Die Totenbändiger - Äquinoktium - Die gesamte erste Staffel

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Kapitel 18


Wer ist sie?« Blaine stand im Büro seines Vaters und schaute aus dem Fenster hinunter auf den Parkplatz, wo eine Frau mit schneeweißen Haaren zusammen mit Jaz und dieser Ella in einen alten blauen Kombi stieg. Eine junge Frau mit genauso weißen Haaren und ein junger Mann mit Lederjacke waren bei ihnen. »Und wer sind die anderen?«

»Susan Hunt. Und ihre Kinder.« Kälte lag in Cornelius’ Stimme, als er zusah, wie der Kombi wendete und dann durch den Regen Richtung Tor fuhr. »Susan war in meinen Jahrgang das, was Jazlin in deinem ist: diejenige, die sich uns nicht beugen wollte.«

Blaine hob eine Augenbraue. »Du wolltest, dass sie ihre Kräfte mit deinen vereint? So stark ist sie?«

»Ja«, antwortete sein Vater knapp. »So stark ist sie.« Reglos blickte er dem Wagen hinterher, nur seine Augen glänzten vor Zorn. »Aber sie verschwand und paarte sich stattdessen mit irgendeinem dahergelaufenen Unbegabten. Eine absolut unverzeihliche Verschwendung von Kräften, Talent und Möglichkeiten.«

»Warum hast du ihr das denn dann durchgehen lassen? Hast du nicht nach ihr gesucht?«

»Natürlich. Aber Susan schaffte es, unterzutauchen. Ich stellte einige Nachforschungen an und steckte einige Zeit in die Suche nach ihr, doch dann machte mein Vater mir bewusst, dass ich meine Energien auf wichtigere Dinge konzentrieren sollte. Wir hatten schließlich größere Pläne.«

Blaine nickte. »Und eine Schlacht zu verlieren, ist keine Schande, solange es keine entscheidende Schlacht ist und man daraus seine Lehren zieht«, zitierte er seinen Großvater.

»Exakt.«

»Dann war das heute keine entscheidende Schlacht? Hast du Jaz deshalb mit ihr gehen lassen?«

Cornelius schwieg und starrte eine Weile hinaus in den Regen. »Ich denke, es ist an der Zeit, mich wieder mehr mit Susan zu befassen«, sagte er schließlich. »Das Risiko, dass sie unsere Plänen durchkreuzt, gehe ich nicht ein.«

Kapitel 19


Das Mean & Evil lag in einer Seitengasse in Camden Town etwas abseits des Camden Markets und galt im Nordwesten Londons als der Treffpunkt für Totenbändiger. Der Laden hatte den Charme eines etwas düsteren, ansonsten aber ziemlich typischen englischen Pubs: ein bisschen zusammengewürfelt, ein bisschen in die Jahre gekommen und der Umgangston war rau, aber herzlich. Seit Generationen gehörte der Laden Eddies Familie und mittlerweile führte er ihn seit über dreißig Jahren zusammen mit Hank und Lorna, mit denen er nicht nur das Geschäft, sondern auch sein Leben teilte. Alle drei waren um die fünfzig, hatten gemeinsam zwei Kinder in die Welt gesetzt und im Laufe der Jahre acht Pflegekinder durchgebracht, die sie Klinikwächtern abgenommen hatten oder Müttern, die ihre Babys nicht behalten konnten oder wollten. Auch das ein oder andere Straßenkind war bei ihnen untergekommen. Doch Lorna, Hank und Eddie kümmerten sich nicht nur um das Mean & Evil und verstoßene Kinder. Sie hatten auch überall in London Augen, Ohren und nützliche Verbindungen, und wer Informationen, Rat oder Hilfe brauchte, wandte sich an sie.

Stimmengewirr, rockige Beats und warme Luft schlugen Gabriel entgegen, als er die Kneipentür aufzog und mit Sky und Connor eintrat. Wie jeden Abend war das Mean & Evil gut besucht. Im vorderen Bereich gab es neben der Bar mehrere freistehende Tische und an zwei der Wände Tischnischen, wenn man es privater mochte. Im hinteren Bereich lag die Spielhölle, wie ein Neonschild wissen ließ. Dort sorgten zwei Billardtische, Dartscheibe, Kicker und ein Flipperautomat sowohl für Vergnügen als auch für die ein oder andere Streitigkeit. In der gesamten Kneipe herrschte eine schummrige Beleuchtung und die Musik war exakt auf die richtige Lautstärke eingestellt. Leise genug, dass man sich unterhalten konnte, ohne sich anschreien zu müssen, und gleichzeitig laut genug, dass die Leute am Nachbartisch nichts belauschen konnten, was sie nichts anging.

Gabriel, Sky und Connor grüßten Eddie und Lorna, die hinter der Theke standen, und steuerten ihre übliche Nische an, in der bereits Leslie, Nell und Jamal saßen – drei der Mitglieder von Ghost Reapers, Inc. Matt, der Gründer der Agentur, die versprach, Bürgern mit Geisterproblemen zu helfen, war eins der Straßenkinder, denen Lorna, Hank und Eddie in ihrer Wohnung über dem Mean & Evil ein Zuhause gegeben hatten.

»Hi, da seid ihr ja«, grüßte Leslie erfreut, als Sky, Connor und Gabriel sich zu ihnen durchgeschlängelt hatten. Sie war gemischter Herkunft mit hellbrauner Haut, wilden braunen Afrolocken und dunklen Augen. »Wie war eure Woche?«

»Schön, dass du fragst.« Sky ließ sich auf die lederüberzogene Sitzbank fallen. »Wir haben jede Menge zu erzählen.«

»Uuuh, klingt spannend«, meinte Nell sofort begeistert. Alles an ihr war schneeweiß, außer ihre Augen, die waren rosagrau – bis Licht hineinfiel, dann erschienen sie rot. Das machte Nell für die meisten ihrer Mitmenschen gleich doppelt unheimlich: Totenbändigerin plus Albinismus, das war eindeutig too much – und vermutlich auch der Grund, warum man sie als Neugeborene auf den Stufen des Mean & Evil abgelegt hatte.

»Aber warte lieber noch, bis Matt und Jack hier sind«, riet Leslie. »Sonst musst du alles zweimal erzählen.«

»Wo sind die beiden denn?« Gabriel rutschte neben Sky auf die Bank.

»In der Küche. Essen holen«, antwortete Jamal. Er war arabischer Abstammung. Sein Vater war ein Totenbändiger, seine Mutter nicht. Die beiden betrieben einen kleinen Elektronikladen samt Werkstatt, was Jamal zum Techniknerd der Ghost Reapers machte. Trotz der astronomischen Kosten hatte Matt seiner Truppe eine Silberbox und drei Auraglues gekauft, um sich beim Jagen und Vernichten von Geistern und Wiedergängern nicht nur auf ihre Totenbändigerkräfte verlassen zu müssen. Jamal hatte erst mal alles auseinandergenommen, um es genau zu untersuchen, und tüftelte seitdem an Alternativen zu den offiziellen Geisterwaffen herum, um ihren Vorrat günstig aufzustocken.

»Okay, bis die zwei kommen, hole ich uns Getränke«, bot Connor an. »Bier für alle?«

»Wenn du fährst?« Sky warf ihm den Autoschlüssel zu. »Ich glaube, du bist sowieso dran.«

»Ich komme mit und helf dir tragen.« Leslie schwang sich von der Bank und wäre fast mit Jack zusammengeprallt, der drei große Teller mit Burgern und Pommes zum Tisch balancierte.

»Hey, Vorsicht!« Hastig stellte er seine kostbare Fracht ab und schob zwei der Teller zu Jamal und Nell. Mit gerade mal neunzehn war Jack der Jüngste der Reapers, doch was das Geisterbändigen anging, machte ihm so schnell niemand etwas vor. Er war der leibliche Sohn von Lorna und da er Eddie wie aus dem Gesicht geschnitten war, war auch klar, wer sein Vater war. Wie Eddie hatte Jack welliges blondes Haar und ein Lächeln, mit dem er halb London um den Finger wickeln konnte.

»Achtung, heiß und fettig!« Seine Schwester Willa schob ihn gekonnt mit ihrer Hüfte zur Seite und stellte einen Teller mit Pommes vor Gabriel und Sky. In der anderen Hand hielt sie einen Korb mit Majo, Ketchup, Essig, Servietten und Besteck. »Ihr habt zwar sicher schon daheim gegessen, aber ein paar Pommes gehen doch immer.« Sie zwinkerte den beiden zu und stellte den Korb in die Tischmitte.

»Du bist die Beste.« Sofort schob Gabriel sich zwei Fritten in den Mund.

Willa lachte. »Ich weiß. Habt einen netten Abend und lasst ordentlich Trinkgeld da. Ich brauche eine neue Winterjacke und die, die ich bei Barney’s gesehen hab, kostet ein Vermögen. Also spendet großzügig, klar?«

Sie zwinkerte ihnen erneut zu, dann machte sie eine Runde durch den Gastraum und plauderte mit den Leuten. Willa war fast zehn Jahre älter als Jack und da sie genauso dunkelhäutig war wie Hank, war auch bei ihr klar, wer ihr Vater war. Genauso klar war, wer einmal die Familientradition im Mean & Evil weiterführen würde, denn Willa schmiss den Laden schon jetzt gemeinsam mit ihren Eltern.

»Mann, wenn ich jetzt nicht endlich was zwischen die Zähne bekomme, werd ich zum Tier.« Schnaufend ließ Matt sich mit zwei weiteren, großzügig beladenen Tellern auf die Bank fallen.

»Klar, weil du ja auch garantiert die Küche zum Mittagessen nicht genauso geplündert hast wie jetzt«, grinste Gabriel anzüglich und schob sich zwei weitere Pommes in den Mund.

»Na, wie ich sehe, gönnst du dir ja gerade auch ein zweites Abendessen«, schoss Matt zurück.

»Pommes sind warmes Knabberzeug. Die gehen immer.«

Matt lachte und schob sich selbst eine halbe Handvoll in den Mund. Wie Jack besaß er ein Lächeln, dem kaum jemand widerstehen konnte. Doch im Gegensatz zu seinem Bruder war Matt groß und muskulös mit breiten Schultern und einem Fausthieb, dem man lieber nicht in die Quere kam. Gleiches galt für sein Temperament. Das Einzige, was seine eindrucksvolle Erscheinung ein wenig schmälerte, waren seine Haare. Viele Totenbändiger hatten ungewöhnliche Haarfarben. Lornas waren sonnenblumengelb, Willas hatten einen dunklen Aubergineton. Doch was sich Mutter Natur bei Matts Haarfarbe gedacht hatte, wusste keiner. Sein Schopf war ein wilder Mix aus zartrosa und hellblauen Strähnchen.

Matt fand sie cool.

Er trug sie als wilden Strubbelschnitt und hatte sich seit Neustem noch dunkelgrüne und pechschwarze Strähnen darunter mischen lassen.

 

»Okay, dann schieß mal los«, forderte Nell Sky auf als Connor und Leslie mit den Getränken an den Tisch zurückkehrten.

»Womit? Gibt’s spannende Neuigkeiten?«, fragte Matt.

»Yep.« Gabriel nahm einen Schluck aus seiner Bierflasche. »Wollte ich euch eigentlich gestern Abend schon erzählen, aber da wart ihr nicht hier.«

Matt nickte. »Les, Nell, Jack und ich waren bei den Schönen und Reichen. Als Bodyguards für ein Ehepaar und seine beiden Töchter. Es gab eine Familienfeier auf einem Landsitz außerhalb von London und weil die bis spät in die Nacht ging, wollten sie Geleitschutz auf dem Weg zurück nach Hause.«

»Nicht megaspannend«, sagte Les zwischen zwei Burgerbissen. »Aber leicht verdientes Geld. Und sie haben uns schon für ein weiteres Familientreffen gebucht. Passt also.« Sie sah zu Sky, Gabriel und Connor. »Aber jetzt erzählt mal, was bei euch los war.«

»Was willst du zuerst hören?« Sky wischte ihre Finger an einer Serviette ab und schob den Pommesteller zu Gabriel und Connor. »Dass wir ein geheimes Massengrab mit verstümmelten Leichen unter Golders Hill gefunden haben, oder dass es seit gestern Familienzuwachs bei uns gibt und wir uns deshalb heute mit dem Leiter der Akademie anlegen mussten.«

»Wow«, mampfte Jamal beeindruckt mit vollem Mund. »Klingt beides vielversprechend.«

»Erst Massengrab, dann Familienzuwachs«, entschied Nell. »Ich steh drauf, wenn ein Abend blutig anfängt und dann herzerwärmend ausklingt. Also, schießt los.«

»Mann, das klingt echt übel«, befand Jack, als Connor, Gabriel und Sky mit ihrem Bericht über den Leichenfund im Park geendet hatten. »Glaubt ihr, es war derselbe Mistkerl wie damals?«

Connor hob die Schultern. »Schwer zu sagen. Die Anzahl der Opfer und die durchgeschnittenen Kehlen sprechen dafür. Anders als vor dreizehn Jahren wurden die Leichen jedoch nicht aufgeschlitzt. Und unter dem Golders Hill gab es keine toten Totenbändigerkinder. Zum Glück.«

»Das muss aber nicht unbedingt was heißen«, gab Nell zu bedenken. »Wenn der Forensikbericht dieser Doktor Monroe besagt, dass der Fundort nicht der Tatort ist, hat der Mistkerl unter Golders Hill vielleicht nur einen Teil der Leichen entsorgt. Keiner sagt, dass die toten Kinder nicht irgendwo anders versteckt sein könnten.«

Leslie nickte zustimmend und fuchtelte dabei mit ihrer Gabel durch die Luft. »Und dass die Leichen diesmal verstümmelt sind, bedeutet entweder, dass der Mistkerl die Verbindung zu damals verschleiern wollte, oder er hat sich in den letzten dreizehn Jahren weiterentwickelt und ist noch perverser geworden. Menschen zu töten und irgendwelche kranken Experimente mit deren Geistern an Totenbändigerkids durchzuführen, reicht ihm vielleicht nicht mehr. Für den Extrakick muss er die Leichen jetzt auch noch aufschlitzen und in ihren Eingeweiden herumwühlen.« Sie steckte sich ihren letzten Burgerbissen in den Mund. »Wäre doch nicht so abwegig, oder? Mich zumindest überrascht bei unseren Mitmenschen so ziemlich gar nichts mehr.«

»Dass der Mistkerl sich weiterentwickelt hat, mag vielleicht hinkommen«, räumte Connor ein. »Aber wenn es wirklich derselbe Täter ist, warum sollte er sich zwei verschiedene Ablageorte für seine Leichen suchen und die Kinder von den anderen trennen? Das wäre doch unnötig kompliziert und der Tunnel unter Golders Hill war ein ziemlich gutes Versteck.«

»Stimmt auch wieder«, gab Leslie zu.

»Das Problem ist, dass wir nicht weiterkommen, solange wir keine neuen Informationen oder einen Verdächtigen finden«, seufzte Sky. »Das Einzige, was wir dank Doktor Monroe sicher wissen, ist, dass der Fundort nicht der Tatort ist und dass die Leute durch den Kehlenschnitt gestorben sind. Vermutlich schon vor einigen Monaten. Da unten im Tunnel ist es trocken und kühl, das hat die Verwesung aufgehalten. Und das macht es schwierig, den genauen Todeszeitpunkt festzustellen. Alles andere sind Vermutungen.«

»Die Fingerabdrücke, die wir von den Leichen genommen haben, waren auch nicht sehr ergiebig«, übernahm Connor. »Die meisten waren nicht im System. Es gab nur zwölf, denen wir einen Namen zuordnen konnten. Das waren jeweils Kleinkriminelle, die irgendwann mal wegen kleinerer Diebstähle, Hehlerei, Ruhestörung im alkoholisierten Zustand oder illegaler Prostitution geschnappt worden sind. Die meisten von ihnen kamen aus dem East End, ob das aber auch für die restlichen Toten gilt, wissen wir nicht.«

»Und wir können nicht mit Leichenfotos durch die Problemviertel ziehen und fragen, ob jemand die Toten kennt und eventuell weiß, wo sie vor ihrem Verschwinden waren, oder ob irgendjemand etwas Ungewöhnliches mit ihnen in Verbindung bringt.« Gabriel knibbelte am Etikett seiner Bierflasche herum. »Unser Commander will nicht, dass die Leute misstrauisch werden und publik wird, dass in London ein irrer Serienkiller herumlaufen könnte.«

»Kann ich verstehen«, meinte Jamal. »So kurz vor der dunklen Jahreszeit in einem Unheiligen Jahr sind die Leute schon nervös genug. Meine Magnesiumblinker verkaufen sich wie wahnsinnig. Mum und Dad kommen mit dem Installieren kaum hinterher. Sollte bekannt werden, dass außer Geistern und Wiedergängern auch noch ein Serienkiller London unsicher macht, drehen die Leute völlig durch. Und dank der tollen neuen Waffengesetzgebung schießt hier dann womöglich jeder auf jeden – und alle auf uns Totenbändiger, denn wir sind schließlich ohnehin ständig schuld an allem.«

Nell runzelte die Stirn. »Die Leute stehen echt auf diese Magnesiumblinker?« Sie warf einen entschuldigenden Blick zu Jamal. »Sorry, ich will deine Erfindung nicht miesmachen oder so, aber mich würde so ein Blinklicht wahnsinnig machen.«

Jamal hatte ein Lichtsystem entwickelt, das man mit einer oder mehreren Magnesiumlampen an Haus, Garage oder im Garten installieren konnte. Da ein Dauerbetrieb von Magnesiumlicht immense Stromkosten verursachte, hatte er ein System zusammengebaut, das mit Intervallen arbeitete. Es brannte für eine Minute, dann schaltete es sich für eine weitere aus. Je nach Gefahrenlage des Hauses konnte man individuelle Intervalle einstellen und da man in eins der Systeme bis zu vier Lampen aufschalten konnte, konnte man sich den Schutz auch mit seinen Nachbarn teilen.

Jamal hob die Schultern. »Ich glaube, das an- und ausgehende Licht vor ihren Fenstern beruhigt die Leute eher, als dass es sie nervt. Und kaum ein Nachbar wird so blöd sein, sich darüber zu beschweren, wenn jemand so einen Blinker an seinem Haus installiert. Schließlich sorgt das Magnesiumlicht ja auch im Umkreis für Sicherheit.«

»Gibt es Prozente für Freunde?«, fragte Connor. »Unsere Nachbarn wollen sich was zum Schutz installieren. Ihre beiden Kids sind vorgestern in ihrer Einfahrt von einem Schatten angegriffen worden.«

Nell riss die Augen auf. »Shit! Sind sie …«

Sky schüttelte den Kopf. »Nein, zum Glück nicht. Es geht ihnen gut. Ella und Cam haben sie gerettet und den Schatten vernichtet.«

»Wow, sehr cool«, meinte Jack anerkennend.

Jamal hatte eine Visitenkarte aus seiner Geldbörse gezogen und schob sie Sky hin. »Wenn die Eltern Interesse haben, sollen sie sich melden und sagen, dass sie eure Nachbarn sind. Wenn ich Mum und Dad erzähle, was mit ihren Kindern passiert ist, dann machen sie ihnen sicher ein faires Angebot.«

»Das ist echt nett.« Sky drückte ihm den Arm. »Danke.«

Jamal schüttelte den Kopf. »Kein Ding. Danke, dass ihr uns von diesem Serienkiller erzählt habt, obwohl euer Boss Stillschweigen darüber angeordnet hat.«

»Wozu hat man Freunde?«, sagte Gabriel. »Ihr seid da draußen genauso oft nachts unterwegs wie wir. Also solltet ihr Bescheid wissen, dass euch außer den Seelenlosen noch jemand anderes gefährlich werden könnte.« Wieder knibbelte er am Etikett seiner Bierflasche herum.

Matt bohrte seinen Blick in Gabriels. »Das ist aber nicht der einzige Grund, warum ihr uns davon erzählt habt.«

Gabriel musste schmunzeln. Sein Ex kannte ihn einfach zu gut.

»Nein. Wir hoffen, dass ihr Augen und Ohren für uns offen haltet. Und vielleicht habt ihr Kontakte, bei denen ihr unauffällig nachfragen könnt, ob ihnen irgendwas Ungewöhnliches aufgefallen ist.«

Matt nickte, ohne ihn aus den Augen zu lassen. »Sicher. Wird allerdings schwierig, wenn wir nicht ins Detail gehen können.«

»Ja, ich weiß«, seufzte Gabriel. »Tut einfach, was ihr könnt, ohne London in eine Serienkillerpanik zu stürzen. Wir sind dankbar für jeden neuen Anhaltspunkt.«

Wieder nickte Matt. »Wir hören uns um. Versprochen.«

Leslie schmiegte sich an ihn und zog sich seinen Arm um die Schultern. »Definitiv. Wir helfen euch, diesen Dreckskerl zu schnappen.«

Auch Jack, Nell und Jamal nickten.

»Danke, Leute.«

»Okay.« Nell zauberte eine Tafel Schokolade aus ihrer Umhängetasche und legte sie für alle auf den Tisch. »Nach Massengrab mit verstümmelten Leichen und Serienkillernews hätte ich jetzt dann gerne was Herzerwärmendes. Ihr habt Familienzuwachs? Aus der Akademie?«

»Yep.« Gabriel erzählte kurz, wie Jaz versucht hatte Granny zu überfallen, was seitdem passiert war und dass sie am Nachmittag in der Akademie gewesen waren und Bekanntschaft mit Cornelius Carlton gemacht hatten.

»Dieser Carlton ist ein arroganter, selbstgefälliger Arsch.« Jack leerte sein Bier, als Gabriel geendet hatte.

Nell nickte. »Das stimmt. Aber vielen imponieren seine jüngsten politischen Erfolge. Und die Idee von Newfield spricht auch etliche an.«

»Also mich nicht«, erklärte Leslie kategorisch. »Für mich klingt das nach einer zweiten Akademie, nur anders verpackt, und aus dem Laden bin ich nicht ohne Grund abgehauen.« Sie schüttelte sich. »Ich finde jedenfalls, ihr habt recht«, sagte sie dann an Sky und Gabriel gerichtet. »Wir sollten ab jetzt zu allen Versammlungen der Gilde gehen und zusehen, dass wir einen Gegenkandidaten zu Carlton pushen. Sollte das mit dem Sitz im Stadtrat klappen, will ich nicht, dass der Typ uns in ganz London vertritt. Der ist schon als Schulleiter schrecklich, wie er als Stadtrat wäre, will ich mir gar nicht vorstellen. Vielleicht können wir ja tatsächlich eure Mum überreden, sich als Gegenkandidatin aufstellen zu lassen. Sie fänd ich klasse.«

Sky hob die Schultern. »Ich auch, aber ich glaube, sie will erst mal abwarten, ob die Leute sie als Repräsentantin wählen, bevor sie weiterdenkt.« Sie schaute hinüber zur Theke. »Lorna wäre als Gegenkandidatin aber auch nicht schlecht. Oder Eddie. Ihn mag jeder. Und durch das Mean & Evil hätten sicher beide gute Chancen, weil jeder sie kennt und sie sicher viele Stimmen für sich gewinnen könnten.«

»Das stimmt. Und sie hassen Carlton.« Jack sah von seinen Eltern zu seinen Geschwistern. »Wir sollten mal mit den beiden reden.«

»Yep. Gleich morgen«, entschied Matt und Nell nickte.

»Außerdem sollten wir uns mal umhören, was die Leute so über Newfield zu erzählen haben.« Leslie strich sich ihre widerspenstigen Locken aus dem Gesicht. »Mir ist das Ganze nämlich ziemlich suspekt.«

»Ja, mir auch.« Gabriel trank sein Bier aus.

Matt grinste hinterlistig. »Vielleicht sollten wir dem Laden mal einen Besuch abstatten.« Sein Arm lag noch immer um Leslies Schulter und er spielte mit einer ihrer Locken. »So ein kleiner Wochenendtrip aufs Land soll ja echt schön sein. Und vielleicht sind die Leute auf der Farm ja schwer begeistert, wenn sie uns dort ein bisschen herumführen dürfen.«

»Ich bin dabei«, sagte Sky. »Allerdings ist nächstes Wochenende Vollmond, da geht es nicht. Und dann ist Äquinoktium, da wird bei uns im Job auch die Hölle los sein.«

»Wir planen das einfach spontan und warten erst mal die Unheilige Nacht ab«, schlug Leslie vor. »Im Frühling waren die Seelenlosen ja auch danach noch eine ganze Weile ziemlich aktiv.«

»Klingt nach einem guten Plan.«

»Was habt ihr heute noch vor?«

»Nicht mehr viel«, seufzte Sky müde. »Heim und früh ins Bett.«

»Yep.« Connor verzog das Gesicht. »Wir haben morgen Frühschicht und sollen in der Dämmerzeit möglichst viele Geister vernichten, damit unser Stadtteil nach dem verdammten Mauerbau in Westminster wieder sicherer wird.«

»Hör mir auf mit dem Scheißding, sonst krieg ich Blutdruck«, brummte Jamal und raffte seine Sachen zusammen. »Ich muss jetzt auch langsam los. So nett wie es wiedermal mit euch war, Leute, ich will zu Hause noch ein paar Sachen zusammenschrauben.«

Matt suchte Gabriels Blick. »Wie sieht’s aus? Mal wieder Lust auf eine Nacht mit Les und mir? Nach dem Stress in dieser Woche tut dir ein bisschen Spaß sicher ganz gut.«

 

»Genau, komm mit uns«, meinte Leslie sofort.

Gabriel hob eine Augenbraue. »Habt ihr gehört, was Connor gerade gesagt hat? Ich muss im Morgengrauen raus.«

Matt zuckte leichthin mit den Schultern. »Wenn du aufstehst, ohne mich zu wecken, ist mir das völlig egal.«

Connor stand vom Tisch auf und klopfte Gabriel vielsagend auf die Schulter. »Viel Spaß. Aber stell dir den Handywecker.« Er grinste fies. »Sky und ich holen dich um fünf Uhr ab.«

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