarten. Wenn er wieder so ist wie früher…“

„Robert? Weißt du, wie ich aufgewachsen bin?“

„Ja. Ich habe den Bericht der Detektei gesehen.“

„Ich bin es gewohnt, mit nichts da zu stehen. Ich komme wieder auf die Füße. Gregor kann das nicht.“

„Das kannst du ihm nicht zum Vorwurf machen, Nathalie.“

„Er weiß mit Sicherheit, dass ich bei dir bin. Er ist ja nicht blöd. Und er hat andere Vorstellungen vom Zusammenleben als ich, musste ich feststellen. Er geht davon aus, dass ich ihm wieder zur Verfügung stehe, wenn er sich gesund fühlt. Aber so einfach ist das nicht. Nicht für mich.“

„Mach dir nicht so viele Gedanken. Es ist ein schöner Abend. Genieße ihn doch einfach.“

Ich genieße lieber Roberts Zärtlichkeiten, die er mir gerne und reichlich gibt. Wie wundervoll er ist. In seinem Schlafzimmer, in dem es wirklich kühler ist als in meinem, zieht er mich ganz langsam aus und betrachtet mich. Als würde er sich meinen Anblick in das Gedächtnis brennen wollen, weil es morgen schon vorbei sein könnte. Er erkundet mit seinen Lippen meinen ganzen Körper. Und besonders eine Stelle hat es ihm angetan. Die von heute Morgen. Nur fühle ich diesmal nicht seine Hand, sondern seine Zunge. Und ich fühle gleich noch viel mehr. Ich darf ihn ausziehen. Wie weich seine Haut ist. Er hat eine riesige Erektion, die sich mir lockend entgegenreckt. Ich will ihn dort küssen. Und will ihn im Mund haben. Dann höre ich ihn zum ersten Mal vor Lust stöhnen. „Hör mal kurz auf.“ bittet er mich. Aber da ist es schon geschehen. Ich habe seinen salzigen Geschmack im Mund. „Tut mir leid. Es war einfach zu schön.“ sagt er entschuldigend und reicht mir sein T-Shirt, damit ich es ausspucken kann.

„Nein. Ist schon weg.“ sage ich.

„Schon weg? Wohin?“

„Wolltest du es wiederhaben? Tut mir leid.“ grinse ich.

„Du hast es mir geklaut? Du Luder.“ er piekst mich in die Seiten.

„Hol es dir zurück.“

„Ich habe noch mehr davon. Du musst nur abwarten.“

Nach ein paar Streicheleinheiten, ein paar Küssen und ein wenig Gekicher und Geschmuse zeigt er mir, was er noch für mich hat. Im Gegensatz zu Gregor, der seine Arme immer neben mir abstützt, nimmt mich Robert dabei fest in die Arme, als er tief in mich stößt. Ich umklammere ihn mit meinen Beinen, als fürchtete ich, er würde einfach aufhören und davon laufen. Er bittet mich, seinen Namen zu sagen. Also, sagen kann ich ihn nicht, aber stöhnen. Und auch Robert stöhnt laut, als er in mir kommt.

Er lässt sich erschöpft neben mich fallen. „Mein zweiter Vornahme ist Oh,ja? Das ist mir noch gar nicht aufgefallen.“ grinst er befriedigt.

„Wenn du nicht dauernd sagen würdest „Ist das gut“, hättest du es vielleicht schon früher mitbekommen.“ lächele ich liebevoll.

„Aber es war gut.“

„Nein. Das war großartig. Das war das, was ich immer haben will.“

„Immer? Ach, du meine Güte. Immer?“

„Jeden Tag. Nicht ständig.“

Als das Handy klingelt, befürchte ich schon, dass es das erste und letzte Mal gewesen ist. Es ist nämlich die Sicherheitszentrale. „Was wollen die denn?“ stöhnt er unwillig.

„Zorn?“

Aufgeregtes Sprechen. Ich kann es bis ins Bett hören.

„Ach, Scheiße.“Ich höre ihn zum ersten Mal fluchen. Dann klappt er das Handy zu.

„Schöne Grüße von Herrn Vandenberg.“ sagt er und schaltet den Fernseher ein. Ein Nachrichtenkanal. Ich kann es nicht fassen, was ich da sehe. Man hat Gregor verhaftet wegen Mordes. Es läuft ein Film, wie man ihn abführt aus seiner Stadtwohnung. Er hat den Kopf gesenkt und wird von zwei Polizisten am Arm gehalten.

„Das kann doch nicht sein.“ sage ich ungläubig und schüttele den Kopf. „Robert, das kann doch nicht sein.“

Robert hat sich auf das Bettende gesetzt. „Es sieht so aus, Nathalie.“

„Das kann niemals sein. Er ist doch kein Mörder.“ schreie ich unbeherrscht.

„Hör doch zu. Er hat selbst die Polizei angerufen. Hör doch zu.“

Es scheint so zu sein. Die Sprecherin berichtet, heute Morgen gegen 6.30 hätte Gregor Vandenberg, der Inhaber des Weltkonzerns Vandenberg die Polizei angerufen und hätte gesagt, er habe jemanden umgebracht. Um wen es sich handelt, ist noch nicht bekannt.

„Das glaubst du doch nicht etwa?“

„Hast du gehört, wann das war? 6.30 Uhr.“ sagt er niedergeschlagen.

„Ja. Wir vergnügen uns im Bett und mein Mann gesteht mal eben einen Mord.“ sage ich ungläubig. „Er hat niemals jemanden umgebracht. Niemals. Dafür verwette ich meinen Arsch. Niemals. Nicht Gregor.“

„Warum? Weil er im Kern gut ist? Oder weil er so nett aussieht?“ sagt Robert. „Weil er dir nette Worte ins Ohr flüstert, wenn er dich vögelt?“

„Sag mal, sprichst du von dir? Gregor hat niemanden umgebracht. Entweder er hat phantasiert oder er deckt jemanden. Er hat das nicht getan.“ sage ich höchst verärgert. Warum glaubt mir Robert nicht? Er kennt ihn doch viel länger als ich. Er müsste wissen, wie Gregor ist. Er mag kalt sein, egoistisch, aber nicht gewalttätig.

„Du weißt nicht, wie Gregor ist. Du weißt überhaupt nichts.“ sagt Robert.